Bayerischer VGH, Beschluss vom 24.01.2017 - 7 CE 16.2056
Fundstelle
openJur 2020, 57460
  • Rkr:
Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 26. September 2016 wird in Nrn. I und II abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

I.Der Antragsteller ist angestellter Redakteur bei der R.-... GmbH und begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtschutzes Auskünfte gemäß Art. 4 des Bayerischen Pressegesetzes (BayPrG). Die Antragsgegnerin hat diese mit der Begründung verweigert‚ sie habe die gewünschten Informationen bereits im Rahmen eines mit dem Geschäftsführer der R.-... GmbH geführten Gesprächs erteilt‚ weitere Erläuterungen u. a. zu komplexen Personalberechnungen‚ die den Hintergrund des von ihr im Juli 2016 erstellten Schulentwicklungsplans bildeten‚ seien weder erforderlich noch zumutbar. Im Übrigen verfolge der Antragsteller mit seinem Auskunftsbegehren in erster Linie private Interessen seines Geschäftsführers.

Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg ist dieser Auffassung der Antragsgegnerin nicht gefolgt und hat dem Antrag des Antragstellers gemäß § 123 VwGO stattgegeben. Die von ihm unter Nrn. 1. bis 8. seines Antrags gestellten Einzelfragen seien von der Antragsgegnerin zu beantworten‚ er habe insoweit sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch geltend gemacht.

Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht insbesondere geltend‚ der den Antragsteller allein interessierende Teil ihres Schulentwicklungsplans‚ die potentielle Schließung bzw. Zusammenlegung von Schulen‚ stehe "nicht mehr zur Diskussion" und habe sich damit erledigt. Mit dem Beschluss des Bayerischen Kabinetts Ende Juli 2016‚ das acht- und neunstufige Gymnasium (G8 und G9) parallel weiter zu führen‚ seien ihre zuvor erstellten Prognosen insbesondere zur Auslastung der Schulen überholt. Mangels ausreichender Aktualität bestehe jedenfalls kein Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung mehr.

Die Antragsgegnerin hat beantragt‚

die einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts Würzburg aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller widersetzt sich der Beschwerde. Er trägt u. a. vor‚ das aktuelle Berichterstattungsinteresse sei nicht erloschen. Die begehrten Auskünfte hätten auch im Falle einer ausbleibenden Schulschließung nichts an Aktualität eingebüßt. Strukturelle Veränderungen im Bildungsbereich seien immer Themen von höchstem öffentlichen Interesse - für die öffentliche Hand‚ weil mit solchen Maßnahmen viel Geld gespart werden könne und für die betroffenen Bürger‚ vor allen Dingen für die Eltern und Schüler‚ weil hier irreversible Weichen für die Zukunft von Kindern und Jugendlichen gestellt würden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist in Nrn. I und II abzuändern und der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen‚ weil die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht vorliegen. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Mit dem beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenüber der Antragsgegnerin‚ die gestellten Fragen zu Berechnungen und finanziellen Hintergründen eines Teils des im Juli 2016 erstellten Schulentwicklungsplans‚ namentlich der dort thematisierten möglichen Schließung eines Gymnasiums bzw. der Zusammenlegung der Realschulen zu beantworten‚ begehrt der Antragsteller - wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeht - keine vorläufige Maßnahme‚ sondern eine endgültige Vorwegnahme einer in einem künftigen Hauptsacheverfahren zu erstrebenden Entscheidung. Würde der Antragsgegnerin antragsgemäß aufgegeben‚ die gewünschten Auskünfte zu erteilen‚ wäre der sich aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG ergebende Anspruch des Antragstellers erfüllt und die Hauptsache erledigt. In einem solchen Fall sind erhöhte Anforderungen an die Darlegung sowohl des geltend gemachten Anordnungsgrundes als auch des Anordnungsanspruchs zu stellen (st. Rspr. vgl. z. B. BayVGH‚ B. v. 17.2.2014 - 7 CE 13.2514 - juris).

