OLG Köln, Urteil vom 29.01.2020 - 11 U 76/18
Fundstelle
openJur 2020, 46836
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 22.03.2018 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 20 O 84/16 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger mit Ausnahme der Kosten der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, die der Beklagten auferlegt werden.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 75.000,00 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger zu 1) und 2) sind Eigentümer eines Einfamilienhauses in A B, welches sie im Oktober 2008 erworben haben und das in etwa 400 m Entfernung von der Bahntrasse A - C gelegen ist. Die Klägerin zu 3) ist die minderjährige Tochter der Kläger zu 1) und 2). Die Beklagte ist Eigentümerin der Grundstücksflächen, auf denen die Bahntrasse verläuft. Entlang der bestehenden Gleise werden Gleise für die Verlängerung der S-Bahn xx zwischen C und D-E errichtet.

Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage vom 09.07.2012 gegen aus ihrer Sicht unzulässige und unzumutbare Lärmeinwirkungen durch den Bahnbetrieb, insbesondere den Güterverkehr, die auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führten.

Nachdem das Landgericht zunächst die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Überschreitung der einschlägigen Schall-Grenzwerte angeordnet hat, hat sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 17.10.2016 auf einen Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamts, Außenstelle F vom 28.02.2011 zum Ausbau der S xx zwischen C und D-E berufen (Anlagenheft zum Schriftsatz vom 17.10.2016).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Planfeststellungsbeschluss schließe nach § 75 Abs. 2 VwVfG auch zivilrechtliche Ansprüche gegen den fraglichen Bahnbetrieb aus. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf dieses Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren im Wesentlichen weiter. Ihr Haus liege in einem reinen Wohngebiet. Die Nutzung des Hauses sei durch den Bahnlärm erheblich beeinträchtigt. Die Unebenheit der Gleise, die bremsbedingte Abnutzung der Räder der Güterzugwagen und deren veraltete Bremssysteme entsprächen nicht dem heutigen Stand der Eisenbahntechnik. Der Bahnlärm und die nächtliche Nutzung der Bahntrasse hätten seit 2010 erheblich zugenommen.

Die Kläger sind der Ansicht, der Planfeststellungsbeschluss zur S xx stehe dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Der Planfeststellungsbeschluss betreffe lediglich die S-Bahnstrecke 2xx5 und den Betrieb der geplanten S xx, nicht aber die bestehenden Gleise der Bahntrasse Nr. 2xx4, auf denen der Güterverkehr stattfinde, gegen den die Klage sich richte. Jedenfalls schließe § 75 Abs. 2 VwVfG Ansprüche auf Ausgleichszahlung nicht aus.

Die Kläger zu 1) und 2) beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des am 22.03.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Bonn (Az. 20 O 84/16) zu verurteilen,

1. es zu unterlassen, dass der von der Bahnstrecke Nr. 2xx4 F - G, Teilabschnitt C - A, - ohne Berücksichtigung des Betriebslärms der benachbarten geplanten S-Bahnstrecke 2xx5 - auf das Wohneigentum der Kläger, H 6 in D, einwirkende Betriebslärm der Bahnstrecke F - G, Teilabschnitt C - A, die Werte des äquivalenten Dauerschallpegels von Leq 6-22 Uhr 59 dB(A) am Tag (6:00 Uhr bis 22:00 Uhr) und von Leq 22-6 Uhr 49 dB(A) in der Nacht (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) überschreitet; einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen als gemessene Beurteilungspegel die Immissionsrichtwerte von tags/nachts Lmax 89/69 dB(A) nicht überschreiten. Die Kontrollmessungen der kurzzeitigen Geräuschspitzen erfolgt nach den Vorgaben der Technischen Anleitung Lärm am Messort 0,5 m vor dem geöffneten und der Bahnstrecke nächst- und höchstgelegenen Fenster des Wohnhauses der Kläger,

