AG Viersen, Beschluss vom 27.11.2017 - 9 XVII 496/10
Fundstelle
openJur 2020, 46735
  • Rkr:
Tenor

In dem betreuungsgerichtlichen Verfahren

für Frau B., geboren am ..., wohnhaft K-haus, V.,

Betreuerin:

Frau S. als Mitarbeiterin des Verein,

Betreuungsverein und Vergütungsgläubiger:

Verein,

wird die aus der Staatskasse an den Verein zu zahlende Vergütung für den Zeitraum vom 24.09.2016 bis 23.09.2017 festgesetzt auf

1.848,00 EUR(i. W. eintausendachthundertachtundvierzig EUR).

Im Wege der Abhilfe wird der Beschluss vom 06.12.2016 dahingehend abgeändert, dass die dem Betreuungsverein zustehende und aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung für den Zeitraum 24.03.2016 bis 23.09.2016 auf 924,00 € festgesetzt wird.

Gemäß § 61 II FamFG wird die Beschwerde unabhängig vom Erreichen des Beschwerdewertes von 600,00 € zugelassen.

Gründe

In der am 23.09.2011 für die Betroffene angeordneten Betreuung ist Frau S. als Mitarbeiterin des Verein zur Betreuerin bestellt.

Der Vergütungsanspruch ergibt sich nach Grund und Höhe aus den §§ 1908i, 1836 II, 1835 I BGB in Verbindung mit den §§ 4 und 5 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG).

Gemäß § 4 VBVG ist der Stundensatz mit 44,00 EUR zu bemessen. Für die Zahl der anzusetzenden Stunden ist zu berücksichtigen, dass die Betroffene mittellos ist und nicht im Heim lebt.

Damit errechnet sich die beantragte Vergütung für den oben genannten Zeitraum wie folgt:

Quartal vom 24.09.2016 bis 23.12.2016 (3 Monate)

(44,00 EUR * 3,50 Std. * 3) 462,00 EUR

Quartal vom 24.12.2016 bis 23.03.2017 (3 Monate)

(44,00 EUR * 3,50 Std. * 3) 462,00 EUR

Quartal vom 24.03.2017 bis 23.06.2017 (3 Monate)

(44,00 EUR * 3,50 Std. * 3) 462,00 EUR

Quartal vom 24.06.2017 bis 23.09.2017 (3 Monate)

(44,00 EUR * 3,50 Std. * 3) 462,00 EUR

Für den Zeitraum 24.03.2016 bis 23.09.2016 ist die Berechnung identisch zu vorstehender Berechnung.

Mit Vermerk vom 15.11.2017 hat der Abteilungsrichter klargestellt, dass Frau S. als Mitarbeiterin des Vereins mithin Vereinsbetreuerin bestellt ist. Vergütungsgläubigerin ist damit der Verein.

Streitig ist sowohl bei der erstmaligen Festsetzung wie auch bei Abhilfeentscheidung ob die Wohnform der Betreuten als Heim zu werten ist. Über diese Frage hat bereits das Landgericht Mönchengladbach mit Beschluss vom 15.02.2017 entschieden und sich der Ansicht angeschlossen, dass es sich bei der Wohnform des K-hauses um ein Heim im vergütungsrechtlichen Sinne handelt. Die zugelassene Rechtsbeschwerde wurde (leider) versäumt einzulegen, so dass keine höchstrichterliche Klärung herbeigeführt wurde.

Die Vergütungsgläubigerin hält mit Schreiben vom 24.09.2017 an ihrer Ansicht fest, dass die Wohnform K-haus keine Heimunterbringung im Sinne des VBVG ist. Sie beantragt die Vergütung der noch nicht entschiedenen Quartale entsprechend höher festzusetzen sowie die noch offene Erinnerung gegen den Beschluss vom 06.12.2016 sowie gegen den Beschluss vom 14.02.2017 zu bescheiden.

Die Ausführungen des Landgerichts Mönchengladbach, warum diese die Wohnform vergütungsrechtlich als Heim werten, müssen nicht wiederholt werden.

Inhaltlich wird hier jedoch eine andere Wertung vertreten.

