Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 11.08.2020 - 13 UF 192/19
Fundstelle
openJur 2020, 47208
  • Rkr:
Tenor

1. Im Umfang der Beschwerderücknahme hat die Antragsgegnerin ihr Rechtsmittel der Beschwerde verloren.

2. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin, soweit sie noch weiterverfolgt wird, wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 27. August 2019 in Ziffer 7 abgeändert:

Der Antragsteller wird verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung bis zum 31. Mai 2021 monatlich jeweils zum 1. Tag eines jeden Monats im Voraus einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 135 € zu zahlen.

Der weitergehende Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts wird abgewiesen.

3. Im Übrigen werden die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin und die Anschlussbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 27. August 2019 zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Antragsteller 1/10 und die Antragsgegnerin 9/10 zu tragen.

5. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 18.582 € festgesetzt.

Gründe

I.

Aus der am ... Juni 2009 geschlossenen Ehe der Beteiligten ist ein am ... Dezember 2009 geborenes Kind hervorgegangen. Seit April 2017 leben die Beteiligten voneinander getrennt. Das gemeinsame Kind hat bis Ende 2019 im Wechselmodell gelebt. Seit Januar 2020 lebt es bei der Antragsgegnerin.

Der Antragsgegner arbeitet vollschichtig als Beamter bei der ... Feuerwehr, was ihm im Zeitraum von März 2018 bis Februar 2019 ein Gesamtnettoeinkommen von 35.079 € eingebracht hat, darin enthalten ein Zuschlag wegen Mehrarbeit in Höhe von brutto 618,98 € (Bl. 33 UE) und eine Jubiläumszahlung in Höhe von brutto 350 € (Bl. 30 UE). Monatlich wendet er 245 € für die für ihn selbst und seine Tochter abgeschlossene Krankenversicherung (Bl. 37 UE), 10 € für eine Unfallversicherung der Tochter (Bl. 38 UE) sowie Raten in Höhe von 317 € zur Rückzahlung eines am 1. Februar 2018 auf 20.000 € aufgestockten Darlehens auf (Bl. 39 UE).

Die Antragstellerin ist bis zum 23. Juli 2009 als medizinisch-technische Assistentin mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich im Institut für Pathologie beim W... in B... angestellt gewesen. Nach Beschäftigungsverbot, Mutterschutz und Erziehungsurlaub im Hinblick auf die Geburt der gemeinsamen Tochter am ... Dezember 2009 hat sie diese Tätigkeit am 12. Februar 2011 in einem Arbeitszeitumfang von wöchentlich 30 Stunden wieder aufgenommen. Sie trägt vor, nur aufgrund ihres Erziehungsurlaubs habe sie nicht zur Laborleiterin mit einem Arbeitszeitvolumen von 40 Stunden aufsteigen können (Bl. 52 UE). Inzwischen sei eine Aufstockung der Arbeitszeit auf 40 Stunden nicht möglich, weil bei ihrem Arbeitgeber kein Bedarf an Mehrarbeit bestehe. Um vergleichbare Beschäftigungen an anderen Standorten habe sie sich bemüht. Von einem Wechsel habe sie im Hinblick auf die Nachteile höherer Fahrzeiten und/oder Gehaltseinbußen abgesehen.

Die Antragsgegnerin hat in der Folgesache Ehegattenunterhalt beantragt,

den Antragsteller zu verpflichten, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung monatlich jeweils zum ersten Tage eines jeden Monats einen nachehelichen Unterhalt von 461 € zu zahlen.

Der Antragsteller hat in der Folgesache Ehegattenunterhalt beantragt,

den Antrag der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Das Amtsgericht hat die Beteiligten persönlich angehört (Bl. 53; 61) und durch den angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug nimmt, die Ehe der Beteiligten geschieden, den Antragsteller zur Zahlung von Ehegattenunterhalt in Höhe von 103 € für die Dauer eines Jahres verpflichtet und Entscheidungen in den Folgesachen Güterrecht und Versorgungsausgleich getroffen.

Mit ihrer Beschwerde erstrebt die Antragsgegnerin einen höheren und unbefristeten nachehelichen Unterhalt. Ihre zuerst auch gegen den Scheidungsausspruch gerichtete Beschwerde hat sie zurückgenommen (Bl. 219).

Ihr bereinigtes Nettoeinkommen betrage 1.481 €. Ein fiktives Einkommen von weiteren 400 € dürfe ihr nicht angerechnet werden. Aus einer Teilzeitbeschäftigung könnte sie gerade einmal ein Nettoeinkommen von 200 € erzielen. Für zusätzliche Fahrten hätte sie wöchentlich einen Zeitaufwand von 15 Stunden für 10 Stunden Arbeitszeit. Dies sei unverhältnismäßig, sie benötige die Zeit für die Kinderbetreuung. Für Arbeitnehmerinnen ihrer Qualifikation stünden im weiteren Umkreis Berlins nur sehr wenige Vollzeitstellen zur Verfügung. Mehrere Bewerbungen hätten mit der Feststellung geendet, dass mit einem Wechsel in eine Vollzeitstelle hohe Gehaltsminderungen einher gegangen wären.

Die Antragsgegnerin habe ehebedingte Nachteile. Während ihres bis Februar 2011 in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubes sei das Labor an ihrem Arbeitsort umgestaltet worden. Ein Teil des Labors sei zu einem selbstständigen Teil umgestaltet worden. Die vormalige Laborleiterin sei die Leiterin dieses Teils geworden, ihre Stellvertreterin sei in ihre Position aufgerückt (Bl. 191). Wäre sie nicht im Erziehungsurlaub gewesen, wäre vermutlich die Antragsgegnerin aufgrund ihrer Erfahrung in der Wahrnehmung der Aufgaben der stellvertretenden Laborleiterin und ihrer langjährigen Dienstzugehörigkeit in diese Position aufgerückt, was mit einer Arbeitszeitaufstockung auf wöchentlich 40 Stunden und einer Gehaltsverbesserung verbunden gewesen wäre.

