SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 13.12.2017 - S 29 SO 24/15
Fundstelle
openJur 2020, 47151
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird unter Abänderung seines Bescheides vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2015 verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei Erwerbsminderung für den Monat Juni 2014 in Höhe von 4,94 Euro zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Klägers zu 1/5.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung und im Alter nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) für den Monat Juni 2014 ohne Berücksichtigung des Einkommens aus einer einmaligen Erwerbstätigkeit von dem Beklagten.

Der am ... 1948 geborene Kläger stand im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Er beantragte erstmals am 25. Oktober 2013 die Gewährung der Leistungen bei dem Beklagten. Der Kläger bezieht eine Regelaltersrente von der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland in Höhe von 76,49 Euro monatlich. Er bewohnte eine mit Gas beheizte, 47,99 m² große Zwei-Raumwohnung in B. S., für die eine Gesamtmiete in Höhe von 241,96 Euro (Grundmiete: 191,96 Euro, Betriebskosten: 50,00 Euro) zu zahlen ist. An die Stadtwerke L. W. zahlt der Kläger einen Gasabschlag in Höhe von monatlich 73,00 Euro in den Monaten Februar 2014 bis Dezember 2014.

Der Kläger erhielt im Juni 2014 aus einer nichtselbständigen Tätigkeit in B. bei der Firma T & S als Taxifahrer am 8. Juni 2014 ein Einkommen in Höhe von 60,40 Euro. Die Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsort B. betrug 130 Kilometer.

Mit dem Bescheid vom 18. März 2013 änderte der Beklagte seine Leistungsentscheidung vom 10. März 2013 ab und gewährte dem Kläger Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab dem Monat April 2014 in Höhe von 789,04 Euro monatlich. Die Bewilligung sollte bei für unveränderten maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Berücksichtigungsgemeinschaft bis 31. März 2015 weitergelten.

Mit dem streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 9. September 2014 änderte der Beklagte die mit Änderungsbescheid vom 18. März 2014 erfolgte Leistungsbewilligung ab und bewilligte dem Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter anderen für den Monat Juni 2014 in Höhe von 746,76 Euro. Hierbei berücksichtigte dieser ein bereinigtes Einkommen aus der Erwerbstätigkeit bei der Firma T & S in Höhe von 42,06 Euro sowie einen Gasabschlag in Höhe von 66,92 Euro. Die entstandene Überzahlung in Höhe von 42,06 Euro verrechnete der Beklagte mit der Auszahlung des Monats Oktober 2014.

Der Kläger legte am 30. September 2014 Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. September 2014 insoweit ein, als dass er ein anrechenbares Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von 42,28 Euro festlege. Es seien nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, also auch die Fahrtkosten zwischen Wohnort und Arbeitsstätte abzuziehen. Die mit der Erzielung des Einkommens notwendigen Ausgaben haben 65,00 Euro betragen. Hierbei handele es sich um die Kosten der Hin- und Rückfahrt vom Wohnort zum Arbeitsort mit dem PKW (260 Straßenkilometer), die mit einem Betrag von 0,25 Euro pro Kilometer abzusetzen seien. Es sei damit kein anrechenbares Einkommen entstanden.

Auf die Anhörung des Beklagten vom 26. Januar 2015 teilte der Kläger mit, dass er § 3 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII für rechtswidrig halte, die Kosten für eine Bahnfahrt von W. nach B. seien viel höher. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2015 half der Beklagte dem Widerspruch des Klägers teilweise ab und wies diesen im Übrigen als unbegründet zurück. Der Leistungsanspruch für den Monat Juni 2014 betrage insgesamt 757,42 Euro. Das Einkommen von 60,40 Euro sei um die Arbeitsmittelpauschale in Höhe von 0,26 Euro (verteilt auf die tatsächlichen Arbeitstage) sowie um die Fahrtkosten für den PKW in Höhe von 6,40 Euro (anteilig für einen Tag bei 20 Arbeitstagen im Juni 2014) zu bereinigen, so dass abzüglich eines Eigenbehaltes in Höhe von 18,12 Euro ein anrechenbares Gesamteinkommen in Höhe von 31,62 Euro vorliege.

