FG Köln, Beschluss vom 25.03.2020 - 9 K 3169/16
Fundstelle
openJur 2020, 46950
  • Rkr:
Tenor

... wird zum Verfahren beigeladen.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen das ihm gegenüber ergangene Leistungsgebot zum Umsatzsteuerbescheid 2011 vom 15.10.2014.

Im Jahr 2007 war über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Zum Insolvenzverwalter wurde Herr Rechtsanwalt A, B-Straße ..., ... C, bestellt. Dieser gab unter der Steuernummer 1 jährliche Umsatzsteuererklärungen ab, 2007, 2009 und 2010 auf Grund fehlender Eingangs- und Ausgangsleistungen i.H.v. "0", 2008 i.H.v. 6.252,14 € Umsatzsteuer.

Für das Jahr 2011 übermittelte der Insolvenzverwalter die Umsatzsteuer-Erklärung unter dem 16.07.2012 und bat um Überweisung des Vorsteuerbetrags i.H.v. 2.407,59 € auf das Anderkonto A - D Konto-Nr. 2 bei der Bank in C. Die geltend gemachte Vorsteuer beruhte auf einer Kostenrechnung vom 15.11.2011 der Rechtsanwaltskanzlei A und E gegenüber dem Insolvenzverwalter, in der über außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeiten im Zeitraum vom 15.10.2007 bis 15.11.2011 abgerechnet wurde, auf die Umsatzsteuer i.H.v. 2.407,59 € entfiel. Der Beklagte stimmte der Erklärung zu (vgl. Mitteilung vom 27.07.2012, Umsatzsteuer-Akte des Beklagten).

Mit Datum vom 18.07.2013 erging gegenüber Herrn A als Insolvenzverwalter ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2011, in dem der Vorsteuerabzug unter Hinweis auf ein Erörterungsschreiben des Beklagten vom 08.07.2013 nicht mehr gewährt wurde. Nach diesem Schreiben könnten nur Vorsteuern aus solchen Leistungen des Insolvenzverwalters an den Insolvenzschuldner berücksichtigt werden, die für den unternehmerischen Bereich des Insolvenzschuldners erbracht würden. Da vorliegend die selbstständige Tätigkeit des Klägers als geruht habe, es sich bei den vorhandenen drei und dem um Privatvermögen handele und sich das zudem in der Zwangsverwaltung befinde, sei die unternehmerische Tätigkeit nicht betroffen. Die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG lägen nicht vor.

Den hiergegen eingelegten Einspruch begründete der Insolvenzverwalter damit, dass die Kostenrechnung die außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit im Zusammenhang mit Steuerschulden aus einem gewerblichen Grundstückshandel beträfe. Diese Vorgänge seien zwar schon vor 2004 erfolgt, wirkten aber durch die geführten Prozesse noch nach und seien dem Unternehmen des Insolvenzschuldners (gewerblicher Grundstückshandel) zuzuordnen (vgl. auch den Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 13.08.2012).

Nach der Feststellung des Beklagten, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers mit Beschluss vom 2013 aufgehoben worden war (die Restschuldbefreiung wurde durch Beschluss des Amtsgerichts C vom ...2013 erteilt), wies der Beklagte den Einspruch gegen den Bescheid vom 18.07.2013 gegenüber dem Kläger persönlich mit Entscheidung vom 06.08.2014 als unbegründet zurück. Ebenfalls erfolgte eine Aufhebung des an den Insolvenzverwalter adressierten Bescheids vom 18.07.2013 wegen unwirksamer Bekanntgabe.

Mit Datum vom 15.10.2014 erging sodann ein inhaltsgleicher Umsatzsteuerbescheid 2011 gegenüber dem Kläger, in dem die Vorsteuern mit Verweis auf die fehlende Zuordnung zu einer unternehmerischen Tätigkeit des Klägers als Insolvenzschuldner nicht berücksichtigt wurden.