Allenfalls nach Ablauf von etwa fünf Jahren sei mit einem Aufrücken in eine leitende Funktion zu rechnen, die ihre ehebedingten Nachteile, die mit monatlich gut 800 € zu bewerten seien, ausgleichen könnte.

Unangemessen kurz sei die Befristung des Unterhaltsanspruchs im Hinblick auf die Ehedauer von rund neun Jahren.

Bei der Bemessung der Unterhaltshöhe sei die private Krankenversicherung für die gemeinsame Tochter nicht abzugsfähig, weil der Antragsteller nicht nachgewiesen habe, dass sie nicht überflüssig sei. Der Antragsteller habe zudem Kreditverbindlichkeiten betreffend Zahlungen in Höhe von 317 € nicht nachgewiesen. Das Beweisangebot in Gestalt einer Ablichtung des Kreditvertrages sei kein Nachweis, insbesondere nicht für eine Ehe- oder Trennungsbedingtheit der Schuld. Der Kreditschuld von angeblich 25.999 € habe zudem ein Guthaben in Höhe von 7.536,99 €, gegenübergestanden, so dass der Kredit zumindest in dieser Höhe gewiss nicht ehe- oder trennungsbedingt gewesen sei. Entsprechend sei auch von dem monatlich zu zahlenden Betrag von 317 € ein Drittel von vornherein nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen. Die Kreditaufnahme sei zudem leichtfertig, die Angaben zur Verwendung der Kreditsumme bestritten. Die Anschaffung von Möbelstücken sei nicht erforderlich gewesen. Die Mietkaution hätte er aus der Rückzahlung einer anderen Mietkaution begleichen können. Die Finanzierung eines PKW sei durch die berufsbedingten Aufwendungen abgegolten. Die - bestrittenen - Verfahrenskosten seien nicht abzugsfähig, weil sie üblicherweise für beide Beteiligten anfielen. Schließlich verstoße es gegen das Doppelverwertungsverbot, den Kredit sowohl im Güterrechtsverfahren als Vermögensposten als auch im Unterhaltsverfahren als Verbindlichkeit zu berücksichtigen. Zudem erhalte der Antragsteller alljährlich für seine Tätigkeit als Animateur bzw. Betreuer und Leiter der "familienfreundlichen Wochen" des ...-Sozialwerks in Pr... eine steuerfreie Vergütung in Höhe von 1.500 €.

Weil die nun im Haushalt der Antragsgegnerin lebende gemeinsame Tochter durch die Umstände der Trennung psychisch sehr belastet sei und einen erhöhten Bedarf an persönlicher Nähe sowie an Rückzugsmöglichkeiten habe, könne die Antragsgegnerin ihre Erwerbstätigkeit nicht ausweiten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 27. August 2019 in Ziffer 7 dahingehend abzuändern, dass der Ehemann verpflichtet wird, an die Ehefrau ab Rechtskraft der Scheidung monatlich jeweils zum ersten Tage eines jeden Monats einen nachehelichen Unterhalt von 461 € zu zahlen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen

und im Wege der Anschlussbeschwerde

den Antrag auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Nauen vom 27. August 2019 abzuweisen.

Der Antragsteller trägt vor, im Jahr 2018 ein überdurchschnittliches Nettoeinkommen erzielt zu haben, weil zu den Monatsbezügen eine einmalige Zahlung von 350 € brutto aus Anlass eines Dienstjubiläums und eine Einmalzahlung infolge einer Tariferhöhung in Höhe von 619 € brutto hinzu gekommen seien. Das Einkommen sei um monatlich 48 € netto zu reduzieren, so dass mit ca. 2.800 € zu rechnen sei.

Seit Januar 2020 zahlt der Antragsteller an die Antragsgegnerin monatlich Kindesunterhalt in Höhe von 344 €, weil das gemeinsame Kind der Beteiligten nicht mehr im Wechselmodell, sondern bei der Antragsgegnerin lebt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die im Beschwerderechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat entscheidet, seiner Ankündigung entsprechend (Bl. 204R), ohne erneute mündliche Erörterung. Die Beteiligten haben ihren Sachvortrag und ihre Rechtsansichten umfassend schriftsätzlich dargelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung zu weiteren Erkenntnisfortschritten führen könnte.

II.

Soweit die Antragsgegnerin ihre Beschwerde zurückgenommen hat, beruht die Entscheidung über den Verlust des Rechtsmittels auf §§ 117 Abs. 2 FamFG, 516 Abs. 3 ZPO.

Soweit sie nicht zurückgenommen worden ist, ist die Beschwerde der Antragsgegnerin zulässig, und teilweise begründet

1. Die Antragsgegnerin macht Unterhaltsansprüche aus § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB (Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes) geltend. Das Vorliegen der Voraussetzungen hierfür hat sie nicht darzulegen vermocht.

Im nachehelichen Unterhaltsrecht wird ein Betreuungsunterhalt im Falle der Bedürftigkeit als Basisunterhalt ohne weitere Voraussetzungen nur für die ersten drei Lebensjahre des zu betreuenden Kindes gewährt. Daran kann sich eine Verlängerung anschließen, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Maßstab für eine Verlängerung sind in erster Linie kindbezogene Gründe (§ 1570 Abs. 1 S. 2, 3 BGB). Eine Verlängerung kann im Rahmen der Billigkeit aber auch aus Gründen geltend gemacht werden, die ihre Rechtfertigung allein in der Ehe haben (§ 1570 Abs. 3 BGB). Maßgebend ist das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung. Dabei ist auch die Dauer der Ehe als Kriterium genannt (Grandel/Schnitzler, MAH FamR, 5. Aufl. 2020, § 8, Rn. 22, beck-online). Zur Frage der Billigkeit einer Verlängerung des Anspruchs über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus, ist eine umfassende Abwägung der Umstände vorzunehmen. Dabei sind der Grundsatz der Eigenverantwortung des geschiedenen Ehegatten (§ 1569 S. 1 BGB) und die für beide Ehegatten geltende generelle Erwerbsobliegenheit (§ 1574 Abs. 1 BGB) zu berücksichtigen.