hilfsweise zum Antrag zu Nr. 1

den Klägern die Kosten für den Bau und Unterhalt sämtlicher gegenwärtiger und zukünftiger Schallschutzmaßnahmen zu erstatten, die geeignet und notwendig sind, um die Lärmeinwirkung des Betriebs der vorgenannten Bahnstrecke auf die Schlafräume der Kläger im Rauminneren in der Nacht (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) auf Beurteilungswerte unterhalb eines äquivalenten Dauerschallpegels von Leq 22-6 Uhr 34 dB(A) und für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen unterhalb eines Maximalpegel von Lmax 54 dB(A) zu halten und ihnen Schadensersatz für die Gebrauchsminderung des Außenwohnbereichs auf ihrem Wohnhausgrundstück ab dem 31. August 2011 für die Dauer der Immissionswertüberschreitung von tags 59 dB(A) zu leisten,

weiter hilfsweise zum Antrag zu Nr. 1

den Klägern dem Grunde nach einen Ausgleich in Geld für die Duldung von Überschreitungen der vorbezifferten Immissionsrichtwerte in den Schlafräumen der klägerischen Immobilie zu leisten;

2. den Klägern einen Ausgleich in Geld für die Duldung von Lärmeinwirkungen des Bahnbetriebs tagsüber auf den Außenwohnbereich auf dem Hausgrundstück der Kläger ab dem 02. Mai 2008 zu zahlen;

3. dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anträge zu Nr. 1 ein Ordnungsgeld, das der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, gegen die Beklagte festgesetzt wird.

Die Klägerin zu 3 beantragt,

unter Aufhebung des am 22.03.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Bonn (Az. 20 O 84/16) festzustellen, dass ihr gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadenersatz von Schädigungen ihrer Gesundheit als Bewohnerin des Hauses H 6 in D durch die Schallimmissionen des nächtlichen Bahnbetriebs oberhalb der vorbezifferten Beurteilungspegel im Antrag zu Nr. 1 zusteht.

Hilfsweise beantragen die Kläger,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Das Verwaltungsrecht sehe auch nach Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses wirksame nachträgliche Maßnahmen vor. Privatrechtliche Ansprüche seien damit ausgeschlossen. Die Strecke 2xx4 sei in den Planfeststellungsbeschluss einbezogen worden, weil Alt- und Neustrecke einen einheitlichen Verkehrsweg bildeten. Sie werde jedenfalls als Folgemaßnahme vom Planfeststellungsbeschluss erfasst und in eventuelle Schutzmaßnahmen einbezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht aufgrund des vorliegenden bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses abgewiesen.

Eventuelle Ansprüche der Kläger aus §§ 906, 823 BGB auf Unterlassen unzulässiger Lärmimmissionen, Vornahme von Schallschutzmaßnahmen oder Kostenerstattung hierfür und auf Ausgleichszahlung oder Schadensersatz aufgrund des Betriebes der streitgegenständlichen Bahnstrecke Nr. 2xx4 sind gem. § 75 Abs. 2 VwVfG ausgeschlossen.

§ 75 Abs. 2 VwVfG bestimmt, dass nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen sind. Dies erfasst auch die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche.

1. Der Bau der neuen S xx unterliegt gem. § 18 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) dem Erfordernis der Planfeststellung, und zwar unabhängig davon, ob der Bau als Neubau oder als Erweiterung der bestehenden Anlage anzusehen ist (vgl. Krämer, AEG, 1. Auflage, § 18 Rn. 2). Gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Der so zustande gekommene Planfeststellungsbeschluss schließt mit seiner Unanfechtbarkeit Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung aus. Der Betroffene hat das Vorhaben zu dulden. Die Ausschluss- und Duldungswirkung hängt eng mit der Gestaltungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses zusammen. Über alle von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange soll im Planfeststellungsverfahren verbindlich und abschließend entschieden werden. Sinn und Rechtfertigung der Duldungswirkung ist der Schutz der durch die Abwägungsentscheidung getroffenen Interessenabwägung und des daraufhin erfolgenden Interessenausgleichs, in den nicht aufgrund eines privaten Einzelinteresses eingegriffen werden soll (Kämper in BeckOK VwVfG, 45. Ed. 01.10.2019, § 75 Rn. 12). Die Ausschlusswirkung gilt sowohl gegenüber Privaten wie auch gegenüber Behörden. Sie umfasst zunächst öffentlichrechtliche Ansprüche, erstreckt sich vor allem aber auch auf privatrechtliche Unterlassungs-, Beseitigungs- und Änderungsansprüche, insbesondere aus §§ 823, 861 f, 906 f, 1004 BGB. Die Planfeststellung ist insofern auch privatrechtsgestaltend. Die Privatrechtsgestaltung bezieht sich jedoch nur auf den Ausschluss von gegen das Vorhaben gerichteten Ansprüchen. Dahingegen räumt die Planfeststellung dem Vorhabenträger keine weiteren privatrechtlichen Befugnisse, etwa Betretens- oder Nutzungsrechte fremder Grundstücke, ein (Wickel in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 75 Rn. 29; BGH, NVWZ 1999, 801 Rn 20; BGH, NJW 2010, 1141).