Gegen das mit dem Umsatzsteuerbescheid 2011 verbundene Leistungsgebot nach § 254 AO legte der Kläger am 19.11.2014 Einspruch ein. Zur Begründung verwies er auf ein Schreiben des Beklagten vom 29.10.2014 im Rahmen des Eilverfahrens 9 , in dem er im Wege einer einstweiligen Anordnung Vollstreckungsaufschub zur Umsatzsteuer 2011 begehrt hatte. In diesem Schreiben hatte der Beklagte darauf hingewiesen, dass der verfahrensrechtlich zutreffende Weg der Einspruch gegen das Leistungsgebot des Steuerbescheids sei (vgl. Erhebungsakte des Beklagten, Lasche "Antrag auf einstweilige Anordnung"). Die gleichzeitig mit der Einspruchseinlegung am 19.11.2014 beantragte Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer 2011 gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 27.11.2014.

Den Einspruch wies der Beklagte mit Entscheidung vom 03.11.2016 als unbegründet zurück. Das Leistungsgebot sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht rechtmäßig gegenüber dem Kläger ergangen.

Die Umsatzsteuer 2011 stelle eine Masseverbindlichkeit dar, für die der Insolvenzschuldner auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin Steuerschuldner sei. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlange der bisherige Insolvenzschuldner gemäß § 259 InsO zwingend die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein gesamtes Vermögen zurück. Gleichzeitig sei er wieder Bekanntgabe- und Inhaltsadressat für Steuerbescheide geworden, unabhängig davon, welcher insolvenzrechtlichen Vermögenssphäre die geltend gemachten Forderungen während des Insolvenzverfahrens zuzuordnen gewesen wären. Auch die Umsatzsteuer 2011 als Masseverbindlichkeit könne mithin gegenüber dem Kläger in einem Steuerbescheid festgesetzt und anschließend im Vollstreckungsverfahren geltend gemacht werden.

Die Insolvenzordnung beinhalte keine Vorschriften, aus denen ein Haftungsausschluss oder eine gegenständliche Beschränkung der Haftung des Schuldners für nicht getilgte Masseverbindlichkeiten hergeleitet werden könne. Die §§ 53, 258 Abs. 2, 214 Abs. 3 InsO bezögen sich ausschließlich auf Einzelfragen der Haftungsverwirklichung zu Lasten der Insolvenzmasse, nicht jedoch auf die Haftung des Schuldners mit seinem beschlagsfreien Vermögen.

Die Nachhaftung des Klägers als Insolvenzschuldner für nicht getilgte Masseverbindlichkeiten ergebe sich aus dem Aspekt der Gesamtvollstreckung des Insolvenzverfahrens. Es sei im Übrigen von Bedeutung, dass es im Insolvenzrecht, anders als im Erbrecht, wo der Erbe nur unter bestimmten Voraussetzungen für Nachlassverbindlichkeiten mit seinem außerhalb der Erbschaft erworbenen Vermögen hafte, kein Trennungsprinzip gebe. Hierauf habe der Gesetzgeber bei Einführung der Insolvenzordnung zum 01.01.1999 bewusst verzichtet. Eine Haftungsbeschränkung bedürfe indes einer ausdrücklichen rechtlichen Grundlage, da der ggf. vollständige Verlust einer Forderung einen erheblichen Eingriff in die Eigentumsrechte des Gläubigers darstelle (vgl. BGH-Urteil vom 10.05.2012, IX ZR 206/11).

Der Kläger könne sich auch nicht erfolgreich auf die Regeln zur Restschuldbefreiung berufen. Denn diese wirkten nach §§ 286, 301 InsO nur gegen alle Insolvenzgläubiger. Insolvenzgläubiger seien nach § 38 InsO diejenigen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermögensansprüche gegen den Schuldner hätten. Gläubiger wie z.B. Massegläubiger, deren Forderungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden seien, seien keine Insolvenzgläubiger mit der Folge, dass die Restschuldbefreiung ihnen gegenüber nicht wirke.

Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Er sei für (nachträgliche) Masseschulden nicht Adressat der Zwangsvollstreckung. Daher sei er nicht Vollstreckungsschuldner, ihm gegenüber dürfe kein Leistungsgebot gem. § 254 AO ergehen.

Die Forderung des Beklagten sei durch die Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 301 InsO dergestalt erloschen, dass eine Vollstreckung ihm gegenüber nicht mehr möglich sei. Dies werde auch in Teilen der insolvenzrechtlichen Literatur vertreten, der BGH habe es in einer Entscheidung im Jahr 2007 offen gelassen (vgl. BGH, NZI 2007, 670).

Sollte hingegen eine Haftung des Insolvenzschuldners für offen gebliebene Masseverbindlichkeiten angenommen werde, sei diese auf dasjenige beschränkt, was aus der Masse als Überschuss an den Insolvenzschuldner herausgegeben worden sei. Diese Auffassung werde sowohl in der herrschenden insolvenzrechtlichen Literatur vertreten, als auch in der steuerrechtlichen und in Entscheidungen von Finanzgerichten. Vorliegend habe der Kläger unstreitig aus der Masse nichts erhalten, so dass im Ergebnis keine Haftung eintrete.

Die Erwägungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung würden hingegen nicht verfangen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte letztlich "Opfer" der Präklusionsvorschrift des § 208 InsO geworden sei, indem er die geänderte Umsatzsteuerfestsetzung erst nach der Schlussverteilung veranlasst habe. Diese Verspätung könne nicht dem Kläger zur Last gelegt werden, zumal er hierauf während des Insolvenzverfahrens überhaupt keinen Einfluss gehabt habe.

Soweit der Beklagte nunmehr erstmals geltend mache, dass eine Anfechtung des Leistungsgebots nicht zielführend sei, sei darauf hinzuweisen, dass der Beklagte diesen Weg als (einzig) zulässigen Weg aufgezeigt habe. Zudem bezeichne das Leistungsgebot den falschen Vollstreckungsschuldner. Dies sei nämlich nicht er, der Kläger, sondern der ehemalige Insolvenzverwalter, der für die Zahlung der Umsatzsteuer zuständig sei.

Schließlich sei auf verschiedene gerichtliche Entscheidungen hinzuweisen. So habe das FG Niedersachsen am 07.03.2017 (13 K 178/15) entschieden, dass ein Steuerpflichtiger für Steuerforderungen aus Masseverbindlichkeiten nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur insoweit einzustehen habe, als er etwas aus der Masse erlangt habe.

Die Entscheidung des BFH vom 28.11.2017 im Verfahren VII R 1/16 (vorgehend Sächsisches FG vom 09.12.2015, 8 K 1112/15, EFG 2016, 785) sei auf den vorliegenden Fall hingegen nicht zu übertragen. Zwar würden danach Masseverbindlichkeiten weder von der Restschuldbefreiung erfasst, noch stehe der Verrechnung eine sich aus dem Insolvenzverfahren ergebende Haftungsbeschränkung entgegen. Allerdings sei es in dem vom BFH entschiedenen Fall um Einkommensteuern gegangen, die während des Insolvenzverfahrens überhaupt nicht bezahlt worden seien, während vorliegend Vorsteuern zurück gefordert würden, die dem Insolvenzverwalter bzw. der Masse zu Gute gekommen seien und daher von der Masse zurückzufordern seien. Diese sei nach § 37 Abs. 2 AO Schuldnerin des Rückforderungsanspruchs (vgl. BFH vom 27.10.2009, VII R 4/08, BFH/NV 2010, 491).