Zu berücksichtigen ist einerseits‚ dass die Presse grundsätzlich in den Grenzen des Rechts selbst entscheidet‚ ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das "Ob" und "Wie" der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse‚ das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt. Unter das Selbstbestimmungsrecht in zeitlicher Hinsicht fällt auch die Freiheit der Presse‚ zu entscheiden‚ ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll. Allerdings genügt es in diesem Zusammenhang‚ wenn Eilrechtschutz nur gewährt wird‚ wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen (so BVerfG‚ B. v. 8.9.2014 - 1 BvR 23/14 Rn. 29‚ 30 unter Berufung auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats B. v. 13.8.2004 - 7 CE 04.1601 - jeweils juris; vgl. auch VG Köln‚ B. v. 27.8.2009 - 6 L 918/09 - juris); der Erlass einer einstweiligen Anordnung mithin notwendig ist‚ um wesentliche Nachteile abzuwenden. Das ist hier nicht der Fall: Die vom Antragsteller begehrten Auskünfte weisen keinen ausreichend starken Aktualitätsbezug (mehr) auf. Auch wenn er bis zur Klärung seines Informationsrechts in einem Hauptsacheverfahren zuwarten muss‚ ist angesichts der im vorliegenden Fall aufgezeigten Umstände noch effektiver Rechtschutz möglich. Denn die Antragsgegnerin plant gegenwärtig keine strukturellen Veränderungen in ihrem Schulbereich‚ denen aufgrund bestehenden öffentlichen Interesses durch sofortige und umfassende Berichterstattung der Presse Rechnung getragen werden müsste. Sie hat seit Juli 2016 keinen entsprechenden Punkt auf die Tagesordnungen ihrer Stadtratssitzungen gesetzt und unter Hinweis auf die politische Beschlusslage nachvollziehbar dargelegt‚ warum eine Schulschließung bzw. -zusammenlegung momentan angesichts des vorgesehenen Nebeneinanders von acht- und neunjährigem Gymnasium nicht in Betracht kommt. Das hat ihr Oberbürgermeister auf dem Neujahrsempfang der Antragsgegnerin ebenfalls bekräftigt‚ indem er (laut Zeitungsberichten v. 17. und 18.1.2017‚ vom Antragsteller vorgelegt als Anlagen B1 und B2 zum Schriftsatz v. 23.1.2017) ausgeführt hat‚ die Schließung des Gymnasiums und die Verschmelzung der Realschule mit der in der S. werde man nicht weiterverfolgen, bis klar sei‚ wie sich die Wiedereinführung von G9 parallel zum G8 ab 2018/2019 auswirke. Der Oberbürgermeister hat zwar auch angemerkt‚ eine Ewigkeitsgarantie für den Erhalt von vier Gymnasien im Bereich der Antragsgegnerin könne damit nicht verbunden sein; schmerzhafte Pflicht einer Kommune sei immer auch‚ Strukturen an die jeweiligen Erfordernisse anzupassen; ein starker Gegenwartsbezug entsteht aus dieser unbestimmten Erklärung aber nicht.

Damit ist die für den begehrten Erlass der einstweiligen Anordnung notwendige Aktualität und Dringlichkeit der Erläuterung eines insoweit überholten Zahlenwerks auch angesichts des vom Antragsteller geltend gemachten Interesses, nachzuweisen‚ dass "die zumindest vorerst abgewendete Schließung auf fehlerhaftem Datenmaterial und falschen Berechnungen beruht", nicht dargelegt. Dem Antragsteller ist zuzumuten‚ seine geltend gemachten Ansprüche in einem Hauptsacheverfahren zu verfolgen.

Auf die Frage‚ ob der Antragsteller darüber hinaus einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat‚ kommt es sonach nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47‚ § 53 Abs. 2 Nr. 1‚ § 52 Abs. 2 GKG und entspricht der Höhe des Streitwerts im erstinstanzlichen Verfahren.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).