VG Sigmaringen, Urteil vom 13.07.2020 - 4 K 5248/19
Fundstelle
openJur 2020, 68962
  • Rkr:

1. § 85 Abs. 1 Satz 1 SchG BW beinhaltet eine Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts, der die Eltern schulpflichtiger Kinder verpflichtet, dass sie die Anmeldung zur Schule vornehmen und dafür Sorge tragen, dass diese am Unterricht und an den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnehmen und sich der Schulordnung fügen.

2. a. Die Schulpflicht muss durch den Besuch einer Schule erfüllt werden.b. Aus der historischen Auslegung des § 76 Abs. 1 Satz 1 SchG und unter Berücksichtigung des Art. 14 Abs. 1 LV BW ergibt sich, dass Heimunterricht zur Erfüllung der Schulpflicht nicht genügt.

3. a. Der bloße Wunsch der Fortführung einer im Ausland begonnenen internationalen Ausbildung führt nicht dazu, dass der Schulbesuch überhaupt unmöglich ist oder nur mit unvertretbarem Aufwand bewerkstelligt werden kann, so dass aufgrund dessen keine Befreiung von der Schulpflicht zu erteilen ist.b. Eine gegebenenfalls entgegenstehende rechtswidrige Befreiungspraxis kann auch unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Befreiung vermitteln.

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Kläger zu 1. und 2. wenden sich gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums T., mit der sie dazu aufgefordert wurden, drei ihrer Kinder (die Kläger zu 3. bis 5.) an einer Schule anzumelden und dafür Sorge zu tragen, dass sie diese regelmäßig besuchen, und in der ein Zwangsgeld i.H.v. 1.000 Euro pro Kind angedroht wurde. Sie begehren des Weiteren eine Förderung pro Kind i.H.v. 1.400 Euro pro Kind sowie - zusammen mit den Klägern zu 3. bis 5. - deren Befreiung von der Schulpflicht.

Die Kläger zu 1. und 2. sind die Eltern von S. B. (geb. am ...), der Klägerin zu 3., A. B. (geb. am ...), der Klägerin zu 4., und D. B. (geb. am ...), dem Kläger zu 5. Die Kläger zu 3. bis 5. besuchen derzeit keine Schule. Die Familie lebte bis August 2017 in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA), wo die Kläger zu 3. bis 5. eine Montessori-Schule und eine Waldorfschule besuchten. Nach Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland besuchten sie zunächst die Freie T. Waldorfschule. Seit 01.08.2018 werden sie zu Hause unterrichtet.

Mit Schreiben vom 20.12.2018 des Staatlichen Schulamts T. wurden die Kläger zu 1. und 2. darauf hingewiesen, dass ihre Kinder S., A. und D. schulpflichtig seien und sie als Erziehungsberechtigte dafür Sorge zu tragen hätten, dass diese Schulpflicht erfüllt werde. Des Weiteren wurden sie zur Einleitung eines Zwangsgeldverfahrens durch das Regierungspräsidium T. angehört. In einem Gespräch bei dem Staatlichen Schulamt T. wurde die Klägerin zu 1. erneut auf die bestehende Schulpflicht hingewiesen. Mit Schreiben vom 23.01.2019 wurden die Kläger zu 1. und 2. zudem darauf hingewiesen, dass die Deutsche Fernschule keine genehmigte Ersatzschule sei und aufgrund dessen die Schulpflicht dort nicht erfüllt werden könne. Die Kläger zu 1. und 2. wurden erneut aufgefordert, ihre Kinder bis zum 31.01.2019 an einer öffentlichen Schule anzumelden, andernfalls würde ein Zwangsgeldverfahren eingeleitet.

Mit Schreiben vom 30.01.2019 an das Regierungspräsidium T. äußerten sich die Kläger zu 1. und 2. zu der Schulpflicht ihrer Kinder und zu dem weiteren Vorgehen. Sie unterbreiteten das Angebot, ihre Kinder an der Deutschen Fernschule für die Fächer Mathematik und Deutsch bzw. am Institut für Lernsysteme (ils) anzumelden. Eine religiös ausgerichtete Schule sowie eine Ganztagsschule kämen für sie nicht in Betracht. Da ihre Kinder an den Schulen in den USA die Erfahrung von individueller Förderung und Forderung gemacht hätten, sei dies für sie selbstverständlich. An der Freien Waldorfschule T. hätten ihre Kinder die Freude am Lernen verloren und seien unzufrieden geworden. Da die Begeisterung ein wichtiger und zentraler Aspekt sei, hätten sie beschlossen, die Kinder zu Hause zu unterrichten.

Mit E-Mail vom 05.02.2019 teilte das Regierungspräsidium T. den Klägern zu 1. und 2. mit, dass die Schulpflicht an der Deutschen Fernschule bzw. an dem ils nicht erfüllt werden könne und dass nunmehr ein Bußgeldverfahren eingeleitet werde. Die Einleitung eines Zwangsgeldverfahrens behielt es sich vor. Mit Schreiben vom 06.02.2019 wurde die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens beantragt.

Mit nicht unterschriebenem Schreiben vom 22.07.2019 erhoben die Kläger zu 1. und 2. Widerspruch wegen der nicht erteilten Befreiung und stellten einen Antrag auf Befreiung nach § 76 Abs. 1 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg (SchG) für das Schuljahr 2019/2020. Die Aussage, bei der Deutschen Fernschule bzw. dem ils handele es sich nicht um eine genehmigte Ersatzschule, sei keine haltbare Begründung, da Befreiungen für den Besuch der Internationalen Schule S. (ISS) erteilt würden. Eine Schulpflicht bestehe für ihre Kinder nicht.