Die Ausschlusswirkung tritt schließlich unabhängig davon ein, ob der Betroffene am Planfeststellungsverfahren ordnungsgemäß beteiligt war (Pautsch/Hoffmann/Utschkereit, VfVfG, 1. Auflage, § 75 Rn. 19; BGH, NJW 2010, 1141 - City-Tunnel Leipzig, Rn 22). Daher spielt es keine Rolle, dass die Kläger zu 1) und 2) das Grundstück erst nach Ablauf der Frist zur Erhebung von Einwendungen im Planfeststellungsverfahren erworben haben. Schließlich ist auch bereits während des laufenden Planfeststellungsverfahrens die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen ausgeschlossen, der Betroffene wird insoweit auf die Wahrnehmung seiner Rechte im Planfeststellungsverfahren verwiesen (Kämper in BeckOK VwVfG, 45. Ed. 01.10.2019, § 75 Rn. 14).

2. Diese Ausschlusswirkung erfasst entgegen der Ansicht der Berufung nicht nur die neue Strecke der geplanten S xx, sondern auch eventuelle Ansprüche im Hinblick auf den Betrieb der bestehenden Gleise, gegen den sich die Klage richtet. Denn der Schallschutz hinsichtlich der bestehenden Strecke ist ebenfalls Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens und des Planfeststellungsbeschlusses.

Die Duldungs- und Ausschlusswirkung reicht nicht weiter als die Regelungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses. Dementsprechend greift sie nur, soweit die nachteiligen Wirkungen auf Anlagen beruhen, die dem festgestellten Plan entsprechen. Die Ausschlusswirkung gilt auch für unvorhersehbare Auswirkungen. In diesen Fällen haben die Betroffenen aber nach § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 5 VwVfG einen Anspruch auf Schutzvorkehrungen und gegebenenfalls auf Entschädigung. (Pautsch/Hoffmann/Utschkereit, VwVfG, 1. Auflage, § 75 Rn. 20; Wickel, aaO Rn. 31; Kämper in BeckOK VwVfG, 45. Ed. 01.10.2019, § 75 Rn. 12).

In Bezug auf den Schallschutz stellt sich das Vorhaben Verlängerung der S xx nicht als Neubau, sondern als wesentliche Änderung iSv § 1 Abs. 2 der VerkehrslärmschutzVO (16. VO zum BImSchG) dar. So ist das Vorhaben auch im Planfeststellungsbeschluss behandelt, wie sich aus den Ausführungen im erläuternden Teil ergibt.

Maßgebend für Inhalt und Umfang des Regelungsgegenstandes ist der Planfeststellungsbeschluss, wie er dem Vorhabenträger bekannt gegeben worden ist. Für seine Auslegung ist nicht der innere Wille der für das Planfeststellungsverfahren zuständigen Behörde entscheidend, sondern der objektive Gehalt der Regelung, wie sie ein verständiger Adressat verstehen muss. Die Genehmigungswirkung schließt die Baugenehmigung mit ein. Ein weiterer Bestandteil des Planfeststellungsbeschluss ist das Bauwerkverzeichnis; es bestimmt, welche baulichen Anlagen der Vorhabenträger errichten und nutzen darf (Wickel in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4.Auflage, § 75 VwVfG Rn. 10; Neumann/Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 75 Rn. 7; BVerwG, DVBl 2000, 916, 917).