Aus dem Urteil des FG Köln vom 13.02.2019 (4 K 1600/18) ergebe sich, dass Schuldner des Rückforderungsanspruchs derjenige sei, zu dessen Gunsten die Zahlung geleistet worden sei. Unabhängig davon, ob es sich bei dem Erstattungskonto um ein sog. Anderkonto oder ein sog. Sonderkonto gehandelt habe, sei jedenfalls nicht ihm, dem Kläger, die Zahlung zu Gute gekommen, er sei mithin nicht der Erstattungsverpflichtete. In dieser Entscheidung halte es der 4. Senat des FG Köln zudem für eine unzulässige Rechtsausübung, dass nach Abschluss des Insolvenzverfahrens eine Rückforderung geltend gemacht werde, wenn man zuvor als größter Gläubiger von der Verteilung profitiert habe.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen. Ergänzend zu den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung weist er explizit auf den Wortlaut von § 301 Abs. 1 InsO hin, wonach die Restschuldbefreiung nur "gegen alle Insolvenzgläubiger" und damit nicht gegenüber dem Beklagten als Massegläubiger wirke. Die ganz herrschende Meinung in der Literatur lehne daher auch die Übertragung der Grundsätze der Restschuldbefreiung auf Masseverbindlichkeiten ab, ebenso wie Finanzgerichte (vgl. z.B. Niedersächsisches FG vom 18.08.2010, 3 K 124/09 und vom 12.07.2013, 3 K 436/12). Zwischenzeitlich habe zudem der BFH mit Urteil vom 28.11.2017 (VII R 1/16) entscheiden, dass Masseverbindlichkeiten weder von der Restschuldbefreiung erfasst würden, noch einer Verrechnung sich aus dem Insolvenzverfahren ergebender Haftungsbeschränkungen entgegen stünden. Die "Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners" bestehe nicht.

Selbst wenn § 301 InsO anwendbar wäre, würde dies nicht zum Erlöschen des Steueranspruchs gem. § 47 AO führen. Vielmehr führe die Restschuldbefreiung lediglich dazu, dass die Forderungen zu sog. unvollkommenen Verbindlichkeiten bzw. Naturalobligationen würden (vgl. z.B. FG Schleswig-Holstein vom 23.10.2013, 4 K 186/11, FG Münster vom 09.09.2016, 4 K 2154/15; BFH vom 15.05.2013, VII R 12/12). Sie seien erfüllbar, aber nicht mehr erzwingbar. § 47 AO stehe daher dem Erlass des Leistungsgebots nicht entgegen.

Soweit der Kläger geltend mache, für nachträgliche Masseschulden nicht Adressat der Zwangsvollstreckung und daher nicht Vollstreckungsschuldner zu sein, könne er dies nicht erfolgreich in einem Verfahren, das gegen das Leistungsgebot geführt werde, geltend machen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sei das Leistungsgebot gerade kein Verwaltungsakt im Vollstreckungsverfahren (vgl. BFH vom 16.03.1995, VII S 39/92; BFH vom 24.06.1981, I B 18/81). Die Einwendungen des Klägers, dass seine Nachhaftung für Masseverbindlichkeiten gänzlich ausgeschlossen bzw. auf den an ihn aus der Masse herausgegebenen Überschuss beschränkt sei, könne erst gegen (möglicherweise zukünftige) Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Beklagten eingewandt werden (so seien auch die Ausführungen im Urteil des FG Münster vom 09.09.2016, 4 K 2154/15 zu verstehen).

Ausnahmsweise könne im Ergebnis nur dann etwas anderes gelten, wenn die ursprüngliche Erstattung auf ein Insolvenzanderkonto erfolgt sei. Denn in diesem Fall werde zumindest teilweise die Auffassung vertreten, dass sich der Rückforderungsanspruch gegen den (vormaligen) Insolvenzverwalter persönlich richte (vgl. FG Schleswig-Holstein vom 06.09.2017, 5 K 42/15; vgl. auch FG Köln vom 13.02.2019, 4 K 1600/18 mit Verweis auf BGH-Urteil vom 07.02.2019, IX ZR 47/18). Teilweise werde von den Finanzgerichten jedoch das Gegenteil vertreten (vgl. FG Baden-Württemberg vom 01.07.2015, 1 K 1231/13; FG München vom 06.03.2019, 6 K 3063/18). Diesbezüglich sei auch zu berücksichtigen, dass Handlungen des Insolvenzverwalters dem Insolvenzschuldner grundsätzlich zugerechnet würden, soweit sie sich im Rahmen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hielten und der Masse zurechenbar seien (vgl. BFH-Urteil vom 02.04.2019, IX R 21/17).

