SG Marburg, Gerichtsbescheid vom 05.06.2020 - S 12 KA 317/19
Fundstelle
openJur 2020, 47958
  • Rkr:

1. Es besteht kein genereller Anspruch, alle im Zusammenhang mit der Einführung bzw. Veränderung der Telematikinfrastruktur entstehenden Kosten ersetzt zu erhalten. § 291a SGB V ist eine vollständige Übernahme der tatsächlich entstandenen Kosten nicht zu entnehmen.

2. Die Pauschalen müssen nicht kostendeckend im Sinne einer Vollkostenerstattung sein. Die in Anlage 2 zur Anlage 32 zum BMV-Ä aufgeführten Pauschalen sind nicht zu beanstanden (vgl. SG München, Beschl. v. 22.03.2019 - S 38 KA 52/19 ER - juris Rdnr. 23).

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 2.067,37 € festgesetzt

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen um 2.067,37 € höheren Förderbeitrag für die notwendigen Kosten einer Ersteinrichtung der Telematikinfrastruktur sowie die Pauschalen ab dem Quartal I/18.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Die Beklagte übersandte der Klägerin mit Datum vom 22.11.2018 einen Nachweis über die Höhe der Förderbeträge für die Telematikinfrastruktur in ihrer Praxis für das Quartal III/18. Danach erhielt die Klägerin für die Erstausstattung und Inbetriebnahme der Telematikinfrastruktur 3.404,00 € und für die Kosten des laufenden Betriebs der Telematik 98,17 €, insgesamt 3.502,17 €.

Die Klägerin wandte darauf mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.11.2018 ein, sie habe bereits im Februar 2018 alle nötigen Geräte bestellt und alle weiteren Vorkehrungen getroffen, um bereits im ersten Quartal 2018 Abrechnungen mit der Telematik Infrastruktur vornehmen zu können. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten und Fehlerhaftigkeit der Geräte sei eine Abrechnung erst ab dem vierten Quartal 2018 über die Telematikinfrastruktur möglich geworden. Bei einer Abrechnung ab dem ersten Quartal 2018 hätten ihr Fördergelder in Höhe von insgesamt 4.140,08 € zugestanden. Für den dauerhaften Internetbetrieb, Aktualisierung des Internets, fehlender Kündigungsmöglichkeit des bestehenden Telemed Kommunikationsvertrags und des SMCB-Praxisausweises seien weitere Kosten entstanden. Insgesamt ergebe sich eine Deckungslücke in Höhe von 2.067,37 €, deren Auszahlung sie fordere.

