LG Kleve, Urteil vom 20.03.2020 - 3 O 134/19
Fundstelle
openJur 2020, 47854
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.475,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2019 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs VW Touran, Fahrzeugidentifikationsnummer WVGxxxxxxxxxxxx96.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Rücknahme des vorgenannten Fahrzeugs in Annahmeverzug ist.

Die Beklagte wird außerdem verurteilt, an den Kläger 1.898,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2019 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 887, 03 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.500 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche In Zusammenhang mit einem PKW-Kaufvertrag.

Die Beklagte betrieb jedenfalls im Jahr 2017 einen gewerblichen KFZ-Handel.

Über das streitgegenständliche Fahrzeug VW Touran existiert ein schriftlicher Kaufvertrag vom 31.07.2017, der die Beklagte als Vermittlerin und unter dem Feld "Verkäufer(privat)" den Namen "Bxxt, Sxxa" aufweist. Als Käufer ist der Kläger ausgewiesen. Nach dem Inhalt des Kaufvertrags ist die Sachmängelhaftung ausgeschlossen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 13 ff. GA) verwiesen.

Mit Anwaltsschreiben vom 08.04.2019 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 16 ff. GA) machte der Kläger nach erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag erfolglos Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Diese wies Ansprüche zurück (Anlage K4 zur Klageschrift, Bl. 19 GA).

Der als Verkäufer ausgewiesene "Bxxt, Sxxa" ist nicht in den Kraftfahrzeugpapieren eingetragen.

Der Kläger trägt vor:

Die Beklagte sei nicht lediglich Vermittlerin des Kaufes gewesen. Vielmehr solle durch die Ausgestaltung des schriftlichen Kaufvertrags ihre tatsächliche Verkäuferrolle verdeckt werden ("Umgehungsgeschäft"). Denn außerhalb des schriftlichen Kaufvertrags sei nicht auf ihre angebliche Vermittlerrolle hingewiesen. Sie habe auch nach der Inanspruchnahme durch den Kläger nicht hierauf verwiesen, sondern Reparaturen durchgeführt und im eigenen Namen auf Ansprüche reagiert.

Das Fahrzeug weise mehrere Mängel auf:

Das Fahrzeug weise insbesondere nicht mehr den Original-Motor auf. Die tatsächliche Anzahl der Vorbesitzer sei nicht offen gelegt worden. Da beides der Beklagten bekannt gewesen sei, sei der Vertrag auch im Hinblick auf die in der Klageschrift erklärte Anfechtung unwirksam.

Außerdem liege ein Mangel darin, dass die Motorleuchte und die Ölmeldung ständig erneut aufleuchteten, voraussichtlich weil die Steuerkette nicht in Ordnung sei, obwohl die Beklagte stets angegeben habe, dass eine neue Steuerkette eingebaut worden sei.

Die Beklagte habe den Kaufpreis abzüglich Nutzungsvorteilen in Höhe von 1.224,48 € zu erstatten.

Ferner habe die Beklagte den Wertersatz für die Verzinsung des Kaufpreises nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu erstatten.

Außerdem habe die Beklagte vergebliche Aufwendungen für eine Fahrzeugreparatur in Höhe von 1.898,74 € nach Maßgabe der vorgelegten Belege (Anlage K6 zur Klageschrift, Bl. 21 GA) zu erstatten.

Ferner habe die Beklagte von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 887,03 € nach Darstellung von Seite 11 der Klageschrift freizustellen.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.475,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2019 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs VW Touran, Fahrzeugidentifikationsnummer WVGxxxxxxxxxxxx96 sowie

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Zinsen in Höhe von 2% p.a. aus einem Betrag von 8.446,60 € für die Zeit vom 07.08.2017 bis zur Rechtshängigkeit zu zahlen

3.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.898,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2019 zu zahlen

4.

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des in Klageantrag zu 1) genannten PKW in Annahmeverzug befindet

5.

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Prozessbevollmächtigten in Höhe von 887,03 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor:

Sie sei lediglich als Vermittlerin aufgetreten, wie es auch offen gelegt und im schriftlichen Kaufvertrag aufgeführt sei. Dementsprechend sei die Fahrzeugvermittlung buchhalterisch bei der Beklagten erfasst gewesen (Anlagen zum Beklagtenschriftsatz vom 11.10.2019).

Lediglich um ihren guten Ruf als Vermittlerin zu wahren und auf Bitten des im Kaufvertrag ausgewiesenen Verkäufers habe sie den Lüfter des Kühlers ausgetauscht.