Die Antragsgegnerin macht kindbezogene Gründe geltend. Im Hinblick auf den Betreuungsbedarf des gemeinsamen 10jährigen Kindes P... könne sie in einem Umfang von nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich arbeiten. Die Hausaufgaben des Kindes müssten täglich nachmittags nachkontrolliert werden, in mehreren Fächern sei zusätzliches Üben erforderlich. Eine vollschichtige Beschäftigung würde diese Tätigkeiten in die notwendigen Erholungszeiten des Kindes verlagern.

Der Antragsteller hat indes bestritten, dass insbesondere nach den Umgangstagen bei ihm, an deren letztem das Kind bereits um 5 Uhr aufstehen müsse, um in den Hort gebracht zu werden, P... bei der Antragsgegnerin einen außergewöhnlichen Bedarf an persönlicher Zuwendung und Nähe aufweise, der der Antragsgegnerin neben den Hol- und Bringdiensten zu sportlichen Aktivitäten, der notwendigen Hausaufgabenbetreuung und trotz bestehender außerfamiliärer Betreuungsmöglichkeiten eine vollschichtige Beschäftigung verbiete. Er hat dem entgegengehalten, die Antragsgegnerin arbeite im Umfang von wöchentlich 30 Stunden, seit das Kind zwei Jahre alt ist. Das Maß der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes habe sich seitdem verringert. Die Hausaufgaben müssten nicht besonders kontrolliert werden, schon gar nicht am frühen Nachmittag. Hol- und Bringdienste zu sportlichen Aktivitäten sei er zu organisieren bereit.

Die Antragsgegnerin hat nicht nachgewiesen, dass in der Person des Kindes Gründe vorliegen, die einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf der Dreijahresfrist des § 1570 Abs. 1 S. 1 BGB rechtfertigen können. Sie hat nicht substantiiert dargelegt, dass das 10jährige Mädchen nicht ebenso gut betreut und versorgt werden könnte, wenn die Antragsgegnerin wöchentlich 10 Stunden mehr arbeiten würde. Die Antragsgegnerin hat weder dargelegt, dass es außerfamiliäre Betreuungsmöglichkeiten, die Zeiten ihrer beruflichen Abwesenheit abdecken könnten, nicht gäbe, noch dass die Inanspruchnahme solcher Betreuungsmöglichkeiten oder Dritter für Fahrdienste zu Trainings- und Sportveranstaltungen unzumutbar oder mit dem Wohl des Kindes nicht in Einklang zu bringen wäre.

2. Die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt, § 1573 Abs. 2 BGB, hat die Antragsgegnerin indes dargelegt.

Nach dieser Vorschrift kann der geschiedene Ehegatte, der im Zeitpunkt der Scheidung erwerbstätig ist, den Unterschiedsbetrag zwischen seinen tatsächlichen oder fiktiven Einkünften aus einer tatsächlich ausgeübten oder ihm möglichen angemessenen Erwerbstätigkeit und seinem vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB) verlangen, wenn seine eigenen Einkünfte zur Deckung seines vollen Bedarfs nicht ausreichen (Wendl/Dose UnterhaltsR, 9. Aufl., § 4 Ehegattenunterhalt, Rn. 308, beck-online).

Der Anspruch setzt voraus, dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt, deren Einkünfte aber nicht zu seinem vollen, nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu bestimmenden Unterhaltsbedarf ausreichen. § 1573 Abs. 2 BGB gilt auch, wenn der geschiedene Ehegatte unter Verletzung der Erwerbsobliegenheit keiner oder nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht und die ihm deshalb zuzurechnenden fiktiven Einkünfte nicht ausreichen, um seinen vollen eheangemessenen Unterhalt zu decken (Scholz/Kleffmann/Doering-Striening, Teil H, beck-online).

a) Bei einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit - wie vorliegend - hat der Berechtigte sich grundsätzlich unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel um eine angemessene vollschichtige Erwerbstätigkeit durch Ausweitung seiner Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder um eine vollschichtige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber bemühen. Auch die Ausübung von zwei Teilzeitbeschäftigungen kann grundsätzlich eine angemessene Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1574 BGB sein (Wendl/Dose, a. a.O., § 4 Rn. 316, 317; Palandt/Brudermüller, BGB, 79. A., § 1573 Rn. 7). Erforderlich ist eine intensive und zielgerichtete Arbeitssuche, die erkennen lässt, dass sich der Arbeitssuchende ernstlich und nachhaltig um die Erlangung einer einträglichen Erwerbstätigkeit bemüht (vgl. BGH FamRZ 2011, 1851; Palandt/Brudermüller a. a. O.).

Diesen Anforderungen werden die Erwerbsbemühungen der Antragsgegnerin, die zu einer einzigen Bewerbung in P... konkret vorträgt, nicht gerecht. Dass medizinisch-technische Assistentinnen mit einer der Qualifikation und Berufserfahrung wie die Antragsgegnerin in Berlin immer wieder von Arbeitgebern für Voll- und Teilzeitstellen gesucht werden, ist anhand einer einfachen Internetrecherche (vgl. https://de.indeed.com/Medizinisch-Technische-Assistent-Jobs-in-Berlin) leicht zu erfahren, so dass der Senat vom Bestehen realistischer Erwerbschancen ausgeht.