Die Klägerin legte mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 06.12.2018 förmlich Widerspruch gegen den Fördernachweis vom 22.11.2018 Widerspruch ein.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2019 den Widerspruch als unbegründet zurück. In den Bescheidgründen führte sie aus, die Förderbeträge richteten sich nach der "Vereinbarung zur Finanzierung und Erstattung der bei den Vertragsärzten entstehenden Kosten im Rahmen der Einführung und des Betriebes der Telematikinfrastruktur". In § 2 der Vereinbarung seien als notwendige Komponenten für die Telematikinfrastruktur die Online-Anbindung an die zentrale Telematikinfrastruktur, ein Konnektor, stationäre eHealth-Kartenterminals, Praxisausweis, Smartcard Heilberufeausweis sowie ggf. ein mobiles Kartenterminal beschrieben, deren Kostenerstattung sich nach den Vorschriften der Finanzierungsvereinbarung richte. Gemäß § 3 der Vereinbarung seien auch Betriebskosten für den laufenden Betrieb der Telematikinfrastruktur zu erstatten. Hierzu gehörten der Zugangsdienst für die Online-Anbindung, der Betrieb des Konnektors und ggf. mobiler Kartenterminals und der Erhalt der Funktionsfähigkeit von HSM-B (Hardware Security Module), SMC-B-Smartcards (Praxisausweis) und HBA-Smartcards (Elektronischer Heilberufeausweis). Bereits in der Auf den Punkt-Ausgabe Nr. 3/2018 sei darauf hingewiesen, dass Vertragsarztpraxen bei den Angeboten für die Erstausstattung und den laufenden Betrieb der Telematikinfrastruktur darauf achten sollten, dass die Kosten mit der Erstausstattungspauschale gedeckt seien. Sie könne insoweit nur die Erstattung bis zu einem bestimmten pauschalierten Höchstbetrag zuerkennen und nicht die im Einzelfall höher liegenden Ausstattungs- und Betriebskosten. Die Pauschalen betrügen nach Anlage 2 Punkt 2 zur Finanzierungsvereinbarung im Quartal III/18 für die Erstausstattung in einer Praxis mit weniger als drei Vertragsärzten 2.154,00 €. Hinzu kämen entsprechend Punkt 3 der Anlage eine Startpauschale für die Einrichtung der Telematikinfrastruktur in Höhe von 900,00 € sowie die Förderung für ein mobiles Kartenterminal in Höhe von 350,00 €. Zusammen ergebe sich hieraus die aus der ersten Zeile des Förderungsnachweises ersichtliche Fördersumme von 3.404,00 €. Für die laufenden Betriebskosten sehe die Finanzierungsvereinbarung in Anlage 2 Punkt 3 für das Quartal III/18 eine Pauschale von 248,00 € vor. Diese Pauschale werde in Fall der Klägerin nur anteilig erstattet. § 5 Abs. 2 Satz 1 der Finanzierungsvereinbarung regele, dass eine Vertragsarztpraxis Anspruch auf Erstattung der Kosten für die erforderliche Ausstattung und der für die Nutzung der Telematikinfrastruktur relevanten Betriebskosten habe, solange sie an der Telematikinfrastruktur angeschlossen sei und die gesetzlich vorgeschriebene Anwendung des Versichertenstammdatenmanagements (VSDM) nutze. § 7 Abs. 4 der Finanzierungsvereinbarung lege darüber hinaus fest, dass sich die Pauschalen für den Zugangsdienst sowie den Praxis- und den Heilberufeausweis im ersten Quartal der Nutzung um ein Drittel für jeden vollen Monate reduziere, in dem die Anwendung noch nicht genutzt werde. Eine Förderung bereits ab dem Quartal I/18 komme nach der Finanzierungsvereinbarung nicht in Betracht. Vielmehr stelle diese ausschließlich auf die erste erfolgte Anwendung als Stichtag ab. Den ersten Versichertenstammdatenabgleich habe die Klägerin am 29.09.2018 vorgenommen. Somit werde für die Monate Juli und August 2018, in dem Sie die Telematik noch nicht genutzt habe, je ein Drittel der Pauschale abgezogen. Die Klägerin erhalte demnach eine Pauschale für die Betriebskosten des Telematikzugangs in Höhe von 82,67 €. Hinzu komme die Pauschale für die Nutzung von zwei Praxisausweisen in Höhe von je 23,25 €, die ebenfalls um ein Drittel gekürzt werde. Die Ausweispauschale betrage damit 15,50 €. Daraus ergebe sich die Summe von 98,17 €, die als Betriebskosten im Nachweis ausgewiesen seien. Die Kosten für den Betrieb der HBA-Smartcard (Heilberufeausweis) könnten im Quartal III/18 hingegen nicht erstattet werden, da die Klägerin keine entsprechend förderungsfähige Karte nachgewiesen habe. Soweit die Klägerin die Telematik-Hardware aufgrund von technischen Mängeln nicht habe früher nutzen können, könne dies nicht zu ihren (KV Hessen) Lasten gehen, sondern sei ggf. bei dem Hardware-Anbieter geltend zu machen. Gleiches gelte für eine erst nach Einführung der Telematik mögliche Kündigung des bisherigen Softwarevertrages.