Das Amtsgericht C habe zwischenzeitlich mitgeteilt, dass die erfolgte Erstattung auf ein Anderkonto des Insolvenzverwalters erfolgt sei. Dies sei allerdings noch zu hinterfragen, weil zwischenzeitlich Insolvenzverwalter vermehrt, auch im Rahmen anhängiger finanzgerichtlicher Verfahren, vortragen würden, dass es sich bei von ihnen verwendeten Konten um sog. Sonderkonten handele, auch wenn diese regelmäßig als Anderkonten bezeichnet worden wären.

Da es mithin nicht gänzlich ausgeschlossen sei, dass der Rückforderungsanspruch gegenüber dem vormaligen Insolvenzverwalter geltend zu machen sei, werde dessen Beiladung nach § 218 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO, hilfsweise nach § 60 Abs. 3 FGO beantragt (zur näheren Begründung vgl. Bl. 47 ff. FG-Akte).

Der Kläger ist mit einer Beiladung einverstanden, hält allerdings die einfache Beiladung nach § 60 Abs. 1 FGO für einschlägig.

Der Insolvenzverwalter wurde angehört und hat mitgeteilt, dass keine Einwendungen gegenüber einer Beiladung seiner Person bestehen. Schon zuvor wurde ihm gegenüber mit Datum vom 14.05.2019 ein Rückforderungsbescheid erlassen. Das hiergegen geführte Einspruchsverfahren ist noch anhängig.

II.

1. Der beschließende Senat sieht die Voraussetzungen für eine einfache Beiladung gem. § 60 Abs. 1 FGO von Herrn A als gegeben an. Denn dessen rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen können durch die Entscheidung im vorliegenden Verfahren berührt werden.

a) Der Begriff des "rechtlichen Interesses" ist enger als der des "berechtigten Interesses", es genügt weder ein wirtschaftliches noch ein persönliches Interesse (vgl. Gräber/Levedag, 9. Aufl. 2019, FGO § 60 Rn. 14). Zudem muss es sich nach dem Wortlaut des § 60 Abs. 1 FGO aus den Steuergesetzen ergeben.

Die Berührung dieses rechtlichen Interesses muss zwar nicht gewiss oder auch nur wahrscheinlich sein (vgl. BFH-Beschluss vom 28.12.1998 VII B 280/98, BFH/NV 1999, 815). Angesichts der Bedeutung der Beteiligung eines Beizuladenden am Verfahren muss indes eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass die rechtlichen Interessen dieses Dritten durch die Entscheidung berührt werden, ohne dass dieser Maßstab zu restriktiv zu handhaben ist (vgl. Leipold in Hübschmann/Hepp/Spitaler § 60 FGO Rn. 38; Gräber/Levedag, 9. Aufl. 2019, FGO § 60 Rn. 17).

b) Der vorliegende Rechtsstreit kann die rechtlichen Interessen des (vormaligen) Insolvenzverwalters über das Vermögen des Klägers, Herrn A, berühren. Denn neben dem Kläger kommt Herr A als Adressat einer Rückforderung der Umsatzsteuer 2011 im Zusammenhang mit dem Umsatzsteuerbescheid 2011 vom 15.10.2014 in Betracht. Ihm gegenüber hat der Beklagte am 14.05.2019 auch schon einen entsprechenden Rückforderungsbescheid erlassen, das Einspruchsverfahren ist anhängig. Es ist zu erwarten, dass tragende Urteilsfeststellungen des anhängigen Streits für diesen Streitgegenstand zwischen Herrn A und dem Beklagten von Bedeutung sind, da sie dort Folgewirkungen auslösen können (vgl. Brandis in Tipke/Kruse § 60 FGO Rn. 2). Dies resultiert insbesondere daraus, dass die Abgrenzungsfragen zwischen sog. Ander- und Sonderkonten sowie die Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BGH zu diesen Konten auf Fälle, in denen nach steuerrechtlichen Regelungen z.B. Erstattungsansprüche nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber vormaligen Insolvenzschuldnern oder Insolvenzverwaltern geltend gemacht werden, in beiden Verfahren gleichermaßen eine Rolle spielen können. Diese Fragen werden von den Finanzgerichten bislang unterschiedlich beantwortet.

