OLG München, Beschluss vom 08.02.2018 - 14 U 2688/17
Fundstelle
openJur 2020, 61788
  • Rkr:
Tenor

1. Die beklagte Partei ist des eingelegten Rechtsmittels der Berufung verlustig.

2. Die beklagte Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Beschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 27.06.2017 (Az.: 32 O 1319/16), wird dahingehend abgeändert, dass der.Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens auf bis zu 16,000,- € festgesetzt wird.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 13.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Entscheidung beruht auf § 516 Abs. 3 ZPO. Die Berufung ist zurückgenommen worden.

II.

Die Festsetzung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren und das Berufungsverfahren beruht auf folgenden Gründen:

1. Die vom Landgericht Kempten (Allgäu) mit Beschluss vom 27.06.2017 erfolgte Festsetzung des erstinstanzlichen Streitwerts auf 14.617,62 € war gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 GKG auf einen Streitwert von bis zu 16.000,-€ abzuändern.

a) Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 HS 1 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts. Danach darf das Gericht Schätzungen vornehmen (vgl. ... § 3 ZPO, Rdnr. 2), was aus Sicht des Senats im vorliegenden Fall insbesondere deshalb erforderlich ist, weil der Verlauf des vom Kläger angestrebten Folgeverfahrens wie auch der Verlauf weiterer Verfahren mit (weitgehend) identischer zugrundeliegender Problematik nicht sicher prognostizierbar ist.

b) Hinsichtlich der erstinstanzlichen Streitwertsetzung sind folgende Änderungen veranlasst:

(1) Bezüglich der im Zusammenhang mit dem Folgeprozess vorgerichtlich und in der ersten Instanz (vgl. bzgl. der zwischen den Parteien vereinbarten ARB 2008 Prölss/Martin/Armbrüster, 28. Auflage 2010, § 17 ARB 2008/II, Rdnr. 12) für den Kläger zu erwartenden Rechtsanwalts- und Gerichtskosten ist der Berechnung des Kostenrisikos bzgl. der außergerichtlichen Kosten innerhalb des für die Geschäftsgebühr geltenden Rahmens gemäß Nr. 2300 VV RVG ein Gebührensatz von 2,0 zugrunde zu legen.

Dies gilt unabhängig von der Frage, ob dem Rechtsanwalt im zu prognostizierenden Fall seiner außergerichtlichen Tätigkeit tatsächlich ein Anspruch auf einen Gebührensatz von 2,0 zusteht. Diese Frage kann verbindlich nicht im Deckungsverhältnis, sondern nur im Mandatsverhältnis geklärt werden. Gegenstand der Deckungsklage ist grundsätzlich nur die Frage, ob der Versicherer für das jeweilige Verfahren Deckungsschutz zu gewähren hat. Gebührenrechtliche Fragen sind jedoch nicht Gegenstand des Versicherungsverhältnisses. Ist der Versicherer nicht bereit, eine Gebührenforderung zu bezahlen, ist er verpflichtet, dem Versicherungsnehmer Kostenschutz für einen etwaigen Gebührenprozess zu gewähren (BGH, NJW 2016, 61, 64, bzgl. § 2 Abs. 1 lit. a) ARB 75), denn der Versicherungsschutz umfasst auch die Verpflichtung des Versicherers, den Versicherungsnehmer von unbegründeten Ansprüchen freizustellen (BGH, a.a.O., S. 63).

Maßgeblich für die Streitwertberechnung im gegenständlichen Verfahren ist somit nicht die Frage, in weicher Höhe tatsächlich ein Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts für seine außergerichtliche Tätigkeit bestünde, sondern die Frage, mit welcher (ggf. teilweise auch nicht berechtigten) Gebührenforderung der Versicherte zu rechnen hat.

Im Hinblick auf die im Schriftsatz des Klägervertreters vom 18.12.2017 zitierte Rechtsprechung, die in vergleichbaren Fällen zumindest zum Teil einen Gebührensatz von 2,0 für angemessen erachtet hat, erscheint es jedenfalls möglich, dass auch dem Kläger in einem Folgeprozess ein derartiger Gebührensatz in Rechnung gestellt werden wird. Der Beklagten stünde es in diesem Falle frei, die Gebührenforderung zu begleichen oder den Kläger gegen den Honoraranspruch seines Rechtsanwalts zu verteidigen und die Kosten des Honorarstreits zu übernehmen (vgl. BGH, a.a.O.).

(2) Nicht berücksichtigt hat das Landgericht, dass im Folgeprozess mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Kosten für ein Sachverständigengutachten anfallen werden. Dass der Kläger selbst dies erst in der Berufungsinstanz vorgetragen hat, steht einer (nachträglichen) Berücksichtigung bei der Festsetzung des erstinstanzlichen Streitwertes nicht entgegen, da der Streitwert des Feststellungsantrags auf der Grundlage der voraussichtlich im Folgeprozess anfallenden Kosten zu berechnen ist, ohne dass es darauf ankäme, dass der Kläger diese im Einzelnen darlegte.