Hiergegen hat die Klägerin am 02.09.2019 die Klage erhoben. Ergänzend zu ihren Ausführungen im Verwaltungsverfahren trägt sie vor, sie sei gesetzlich verpflichtet. in ihrer Praxis eine Telematikinfrastruktur einzuführen. Für die Einführung würden Förderbeiträge gezahlt. Diese seien gestaffelt nach dem Zeitpunkt der Einführung. Darüber hinaus sollten mit den Förderbeträgen alle notwendigen Kosten für die Einführung abgedeckt sein, sodass die Einführung für die Ärzte mit keinen finanziellen Belastungen verbunden sei. Sie habe bereits im Februar 2018 alle nötigen Geräte bestellt und alle weiteren Vorkehrungen getroffen, um bereits im ersten Quartal 2018 Abrechnungen mit der Telematik Infrastruktur vornehmen zu können. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten der Geräte seien diese jedoch erst Mitte September 2018 geliefert worden, sodass Abrechnungen erst ab dem vierten Quartal 2018 hätten vorgenommen werden können. Die gelieferten Geräte hätten auch noch Mängel aufgewiesen, weshalb keine Abrechnung über die Telematik Infrastruktur möglich gewesen sei. Nach den gesetzlichen Vorgaben hätten ihr bei Abrechnung ab dem ersten Quartal 2018 Förderungsmittel in Höhe von insgesamt 4.140,08 € zugestanden. Tatsächlich seien ihr jedoch nur 3.502,17 € als Pauschale ausgezahlt, da von einem Beginn im dritten Quartal 2018 ausgegangen werde. Darüber hinaus habe sie bereits erhebliche über die Pauschalen hinausgehende Beträge zu leisten gehabt, um die Telematik Infrastruktur in ihrer Praxis überhaupt einsetzen zu können. Aufgrund der neuen Telematik sei ihre Praxis nunmehr dauerhaft mit dem Internet verbunden, da die Technik ansonsten nicht funktioniere und keine Übermittlungen vorgenommen werden könnten. Aufgrund dessen habe ein weiterer Servicevertrag abgeschlossen werden müssen, der "Hacker-Angriffe" verhindere. Hierfür müsse sie monatlich 25,00 € zusätzlich aufwenden. Ferner hätte sie das Internet in der Praxis ebenfalls auf den neusten Stand bringen müssen. Hierfür seien Kosten in Höhe von 783,26 € angefallen. Ferner habe sie einen bestehenden Telemed Kommunikationsvertrag erst mit Wirkung für Januar 2018 kündigen können, da zu diesem Zeitpunkt die Information über die Einführung der Telematik an die Ärzte übermittelt worden sei. Ein Sonderkündigungsrecht sei ihr nicht eingeräumt worden. Die Kündigung sei daher erst zum 01.01.2019 wirksam geworden. Sie habe daher für die Monate Oktober, November und Dezember die Kosten der Telemed Kommunikation weiter zu tragen gehabt, obwohl sie diese nicht mehr genutzt habe. Hierfür seien Kosten in Höhe von 75,00 € angefallen. Darüber hinaus habe sie für den SMCB Praxisausweis, der ebenfalls zwingend benötigt werde, Kosten in Höhe von 571,20 € aufwenden müssen. Bei einer lediglich anteiligen Rückführung in Höhe von ca. 23 € pro Monat müsse sie die Anschaffung über zwei Jahre vorfinanzieren. Sie habe einmalig 783,26 € für die Installation des neuen Routers sowie eine Firewall begleichen müssen. Hinzu kämen monatliche Kosten für die Wartung des Routers von 25 €. Insgesamt habe sie somit einen Betrag in Höhe von 5.569,54 € aufgewandt, um die Telematik Infrastruktur in ihrer Praxis einzuführen. Im Vergleich zur ausgezahlten Pauschale in Höhe von 3.502,17 ergebe sich eine Deckungslücke in Höhe von 2.067,37 €. Vor dem Hintergrund, dass für die Kassenärzte gerade keine weiteren Kosten anfallen sollten, könne es sich bei § 2 der Vereinbarung zur Finanzierung der Erstattung der bei den Vertragsärzten entstehenden Kosten im Rahmen der Einführung und des Betriebes der Telematikinfrastruktur nicht um eine abschließende Aufzählung handeln, da in jeder Praxis andere Gegebenheiten vorzufinden seien. Die Aufzählungen in § 2 der Vereinbarung dienten daher lediglich der Klarstellung, welche Komponenten zwingend als notwendig anzusehen seien. Sie habe keine unnötigen Mehrkosten verursacht. Sie sei eine der ersten Praxen gewesen, die die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hätten und sich an der Telematik beteiligen wollten. Die Verzögerung sei alleine auf Ursachen zurückzuführen, die nicht durch sie verursacht worden seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 31.07.2019 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, einen