Folge dieser Verletzung der Erwerbsobliegenheit ist, dass der Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen in Höhe eines realistischer Weise erzielbaren Einkommens anzurechnen ist (Wendl/Dose, a. a. O., § 4 Rn. 280) und dass sie in Höhe der erzielbaren Einkünfte nicht als bedürftig anzusehen ist (Senat, Beschl. v. 30.7.2014 - 13 UF 96/13, BeckRS 2014, 17186 Rn. 28-32, beck-online).

a) Für die Antragsgegnerin ist ein fiktives Einkommen in Höhe von 1.965,18 € zugrunde zu legen.

Grundsätzlich obliegt es gemäß § 1569 BGB jedem Ehegatten, nach Rechtskraft der Scheidung selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Nur wenn er dazu außerstande ist, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nach den §§ 1570 ff. BGB. Diese Normen betonen die wirtschaftliche Eigenverantwortlichkeit der Ehegatten nach der Scheidung und verdeutlichen, dass nach der Unterhaltsrechtsreform der Schwerpunkt des Unterhaltsrechts wieder auf die Funktion einer Hilfe bis zum Übergang in die wirtschaftliche Selbstständigkeit verlagert wird (vgl. Palandt/Brudermüller, a. a. O., § 1569 Rn. 1).

Danach muss sich die Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit als medizinisch-technische Assistentin zurechnen lassen. Vollschichtige Beschäftigung ist ihr trotz der Betreuung des 10jährigen Kindes zumutbar. Dass es hinreichende Betreuungsmöglichkeiten gibt, stellt sie nicht in Abrede. Hinsichtlich sportlicher Aktivitäten des Kindes hat sie die zwingende Notwendigkeit des persönlichen Bringens und Holens nicht dargelegt. Tatsachen, die Hinweise darauf bieten könnten, das Kind hätte einen noch darüber hinausgehenden außergewöhnlichen Bedarf nach persönlicher Zuwendung, der der Antragsgegnerin eine vollschichtige Beschäftigung zum Wohle des Kindes verbieten könnte, hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen. Dass der Bedarf an Hausaufgabenbetreuung, unabdingbar notwendiger Begleitung zu Sport- oder Freizeitveranstaltungen und Zeit für persönliche Nähe und Spiele bei vollschichtiger Tätigkeit nicht mehr erfüllt werden kann, hat der Antragsteller bestritten und ist nicht konkret dargelegt oder ersichtlich.

Für Personen mit der Qualifikation der Antragsgegnerin bestehen in Berlin auch reale Erwerbschancen, etwa in Laboren (vgl. https://de.indeed.com/Medizinisch-Technische-Assistent-Jobs-in-Berlin). Der Antragsteller hat Bewerbungsversuche der Antragsgegnerin in Abrede gestellt. Ernsthafte Bemühungen um entsprechende Stellen hat die Antragsgegnerin mit Ausnahme einer einzigen Bewerbung nicht mit Substanz dargelegt.

Bei der Berufserfahrung der Antragsgegnerin wäre bei vollschichtiger Beschäftigung ein monatsdurchschnittliches Bruttoeinkommen von 3.094 € ohne Sonderzahlungen (vgl. www.lohnspiegel.de, Gehaltscheck) erzielbar. Von diesem Bruttoeinkommen ausgehend ist bei Lohnsteuerklasse 2 und einem Kinderfreibetrag mit einem Nettoeinkommen von 2.068,61 € zu rechnen, abzüglich 5 Prozent pauschaler berufsbedingter Aufwendungen (103,43 €) 1.965,18 €.

b) Maßgebend für den Bedarf des Unterhaltsberechtigten sind die ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. I BGB). Heranzuziehen sind damit diejenigen Umstände, die für den Lebenszuschnitt der Eheleute prägend waren, auch wenn sie sich nach der Scheidung verändert haben (Gerhardt in: Wendl/Dose, a. a. O., § 4 Rn. 413), also insbesondere das aktuelle Einkommen, Vermögen und berücksichtigungswürdige Belastungen. Die ehelichen Lebensverhältnisse werden nur durch solche Einkünfte geprägt, die zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs zur Verfügung stehen und dafür eingesetzt werden können (Wendl/Dose, a. a. O., § 4 Rn. 432).

Im Zeitraum von März 2018 bis Februar 2019 hatte der Antragsteller ein monatsdurchschnittliches Bruttoeinkommen von 2.923,25 € (Bl. 20 UE). Darin enthalten sind Bruttobezüge in Höhe von 618,98 € aufgrund einer Mehrarbeitsvergütung (Bl. 33 UE) sowie in Höhe von 350 € aufgrund einer Jubiläumszahlung (Bl. 30 UE).

Das für den nachehelichen Unterhalt, also den Zeitraum ab Rechtskraft der Scheidung anzusetzende Einkommen des Antragsgegners bestimmt sich prognostisch danach, was er im in Rede stehenden Zeitraum - nach Rechtskraft der Scheidung - zu erwarten hat. Anhaltspunkte dafür dass sich eine Jubiläumszahlung (350 €, Bl. 30 UE) in absehbarer Zeit wiederholen könnte, legt die Antragsgegnerin nicht dar.

Der Bruttobetrag von 350 € für die Jubiläumszahlung ist daher bei der Ermittlung des für den nachehelichen Unterhalt relevanten Einkommens abzuziehen. Zur Ermittlung des sich danach ergebenden Nettoeinkommens hat der Senat zunächst das Gesamtnettoeinkommen von 35.079 € unter Zugrundelegung der Steuerdaten für 2018 zurückgerechnet (www.rechner.pro) und vom so ermittelten Bruttobetrag von 44.892,58 € 350 € abgezogen. Aus dem verbleibenden Bruttobetrag von 44.542,58 € ergibt sich ein Jahresnettoeinkommen von 34.862, 27 €, monatsdurchschnittlich damit 2.905,19 €.