Mit Schreiben vom 04.09.2019, zugestellt am 06.09.2019, wurden die Kläger zu 1. und 2. nochmals zur zwangsweisen Durchsetzung der Schulpflicht angehört.

Mit Schreiben vom 10.10.2019 nahmen die Kläger zu 1. und 2. hierzu Stellung. Es bestehe ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung nach § 76 Abs. 1 SchG. Ihr Wunsch nach internationaler Bildung sei berechtigt und diesem Wunsch müsse, da die Landesregierung bereits 2014 klargestellt habe, dass der Wunsch nach internationaler Bildung berechtigt sei, Rechnung getragen werden. Im Hinblick auf Art. 7 Abs. 4, Art. 20 Abs. 1 und Art. 3 Grundgesetz (GG) könne es nicht gerechtfertigt sein, dass ihren Kindern der Bildungsweg zu den internationalen Schulen verwehrt bleibe, während jedem, der Geld habe, dieser Weg offenstehe. Durch die Behördenpraxis, nach der die internationale Bildung unproblematisch ein Studium in Deutschland ermögliche, dränge sich die Frage auf, ob hierdurch den internationalen Schulen nicht der Status einer Ersatzschule zugesprochen werde. Die Aufsichtsbehörde müsse dafür Sorge tragen, dass die ISS das Trennungsgebot einhalte. Wären die Einschreibegebühren an der ISS nicht so hoch, hätten sie ihre Tochter S. bereits im Frühjahr 2019 hospitieren lassen. Im Übrigen sei die Schulpflicht verfassungswidrig. Eine solche ergebe sich nicht aus Art. 7 GG. Die drei Kernargumente für eine Schulpflicht im Sinne einer Anwesenheitspflicht nämlich der Bildungserwerb, die Sozialisierung und die Vermeidung von Parallelgesellschaften, trügen nicht. Häusliche Bildung könne den Bildungserwerb ebenfalls bewerkstelligen. Die wissenschaftlichen Dienste des Bundestags kämen zu dem Ergebnis, dass eine Sozialisierung auch bei so genanntem Homeschooling der Kinder erfolge und diese Kinder den anderen Kindern in ihrem Sozialverhalten keineswegs nachstünden. Die Gefahr der Bildung einer Parallelgesellschaft sei wissenschaftlich (Dissertation von Prof. S.) widerlegt. In ihrem Fall sei die Bildung einer Parallelgesellschaft bereits deshalb nicht zu befürchten, da sie weder einer religiösen noch weltanschaulichen Gruppierung angehörten.

Mit Schreiben vom 28.10.2019 ordnete das Regierungspräsidium T. an, dass die Kläger zu 1. und 2. ihre Kinder A., D. und S. bis zum 15.11.2019 an einer öffentlichen Schule oder in einer genehmigten oder anerkannten Privatschule anzumelden und dafür Sorge zu tragen haben, dass ihre Kinder ab dem 15.11.2019 am Unterricht und an den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnehmen (Ziffer 1). Des Weiteren wurde für den Fall, dass sie der Verpflichtung nicht vollumfänglich nachkommen, ein Zwangsgeld i.H.v. 1.000 Euro pro Kind, insgesamt also 3.000 Euro, angedroht (Ziffer 2), und die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 angeordnet (Ziffer 3). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kinder derzeit keine Schule besuchten und von zu Hause unterrichtet würden. Die Kinder verletzten daher die gemäß § 72 Abs. 1 i.V.m. § 76 Abs. 1 SchG bestehende Schulpflicht und die Kläger zu 1. und 2. die sich aus § 85 Abs. 1 SchG ergebende Pflicht der Erziehungsberechtigten, die Anmeldungen zur Schule vorzunehmen und dafür Sorge zu tragen, dass die Kinder die Schule regelmäßig besuchten. Ein Anspruch auf eine Ausnahme oder eine Befreiung nach § 76 Abs. 2 SchG bestehe nicht. Nach dieser Norm dürfe nur ausnahmsweise und in besonderen Fällen von der Schulaufsichtsbehörde anderweitiger Unterricht gestattet werden. Im Zuge dessen sei diese Norm restriktiv auszulegen und beschränke sich auf zwingende Ausnahmefälle. Ein dauerhafter Unterricht zu Hause werde durch diese Norm gerade nicht ermöglicht. Eine Befreiung von der Schulpflicht zum Besuch der ISS könne nicht erfolgen, da es sich bei dieser Schule um eine anerkannte Ergänzungsschule handele, an der grundsätzlich die Schulpflicht nicht erfüllt werden könne. Die allgemeine Schulpflicht sei verfassungsgemäß. Ein Zwangsgeld i.H.v. 1.000 Euro je Kind sei im Hinblick auf die Intensität des geleisteten Widerstands erforderlich und in Bezug auf die Bedeutung des verfolgten Zwecks auch angemessen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung diene dem objektiven Interesse der Allgemeinheit an der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags. Würde diesem Erziehungsauftrag bis zum rechtskräftigen Abschluss eines etwaigen Gerichtsverfahrens nicht nachgekommen, würde den Kindern die dringend notwendige schulische Förderung vorenthalten. Insofern überwiege das öffentliche Interesse das mögliche Interesse der Eltern, die Entscheidung bis zum Abschluss verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auszusetzen.

Der am 07.11.2017 erhobene Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen nach § 80 Abs. 5 VwGO blieb - auch in der Beschwerdeinstanz (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.03.2020 - 9 S 280/20 -) - erfolglos (Beschluss vom 19.12.2019 - 4 K 5249/19 -).