Der Kläger hat am 19. März 2015 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben und sich gegen den Abzug von 31,62 Euro als anrechenbares Einkommen gewandt. Zur Begründung führte er aus, dass die Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII die Vorschrift des § 82 Abs. 2 S. 4 SGB XII nicht konkretisiere, sondern für die Fälle, in denen sich der Arbeitsplatz mehr als 40 km vom Wohnort entfernt befinde, aufhebe. Diese sprenge damit den Rahmen ihrer Ermächtigungsnorm. Die Beschränkung sei willkürlich, insbesondere weil die Verordnung den Nachweis höherer Kosten im Einzelfall nicht zulasse. Es sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, die Anrechnung der Kosten auf 40 km zu beschränken. Dies führe dazu, dass eine Arbeitsaufnahme in größerer Entfernung verhindert werde. Die Regelung sei verfassungswidrig, wenn nur diese Auslegung möglich wäre. Es sei allerdings eine verfassungskonforme Auslegung möglich und geboten. Diese könne dahingehend erfolgen, dass nur eine fakultative Pauschalierung beabsichtigt sei, soweit der tatsächliche Aufwand die Pauschalierungen nicht wesentlich übersteige.

Der Kläger beantragt sinngemäß schriftsätzlich,

den Bescheid des Beklagten vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2015 abzuändern und dem Kläger weitere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 31,62 Euro im Monat Juni 2014 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat der Beklagte auf seinen Bescheid vom 9. September 2014 sowie den Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2015 verwiesen. Darüber hinaus hat er ausgeführt, dass der Beklagte an die Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII gebunden sei. Der Kläger habe den Widerspruch lediglich auf die Berücksichtigung des Einkommens aus einer Erwerbstätigkeit beschränkt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Gründe

I. Die Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg.

Die zulässige Klage ist auf die Leistungsgewährung ohne Anrechnung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit im Monat Juni 2014 gerichtet. Streitgegenständlich ist der Änderungsbescheid vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2015, mit dem die dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 18. März 2014 gewährten Leistungen für den Monat Juni 2014 aufgehoben und die Überzahlung in Höhe von 31,62 Euro mit den laufenden Leistungen des Monats Oktober 2014 verrechnet wurde. Gleichzeitig wurde eine Neubewilligung vorgenommen. Da die Überzahlung bereits mit den Leistungen des Monats Oktober 2014 verrechnet wurde, ist das Klageziel nicht allein durch eine Anfechtungsklage zu erreichen, der Kläger begehrt auch die Auszahlung der Leistungen durch eine damit kombinierte Leistungsklage. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Der Beklagte hatte mit dem Bescheid vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2015 für den Monat Juni 2014 lediglich Leistungen in Höhe von 757,42 Euro bewilligt, eine der gegenüber der mit Bescheid vom 18. März 2014 erfolgten Bewilligung in Höhe von 789,04 Euro um 31,62 Euro niedrigere Bewilligung.

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Bescheid vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2015 ist teilweise rechtswidrig und beschwert den Kläger insoweit im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Beklagte hat die ursprüngliche Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für den Monat Juni 2014 in Höhe von 4,94 Euro zu Unrecht gem. § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) aufgehoben, da die Voraussetzungen für die Aufhebung nicht vorlagen. Die Aufhebung in Höhe von 26,68 Euro war rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 9. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Februar 2015 beurteilt sich nach § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt nach Satz 3 der Regelung in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums.

Die teilweise Aufhebungsentscheidung für den Monat Juni 2014 bezogen auf den Bescheid vom 18. März 2014 und damit auf dem Zeitpunkt der Veränderung konnte der Beklagte nur zum Teil auf die Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X stützen. Die hierfür erforderliche Änderung der Verhältnisse ist nur in Höhe von 26,68 Euro durch verändertes Einkommen des Klägers eingetreten. Zwar hat der Kläger im Monat Juni 2014 ein weiteres Einkommen im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Höhe von 60,40 Euro gehabt, diese war jedoch nach der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII insoweit zu bereinigen, als dass lediglich 26,68 Euro anzurechnen waren.

Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind als Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Ein solches Einkommen hat der Kläger vorliegend unstreitig durch das Erwerbseinkommen erhalten. Streitig ist lediglich, in welcher Höhe Ausgaben von dem Einkommen abzusetzen sind, also die Anrechnung erfolgen kann. Nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII sind vom Einkommen, die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben sowie der Freibetrag nach § 82 Abs. 3 SGB XII abzusetzen. Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII gehören zu den mit der Erzielung der Einkünfte aus nichtselbständige Arbeit verbundenen Ausgaben vor allem (Nr. 1) notwendige Aufwendungen für Arbeitsmittel, (Nr. 2) notwendige Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, (Nr. 3) notwendige Beiträge für Berufsverbände, (Nr. 4) notwendige Mehraufwendungen infolge Führung eines doppelten Haushalts nach näherer Bestimmung des Abs. 7.

Von dem Einkommen ist zunächst - insoweit unstreitig - der Freibetrag gem. § 82 Abs. 3 SGB XII in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens, also 18,12 Euro abzusetzen.

Darüber hinaus sind Aufwendungen für Arbeitsmittel in Höhe von 5,20 Euro abzusetzen. Nach § 3 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII kann als Aufwendungen für Arbeitsmittel ein monatlicher Pauschbetrag von 5,20 Euro berücksichtigt werden, wenn nicht im Einzelfalls höhere Aufwendungen nachgewiesen werden. Eine Anwendung der Norm des § 3 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII kommt vorliegend nicht in Betracht. In dieser ist geregelt, dass Absetzungen nur insoweit zu berücksichtigen, als sie von dem Bezieher des Einkommens selbst getragen werden. Ein Ausnahmefall dahingehend, dass nicht von einer Tragung der Kosten für Arbeitsmittel auszugehen wäre, liegt zur Überzeugung der Kammer nicht vor. Auch der Beklagte hat durch die Absetzung des Pauschbetrags dem Grunde nach anerkannt, dass ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt. Fehlerhaft hat der Beklagte jedoch die Arbeitsmittelpauschale lediglich anteilig für einen Arbeitstag gewährt. Eine solche Quotelung ergibt sich im Gegensatz zu der Regelung in § 3 Abs. 6 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII jedoch gerade nicht. § 3 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII sieht zur Überzeugung des Gerichts lediglich die Anrechnung höherer Kosten vor. Lediglich dann, wenn nachgewiesen ist, dass gar keine Kosten angefallen bzw. tatsächlich geringe Kosten angefallen sind, kann ein geringerer Betrag übernommen werden. Die Abweichung von der Pauschale ist zur Überzeugung der Kammer nur dann möglich, wenn die genauen Kosten bekannt sind (vgl. dazu auch Sozialgericht Nürnberg vom 27. März 2017 - S 5 SO 256/16 - zitiert nach juris m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Als weitere Absetzposition ist die Fahrtkostenpauschale des § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII in Höhe von 10,40 Euro zu berücksichtigen. Soweit der Kläger die Absetzung höherer Kosten - z.B. durch die Berücksichtigung der Pauschale aus dem Steuerrecht bzw. der Anerkennung der tatsächlichen Entfernungskilometer - begehrt, teilt die Kammer die Auffassung nicht. Nach der Regelung des § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII können - sofern keine öffentlichen Verkehrsmittel verfügbar sind - pro Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte monatlich 5,20 Euro je Entfernungskilometer, begrenzt auf 40 Entfernungskilometer, abgesetzt werden. Diese Regelung findet zur Überzeugung der Kammer uneingeschränkte Anwendung. Die Pauschale ist weder im Hinblick auf ihre Höhe noch auf die Beschränkung der Entfernungskilometer zu beanstanden. Jedoch ist zur Überzeugung der Kammer der Nachweis höherer Kosten möglich.