Die Einmalzahlung von 618,98 € brutto (Bl. 33) im Dezember 2018 bezog sich auf geleistete Überstunden im tariflichen Übergang von der 48 zur 44-Stundenwoche (Bl. 21 UE). Überstunden zählen zum anrechenbaren Einkommen, wenn sie in geringem Umfang anfallen oder die abgeleisteten Überstunden das im Beruf übliche Maß nicht übersteigen (Scholz/Kleffmann/Doering-Striening, Teil G Einkommensermittlung, beck-online).

Dies legt die Antragsgegnerin für die der hier in Rede stehenden Vergütung zugrunde liegenden Überstunden dar (Bl. 87 UE). Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, dass eine entsprechende Überstundenvergütung künftig nicht anfallen könne, weil ein "tariflicher Übergang auf die 44 Std./Woche" stattgefunden habe (Bl. 21), ergibt sich aus diesem Vortrag nicht, dass die Leistung und Vergütung von Überstunden für die Zukunft ausgeschlossen wäre.

Hinzu kommen die von der Antragsgegnerin dargelegten Einkünfte des Antragstellers aus seiner Nebentätigkeit in Pr... in Höhe von jährlich 1.500 €, also 125 € monatlich, die er nicht substanziiert bestritten hat.

Hat sich der Anspruchsteller substanziiert geäußert, so obliegt es dem Antragsgegner, zu den einzelnen Behauptungen gezielt Stellung zu nehmen (§ 138 Abs. 2 ZPO). Pauschales Bestreiten genügt nicht und hat die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge. Nur wenn dem Antragsgegner ein substanziiertes Bestreiten nicht möglich ist, er keine Kenntnis hat und sich auch nicht zu verschaffen vermag, ist ihm einfaches Bestreiten erlaubt. Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Beteiligtenvorbringen diesen Anforderungen an die Schlüssigkeit und Substanziierung, so ist weiterer Vortrag nicht erforderlich. Allein der Umstand, dass der Gegner den Sachverhalt bestreitet, zwingt die Partei ebenfalls nicht zum Vortrag weiterer Einzelheiten (vgl. MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, ZPO § 138 Rn. 20).

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, der Antragsteller erziele Einkünfte in Höhe von 1.500 € jährlich aus seiner 30tägigen Tätigkeit für das ...-Sozialwerk im Rahmen der "familienfreundlichen Wochen" in Pr... (Bl. 84 f. UE). Der Antragsteller hat sich darauf beschränkt diese Ausführungen pauschal zu bestreiten. Es bedürfe keiner vertieften Darlegung, weil sie beweislos seien (Bl. 104). Dies genügt den oben dargestellten Anforderungen an ein substanziiertes Bestreiten nicht. Der Antragsteller hätte es ohne Weiteres darlegen können, wenn er der entsprechenden Tätigkeit nicht (mehr) nachgehen oder eine entsprechende Vergütung nicht erzielen würde. Aufgrund des pauschalen Bestreitens gilt der Vortrag der Antragsgegnerin insoweit als zugestanden, §§ 113 Abs. 1 FamFG, 138 ZPO.

Bei der Bedarfsermittlung für den Ehegattenunterhalt sind grundsätzlich nur eheprägende Verbindlichkeiten abzusetzen. Beim Verwandtenunterhalt sowie bei Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit für den Ehegattenunterhalt erfolgt eine Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles.

Die private Krankenversicherung für das Kind P... ist abzugsfähig. Die entsprechenden Beitragszahlungen durch den Antragsteller haben bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt. Eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit, eine private Mitversicherung, die regelmäßig noch andere Leistungen als die gesetzliche Krankenversicherung beinhaltet, gegen den Willen des mitsorgeberechtigten Unterhaltpflichtigen zu kündigen, ist auf der Grundlage des Beteiligtenvortrags nicht feststellbar.

Die Prämie für die private Krankenversicherung gehört zum angemessenen Unterhalt des Kindes der Parteien nach § 1610 Abs. 1 BGB (OLG Koblenz, NJW-RR 2010, 654, beck-online).

Nach dieser Vorschrift bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Minderjährige und in der Ausbildung befindliche Kinder leiten ihre Lebensstellung und damit ihren angemessenen Lebensbedarf von den Eltern ab (Palandt/Brudermüller, a. a. O., § 1610, Rn. 3). Kosten für eine private Krankenversicherung sind in den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle grundsätzlich nicht enthalten, weil davon ausgegangen wird, dass das minderjährige Kind nach § 1612 Abs. 1 S. 2 BGB in der gesetzlichen Familienversicherung gegen Krankheit mitversichert ist (OLG Koblenz, NJW-RR 2010, 654, beck-online).

Nach der Lebensstellung des Kindes gehören die Kosten von ca. 34,23 € (Bl. 37 UE) für die Krankenversicherung zum Mehrbedarf. P... war bereits vor der Trennung der Beteiligten privat krankenversichert und der Antragsteller als barunterhaltspflichtiger Elternteil ist nach wie vor auf diese Art krankenversichert.

Soweit die Antragsgegnerin unwidersprochen vorträgt, der Antragsteller habe ihr für Behandlungs- oder Arzneimittelkosten verauslagte Beträge nicht erstattet, führt das nicht zu einer anderen Bewertung. Denn die Antragsgegnerin hätte nach ihrem Vortrag auf die Erstattung einen Anspruch gehabt, den sie auch hätte durchsetzen können.