Hinsichtlich der zu erwartenden Kosten des Sachverständigengutachtens ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch die zu klärenden Beweisfragen sich voraussichtlich in einer Vielzahl von Verfahren stellen und dass sie zumindest teilweise Fragen betreffen werden, die sich abstrakt und unabhängig vom einzelnen Fahrzeug steilen, wie z.B. die Frage, wie sich das von der ... AG angebotene Softwareupdate in technischer Hinsicht sowie in bezug auf den Wiederverkaufswert des betreffenden Fahrzeugs auswirkt. Insoweit ergibt sich aus den vorgelegten Anlagen K 60 bis K 64, dass der Vorsitzende des 8. Zivilsenats bereits angeregt hat, für sämtliche beim 8. Zivilsenat rechtshängigen Verfahren ein Gutachten anfertigen zu lassen und die Kosten aufzuteilen.

Der Senat geht deshalb von einer gewissen Wahrscheinlichkeit dafür aus, dass in späteren Verfahren noch erforderliche Sachverständigengutachten zumindest kostengünstiger ausfallen werden, weil nicht mehr sämtliche erheblichen Beweisfragen in jedem Verfahren gesondert geklärt werden müssen.

Angemessen erscheint dem Senat daher für die im Folgeprozess zu erwartenden Gutachterkosten ein geschätzter Betrag von 6.000,-€.

(3) Nicht berücksichtigt hat das Landgericht im Rahmen der Streitwertfestsetzung schließlich, dass es sich bei dem klägerischen Antrag zu 1. um einen Feststellungsantrag handelt. Aufgrund dessen ist bei der Berechnung des Streitwerts ein Abschlag von 20% der voraussichtlich entstehenden Kosten vorzunehmen (BGH, NJW-RR 2006, 791, 791 f.).

c) Damit liegt die nach § 39 Abs. 1 GKG zu bildende Summe aus dem hinsichtlich des im Folgeprozess zu erwartenden Kostenrisikos und dem Streitwert des auf Freistellung gerichteten Antrags zu 2) - der dem Betrag der Schuld entspricht, von der die Freistellung begehrt wird (vgl. ... § 3 ZPO, Rdnr. 28) - innerhalb der Gebührenstufe bis zu 16.000,- €.

2. Der zweitinstanzliche Streitwert beträgt bis zu 13.000,-€ a) Die Berufung der Beklagten hat das erstinstanzliche Urteil in zweierlei Hinsicht angegriffen:

(1) Hinsichtlich des klägerischen Feststellungsantrags lag das Ziel des Berufungsantrags in einer mehrfachen Einschränkung der uneingeschränkt stattgebenden erstinstanzlichen Entscheidung.

aa) Gegenstand der erstinstanzlich ausgesprochenen Feststellung war die Haftung der Beklagten auf Tragung der Kosten der außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Form von Gewährleistungsrechten - insbesondere eines Anspruchs auf Neulieferung - gegen den Verkäufer sowie Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Verkäufer und der ... AG.

bb) Ziel der Berufung war insoweit eine Beschränkung des erstinstanzlichen Ausspruchs bezüglicher folgender Punkte:

– Die Kostenhaftung hinsichtlich eines Anspruchs auf Neulieferung sollte ausgeschlossen werden.

– Es sollte festgestellt werden, dass eine Kostenhaftung hinsichtlich der übrigen Gewährleistungsrechte nur bestehe, soweit dem Kläger Gebrauchsvorteile angerechnet würden.

– Hinsichtlich der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der ... AG sollte festgestellt werden, dass die Kostenhaftung der Beklagten sich auf die Rechtsverfolgung bezüglich aus der Manipulation des streitgegenständlichen Fahrzeugs resultierender Schäden beschränke.

– Schließlich sollte festgestellt werden, dass die Beklagte hinsichtlich der Rechtsverfolgung gegenüber der ... AG nur eine Kostenhaftung treffe, soweit der Kläger Ansprüche gegen die ... AG mit den gegen den Verkäufer gerichteten Ansprüchen in einem Verfahren geltend mache.

(2) Hinsichtlich des auf Freistellung gerichteten klägerischen Antrags hat die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil uneingeschränkt angegriffen.

b) Daraus folgt für die Festsetzung des zweitinstanzlichen Streitwerts:

(1) Da die erstinstanzliche Feststellungsentscheidung nur teilweise angegriffen wird, war der zweitinstanzliche Streitwert mit einem Bruchteil des erstinstanzlichen Streitwerts festzusetzen.

Insoweit ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Berufungsantrag die grundsätzliche Haftung der Beklagten für im Zusammenhang mit der Geltendmachung der klägerischen Ansprüche anfallende Kosten nicht In Frage stellt. Andererseits Ist das vorrangige Ziel des klägerischen Vorgehens nach den Ausführungen der Klageschrift letztlich eine Neulieferung. Da die Berufung gerade die Kostenhaftung der Beklagten im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Neu-lieferungsanspruchs zur erneuten gerichtlichen Überprüfung gestellt hat, erscheint es angemessen, den Berufungsstreitwert hinsichtlich des Feststellungsantrags mit 2/3 des erstinstanzlichen Streitwerts zu bemessen.

(2) Da das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des auf Freistellung gerichteten Antrags uneingeschränkt angegriffen worden ist, ist dessen Wert wiederum vollständig einzubeziehen.

(3) Damit liegt der wiederum nach § 39 Abs. 1 GKG zu bildende Streitwert insgesamt innerhalb der Gebührenstufe bis zu 13.000,-€.