Die Kläger haben ebenfalls am 07.11.2019 Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass ausreichend für Unterricht gesorgt sei, so dass Befreiungen zu erteilen seien. Der Prüfungsmaßstab, den der Beklagte herangezogen habe, sei unzutreffend. Die Kläger zu 3. bis 5. seien nicht mehr im Grundschulalter, so dass § 76 Abs. 1 Satz 2 SchG für sie nicht ausschlaggebend sei. Es sei die Vorschrift des § 76 Abs.1 Satz 1 Hs. 2 SchG anzuwenden. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg verkenne, dass Privatunterricht nach Abschluss der Grundschule gemäß § 5 des Reichsschulgesetzes zulässig gewesen sei. Weder Wortlaut noch Historie ließen die Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs zu. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse seien ausweislich des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen, so dass der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs (9 S 280/20) hier fehlgehe. Diese Erkenntnisse müssten bei der Bewertung des § 76 Abs.1 SchG berücksichtigt werden. Ein Anspruch auf Befreiung bestehe anhand jahrzehntelanger Behördenpraxis zum Erwerb einer internationalen Bildung aufgrund subjektiver Interessen wie sie für die internationalen Schulen praktiziert werde. Hierbei beruhe die Befreiung allein auf dem Wunsch der Eltern. Die berufliche Tätigkeit des Klägers zu 2. bringe das Bedürfnis nach internationaler Mobilität mit sich, da er in einem international aufgestellten Unternehmen arbeite. Die Kläger zu 1. und 2. als Eltern wünschten die Befreiung und sorgten zudem ausreichend für Unterricht. Der staatliche Erziehungsauftrag stehe dem nicht entgegen, da er in über hundert Fällen an internationalen Schulen nicht verwirklicht werde. Im Gegensatz zu den an internationalen Schulen unterrichteten Kindern hätten die Kläger zu 3. bis 5. Kontakt zu Kindern aller Schichten und Glaubensrichtungen und würden dadurch sozialisiert. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass an den monoedukativen konfessionellen Schulen keine Auseinandersetzung mit der Pluralität der Gesellschaft stattfinde. Das aktuelle Verständnis von Schulpflicht greife erheblich in die elterlichen Rechte sowie das Selbstbestimmungsrecht eines jungen Menschen ein. Die für dieses Verständnis angeführten Argumente wie Bildungserwerb, Sozialisierung und Verhinderung von Parallelgesellschaften trügen nicht. Bildung könne ohne weiteres außerhalb der Schule erworben werden. Studien belegten, dass sog. Homeschooling-Kinder in sozialer Kompetenz den normal beschulten Kindern nicht nachstünden. Prof. S. habe in einer Studie dargetan, dass eine Gefahr der Entstehung einer Parallelgesellschaft bei der "Homeschooling-Bewegung" nicht bestehe. Schulpflicht könne auch als Bildungspflicht verstanden werden. Art. 7 GG enthalte eine Schulpflicht allerdings gerade nicht. Es erfolge kein Ausgleich im Rahmen der praktischen Konkordanz. Vorliegend gebe es ein milderes Mittel, nämlich den Abschluss einer Lernvereinbarung. Da die ISS ab 2020 für jeden Schüler einen Betrag von 1.400 Euro erhalte, stehe ihnen dieser ebenfalls zu. Außerdem gebe es eine Vielzahl an Fällen, in denen Heimunterricht erlaubt werde, weswegen ein Anspruch auf Gleichbehandlung bestehe. Außerdem könne Kindern, die sich für einen außerschulischen Bildungsweg entschieden hätten, die Schulpflicht nicht entgegengehalten werden, wenn diese sich bildeten und in die demokratische Gesellschaft integrierten. Dies widerspreche dem Recht auf Bildung des einzelnen Kindes. Des Weiteren würden die Kläger zu 3. bis 5. durch die ihnen zuteilwerdende Behandlung unzulässig diskriminiert. Kindern von Reichen und Wohlhabenden werde eine Befreiung erteilt. Rechtsnormen dürften aufgrund von Art. 3 Abs. 1 GG von der Verwaltung nur gleichmäßig oder gar nicht angewendet werden. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs gehe in unzureichender Weise auf das Vorbringen hierzu - Art. 3 GG als Schranke der Normanwendung - ein. Der Gedanke der Gleichbehandlung laufe leer, wenn eine rechtswidrige Praxis fortgeführt werde. Auf die Zielsetzung von Art. 7 Abs. 4 GG und Art. 11 Abs. 1 LV werde hingewiesen.

Die Kläger zu 1. und 2. beantragen,

den Bescheid des Regierungspräsidiums T. vom 28. Oktober 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger zu 1. und 2. im Schuljahr 2019/2020 1.400 Euro pro Kind zu bezahlen.

Die Kläger zu 1. bis 5. beantragen,

den Beklagten zu verpflichten, die Kläger zu 3. bis 5. von der Schulpflicht aus § 72 Abs. 1, § 76 Abs. 1 und 2 SchG zu befreien.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Kinder der Kläger zu 1. und 2. unterlägen der Schulpflicht. Selbst wenn man davon ausgehe, dass § 76 Abs. 1 Satz 2 SchG neben dem Grundschulbereich auch weiterführende allgemeinbildende Schulen erfasse, lägen dessen Voraussetzungen für die Gestattung anderweitigen Unterrichts nicht vor. Von der in Art. 14 Abs. 1 der Verfassung für das Land Baden-Württemberg (LV) verankerter Schulpflicht könne nicht zu Gunsten eines Heimunterrichts abgesehen werden. Eine einzelfallbezogene Lernvereinbarung aus dem Jahr 2003 ändere an der Schulplicht der Kläger zu 3. bis 5. nichts. Ein besonderer Einzelfall, hinter dem der staatliche Erziehungsauftrag zurücktreten könne, werde nicht dargetan. Bei der von den Klägern aufgeführten ISS handele es sich um eine anerkannte Ergänzungsschule, an der die Schulpflicht nicht erfüllt werden könne. Ein Anspruch auf Zugangsverschaffung zu einer bestimmten Privatschule bestehe nicht. Mangels Rechtsgrundlage bestehe auch kein Anspruch auf Förderung i.H.v. 1.400 Euro. Die Höhe des Zwangsgeldes sei nicht zu beanstanden und bewege sich im vorgesehenen Rahmen zwischen 10,- und höchstens 50.000 Euro.