Die Wohnform K-haus hat entgegen der Wertung des Landgerichts gerade nicht die (den Bewohner und letztendlich dann Betreuer) entlastende Verwaltungsstruktur eines Heimes. Vielmehr müssen die notwendigen verwaltenden Tätigkeiten für ein Zusammenleben durch die Bewohner = GbR-Mitglieder oder deren Vertreter geregelt werden. Dies wird besonders deutlich, wenn es um Wechsel von Bewohnern geht. Bei Heimen bestimmt dies allein ohne Mitsprache der Bewohner die Heimleitung. Beim K-haus muss dies von den GbR-Mitgliedern = Bewohnern (bzw. deren Vertreter) geregelt werden. Die Bewohner müssen nicht jeden aufnehmen sondern können wählen, wer aus ihrer Sicht zu ihnen passt. Dies ist deutlich anders und aufwendiger als im Heim.Die Wohnform des K-haus wurde durch das WTG (Wohnungs- und Teilhabegesetz NRW) quasi eingeführt. Sinn und Zweck dieses Gesetzes ist es unter anderem älteren und / oder behinderten Menschen ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.Im Teil 2 dieses Gesetzes wurden unterschiedliche Wohnformen begrifflich definiert, wobei Kapitel 1 die als vergütungsrechtlich Heim einzustufenden Wohnformen definieren dürfte. Kapitel 2 jedoch sollte neben diesen Heimen auch Wohnformen mit deutlich mehr Eigenverantwortung und eigenen Gestaltungsspielraum ermöglichen. Insbesondere die selbstverantworteten Wohngemeinschaften nach § 25 WTG NRW unterliegen erheblich geringeren behördlichen Überprüfungen. Nach Auskunft des Kreises Viersen wurde das K-haus durch die Heimaufsicht als selbstverwaltete Wohngemeinschaft im Sinne des WTG eingestuft und wird daher weniger geprüft.

Auch der Aufwand bei der Bestreitung der Finanzierung ist deutlich höher, da insbesondere bei Mangelfällen, bei denen die Einnahmen nicht ausreichen die entstehenden Kosten zu decken, deutlich andere Kriterien gelten als bei Heimunterbringung gelten. Eine Überleitung der Rente ans "Heim" wie sonst in diesen Fällen üblich, ist nicht möglich. Es wird Wohngeld und nicht Pflegewohngeld gewährt, was dann auch an den Bewohner und nicht das Heim geht.

Auch die Pflegeleistungen sind nicht durch einmalige pauschale Zahlung im Tagessatz erledigt, sondern die Pflegeleistungen des ambulanten Pflegedienstes sind entsprechend der jeweils erbrachten Leistung zu überprüfen und zu begleichen.

Der Verwaltungsaufwand des Bewohners bzw. dessen Vertreters ist deutlich höher als bei vollstationärer Heimunterbringung.

Zudem ist, um die Teilhabe, wie sie das WTG ermöglichen wollte, zu gewährleisten, bei selbstverwalteten Wohngemeinschaften die von den Bewohnern bzw. deren Vertretern in die Gemeinschaft einzubringende Mitverwaltung deutlich höher als bei Heimen. Hier müssen die Bewohner (bzw. deren Vertreter) die Verwaltungsentscheidungen treffen, die ein Zusammenleben erst ermöglichen und dies immer wieder und für jede Problemstellung ggf. auch immer neu. Die Wohngemeinschaft als GbR regelt sich selber und ein Bewohner bekommt nicht eine Hausordnung und Verwaltungsbestimmung bzgl. Tagesabläufen durch die Heimverwaltung.

Der Gesetzgeber des WTG hat die selbstverwaltete Wohngemeinschaft als Alternative gerade für die Heimunterbringung entworfen. Es wäre falsch diese Wertung (= kein Heim) vergütungsrechtlich anders auszulegen. Dann wären die Bewohner ja doch im Heim, obwohl sie dies nicht wollen und auch der Landesgesetzgeber dies anders gesehen hat.

Diese Kosten sind wegen Mittellosigkeit der Betroffenen aus der Staatskasse zu erstatten.Die Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen bleibt vorbehalten (§§ 1908i, 1836c, 1836e BGB, §§ 168, 292 I FamFG).

Die sofortige Beschwerde wurde zugelassen um den Weg zu einer höchstrichterlichen Klärung zu ermöglichen, da die Gründe, die das Landgericht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde dargelegt hat, nach hiesiger Erkenntnis weiter so bestehen.

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