Die Höhe der Pauschale ist zur Überzeugung der Kammer, auch wenn sie seit 1976 nicht mehr erhöht wurde (vgl. dazu Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vom 2. September 2009 - 4 Ta 7/09 - zitiert nach juris, Rn. 18), (noch) nicht als offensichtlich willkürlich zu niedrig anzusehen. Hier folgt die Kammer in ihrer Bewertung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom Bundesgerichtshof vom 8. August 2012 - XII ZB 291/11 - zitiert nach juris und macht sich diese nach Prüfung zu eigen. (vgl. dazu auch Verwaltungsgericht Saarland vom 12. Mai 2017 - 3 K 369/16 - zitiert nach juris, Rn. 75). Allerdings deckt die Pauschale von monatlich 5,20 Euro je Entfernungskilometer nur die Betriebskosten einschließlich der Steuern ab. Die Kosten der Haftpflichtversicherung für das Auto ist dem Grunde nach gem. § 82 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB XII zu berücksichtigen. Die Kosten hierfür konnte der Kläger nicht nachweisen.

Ebenfalls für unbedenklich hält die Kammer die Begrenzung der Pauschale auf höchstens 40 Entfernungskilometer. Die Kammer folgt insoweit zunächst der Auffassung, dass aufgrund der Besonderheiten bei der Bewilligung der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, dass eine Begrenzung der Entfernungskilometer insbesondere aufgrund der gestiegenen Flexibilität sowie der angespannten Arbeitsmarktlage bedenklich ist (vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Bundesgerichtshof vom 8. August 2012 - XII ZB 291/11 - zitiert nach juris). Dies kann in dieser Form jedoch nicht für die Berücksichtigung von Einnahmen im Rahmen von Leistungen der Sozialhilfe gelten. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 8. August 2012 (a.a.O) ausgeführt: "Die im Sozialhilferecht verankerte Beschränkung auf maximal 40 Entfernungskilometer Wegstrecke zur Arbeit findet ihre Rechtfertigung darin, dass einem Beschäftigten, der mehr als 40 km von der Arbeitsstätte entfernt wohnt, grundsätzlich angesonnen werden kann, eine näher zur Arbeitsstätte gelegene Wohnung zu nehmen und dadurch unnötige Fahrtaufwendungen zu ersparen. Kommt er dem nicht nach, fallen ihm die Mehraufwendungen selbst zur Last." Dem folgt die Kammer in ihrer Bewertung angesichts der im Bereich des Sozialhilferechts eher verbreiteten geringfügigen Beschäftigungen nur zum Teil. Die Kammer geht davon aus, dass bei der pauschalen Anrechnung von Fahrtaufwendungen eine Begrenzung nicht zu beanstanden ist. Es muss jedoch die Möglichkeit geben, wie auch in der Parallelregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 B Arbeitslosengeld II-Verordnung, bei höheren Kosten diese nachzuweisen.

Zunächst spricht die fehlende Möglichkeit, tatsächlich höhere Kosten nachzuweisen - im Gegensatz zu den Regelungen in § 3 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII sowie in § 6 Abs. 1 Nr. 3 B Arbeitslosengeld II-Verordnung, die einen höheren Kostennachweis bei den Kosten für Arbeitsmitteln und Fahrtkosten vorsehen - sowie die ausdrückliche Begrenzung auf 40 Entfernungskilometer dafür, dass die Pauschale als abgeltende Pauschale gemeint war und ist (so im Ergebnis auch Schmidt in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 3 DVO§82SGBXII). Hierfür spricht auch, dass trotz verschiedener Änderungen der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII (zuletzt durch: durch Art. 8 des Gesetzes vom 22. Dezember 2015 - BGBl. I, 2557) weder die Höhe der Pauschale noch die Begrenzung der Entfernungskilometer geändert wurden.