Nach dem objektiven Gehalt der Regelung betrifft der vorliegende Planfeststellungsbeschluss nicht den Bau eines neuen, sondern die bauliche Änderung des bestehenden Schienenweges. Die Abgrenzung zwischen Neubau und baulicher Änderung hat bei dem Begriff des Schienenweges anzusetzen, der Gegenstand sowohl des Neubaus als auch der baulichen Änderung ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Begriff des Schienenweges in § 16 der 16. BImSchV nicht funktions-, sondern trassenbezogen zu verstehen. Für die Abgrenzung zwischen dem Bau eines neuen und der Änderung eines bestehenden Schienenwegs kommt es deshalb auf das räumliche Erscheinungsbild im Gelände an. Es ist darauf abzustellen, ob die zu betrachtenden Gleise optisch als Einheit auf gemeinsamer Trasse oder als jeweils selbstständige Anlagen mit getrennter Trassenführung in Erscheinung treten. Um den Bau eines neuen Schienenwegs handelt es sich mithin, soweit eine bestehende Trasse auf einer längeren Strecke verlassen wird; von der Änderung eines bestehenden Schienenwegs ist dagegen auszugehen, wenn Gleise parallel zu bereits vorhandenen Eisenbahngleisen ohne deutlich trennende Merkmale (z.B. größere Abstandsflächen, trennende Gehölze, Wasserflächen) geführt werden. Das räumliche Erscheinungsbild ist auch dann maßgeblich, wenn verschiedene Eisenbahnstrecken mit je unterschiedlicher Funktion nebeneinander verlaufen, wie es insbesondere für eine Parallelführung von S- und Fernbahn zutrifft. Die Schaffung einer S-Bahnstrecke in enger Parallellage zu einer vorhandenen Bahnstrecke qualifiziert das Bundesverwaltungsgericht daher als Änderung eines Schienenwegs (BVerwG, NVwZ 2005, 591).

Diese Definition einer baulichen Änderung ist vorliegend gegeben.

Das Vorhaben ist im Planfeststellungsbeschluss bezeichnet als "Neubau der S xx C - D-E, Planfeststellungsabschnitt 3 (D-I), Strecke 2xx5 C - D-E, km 6,870 - km 9,600" (Überschrift und A.1). Ausweislich S. 10 des Planfeststellungsbeschlusses wird im hier streitgegenständlichen Planfeststellungsabschnitt 3 die neue Gleisanlage parallel neben der vorhandenen DB-Strecke geführt.

Durch die Verlegung der neuen Gleise parallel zur alten Trassenführung für die nunmehr auch in diesem Streckenabschnitt verkehrenden S xx in Verbindung mit der Takterhöhung dieser Linie und auch der weiterhin auf der alten Trasse verkehrenden S xy kommt es naturgemäß zu einer Höherbelastung der Strecke insgesamt. Die damit einhergehende Steigerung der Lärmimmissionswerte kann nicht getrennt, sondern nur einheitlich bewertet werden. Dies bringt der Planfeststellungsbeschluss u.a. mit der vom Landgericht zitierten Passage auf S. 49 zum Ausdruck, wenn es dort u.a. heißt, dass die beiden Strecken "als Einheit" wahrgenommen werden. Außerdem wurden entgegen der Behauptung der Kläger einheitliche Messungen an der Strecke vorgenommen, um die erforderlichen aktiven und passiven Schallschutzmaßnahmen zu ermitteln, wie sich aus S. 49 f des Planfeststellungsbeschlusses ergibt. Schließlich belegen auch die Ausführungen am Ende des Planfeststellungsbeschlusses, die sich mit zahlreichen Einwänden der Anwohner vor allem im Hinblick auf die zunehmende Lärmimmissionen, die von der alten Trasse ausgehen, befassen, dass es für einen objektiven Betrachter nicht nur isoliert um die neue Gleisanlage, sondern um die Belastungen durch die geänderte Nutzung der gesamten Trasse ging.