Die mit 317 EUR monatlich bezifferte Kreditbelastung ist nicht zu berücksichtigen. Allein der Umstand einer Kreditaufnahme während der Ehe genügt für sich betrachtet nicht, um die Bedienung der daraus resultierenden Verbindlichkeiten jedenfalls einkommensmindernd in die Unterhaltsberechnung einzustellen. Bei der Bedarfsermittlung des Ehegattenunterhalts sind nämlich nur berücksichtigungswürdige Schulden einzustellen, also solche, die vor der Trennung mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung des anderen Ehepartners begründet wurden oder nach der Trennung einseitig wegen unumgänglicher Kosten/Anschaffungen eingegangen worden sind. (OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, Beschl. v. 23.7.2012 - 9 WF 90/11, BeckRS 2012, 17048, beck-online).

Darlehenslasten, die nach Trennung der Ehegatten ohne Kenntnis des anderen Ehegatten und ohne erkennbare Notwendigkeit aufgestockt werden, können im Rahmen der Bedarfsermittlung nicht berücksichtigt werden (OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, a. a. O.). Durch eine Umschuldung nach der Trennung verlieren Verbindlichkeiten noch nicht ihre Berechtigung als berücksichtigungsfähige Verbindlichkeit. Bei einer Aufstockung des Darlehensvolumens bei einer Umschuldung sind die Beträge in Höhe der noch nicht getilgten ehebedingten Verbindlichkeiten weiter zu berücksichtigen. Die übersteigenden Beträge können nur Berücksichtigung finden, wenn dargelegt wird, dass sie unumgänglich und nicht leichtfertig aufgenommen wurden und keine anderweitigen Mittel zur Abzahlung vorlagen (Heiß/Born, Schulden Rn. 500, beck-online).

Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass die Aufstockung der Kreditverbindlichkeit nach der Trennung unumgänglich gewesen wäre. Soweit die Darlehensverpflichtung bereits vor der Trennung in Höhe von 5.041,77 € bestanden hat - die nach der Trennung erfolgte Umschuldung durch den Antragsgegner ging mit einer zur Notwendigkeit nicht konkret untermauerten Aufstockung des Darlehens um rund 20.000 € einher -, ist diese unstreitig einseitig begründet worden. Der Antragsteller gibt an (Bl. 63 UE), hiervon die Unterdeckung seines Kontos von im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme bzw. -aufstockung 6.528 €, die diejenige im Trennungszeitpunkt um ca. 2.000 € überstieg, zurückgeführt zu haben, Honorar an seinen Verfahrensbevollmächtigten in Höhe von 2.900 € gezahlt, die Zimmereinrichtung für das gemeinsame Kind mit 700 € angeschafft, eine Erstattung an die Kindergeldkasse mit 1.152 € geleistet und allgemein mit ca. 1.000 € konsumiert zu haben, und nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages die Kaution für eine neue Wohnung mit 1.490 € sowie Abstand und Anschaffungen für die neue Wohnung mit 2.000 € geleistet sowie ein gebrauchtes Kraftfahrzeug mit 2.300 € angeschafft und mit weiteren 1.200 € repariert zu haben.

Die Antragsgegnerin hat alle behaupteten Ausgaben bestritten sowie die unabweisbare Notwendigkeit der Ausgaben und die Notwendigkeit, zur Begleichung der entsprechenden Aufwendungen eine Darlehensverbindlichkeit einzugehen. Sie trägt vor, der Antragsteller hätte die in ausreichender Zahl vorhandenen Möbel verwenden können, er habe sogar trotz Aufforderung Möbelstücke aus ihrem Kleingarten nicht abgeholt. Die Mietkaution hätte er aus der rückerstatteten Mietkaution für die frühere(n) Wohnung(en) bezahlen können. Diesem Vortrag ist der Antragsteller nicht, auch nicht mit Beweisangeboten, entgegengetreten.

Im Hinblick auf Aufwendungen für "allg. Konsum / diverses" (Bl. 63 UE) hat der Antragsteller nichts zur Notwendigkeit der entsprechenden Ausgaben dargelegt. Nach den oben dargestellten Maßstäben kann die Verbindlichkeit von 317 € bei der Bedarfsermittlung deshalb insgesamt keine Berücksichtigung finden. Bei der gegebenen Sachlage ist es mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar, solche Ausgaben im Rahmen der Bedarfsermittlung in Rechnung zu stellen (vgl. zum Ganzen Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 1 Rdnr. 1082 ff. mit weiteren Nachweisen).

Der Antragsteller kann der Antragsgegnerin auch keine Kreditraten in geringerer Höhe entgegenhalten. Die bis zur Trennung (15. April 2017) bestehenden Schulden von 5.041,77 € (Bl. 62 UE) hätte er bei Zahlung entsprechender Raten mittlerweile vollständig getilgt.

Bei der Bedarfsermittlung ist somit von folgender Einkommenssituation des Antragsstellers auszugehen:

Einkommen des Antragstellers

Nettobezüge

2.905,19 €

Nebentätigkeit

125,00 €

abzgl. berufsbedingte Aufwendungen, 5 %

151,51 €

abzgl. priv. Krankenversicherung (Bl. 37 UE)

245, 35 €

abzgl. Unfallversicherung für das Kind (Bl. 38 UE)

10,00 €

abzgl. Kindesunterhalt

344,00 €

2.279,33 €

c) Der Unterhaltsanspruch berechnet sich danach folgendermaßen:

Antragsteller:

2.279,33 €

Erwerbstätigenbonus (1/7):

- 325,62 €

Zwischenergebnis:

1.953,71 €

Antragsgegnerin:

1.965,18 €

Erwerbstätigenbonus (1/7):

- 280,74 €

Zwischenergebnis:

1.684,44 €

Gemeinsamer Bedarf:

3.638,15 €

Bedarf der Antragsgegnerin:

1.819,08 €

Abzüglich des eigenen Einkommens: - 1.684,44 €

Anspruch:

134,64 €,

rd. 135 € (vgl. Nr. 25 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts)

3. Nach § 1578 b Abs. 1 BGB ist der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs oder ein unbegrenzter Anspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder ob eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Ein ehebedingter Nachteil des Unterhaltsberechtigten ist nur dann gegeben, wenn er konkret auf Grund der Ehe berufliche Einschränkungen erlitten hat und daher durch eigene Erwerbstätigkeit nicht das Einkommen erzielen kann, dass er ohne Ehe erzielen könnte (BGH, NJW 2012, 309 = FamRZ 2012, 197; NJOZ 2016, 915 Rn. 14, beck-online). Ehebedingte Nachteile in diesem Sinne können sich nach § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der von den Ehegatten praktizierten Rollenverteilung im Hinblick auf Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe oder der Ehedauer ergeben. Liegen ehebedingte Nachteile vor, steht dieser Umstand einer Begrenzung oder Befristung von Unterhaltsansprüchen grundsätzlich entgegen (BGH FamRZ 2015, 824; OLG Hamm, FamRZ 2017, 1306).

Die Darlegungs- und Beweislast für Umstände, die zu einer Befristung oder Beschränkung des nachehelichen Unterhalts führen können, trägt grundsätzlich der Unterhaltsverpflichtete, weil § 1578b BGB als Ausnahmetatbestand konzipiert ist. Hat der Unterhaltspflichtige allerdings Tatsachen vorgetragen, die - wie z.B. die Aufnahme einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit in dem vom Unterhaltsberechtigten erlernten oder vor der Ehe ausgeübten Beruf oder die Möglichkeit dazu - einen Wegfall ehebedingter Nachteile und damit eine Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nahe legen, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere "Schonfrist” sprechen (BGH, FamRZ 2008, 1325, FamRZ 2008, 134). Das ist allerdings nur dann der Fall, wenn die Einkünfte des Unterhaltsberechtigten aus seiner ausgeübten oder der ihm zumutbaren Erwerbstätigkeit wenigstens die Einkünfte aus einer ehebedingt aufgegebenen Erwerbstätigkeit erreichen. Nur dann trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass gleichwohl ehebedingte Nachteile vorliegen, etwa weil mit der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehezeit Einbußen im beruflichen Fortkommen verbunden waren. Bleibt das jetzt erzielte oder erzielbare Einkommen jedoch hinter dem Einkommen aus der früher ausgeübten Tätigkeit zurück, weil eine Wiederaufnahme der früheren Erwerbstätigkeit nach längerer Unterbrechung nicht mehr möglich ist, bleibt es insoweit bei einem ehebedingten Nachteil, den der Unterhaltsschuldner widerlegen muss (BGH, NJW 2009, 3783).

Gemessen an diesen Grundsätzen lassen sich den Darlegungen der Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile entnehmen. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass die Antragsgegnerin wieder in ihrem erlernten Beruf zu einer üblichen Vergütung beschäftigt ist und noch mit einem höheren Arbeitskraftanteil beschäftigt sein könnte. Dass die Antragsgegnerin ohne die familienbedingte Erwerbseinschränkung eine leitende Position erreicht hätte, hat er bestritten.

Die Antragsgegnerin hat dem im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast (vgl. Wendl/Dose, a. a. O., § 4 Rn. 1093 f.) nichts von Substanz entgegengehalten. Dass mit der ca. anderthalb Jahre währenden Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit während der Ehezeit Einbußen in ihrem beruflichen Fortkommen verbunden waren, hat sie nicht substantiiert vorgetragen. Der Unterhaltsberechtigte, der sich auf ehebedingte Nachteile beruft, muss substantiiert den Vortrag des fehlenden ehebedingten Nachteils bestreiten und konkret darlegen, dass und welchen ehebedingten Nachteil er erlitten hat. Dazu gehört regelmäßig der Vortrag der hypothetischen beruflichen Entwicklung ohne die Ehe mit der praktizierten Rollenverteilung. Ausgangspunkt und Maßstab der Prüfung ist regelmäßig die berufliche Ausbildung bzw. die erlernten beruflichen Fähigkeiten im Zeitpunkt der Eheschließung. Mangels abweichenden Vortrags des Berechtigten ist ein Normalverlauf des Berufslebens ohne besondere berufliche Entwicklungen zugrunde zu legen. Arbeitet der Berechtigte wieder in seinem erlernten Beruf zur üblichen Bezahlung, will er aber einen hypothetischen beruflichen Aufstieg geltend machen, hat er konkret die Umstände darzulegen, aus denen sich die verpassten Aufstiegsmöglichkeiten ergeben sollen. Dabei hat er insbesondere seine Fähigkeiten, besonderen Talente und Neigungen, auch seine Bereitschaft zum Erwerb von Zusatzqualifikationen bzw. Fortbildungsbereitschaft darzulegen, seine berufliche Entwicklung vor der Ehe, die Aufschluss über seine Leistungsbereitschaft und gegebenenfalls frühe Erfolge geben kann, die er ohne die Ehe bei durchgehender Beschäftigung erworben hätte (BGH FamRZ 2011, 1377). Er muss darlegen, welche Karriereschritte dadurch wahrscheinlich gewesen wären (BGH FamRZ 2010, 2059), sowie die Umstände, derentwegen solche berufliche Weiterentwicklung in der Ehe nicht möglich war (BGH FamRZ 2008,1325). Führt der Vortrag dazu, dass die behauptete Entwicklung nur als möglich anzusehen ist, hat der Berechtigte seine Darlegungslast nicht erfüllt (BGH FamRZ 2010, 875).