um 2.067,37 € höheren Förderbeitrag für ihre notwendigen Kosten für die Ersteinrichtung der Telematikinfrastruktur zu bewilligen, ferner die Pauschalen ab dem Quartal III/18 in Höhe der Pauschalen ab dem Quartal I/18 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist unter weitgehender Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid weiterhin der Auffassung, eine Förderung komme aufgrund der erstmaligen Anwendung des Versichertenstammdatenmanagements im September 2018 erst ab diesem Monat (September 2018) in Betracht. Ergänzend trägt sie vor, der Praxisausweis (SMC-B-Karte) werde für die Praxen zur Registrierung als medizinische Einrichtung benötigt. Der elektronische Heilberufeausweis könne ebenfalls über die Terminals eingelesen werden. Er sei für den Zugang zur Telematikinfrastruktur nicht obligatorisch, jedoch für bestimmte - noch kommende Anwendungen wie das Notfalldatenmanagement - erforderlich. Bereits jetzt werde der Ausweis für die qualifizierte elektronische Signatur benötigt, etwa für den eArztbrief, für Laborüberweisungen oder Anforderungen von Telekonsilien. Er könne bei der jeweiligen Landesärztekammer bzw. Psychotherapeutenkammer beantragt werden. Für den eHBA erhielten Vertragsärzte eine Pauschale von 11,63 € je Quartal. Das decke die Hälfte der Kosten ab. Die Kosten für die HBA-Smartcard (Heilberufeausweis) könnten der Klägerin jedoch ohnehin nicht im Quartal III/18 erstattet werden, da sie keine entsprechend förderungsfähige Karte nachgewiesen habe. Was die SMC-B-Karte betreffe, sei eine Finanzierung dahingehend vorgesehen, dass für diese je Quartal (einmal pro Praxis) 23,25 € erstattet würden. Damit seien die Kosten komplett abgedeckt. Für ein mobiles Kartenterminal werde ein weiterer Praxisausweis finanziert. Insofern sei eine Kostendeckung gegeben bzw. für den von Gesetzes wegen vorgesehenen Pflichtbetrieb der Telematikinfrastruktur seien die geförderten Komponenten ausreichend. Die monatlichen Kosten für den VPN-Zugangsdienst (Internet) seien durch die quartalsweise ausgezahlte Pauschale für den laufenden Betrieb abgegolten. Diese Pauschale belaufe sich auf 248 € je Quartal. In dieser Pauschale seien auch die Kosten für die Wartung und nötige Updates des Konnektors mitberücksichtigt. Im Übrigen seien die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb eines Internetanschlusses bereite zu den allgemeinen Praxiskosten einer Praxis zu zählen und insofern auch schon in den Gebührenordnungspositionen des EBM enthalten. Insofern sei eine gesonderte Vergütung des Internetanschlusses durch die Finanzierungsvereinbarung der Telematikinfrastruktur konsequenterweise nicht vorgehsehen. Sie sei damit nicht Bestandteil der vereinbarten Pauschalen für die Erstausstattung und die Betriebskosten. Der Gesetzgeber verpflichte die Vertragsärzte nach § 291 Abs. 2b Satz 4 SGB V dazu, den Onlineabgleich und die Onlineaktualisierung der auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeicherten Daten sicherzustellen. Unabhängig davon, ob der Gesetzgeber die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte überhaupt zulässigerweise verpflichten könne, dergestalt an der Anwendung der Praxis an die Telematikinfrastruktur teilzunehmen, so sei zumindest die Höhe der Erstattung der KV für die Kosten der erforderlichen Erstausstattung, für die Betriebskosten sowie für weitere Aufwendungen wie z.B. ein PVS-Update, Installation, Schulung, Ausfallzeiten und zusätzlichen Aufwand in der VSDM-Startphase zu überprüfen. Nach der normativen Vorgabe des § 291a SGB V seien die Kosten der Anbindung an die Telematikinfrastruktur in der Höhe der entstandenen Kosten zu übernehmen. Einschränkungen ergäben sich lediglich bzgl. verschiedener Komponenten, jedoch nicht dahingehend, dass mit den gezahlten Pauschalen die Ausstattung abgegolten sein solle. Es sei völlig irrelevant, ob die Telematikinfrastruktur-Finanzierungsvereinbarung zwischenzeitlich angepasst worden sei. Vielmehr ergebe sich daraus, dass die geplanten Pauschalen gerade nicht ausreichend gewesen seien, um die Vertragsärzte ohne weitere Kosten an die Telematikinfrastruktur anzubinden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 06.05.2020 angehört.