Es sei auch ausdrücklich offen gelegt worden, dass der Verkäufer nicht in den Fahrzeugpapieren aufgeführt worden sei. Der Verkäufer sei ein "Zwischenverkäufer", aber gerade kein Händler.

Im Übrigen sei es für den Kläger nicht kaufentscheidend gewesen, ob er das Fahrzeug von einem nicht in den Papieren eingetragenen "Zwischenverkäufer" oder von einem eingetragenen Verkäufer erwirbt.

Der Motor sei der Erstmotor und einwandfrei. Auch andere behauptete Mängel lägen nicht vor.

Unabhängig davon, dass der Aufwand von 1.898,74 € für eine Fahrzeugreparatur bestritten werde,

sei die Reparatur offenbar auch nicht gelungen. Der Kläger wäre aus Gründen der Schadensminderung verpflichtet gewesen wäre, Gewährleistungsansprüche durchzusetzen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis durch uneidliche Vernehmung der Zeugen T und Ina D sowie Parteivernehmung des Klägers mit dem aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.02.2020 ersichtlichen Ergebnis.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klage ist zulässig: Das Gericht ist gemäß § 29 ZPO zuständig, da nach dem Klägervortrag ein Kaufvertrag zwischen den Parteien vorliegt und einheitlicher Erfüllungsort für die geltend gemachten Ansprüche aus Rückabwicklung der Ort ist, an dem sich die Kaufsache bestimmungsgemäß befindet. Im Übrigen ist das Gericht aber auch kraft rügeloser Einlassung (§ 39 ZPO) örtlich zuständig. Das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) für den Feststellungsantrag beruht auf dem Vollstreckungsinteresse (§§ 756, 765 ZPO).

Die Klage ist teilweise begründet:

Der Kläger hat keine kaufvertraglichen Rückabwicklungsansprüche gegen die Beklagte nachgewiesen:

Der schriftliche Kaufvertrag weist unmissverständlich aus, dass die Beklagte lediglich Vermittlerin ist. Der insoweit beweispflichtige (vgl. BGH NJW 2005, 1039 ff.) Kläger hat auch nicht zur ausreichenden Überzeugung des Gerichts iSd § 286 ZPO nachgewiesen, dass ein sogenanntes unzulässiges Umgehungsgeschäft (§ 475 BGB) vorliegt.

Der Zeuge T hat im Rahmen seiner Vernehmung insbesondere eine Vollmacht vorgelegt, welche den in den schriftlichen Kaufvertrag eingetragenen Verkäufer als Vollmachtgeber ausweist. Nach den Angaben des Zeugen T war auch die Beklagte bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht diejenige, die das wirtschaftliche Risiko des Kaufvertrags trug.

Jedoch haftet die Beklagte dem Grunde nach gemäß §§ 241, 280, 311 BGB.

Denn nach der Rechtsprechung haftet ein Gebrauchtwagenhändler als Vermittler aus Verschulden bei Vertragsschluss, wenn der Kunde ihm ein besonderes über die normale Verhandlungsloyalität hinausgehendes Vertrauen entgegenbringt und erwartet, darin rechtlichen Schutz zu genießen. Dies ist insbesondere dann zu bejahen, wenn - wie hier - der Vermittler die gesamten Vertragsverhandlungen bis zum Abschluss des Kaufvertrags allein führte und kein Kontakt zum Verkäufer bestand (vgl. BGH Urt. v. 16.12.2009 - VIII ZR 38/09 - NJW 2010, 858[24]).

Die Beklagte hat auch ihre Aufklärungspflicht verletzt. Denn sie hat nicht nachgewiesen, dass sie den Kläger vor Abschluss des Kaufvertrags informierte, dass der ausgewiesene Verkäufer als von ihr so bezeichneter "Zwischenverkäufer" nicht in den Papieren eingetragen war. Ein derartiger Umstand ist aufklärungsbedürftig, weil ohne einen entsprechenden Hinweis der Käufer davon ausgeht, dass er das Fahrzeug von demjenigen erwirbt, der als letzter Halter im Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist (vgl. BGH aaO, NJW 2010, 858 [16]). Dass - wie hier von der Beklagtenseite behauptet - eine Privatperson ohne Händlereigenschaft als bloßer "Zwischenverkäufer" auftritt, ist höchst ungewöhnlich. Denn Privatpersonen erwerben das Fahrzeug in der Regel zur Selbstnutzung und melden das Fahrzeug dementsprechend dann auch auf sich an. Wenn die Kette der Fahrzeughalter durch einen derartig ungewöhnlichen Vorgang unterbrochen wird, besteht stets zumindest der Verdacht, dass bestimmte Umstände (etwa Fahrzeugschäden, Tachostände, Händlereigenschaften) manipuliert werden sollen, so dass es sich um wertbildende Umstände handelt. Auch den im Kaufvertrag wiedergegebenen "Fahrzeugangaben", die nur auf den Verkäuferangaben beruhen, erscheinen dann nicht belastbar, wenn das Fahrzeug selbst nie auf den Verkäufer angemeldet war und daher auch nicht von ihm genutzt wurde.

Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass sie den Kläger ausreichend vor Verkaufsabschluss informierte: Der Zeuge T konnte auch auf ausdrückliche Nachfrage nicht bestätigen, dass er darüber ausdrücklich aufklärte, sondern verwies nur darauf, dass sich das doch aus dem Inhalt der Fahrzeugpapiere und dem Namen des Verkäufers ergebe. Weder nach seiner Aussage noch nach den Aussagen der Zeugin D ist jedoch nachgewiesen, dass der Kläger vor Erwerb überhaupt in die Fahrzeugpapiere sah und diesen Umstand erkannte.

Die Aufklärungspflichtverletzung ist auch kausal für den Abschluss des Kaufvertrags. Bei derartig wertbildenden Umständen besteht eine Vermutung dafür, dass der Kläger den Kaufvertrag bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht abgeschlossen hätte. Diese Vermutung ist hier gerade nicht von der Beklagtenseite wiederlegt worden. Vielmehr hat der Kläger im Rahmen seiner Parteivernehmung gerade bestätigt, dass er das Fahrzeug in Kenntnis dieses Umstandes nicht erworben hätte, weil er nicht gewusst hätte, was der Verkäufer mit dem Auto gemacht hätte.

Dem Umfang nach hat der Kläger Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises abzüglich der von ihm benannten Nutzungsvorteile und damit in Höhe von 7.475,52 €. Dass er sich höhere Nutzungsvorteile anrechnen lassen muss, hat die Beklagte weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt.

Verzugszinsen stehen dem Kläger insoweit gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB ab dem 23.04.2019 zu.

Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf Verzinsung des Betrags von 8.446,60 € für die Zeit vom 07.08.2017 bis zur Rechtshängigkeit: § 346 BGB findet im Verhältnis zwischen den Parteien keine Anwendung. Deliktische Handlungen, welche einen Zinsanspruch nach § 849 BGB begründen könnten, sind nicht nachgewiesen. Insoweit war die Klage abzuweisen.

Ferner hat der Kläger Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 1.898,74 €. Dass diese angefallen sind, hat der Kläger durch Vorlage einer Rechnung so substantiiert vorgetragen, dass das Pauschalbestreiten der Beklagten rechtlich unbeachtlich ist.

Darauf, ob die Reparatur gelungen ist, kommt es nicht an, da die Kosten adäquatkausal auf den Kauf des Fahrzeugs, der auf einer Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten zurückgeht, beruhen.

Der Anspruch ist auch nicht nach § 254 BGB zu kürzen, weil der Kläger auf die Geltendmachung von Sachmängelhaftungsansprüchen zu verweisen wäre. Gegenüber dem Verkäufer bestanden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wegen des wirksamen Ausschlusses der Sachmängelhaftung keine Ansprüche. Als Vermittlerin haftete die Beklagte ebenfalls nicht für Sachmängel.

Zinsen hieraus stehen dem Kläger ab dem 23.04.2019 zu.

Der Annahmeverzug nach § 293 BGB war festzustellen. Das wörtliche Angebot zur Rücknahme des Fahrzeugs war ausreichend, weil die Beklagte zur Mitwirkung durch Abholung verpflichtet ist und im Übrigen die Verantwortung abgelehnt hatte.

Ferner hat der Kläger Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Diese berechnen sich jedoch nur aus einem berechtigten Gegenstandswert von "bis 10.000 €" (nämlich: 7.475,52 € zzgl. 1.898,74 €). Daher ist der Freistellungsanspruch der Höhe nach auf Anwaltskosten von 887, 03 € (1, 3 x 558 € zzgl. 20 € Auslagenpauschale zzgl. 19 % USt.) zu beschränken und die weitergehende Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 709 ZPO.

- Streitwert: bis 10.000 € -

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Kleve statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Kleve, Schloßberg 1 (Schwanenburg), 47533 Kleve, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

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