So aber liegt der Fall hier. Mehr als die bloße Möglichkeit des Aufstiegs in eine leitende Position hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt. Die Antragsgegnerin beruft sich auf einen Aufstieg in "eine leitende Position", die ihr "ein deutlich höheres Einkommen" ermöglicht hätte, was sich zumindest "aus anderen vergleichbaren Laufbahnen ableiten" (Bl. 41 UE) lasse. Vor der Geburt ihres Kindes ist sie als medizinisch-technische Assistentin mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich im Institut für Pathologie beim W... in B... angestellt gewesen. Seit Ende der Erziehungszeit arbeitet sie wöchentlich 30 Stunden. Sie hat vorgetragen, dass sie im Zuge der während ihres Erziehungsurlaubs vollzogenen Umstrukturierung ihres Labors "vermutlich in diese Position" der stellvertretenden Laborleiterin eingerückt wäre (Bl. 52 UE). Ohne Erziehungsurlaub wäre sie als langjährig erfahrene Mitarbeiterin mit Zusatzqualifikation in der Histologie und Histopathologie zum Zuge gekommen. Mit diesem Aufstieg wären sowohl die Ausweitung ihrer Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche als auch eine Gehaltsverbesserung verbunden gewesen. So aber sei eine andere Mitarbeiterin für diese Position eingestellt worden.

Der Antragsteller hat dies bestritten (Bl. 58 UE). Die Antragsgegnerin sei im Zeitpunkt der Aufgabe ihrer Tätigkeit infolge einer Rückstufung nicht mehr als stellvertretende Laborleiterin tätig gewesen. Auch ohne Erziehungsurlaub wäre sie nicht in eine höhere berufliche Position aufgerückt und hätte auch kein entsprechend höheres Einkommen erzielt.

Trotz Hinweises des Antragstellers (Schriftsatz vom 14. August 2019, Bl. 104 UE) hat die Antragsgegnerin weder das Anforderungsprofil für die konkrete Stelle als Laborleiterin, für die sie meint, im Falle ihrer Berufstätigkeit die aussichtsreichste Kandidatin gewesen zu sein, dargelegt, noch dass ihre Qualifikation diesem Profil entsprochen hätte. Zudem fehlen Darlegungen dazu, welche Qualifikation sie derjenigen Person, die für die Stelle als Laborleiterin eingestellt worden ist, vorausgehabt haben will. Soweit sie sich auf Berufserfahrung beruft, legt sie nicht dar, dass die Stelle durch eine Kollegin besetzt werden sei, die über geringere Erfahrung verfügt hat. Soweit sie überdies mitteilt, der Aufstieg in die Position der Laborleiterin wäre mit einer Aufstockung der Arbeitszeit auf wöchentlich 40 Stunden einher gegangen, legt sie nicht dar, wie sie dieser Anforderung hätte gerecht werden wollen, da sie sich zugleich darauf beruft, zum Wohle des gemeinsamen Kindes gerade nicht mehr als 30 Stunden arbeiten zu wollen. Mangels substantiierter Darlegung eines ehebedingten Nachteils war dem Beweisangebot der Antragsgegnerin nicht nachzugehen.

Die bei der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts anzustellende Billigkeitsabwägung beschränkt sich allerdings nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile, sondern hat darüber hinaus die vom Gesetz geforderte nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Dies gilt auch für den Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB. Bei der Bestimmung des Maßes der im Einzelfall gebotenen nachehelichen Solidarität sind vor allem die in § 1578b BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (BGH FamRZ 2011,713). Dies führt im Ergebnis zu der in der Beschlussformel ausgesprochenen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs.

Wesentliche Aspekte im Rahmen der Billigkeitsabwägung sind neben der Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Zudem sind die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten von Bedeutung (vgl. OLG Karlsruhe, BeckRS 2020, 11600 Rn. 86, 87, beck-online).

Im vorliegenden Fall ist zu Gunsten der Antragsgegnerin die Ehedauer bis zur Zustellung des Scheidungsantrages von nahezu neun Jahren zu berücksichtigen, in der die Antragsgegnerin während der 14monatigen Elternzeit das gemeinsame Kind betreut hat.

Zu Gunsten des Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass durch die Rollenverteilung in der Ehe keine erhebliche wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Ehegatten eingetreten sind. Die Antragsgegnerin ist vielmehr nachehelich in der Lage, an ihren vorehelichen Lebensstandard anzuknüpfen. Bei dieser Sachlage gebietet die nacheheliche Solidarität lediglich eine zeitlich begrenzte Sicherstellung eines an den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhalts. Es erscheint nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles daher billig, den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin bis Ende Mai 2021 zu begrenzen, da das Band der nachehelichen Solidarität mit zunehmender Distanz zur Ehe eine immer weniger tragfähige Grundlage für den Unterhaltsanspruch bietet (vgl. OLG Karlsruhe, a. a. O.)

III.

Die gemäß §§ 66, 117 Abs. 2 FamFG, 524 Abs. 2 S. 3 ZPO zulässige Anschlussbeschwerde des Antragstellers ist nach dem vorstehend Dargelegten unbegründet.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 150 Abs. 1, Abs. 4 FamFG113 Abs. 1 FamFG, 516 Abs. 3 ZPO (Schulte-Bunert/Weinreich/Keske, FamFG, 5. Aufl., § 150 Rn. 13 m.w.N.), wobei sich der Senat am Verhältnis von Obsiegen zu Unterliegen orientiert. Die Entscheidung zum Verfahrenswert beruht auf §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1, 43, 51 Abs. 1 FamGKG. Das Interesse der Antragsgegnerin an der Aufhebung des Scheidungsbeschlusses bemisst der Senat mit 13.050 € (§ 43 FamGKG), den Wert der Folgesache Ehegattenunterhalt mit (12 x 461 € =) 5.532 €.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 Abs. 2 FamFG.