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagten vom 22.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 31.07.2019 ist rechtmäßig und war daher nicht abzuändern. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen um 2.067,37 € höheren Förderbeitrag für ihre notwendigen Kosten für die Ersteinrichtung der Telematikinfrastruktur sowie die Pauschalen ab dem Quartal III/18 in Höhe der Pauschalen ab dem Quartal I/18. Die Klage war abzuweisen.

Anspruchsgrundlage für den Förderbeitrag ist die Vereinbarung zur Finanzierung und Erstattung der bei den Vertragsärzten entstehenden Kosten im Rahmen der Einführung und des Betriebes der Telematikinfrastruktur gemäß § 291a Absatz 7 Satz 5 SGB V sowie zur Abbildung nutzungsbezogener Zuschläge gemäß § 291a Absatz 7b Satz 3 SGB V vom 14. Dezember 2017 in der Fassung vom 18. Dezember 2019 (Anlage 32 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte <BMV-Ä> - TI-Finanzierungsvereinbarung) (im Folgenden: TI-FVb).

§ 2 Abs. 1, 3 und 4, § 6 i.V.m. der Anlage 2 und 5 TI-FVb regeln die Ausstattungsanforderungen und Kostenerstattungen für die erforderliche Komponenten zur Herstellung der Funktionsfähigkeit, §§ 3, 7 i.V.m. der Anlage 2 und 5 TI-FVb die Erstattung der Betriebskosten. Auf der Grundlage dieser Regelungen hat die Beklagte der Klägerin für die Erstausstattung der Praxis eine Fördersumme von 3.404,00 € und für die laufenden Betriebskosten für das Quartal III/18 weitere 98,17 € bewilligt.

Soweit die Klägerin einen weitergehenden Anspruch geltend macht, fehlt es hierfür an einer Rechtsgrundlage in der TI-Finanzierungsvereinbarung.