Aus Gleichheitsgesichtspunkten - vor allem im Hinblick auf die Empfänger von Leistungen nach dem SGB II nicht mehr von einer abgeltenden Pauschalierung auszugehen, kann nicht überzeugen (so auch Schmidt in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 3 DVO§82SGBXII, Rn. 20). Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass eine andere Pauschale - wie zum Beispiel die aus dem Steuerrecht oder die aus der Arbeitslosengeld II-Verordnung Anwendung - finden kann. Vielmehr sind dann - wie auch nach der Arbeitslosengeld II-Verordnung - die tatsächlich angefallenen (höheren) Kosten nachzuweisen. Allein die Anwendung einer anderen Pauschale - wie von dem Kläger begehrt - kommt zur Überzeugung der Kammer nicht in Betracht.

Insoweit sind von dem Einkommen des Klägers durch die Altersrente in Höhe von 76,49 Euro sowie dem Erwerbseinkommen in Höhe von 60,40 Euro folgende Absetzungen vorzunehmen: Arbeitsmittelpauschale: 5,20 Euro, Fahrtkosten: 10,40 Euro, Eigenbehalt: 18,12 Euro, so dass von dem Erwerbseinkommen 26,68 Euro sowie das Renteneinkommen in Höhe von 76,49 Euro anzurechnen sind.

Bezüglich des Einkommens in Höhe von 26,68 Euro ist eine wesentliche Änderung eingetreten, die zur Anwendbarkeit der Regelung des § 48 Abs. 1 SGB X führt. Die weiteren Voraussetzungen der Norm liegen vor. Insbesondere liegt kein atypischer Fall vor. Insoweit war die Aufhebung in Höhe von 26,68 Euro nicht zu beanstanden.

Dem Kläger steht insoweit ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 762,36 Euro zu.

Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (in der Fassung vom 24. März 2011) ist Älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 SGB XII (in der Fassung vom 24. März 2011) beschaffen können, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten.

Der Kläger ist hinsichtlich seiner persönlichen Voraussetzungen leistungsberechtigt, denn er hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, im streitgegenständlichen Zeitraum die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht - er war im streitgegenständlichen Zeitraum 65 Jahre alt - und hat am 25. Oktober 2013 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gestellt.

Der Kläger ist in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis 30. Juni 2014 hilfebedürftig, denn er ist außerstande, seinen notwendigen Lebensunterhalt aus seinem Einkommen zu bestreiten.

Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung umfassen zunächst nach § 42 Abs. 1 SGB XII den für den Leistungsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach der Anlage zu § 28 SGB XII in Höhe von monatlich 391,00 Euro sowie des Beitrags für die Kranken- und Pflegeversicherung gem. § 42 i.V.m. § 32 SGB XII in Höhe von 165,56 sowie die Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 42 i.V.m. § 35 SGB XII in Höhe von 191,96 Euro Grundmiete, 50,00 Euro Nebenkosten sowie 66,92 Euro Heizkosten. Dass tatsächlich Heizkosten in Höhe von 70,00 Euro angefallen sind, bleibt unberücksichtigt, da der Kläger ausdrücklich nur die Einkommensanrechnung angegriffen hat.

Insgesamt besteht ein Bedarf - wie vom dem Beklagten berechnet - in Höhe von 865,53 Euro, von dem als Einkommen die Altersrente in Höhe von 76,49 Euro sowie das bereinigte Einkommen in Höhe von 26,68 Euro abzuziehen sind, so dass ein Anspruch auf Grundsicherungsleistungen in Höhe von 762,36 Euro besteht. Dem Kläger wurden bereits 757,42 Euro bewilligt, so dass eine Differenz von 4,94 Euro zu gewähren war.

Da eine Verrechnung der aufgehobenen Leistungsgewährung mit der Auszahlung von Oktober 2014 bereits erfolgt ist, ist eine Auszahlung in Höhe von 4,94 Euro vorzunehmen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

III. Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 SGG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 Euro wird sowohl für den Kläger als auch den Beklagten nicht erreicht. Die Berufung war gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Ungeklärt ist, wie § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII in Verbindung mit § 3 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII im Sozialhilferecht auszulegen ist, die Klärung der Frage liegt im allgemeinen Interesse.

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