Die Kläger zu 1. und 2. sind in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Dabei haben sie im Wesentlichen angegeben, dass der Kläger zu 2. berufstätig sei und die Klägerin zu 1. die Kläger zu 3. bis 5. zu Hause unterrichte. Der Unterricht erfolge nach dem Live Education Curriculum aus den USA. Sie, die Klägerin zu 1., habe einen Lehrplan ausgedruckt und bilde auf dessen Basis Anfang jeden Jahres Themenkomplexe, die sie mit ihren Kindern durchnehmen wolle. Die Auswahl erfolge schließlich gemeinsam mit ihren Kindern, auch nach deren Interessen. Lehrmaterial bekomme sie aus der Bibliothek und auch von der "Khan Academy", die Lehrmaterial kostenlos zur Verfügung stelle. Zudem nutzten sie auch "outschool", eine Art Lernplattform. Mit der Klägerin zu 3. bestreite sie den Unterricht alleine, mit den Klägern zu 4. und 5. gemeinsam. Eine genaue Uhrzeit sei nicht festgelegt. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen befragt, hat der Kläger zu 2. angegeben, dass sie bei einem Nettoeinkommen von 5.600 Euro und monatlichen Verpflichtungen i.H.v. ca. 4.000 Euro (ca. 2.000 Euro private Krankenversicherung und Rückzahlung von Krediten i.H.v. ebenfalls 2.000 Euro) Verluste machten und ihre bisherigen Ersparnisse aufgebraucht hätten. Sie zahlten keine Miete, weil sie sich im Jahr 2005 ein Eigenheim angeschafft hätten. Ihre drei weiteren Kinder seien 2013 und 2015 (Zwillinge) geboren.

Dem Gericht liegen die Behördenakten und die Gerichtsakte des Eilverfahrens (4 K 5249/19) vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf sowie auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens Bezug genommen.

Gründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums T. vom 28.10.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger zu 1. und 2. daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Zudem haben die Kläger zu 1. und 2. keinen Anspruch auf eine Zahlung von 1.400 Euro, vgl. § 113 Abs. 4 VwGO. Ein Anspruch auf Befreiung der Kläger zu 3. bis 5. von der Schulpflicht besteht ebenfalls nicht, so dass die Unterlassung der Befreiung die Kläger zu 1. bis 5. nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 VwGO. Dabei geht die Kammer davon aus, dass über die beantragte Befreiung (mit Schreiben vom 22.07.2019) im Bescheid vom 29.10.2019 nicht entschieden worden ist, so dass die Klage nach Ablauf von mehr als drei Monaten, ohne dass aufgrund eines sachlichen Grundes nicht entschieden worden ist, zulässig ist, § 75 VwGO.

Basierend auf der rechtlichen Erörterung der schriftsätzlich angekündigten Anträge der Kläger und deren Erklärung zu Protokoll, dass weitere Anträge nicht gestellt werden, geht die Kammer davon aus, dass diese schriftsätzlich angekündigten Anträge keine solchen im prozessualen Sinn darstellen, sondern lediglich der Begründung und Unterstützung des bereits durch die ausdrücklich gestellten Anträge zum Ausdruck kommenden Begehrens dienen, §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO.

1. Die Anordnung des Regierungspräsidiums T., dass die Kläger zu 1. und 2. ihre Kinder an einer Schule anzumelden und dafür Sorge zu tragen haben, dass sie regelmäßig am Unterricht und den sonstigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule teilnehmen, ist rechtmäßig.

a. Rechtsgrundlage für die in Ziffer 1 des Bescheids vom 28.10.2019 getroffene Anordnung ist § 85 Abs. 1 Satz 1 SchG. Hiernach haben die Erziehungsberechtigten die Anmeldung zur Schule vorzunehmen und dafür Sorge zu tragen, dass der Schüler am Unterricht und an den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt und sich der Schulordnung fügt.

aa. Dies setzt voraus, dass der Schüler schulpflichtig ist und diese Schulpflicht nicht erfüllt. Nach § 72 Abs. 1 Satz 1 SchG besteht Schulpflicht für alle Kinder und Jugendlichen, die im Land Baden-Württemberg ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Ausbildungs- oder Arbeitsstätte haben. Die Erfüllung der Schulpflicht ist in § 76 Abs. 1 SchG geregelt. Nach dessen Satz 1 sind zum Besuch der in § 72 Abs. 2 Nr. 1 SchG bezeichneten Schulen (Grundschule und einer auf ihr aufbauenden Schule) alle Kinder und Jugendlichen verpflichtet, soweit nicht für ihre Erziehung und Unterrichtung in anderer Weise ausreichend gesorgt ist (Schulbesuchspflicht). Nach Satz 2 der Vorschrift darf anstelle des Besuchs der Grundschule anderweitiger Unterricht nur ausnahmsweise in besonderen Fällen von der Schulaufsichtsbehörde gestattet werden.