Die Klägerin macht folgende weitere Positionen geltend:

Position

GeltendgemachterAnspruchin €

BewilligterBetragin €

Deckungs-lückein €

Erstausstattung Konnektor und stationäres Kartenterminal

2.557,20

2.154,00

Mobiles Kartenterminal

350,00

350,00

TI-Startpauschale

900,00

900,00

Pauschaler Förderungsbetrag für Betriebskosten, für Wartung, Konnektor und VPN-Zugangsdienst

298,00

82,67

Praxisausweis (SMC-B Smartcard)

23,25

15,50

eHBA (HBA-Smartcard)

11,63

0

Gesamt

4.140,08

3.502,17

637,91

Servicevertrag monatlich

25,00

Internet

783,26

Kündigung Telemed Kommunikation-Vertrag

75,00

SMCB Praxisausweis

571,20

Gesamt

2.092,37

Der geringere Erstattungsbetrag für die Erstausstattung mit einem Konnektor und stationärem Kartenterminal - 2.154,00 € anstatt 2.557,20 € folgt aus der Anlage 2: Pauschalen für die Erstattung der Kosten zum TI-Finanzierungsvereinbarung. Nach Absatz 2 Satz 1 Anlage 2 TI-FVb ist die Höhe der Pauschale für die Erstausstattung - neben der Anzahl der Ärzte - abhängig vom Quartal der erstmaligen Nutzung der Anwendung gemäß § 291 Absatz 2b Satz 1 SGB V i. V. m. der Anlage 4a zum Bundesmantelvertrag-Ärzte. Bei der erstmaligen Nutzung im Quartal III/18 beträgt die Pauschale den von der Beklagten festgesetzten Betrag in Höhe von 2.154,00 €. Die Klägerin behauptet nicht, die Ausstattung bereits im Quartal I/18 benutzt zu haben. Dies war ihr auch aufgrund der erst späteren Lieferung auch nicht möglich. Maßgeblich ist nach der TI-Finanzierungsvereinbarung aber allein die Nutzung und nicht das Bestelldatum. Ausnahmen hiervon sieht die TI-Finanzierungsvereinbarung nicht vor.

Für die laufenden Betriebskosten sieht die TI-Finanzierungsvereinbarung in Anlage 2 Absatz 3 für den Betriebsbeginn im Quartal III/18 eine Pauschale von 248,00€ vor. Die Beklagte ist zutreffend von diesem Pauschalbetrag ausgegangen, weil ein früherer Betriebsbeginn nicht vorliegt und es auch diesbezüglich nicht auf das Bestelldatum ankommt und Ausnahmen hiervon von der TI-Finanzierungsvereinbarung nicht vorgesehen sind. Die Beklagte hat ferner diesen Pauschalbetrag nur in Höhe von 2/3 (82,67 €) erstattet, weil der Betrieb mit der TI-Ausstattung in den Monaten Juli und August 2018 noch nicht gelaufen ist. Dies war von der Kammer nicht zu beanstanden. Nach § 3 TI-FVb werden nur die Kosten, die der Vertragsarztpraxis im laufenden Betrieb der Telematikinfrastruktur mit den Komponenten nach § 2 Absatz 1 in der Vertragsarztpraxis entstehen (Betriebskosten) gemäß § 7 i. V. m. der Anlage 2 erstattet. Bereits nach dieser Vorschrift setzt die Betriebskostenerstattung den Betrieb der TI-Ausstattung voraus. Soweit nach § 7 Abs. 1 TI-FVb die Betriebskosten der Vertragsarztpraxis gemäß § 3 Absatz 1 lit. a. bis e. werden durch Zahlung einer Betriebskostenpauschale gemäß der Anlage 2 ggf. zuzüglich des Zuschlags der Anlage 5 dieser Vereinbarung quartalsweise erstattet wird, betrifft der Begriff "quartalsweise" nur die Abrechnungsweise. Es reicht daher nicht aus, dass der Betrieb für die volle Quartalspauschale nur wenigstens einen Tag laufen muss. Den ersten Versichertenstammdatenabgleich hat die Klägerin erst am 29.09.2018 vorgenommen. Entsprechend besteht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 TI-FVb der Anspruch auf die Erstattung der Kosten für die erforderliche Ausstattung gemäß § 2 und der für die Nutzung der Telematikinfrastruktur relevanten Betriebskosten gemäß § 3 nur, solange die Praxis an die Telematikinfrastruktur angeschlossen ist und die gesetzlich vorgeschriebene Anwendung gemäß § 291 Absatz 2b Satz 1 SGB V i. V. m. der Anlage 4a zum Bundesmantelvertrag-Ärzte nutzt.