Schließlich handelt es sich um rechtliche Interessen von Herrn A nach den Steuergesetzen. Denn in seinem Verfahren kann es u.a. von Bedeutung sein, ob die Abgrenzungskriterien des BGH zu Ander- bzw. Sonderkonten bei der Anwendung des steuerlichen Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO anzuwenden sind. Dies ist nicht mit der Situation zu vergleichen, in der ein Insolvenzschuldner nicht nach § 60 Abs. 1 FGO zum Verfahren des Insolvenzverwalters beigeladen wird, in dem dieser um die Abgrenzung zwischen Masseverbindlichkeiten oder Zugehörigkeit zum insolvenzfreien Vermögen streitet. Denn in dem letztgenannten Fall geht es nicht um Steuergesetze, sondern um die Insolvenzordnung (vgl. BFH-Urteil vom 12.05.2009 VIII B 27/09, BFH/NV 2009, 1449; FG Düsseldorf, Urteil vom 21.07.2016, 11 K 613/13 E, EFG, 2016, 1906).

c) Eine Beiladung erscheint schließlich auch ermessensgerecht. Beide Beteiligten haben sie beantragt bzw. ihr zugestimmt und der Beizuladende hat keine Einwendungen erhoben. Zudem kommen sowohl der Kläger als auch Herr A als Adressaten einer Erstattungsverpflichtung/Zahlung der Umsatzsteuer 2011 in Betracht, allerdings nur alternativ. Schließlich dient die Beiladung prozessökonomischen Gründen, da Herr A mit seinen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen nicht auf "sein" Verfahren gegen den Rückforderungsbescheid beschränkt bleibt. Gegebenenfalls erübrigen sich diese dann in seinem Verfahren.

2. Die Voraussetzungen für eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO, die der Beklagte beantragt hat, sind hingegen nicht gegeben.

Eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO setzt nämlich voraus, dass ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist, dass sich hieraus möglicherweise steuerrechtliche Folgerungen für einen Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides ziehen lassen und dass das Finanzamt die Beiladung veranlasst und beantragt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 04.03.1998 V B 3/98, BFH/NV 1998, 1056).

Im Beiladungsverfahren ist zwar noch nicht abschließend zu prüfen, ob die übrigen formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheides vorliegen, da die Beiladung die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf. Allerdings ist § 174 Abs. 5 AO vorliegend schon deshalb nicht anzuwenden, weil im vorliegenden Verfahren kein Steuerbescheid angefochten und damit möglicherweise geändert wird. Denn der Kläger hat ausdrücklich nur gegen das mit der Umsatzsteuerfestsetzung 2011 verbundene Leistungsgebot als eigenständigen Verwaltungsakt Klage erhoben.

3. Schließlich erfolgt auch, anders als vom Beklagten beantragt, keine Beiladung gemäß § 60 Abs. 3 FGO. Denn der Insolvenzverwalter A ist nicht derart an dem streitigen Rechtsverhältnis beteiligt, als dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Gründe hierfür wurden weder von den Beteiligten vorgetragen noch sind sie für den beschließenden Senat erkennbar.

4. Eine Kostenentscheidung unterbleibt, da der Beschluss über die Beiladung in einem unselbständigen Zwischenverfahren ergeht und die Kosten dieses Verfahrens mit denen des Hauptverfahrens eine Einheit bilden (vgl. BFH-Beschluss vom 17.10.2006 VIII B 90/06, BFH/NV 2007, 199).

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