Die hier benannten Kinder der Kläger zu 1. und 2., die Kläger zu 3. bis 5., unterliegen der Schulpflicht. Das ergibt sich aus Art. 14 Abs. 1 LV und aus § 72 Abs. 1 Satz 1 SchG. Diese Schulpflicht gilt innerhalb des durch die §§ 73 ff. SchG gezogenen zeitlichen Rahmens ausnahmslos. Sie ist in diesem Sinne, wie Art. 14 Abs. 1 LV ausdrücklich hervorhebt, "allgemein".

bb. Die Schulpflicht muss durch den Besuch einer Schule erfüllt werden; Heimunterricht genügt nicht. Das ergibt sich schon aus dem Begriff der "Schul"-Pflicht. Schule in diesem Sinne ist eine organisierte, auf Dauer angelegte Einrichtung, in der eine im Laufe der Zeit wechselnde Mehrzahl von Schülern zur Erreichung allgemein festgelegter Erziehungs- und Bildungsziele planmäßig durch hierzu ausgebildete Lehrkräfte gemeinsam unterrichtet wird (vgl. Avenarius, in: Avenarius, Schulrecht, 8. Aufl. 2010, Tz. 1.21). Die Unterrichtung der eigenen Kinder durch die Eltern im familiären Umkreis kann daher niemals Schule sein, und zwar auch dann nicht, wenn die Kinder zahlreich und die Eltern selbst ausgebildete Lehrer sind; es fehlt an der organisatorischen Verselbständigung und Verstetigung und an der gemeinsamen Unterrichtung eines im Laufe der Zeit wechselnden Schülerbestandes. Aus demselben Grunde genügt auch die Unterrichtung durch einen Hauslehrer nicht. Schule tritt schon begrifflich der Familie gegenüber. Dies schließt nicht aus, dass auch anderweitig, d.h. außerhalb der Schule, eine gleichwertige Unterrichtung und Sozialisierung möglich sein kann. Indes hat sich der Gesetzgeber bei dem ihm zukommenden Ausgestaltungsspielraum dazu entschlossen, eine Schul(besuchs)pflicht einzuführen.

Das zeigt auch die Geschichte. Vor 1919 hatte in den meisten deutschen Ländern eine bloße Unterrichtspflicht bestanden, der die Eltern entweder durch Heimunterricht oder dadurch genügen konnten, dass sie ihre Kinder in die Schule schickten. Von der Möglichkeit des Heimunterrichts - vor allem durch Hauslehrer - machten vornehmlich begüterte Eltern Gebrauch. Die damit verbundene soziale Absonderung materiell besser gestellter Bevölkerungsschichten wollte die Deutsche Nationalversammlung 1919/1920 beenden. An die Stelle der bloßen Unterrichtspflicht trat die "allgemeine" Schulpflicht (vgl. Art. 145 Satz 1 Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.08.1919, RGBl. I S. 1383); Heimunterricht wurde nur noch in eng begrenzten Ausnahmefällen zugelassen (§ 4 des Gesetzes betreffend die Grundschulen und Aufhebung der Vorschulen - Reichsgrundschulgesetz - vom 28.04.1920, RGBl. I S. 851). Das hat die Verfassung des Landes Baden-Württemberg übernommen (Art. 14 Abs. 1 LV); es liegt - unausgesprochen - auch dem Grundgesetz zugrunde (Art. 7 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.09.1986 - 1 BvR 794/86 -, NJW 1987, 180; Füssel, in: Avenarius, Schulrecht, 8. Aufl. 2010, Tz. 17.1 m.w.N.).

Aus § 76 Abs. 1 Satz 1 SchG ergibt sich nichts anderes. Allerdings ist der Wortlaut dieser Vorschrift missverständlich und lässt zunächst den Schluss zu, dass Heimunterricht möglich sein könnte. Nach ihr sind zum Besuch der in § 72 Abs. 2 Nr. 1 SchG bezeichneten Schulen - also der Grundschule und einer auf ihr aufbauenden Schule - alle Kinder und Jugendlichen verpflichtet, soweit nicht für ihre Erziehung und Unterrichtung in anderer Weise ausreichend gesorgt ist. Der Soweit-Satz enthält jedoch keine gesetzliche Einschränkung der Schulpflicht als solcher; namentlich lässt er die Schulpflicht nicht dann zurücktreten, wenn für die Erziehung und Unterrichtung des Kindes durch Heimunterricht gesorgt ist. Ein solches Verständnis der Vorschrift wäre mit dem Grundsatz der allgemeinen Schulpflicht unvereinbar und stünde im Widerspruch zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeigt, dass sie so auch nicht gemeint war. Der Satz findet sich bereits in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens (SchVOG) vom 05.05.1964 (GBl. S. 235), dort als § 45 Abs. 1 Satz 1. Der Landesgesetzgeber von 1964 hat die Vorschrift seinerseits unverändert aus dem Reichsschulpflichtgesetz (RSchPflG) vom 06.07.1938 (RGBl. I S. 799) übernehmen wollen. § 5 Abs. 1 RSchPflG bestimmte jedoch, dass zum Besuch der Volksschule alle Kinder verpflichtet seien, soweit nicht für ihre Erziehung und Unterrichtung in anderer Weise ausreichend gesorgt ist. Die Volksschule umfasste damals acht Jahre; an ihrer Stelle durfte ab der fünften Klasse auch eine mittlere oder höhere Schule - also eine Realschule oder ein Gymnasium - besucht werden, weil dort für die Erziehung und Unterrichtung des Kindes ausreichend gesorgt war. Ebenfalls war eine Erfüllung der Schulpflicht durch den Besuch einer öffentlichen Bekenntnisschule an Stelle der Volksschule möglich (vgl. Art. 146 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung - WRV). Indem der Landesgesetzgeber von 1964 den Satz, statt auf die Volksschule, auf die in § 72 Abs. 2 Nr. 1 SchG (§ 41 Abs. 2 Buchst. a SchVOG) bezeichneten Schulen bezog, hat er den Soweit-Satz seines ursprünglichen Sinnes entkleidet. Keinesfalls kann die Vorschrift dahin interpretiert werden, dass die allgemeine Pflicht zum Besuch einer (öffentlichen oder privaten) Schule schon von Gesetzes wegen eingeschränkt wäre (siehe zum Vorhergehenden VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.2002 - 9 S 2441/01 -, juris Rn. 18 ff.).