Nichts anderes ergibt sich aus der Formulierung, dass "Vorbelastungen" grundsätzlich unberücksichtigt bleiben (S. 49). Mit diesen "Vorbelastungen" ist nicht der Güterverkehr auf der bereits bestehenden Strecke gemeint, sondern die sonstigen Belastungen, wie z.B. der Verkehrslärm der benachbarten Autobahnen A xxy und A yx. Das ergibt sich schon aus der Klarstellung im Planfeststellungsbeschluss, wonach zwar Vorbelastungen unberücksichtigt bleiben, allerdings bei einer wesentlichen Änderung - wie sie hier vorliegt - die gesamten Verkehrsgeräusche des geänderten Verkehrsweges - und damit auch der bestehenden Gleise - in die für den Schallschutz maßgeblichen Berechnungen eingehen, da die neue Strecke 2xx5 und die bestehende Strecke 2xx4 "als ein einziger Verkehrsweg" wahrgenommen werden (S. 49). Rechtlicher Hintergrund der Außerachtlassung von Vorbelastungen ist, dass bei der Beurteilung, ob die maßgeblichen Werte eingehalten sind, nur die von der konkreten Verkehrsanlage ausgehenden Beeinträchtigungen zu berücksichtigten sind. Der Ausschluss von Vorbelastungen und das sog. Summationsverbot erfasst aber nicht die Verkehrswege, die Bestandteil des konkreten Vorhabens sind oder notwendige Folgemaßnahmen des planfestgestellten Vorhabens (vgl. BVerwG, NVwZ 2014, 1454, Rn. 26). Führt ein Neubauvorhaben - wie hier - zu einem zwingenden Anpassungsbedarf an einem vorhandenen Verkehrsweg mit der Folge, dass zum einen eine neue Lärmquelle hinzukommt, andererseits aber damit auch die vorhandene Lärmquelle verstärkt wird, ist eine einheitliche Betrachtung der von der als Einheit anzusehenden gesamten Anlage ausgehenden Lärmimmissionen geboten (BVerwG, NVwZ 2014, 1454). Daher löst das planfestgestellte Gesamtvorhaben Lärmvorsorgeansprüche gemäß § 41 BImSchG i.V.m. § 1 der 16. BImSchV aus.

Genau diesen rechtlichen Ansatz greift der Planfeststellungsbeschluss auf S. 49 auf, wenn dort zum einen davon die Rede ist, dass Vorbelastungen (grundsätzlich) außer Betracht bleiben, dann aber doch eine Summenbildung stattfindet, weil beide Gleisanlagen als Einheit (nämlich als einheitlich Trasse) anzusehen seien.

Insgesamt stellen sich daher die bestehenden Gleise und die Gleise für die neue S xx als einheitliche Maßnahme dar, über die im Planfeststellungsbeschluss rechtskräftig entschieden ist, auch hinsichtlich der Lärmeinwirkungen auf die Nachbarschaft. Jedenfalls sind aber die Lärmeinwirkungen der bestehenden Gleise in den für das Vorhaben S xx zu berücksichtigenden Schallschutz einzubeziehen und damit als Folgemaßnahme im Sinne des § 75 Abs. 1 VwVfG von der Ausschluss- und Duldungswirkung des § 75 Abs. 2 VwVfG erfasst.

3. Schließlich erfasst die Ausschlusswirkung auch Ansprüche auf passiven Schallschutz - die im Planfeststellungsbeschluss ebenfalls in gewissem Umfang, wenn auch nicht für das Haus der Kläger, vorgesehen sind - und Ausgleichszahlungen nach § 906 BGB (BGH, NJW 2010, 1141 City-Tunnel Leipzig), zumal im Planfeststellungsverfahren auch über Entschädigungsansprüche entschieden wird.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 96, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Kosten der - überflüssigen - Beweiserhebung in erster Instanz sind der Beklagten nach dem Rechtsgedanken des § 96 ZPO aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift können die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- und Verteidigungsmittels der Partei auferlegt werden, die es geltend gemacht hat, auch wenn sie in der Hauptsache obsiegt. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Beweisaufnahme hat besondere Kosten verursacht. Sie erwies sich im Hinblick auf den vorgelegten Planfeststellungsbeschluss als entbehrlich. Im Rahmen der nach § 96 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung (hierzu BGH, NJW 2019, 2464) ist zu berücksichtigen, dass die späte Vorlage des Planfeststellungsbeschlusses auch aus Sicht der Beklagten keine sachlich zu rechtfertigenden Gründe hatte, sondern ausschließlich auf nicht hinreichend sorgfältiger Prozessführung beruhte.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat den Fall auf der Grundlage anerkannter Grundsätze und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zur Ausschlusswirkung des § 75 Abs. 2 VwVfG allein nach den tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Sachverhaltes entschieden.