Für die Kosten für den Praxisausweis (SMC-B Smartcard) (§ 3 Abs. 1 lit. f TI-FVb) verweist § 7 Abs. 2 TI-FVb die Zahlung einer Betriebskostenpauschale gemäß der Anlage 2 vor. Die Tabelle in Anlage 2 Absatz 3 TI-FVb sieht eine Pauschale für die Betriebskosten einer SMC-B Smartcard gemäß § 3 Absatz 1 lit. f. i. V. m. § 7 Absatz 2, quartalsweise je SMC-B-Smartcard, in Höhe von 23,25 € vor. Für den Praxisausweis (SMC-B Smartcard) nach § 3 Abs. 1 lit. f TI-FVb gelten, da ihre Kosten von der TI-FVb als Betriebskosten erfasst werden, auch die Regelungen zu den Betriebskosten. Wie vorstehend dargelegt, kann jedenfalls eine anteilige Kürzung der Pauschale für die Monate erfolgen, in denen die Telematikinfrastruktur noch nicht genutzt wurde. Die Kostenerstattung ist im Übrigen auf die monatliche Pauschale begrenzt. Von daher fehlt es an einer Rechtsgrundlage für die Erstattung der einmalig verauslagten Anschaffungskosten.

Die Tabelle Anlage 2 Absatz 3 TI-FVb sieht eine Pauschale für die Betriebskosten einer HBA-Smartcard (eHBA) gemäß § 3 Absatz 1 lit. g. i. V. m. § 7 Absatz 3, quartalsweise je HBA-Smartcard, in Höhe von 11,63 € vor. Die Beklagte hat diese Kosten nicht erstattet, weil die Klägerin im Quartal III/18 keine entsprechend förderungsfähige Karte nachgewiesen hat. Dem hat die Klägerin nicht widersprochen.

Soweit die Klägerin für den dauerhaften Internetbetrieb, Aktualisierung des Internets und Mehrkosten aufgrund fehlender Kündigungsmöglichkeit des bestehenden Telemed Kommunikationsvertrags weitere Kosten geltend macht, fehlt es an einer Anspruchsgrundlage.

Die TI-Finanzierungsvereinbarung beruht auf § 291a Abs. 7 Satz 5 SGB V. Danach haben die Bundesmantelvertragsparteien eine Vereinbarung zur Finanzierung der erforderlichen erstmaligen Ausstattungskosten, die den Leistungserbringern in der Festlegungs-, Erprobungs- und Einführungsphase der Telematikinfrastruktur sowie der Kosten, die den Leistungserbringern im laufenden Betrieb der Telematikinfrastruktur, einschließlich der Aufteilung dieser Kosten auf die in den Absätzen 7a und 7b genannten Leistungssektoren, entstehen, zu treffen. Nach § 291a Abs. 7b Satz 1 und 2 SGB V erhalten zum Ausgleich der Kosten nach Absatz 7 Satz 5 die in diesem Absatz genannten Leistungserbringer nutzungsbezogene Zuschläge - bzw. seit 19.12.2019 "Erstattungen" - von den Krankenkassen. Das Nähere zu den Regelungen der Vereinbarung nach Absatz 7 Satz 5 für die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten sowie medizinischen Versorgungszentren vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen in den Bundesmantelverträgen.

Damit hat der Gesetzgeber die Ausgestaltung der Finanzierung der Telematikinfrastruktur den Bundesmantelvertragsparteien überlassen. Insbesondere besteht kein genereller Anspruch, alle im Zusammenhang mit der Einführung bzw. Veränderung der Telematikinfrastruktur entstehenden Kosten ersetzt zu erhalten. Den genannten gesetzlichen Regelungen ist eine vollständige Übernahme der tatsächlich entstandenen Kosten nicht zu entnehmen.