Dem steht auch nicht entgegen, dass der damalige Kultusminister Bäuerle eine Durchführungsverordnung erlassen wollte, die Privatunterricht gestattet hätte, da diese nicht über das Entwurfsstadium hinauskam.

cc. Anhaltspunkte für die Verfassungswidrigkeit der Schulpflicht im konkreten Fall liegen nicht vor (vgl. allgemein zur Schulpflicht BVerfG, Beschluss vom 21.04.1989 - 1 BvR 235/89 -, juris).

dd. Auch beinhaltet § 85 Abs. 1 Satz 1 SchG eine Befugnis, einen entsprechenden Verwaltungsakt zu erlassen (so zugrunde gelegt von VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.07.2014 - 9 S 1074/12 -, juris; Ebert, in: Ebert/Andrä, Schulrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2017, § 86 SchG Rn. 3; a.A. VG Karlsruhe, Urteil vom 18.09.2018 - 9 K 4575/17 -, juris). Nach Auffassung der Kammer folgt die Verwaltungsaktsbefugnis aus einem Zusammenspiel der §§ 85, 86 SchG und deren Auslegung (vgl. zu den Voraussetzungen der Verwaltungaktsbefugnis Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 35 Rn. 23). Durch eine systematische und historische Auslegung lässt sich dem Regelungskonstrukt der §§ 85, 86 SchG entnehmen, dass diesem eine entsprechende Verwaltungsaktsbefugnis immanent ist. Für die gegenteilige Auffassung, nach der zwar eine Schulpflicht geregelt wäre, aber keine Instrumente zu ihrer Durchsetzung, spricht nichts.

Für den Fall, dass die Eltern ihrer Pflicht nicht nachkommen, kann nach § 86 Abs. 1 SchG ein Zwangsgeld nach Maßgabe des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes festgesetzt werden. Diese Vorschrift zur Festsetzung eines Zwangsgelds wurde im Jahr 2008 vor dem Hintergrund eingeführt, dass allein die bis dato bestehende Möglichkeit der zwangsweisen Schulzuführung der Schüler nicht ausreichend erfolgversprechend war (vgl. LT-Drs. 14/1949, S. 5). Insofern war beabsichtigt, das Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz zur Anwendung zu bringen, wonach "die Eltern durch Verwaltungsakt von der Schulaufsichtsbehörde [dazu] aufgefordert werden [können], die Kinder zur Schule zu bringen" (LT-Drs. 14/1949, S. 5). Der Gesetzgeber ging dabei ersichtlich davon aus, dass es eines Grundverwaltungsakts bedarf, der schließlich nach § 86 Abs. 1 SchG vollstreckt werden kann. Dass es sich hierbei um eine Art Rechtsfolgenverweisung handeln könnte (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 18.09.2018 - 9 K 4575/17 -, juris Rn. 32), lässt sich dem mithin nicht entnehmen. Mit der Möglichkeit der Anwendung des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes sollte gerade auch der Praxis der Amtsgerichte, die angestrengten Bußgeldverfahren einzustellen, entgegengewirkt und die Rechtsstreitigkeiten dem Verwaltungsgericht zugeführt werden, wo eine solche Einstellung nicht vorgesehen ist (LT-Drs. 14/1949, S. 5). Dass hiermit aber eine Erleichterung im Hinblick auf das Ergreifen von zwangsvollstreckungsrechtlichen Maßnahmen erfolgen sollte, die erheblich in die Rechte der Betroffenen eingreifen und grundsätzlich nur in Ausnahmefällen ohne vorhergehenden Verwaltungsakt zulässig sind (vgl. Claudia Danker, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, Einführung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz Rn. 1), ist nicht ersichtlich.

b. Vorliegend haben die Kläger zu 1. und 2. ihre (schulpflichtigen) Kinder weder zur Schule angemeldet noch dafür Sorge getragen, dass diese ihrer Schulpflicht nachkommen. Im Gegenteil unterrichten sie ihre Kinder derzeit zu Hause, da sie den Kindern den in den USA vorhandenen Lernfreiraum weiterhin zuteilwerden lassen wollen. Bemühungen, die Kinder an einer öffentlichen oder genehmigten privaten Ersatzschule anzumelden, unternehmen sie seit längerem nicht.

Der Schulpflicht kommen die Kinder der Kläger zu 1. und 2. damit derzeit nicht nach. Eine Befreiung von der Schulpflicht existiert ebenfalls nicht. Dass der Beklagte bei der Beurteilung des Vorliegens einer Ausnahme von der Anwendbarkeit des § 76 Abs. 1 Satz 2 SchG ausgegangen ist, ist insofern unbeachtlich, da die Schulpflicht zunächst unabhängig hiervon besteht. Geht die Behörde - wie hier - richtigerweise davon aus, dass die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestands nicht gegeben sind, so kann eine entsprechende Verfügung gegen die Eltern erlassen werden, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 SchG erfüllt sind.

Ebenfalls unbeachtlich ist, dass der Unterrichtsbetrieb sowie die Durchführung schulischer Veranstaltungen zwischenzeitlich, nämlich ab dem 17.03.2020 (§ 1 Abs. 1 der CoronaVO vom 16.03.2020) bis 17.05.2020 (§ 1 Abs. 1 CoronaVO vom 02.05.2020 sowie vom 09.05.2020 i.V.m. § 1 Abs. 1 CoronaVO Schule vom 14.05.2020) untersagt waren, da es sich bei dem auf § 85 Abs. 1 Satz 1 SchG beruhenden Verwaltungsakt um einen Dauerverwaltungsakt handelt, so dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung dessen Rechtmäßigkeit der Tag der (letzten) mündlichen Verhandlung ist. Dies ergibt sich neben dem Wortlaut, der von einer regelmäßigen Teilnahme spricht, auch aus Sinn und Zweck der durch diese Anordnung zur Geltung kommenden Schulpflicht, der Verwirklichung des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags. Zu diesem Zeitpunkt fand jedenfalls sehr stark eingeschränkter Unterricht wieder statt (siehe § 16 Abs. 1 CoronaVO vom 01.07.2020 i.V.m. der CoronaVO Schule vom 01.07.2020), womit die Kläger zu 1. und 2. ohne weiteres der im Bescheid statuierten Verpflichtung, Anmeldung zur Schule und Sorge tragen, dass am Unterricht teilgenommen wird, nachkommen konnten. Nichts anderes gilt voraussichtlich für das am 01.08.2020 beginnende Schuljahr 2020/21.

2. Eine Ausnahme oder Befreiung von der Schulpflicht können die Kläger auch nicht in Anspruch nehmen. Als Ausnahmevorschrift kommt vorliegend nur § 76 Abs. 1 Satz 1 SchG in Betracht; dessen Voraussetzungen sind indes nicht gegeben. Dem Wortlaut des § 76 Abs. 1 Satz 2 SchG lässt sich explizit zunächst nur entnehmen, dass anderweitiger Unterricht anstelle des Besuchs der Grundschule gestattet werden kann; Satz 1 der Norm enthält eine solche Möglichkeit expressis verbis nicht. Jedoch lässt sich der Regelungssystematik entnehmen, dass § 76 Abs. 1 Satz 2 SchG die Gestattung anderweitigen Unterrichts aufgrund der hohen Bedeutung des Besuchs der Grundschule im Vergleich zu den auf ihr aufbauenden Schulen einschränkt. Wenn allerdings eine anderweitige Gestattung von Unterricht bereits für den Besuch der Grundschule möglich ist, gilt dies erst recht für den Besuch einer auf ihr aufbauenden Schule (vgl. hierzu Ebert, in: Ebert/Andrä, Schulrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2017, § 76 SchG Rn. 1).

Offen ist hingegen, ob die an die Ausnahme nach Satz 1 zu stellenden Anforderungen denen nach Satz 2 entsprechen oder ob ein weiterer Maßstab angelegt werden muss. In jedem Fall ausreichend für die Annahme einer Ausnahme von der Schulbesuchspflicht ist es, wenn objektive Hinderungsgründe in der Person des Schülers gegeben sind. Ob subjektive Gründe eine Ausnahme ebenfalls ermöglichen, ist bisher nicht abschließend geklärt. Jedenfalls müssten auch diese Gründe den Schulbesuch überhaupt unmöglich machen oder dazu führen, dass dieser nur mit unvertretbarem Aufwand bewerkstelligt werden kann (Ebert, in: Ebert/Andrä, Schulrecht Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2017, § 76 SchG Rn. 2 unter Bezugnahme auf VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.2002 - 9 S 2441/01 -, juris Rn. 21 ff.). Ohnehin kann nur in (extremen) Ausnahmefällen die Schulpflicht in anderer Weise als durch den regelmäßigen Besuch einer staatlichen oder staatlich genehmigten privaten Schule erfüllt werden. Nicht ausreichend ist es mit Blick auf die die Schulpflicht rechtfertigenden Gründe (Schulbesuchspflicht als regelhaftem Ausdruck des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags), wenn Lernerfolg und Sozialisierung von Schulpflichtigen auch in anderer Form erreichbar sein mögen, um eine Ausnahme von der staatlich vorgesehenen Regelbeschulung in Anspruch nehmen zu können (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.07.2014 - 9 S 897/14 -, juris Rn. 25 m.w.N.).

Vorliegend werden im Wesentlichen nur Gründe vorgetragen und Nachweise dafür dargetan, dass der Lernerfolg und eine entsprechende Sozialisierung auch ohne den Besuch einer Schule erfüllt werden könnten. Die Kläger zu 1. und 2. geben an, ihre Kinder, die Kläger zu 3. bis 5., hätten das freie Lernen in den USA vermittelt bekommen und würden hier in Deutschland den Spaß am Lernen aufgrund des Besuchs einer Schule verlernen. Sie seien frustriert. Darüberhinausgehende Gründe, die es den Klägern zu 3. bis 5. schlichtweg unmöglich oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich machten, eine Schule zu besuchen, liegen hier hingegen nicht vor. Auch der Vortrag der Kläger zu 1. und 2. insoweit, dass sie mangels finanzieller Mittel ihre Kinder nicht an die ISS schicken könnten, greift hier bereits deshalb nicht, da es sich bei der ISS nicht um eine genehmigte Ersatzschule handelt, an der die Schulpflicht erfüllt werden kann, sondern um eine Ergänzungsschule. Im Übrigen existieren Schulen im Umkreis der Kläger, die ohne einen entsprechenden finanziellen Aufwand besucht werden könnten.