Die Pauschalen müssen nicht kostendeckend im Sinne einer Vollkostenerstattung sein. Derartiges ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung hierzu (vgl. BT-Drs. 15/4924, S. 10). Es soll ein Anreiz geboten werden, telematische Anwendungen zu nutzen. Die Bundesmantelvertragspartner vereinbaren das Nähere zur Refinanzierung, insb. hinsichtlich der Zuschlagshöhe, der zeitlichen Dauer und des Verfahrens, mit bindender Wirkung für ihre jeweiligen Mitgliedsorganisationen (vgl. BT-Drs. 15/4924, S. 10). Es handelt sich um eine Anschubfinanzierung in Form von Pauschalen, was nicht zuletzt aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung zweckdienlich erscheint. Dabei kann die Pauschale, die einen Geldbetrag darstellt, durch den eine Leistung, die sich aus verschiedenen Positionen zusammensetzt, abgegolten wird, über den Ausgaben für das notwendige Equipment liegen, aber auch darunter. Unvereinbar mit der gesetzlichen Regelung des § 291a Abs. 7 Satz 5 und § 291a Abs. 7b Satz 3 SGB V und mit dem Willen des Gesetzgebers wäre lediglich, wenn die Finanzierungsvereinbarung nur eine symbolische Kostenerstattung in niedriger Höhe enthielte. Davon kann aber bei den in Anlage 2 zur Anlage 32 zum BMV-Ä aufgeführten Pauschalen nicht die Rede sein (vgl. SG München, Beschl. v. 22.03.2019 - S 38 KA 52/19 ER - juris Rdnr. 23).

Von daher bestehen keine Bedenken, dass die TI-Finanzierungsvereinbarung lediglich Pauschalen als Grundlage einer Erstattung vorsieht. Diese Pauschalen decken die Kosten der Einführung und des Betriebs im Wesentlichen ab. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass nach der TI-Finanzierungsvereinbarung Anreize durch an die Einführung der Ausstattung gekoppelte Pauschalen für den schnellen Ausbau und Betrieb der Telematikinfrastruktur geschaffen werden. Soweit die Klägerin nur geringere Pauschalen erhält, weil die Pauschalen nicht auf das Bestelldatum, sondern an die Inbetriebnahme anknüpfen, so wird sie dadurch nicht in ihren Rechten verletzt. Die Ausstattung einer Praxis, Verwendung der Software und Beschaffung der notwendigen Ausrüstungsgegenstände fällt in den Verantwortungsbereich des Vertragsarztes. Er bestimmt, was er verwendet und zu welchen Bedingungen er die Ausstattungsgegenstände einkauft. Lieferverzögerungen betreffen daher ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen Vertragsarzt und Lieferanten bzw. Hersteller. Ggf. hat sich der Vertragsarzt gegenüber den Lieferanten vertraglich abzusichern (vgl. SG Marburg, Urt. v. 08.09.2010 - S 12 KA 732/09 - juris Rdnr. 34). So fällt die verspätete Lieferung an die Klägerin jedenfalls nicht in die Sphäre der Beklagten. Dies gilt auch für Kündigungsfristen für laufende Verträge. Soweit der Klägerin allgemeine Kosten im Rahmen der Internet-Ausstattung entstanden sind oder entstehen, handelt es sich um allgemeine Praxiskosten, für die ein Vertragsarzt grundsätzlich selbst aufzukommen hat. Der Gesetzgeber hat hiervon durch die genannten Regelungen lediglich in einem begrenzten Rahmen abgesehen, um die Einführung einer verbesserten Telematikinfrastruktur zu beschleunigen.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG). Der wirtschaftliche Wert folgt aus dem geltend gemachten Betrag. Dies ergab den festgesetzten Wert.

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