Nicht von Belang ist im Zuge dessen auch eine unter Umständen rechtswidrige Praxis - den Vortrag der Kläger ohne weitere Prüfung als wahr unterstellt -, wonach andere Eltern von der Schulpflicht unterliegenden Kindern trotz Besuchs der ISS nicht zur Erfüllung der Schulpflicht angehalten werden. Denn es besteht kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. hierzu nur BFH, Urteil vom 23.01.2013 - X R 43/09 -, juris Rn. 38 m.w.N.). Die Beklagtenvertreterin hat in der mündlichen Verhandlung überdies bestritten, dass ihre Behörde eine entsprechende Praxis hat. Soweit die Kläger auf die E-Mail des Regierungspräsidiums S. vom 28.11.2019 (GAS 361) abstellen, ist hierin einerseits nur geregelt, dass in einem Fall, welcher der Situation der Kläger entspricht (Ziffer 3 Buchstabe b), die Möglichkeit einer Befreiung besteht. Andererseits handelt es sich bei diesem Schreiben lediglich um die Wiedergabe einer internen Praxis der Behörde, die das Gericht nicht bindet und die es nicht vermag, den Klägern eine günstigere (Rechts-)Position zu vermitteln, da Gründe für eine Befreiung nicht vorhanden sind. Gleiches gilt für die vorgelegte Lernvereinbarung aus dem Jahr 2003, aus der zudem nicht ersichtlich wird, was Grund für den Abschluss der Lernvereinbarung war. Das Berufen auf das Sonderungsverbot kann den Anspruch ebenfalls nicht begründen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das sich aus Art. 7 Abs. 4 Satz 3 Hs. 2 GG ergebende Sonderungsverbot nicht auf Ergänzungsschulen Anwendung findet (vgl. Avenarius, in: Avenarius, Schulrecht, 8. Aufl. 2010, Tz. 15.721). Die Beachtung des Sonderungsverbots stellt eine Genehmigungsvoraussetzung dar; Ergänzungsschulen hingegen bedürfen einer solchen Genehmigung nicht, sondern müssen lediglich vor Aufnahme des Unterrichts ihre Eröffnung anzeigen, § 13 Abs. 2 PSchG.

3. Die in Ziffer 2 des Bescheids des Regierungspräsidiums T. vom 28.10.2019 verfügte Zwangsgeldandrohung ist ebenfalls rechtmäßig. Die Rechtsgrundlage der Zwangsgeldandrohung findet sich in § 86 Abs. 1 SchG i.V.m. §§ 18, 19, 20, 23 LVwVG. Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind dem Grund und der Höhe nach erfüllt. Die Androhung ist schriftlich verfügt, räumt den Klägern zu 1. und 2. eine ca. zweiwöchige (durch die Bezugnahme auf Ziffer 1) und damit hinreichend bemessene Frist zur Vornahme der geforderten Handlungen ein und bezieht sich auf ein konkretes und bestimmtes Zwangsmittel. Insbesondere ist auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes mit 1.000 EUR pro Kind nicht unverhältnismäßig. Die Höhe des Zwangsgeldes hat sich an der zu vollstreckenden Pflicht zu orientieren. Die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von jeweils 1.000 EUR pro Kind ist hiernach nicht ermessensfehlerhaft, da es zum einen um die effektive Durchsetzung der Pflicht zum Besuch der Schule geht und sich zum anderen die Antragsteller bisher nicht zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen haben bewegen lassen. Die Zwangsgeldhöhe bewegt sich zudem im unteren Bereich des durch § 23 LVwVG vorgegebenen Rahmens von mindestens zehn und höchstens fünfzigtausend Euro. Auch die von den Klägern zu 1. und 2. vorgetragenen finanziellen Verhältnisse lassen die Zwangsgeldandrohung nicht unverhältnismäßig erscheinen. Der Kläger zu 2. gibt zwar an, dass sie bei einem Nettoeinkommen von 5.600 Euro und monatlichen Verpflichtungen i.H.v. ca. 4.000 Euro (ca. 2.000 Euro private Krankenversicherung und Rückzahlung von Krediten i.H.v. ebenfalls 2.000 Euro) Verluste machten und ihre bisherigen Ersparnisse aufgebraucht hätten, da die Klägerin zu 1. nicht berufstätig sei und sie sich im Jahr 2005 ein Eigenheim angeschafft hätten. Nichtsdestotrotz steht die angedrohte Höhe nicht außer Verhältnis zum angedrohten Zwangsgeld, da Sinn und Zweck des Zwangsgelds einerseits ist, die Adressaten zu einem geforderten Verhalten anzuhalten, und andererseits die Möglichkeit besteht, sich der Festsetzung und späteren Beitreibung zu entziehen, indem dem geforderten Verhalten nachgekommen wird.

Für die Beurteilung der Zwangsmaßnahme ist im Gegensatz zur Maßnahme, die Kinder dem regelmäßigen Schulbetrieb zuzuführen, auf den Zeitpunkt des Erlasses abzustellen (vgl. zur Zwangsgeldfestsetzung OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.11.2014 - 2 L 39/13 -, juris Rn 11 f.), so dass die durch die Ausbreitung des Coronavirus verursacht Situation nicht zu berücksichtigen ist.

4. Ein Anspruch auf Zahlung von 1.400 Euro an die Kläger zu 1. und 2. besteht nicht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, auf welcher Rechtsgrundlage ein entsprechender Leistungsanspruch gestützt werden soll. Allein der Umstand, dass die ISS staatlich unterstütz wird, gibt den Klägern zu 1. und 2. keinen gleichlaufenden Anspruch.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO. Von der Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung sieht das Gericht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO in teilweiser analoger Anwendung ab.