FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.06.2020 - 3 V 1103/19
Fundstelle
openJur 2020, 46301
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsverfügung, die auf Rechtsgrundlagen, die sich aus dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) bzw. dem Mindestlohngesetz (MiLoG) ergeben, gestützt wird.

Die Antragstellerin ist ein Transportunternehmen in der Rechtsform einer GmbH polnischen Rechts (Z, kurz: Z.) mit Sitz in Polen.

Im Rahmen einer Prüfmaßnahme des Antragsgegners im Zusammenhang mit einer Geschäftsunterlagenprüfung bei der A mit Sitz in Y wurde festgestellt, dass Arbeitnehmer der Antragstellerin als Kraftfahrer Einsatzzeiten auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erbracht hatten.

Unter dem Datum 30. August 2016 erließ der Antragsgegner eine "Prüfungsverfügung", wonach bei der Antragstellerin gemäß §§ 2 ff SchwarzArbG eine Prüfung durchgeführt werden solle. Der Antragsgegner prüfe, ob

1.

die sich aus den Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Pflichten nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch erfüllt werden oder wurden,

2.

auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen Sozialleistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch oder Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz zu Unrecht bezogen werden oder wurden,

3.

die Angaben des Arbeitgebers, die für Sozialleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch erheblich sind, zutreffend bescheinigt wurden,

4.

Ausländer nicht

a)

entgegen § 284 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder § Abs. 3 Satz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes und nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen beschäftigt werden oder wurden, oder

b)

entgegen § 4 Abs. 3 Satz 1 und 3 des Aufenthaltsgesetzes mit entgeltlichen Dienst- oder Werkleistungen beauftragt werden oder wurden

und

5.

Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des Mindestlohngesetzes, des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und des § 8 Abs. 5 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eingehalten werden und wurden.

Weiter wird in der Prüfungsverfügung ausgeführt, "die Behörden der Zollverwaltung prüfen zur Erfüllung ihrer Mitteilungspflichten nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 4 SchwarzArbG, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Steuerpflichtige den sich aus den Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen seien. Prüfungen der Geschäftsunterlagen hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitsbedingungen nach dem AÜG werden auch von den Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit als zuständige Erlaubnisbehörde durchgeführt. Die erforderlichen Daten werden beim Auftraggeber/Arbeitgeber, dessen Mitarbeitern und sonstigen Dritten (z.B. Subunternehmer) erhoben. Dies könne auch durch einen Listenausdruck aus einer automatisierten Datei geschehen. Die Prüfung der entsprechenden Unterlagen und Dateien erfolge vor Ort beim Auftraggeber/Arbeitgeber durch Mitarbeiter des Hauptzollamtes. Diese können die Herausgabe der zur Prüfung notwendigen Unterlagen durch den Auftraggeber/Arbeitgeber zur Prüfung in den Räumen des Hauptzollamtes verlangen."

In der "Prüfungsverfügung" vom 30. August 2016 ist weder die Prüfmaßnahme bei der A erwähnt noch konkrete Arbeitnehmer.

Zusätzlich zur "Prüfungsverfügung" versandte der Antragsgegner ein Schreiben vom 30. August 2016 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung), in dessen Betreff er die "Durchführung des Mindestlohngesetzes (MiLoG)" angab. Die "Prüfungsverfügung" und ein Hinweisblatt waren als Anlagen bezeichnet. In dem Schreiben forderte der Antragsgegner die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Prüfungsmaßnahme bei der A auf, zusätzliche Angaben zu den Arbeitsverhältnissen der nachfolgend genannten Arbeitnehmer zu machen:

C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R.

Weiter war ausgeführt, dass jeder Arbeitnehmer, der in Deutschland tätig sei, seit dem 1. Januar 2015 nach § 1 MiLoG Anspruch auf Zahlung des allgemeinen Mindestlohns von derzeit 8,50 € je Zeitstunde habe. Gem. § 2ff SchwarzArbG und § 14ff MiLoG werde geprüft, ob die Antragstellerin ihren Arbeitnehmern in der Zeit, in der diese in Deutschland tätig gewesen seien, ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des geltenden Mindestlohns gezahlt hätten. Die Prüfungsverfügung sei als Anlage beigefügt. Zwar sei die Meldepflicht für den reinen Transitverkehr ausgesetzt. Da die Antragstellerin aber gleichwohl Einsatzplanungen nach der Mindestlohnmeldeverordnung (MiLoMeldV) abgegeben habe, werde davon ausgegangen, dass die Arbeitnehmer im Kabotageverkehr oder im grenzüberschreitenden Straßenverkehr mit Be- oder Entladung beschäftigt worden seien. In der Einsatzplanung habe die Antragstellerin als Ort, an dem sie die zur Kontrolle der Zahlung des allgemeinen Mindestlohnes erforderlichen Unterlagen bereithalte, einen Ort außerhalb Deutschlands angegeben und gleichzeitig versichert, dass sie diese Unterlagen auf Anforderung in deutscher Sprache in Deutschland den Behörden der Zollverwaltung zur Verfügung stelle. Unter Bezugnahme auf die jeweiligen Versicherungen in den Einsatzplanungen werde die Antragstellerin nach § 2 Abs. 3 MiLoMeldV aufgefordert, beispielhaft für die o.g. nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer bis zum 30. September 2016 die folgenden Unterlagen für den Zeitraum 01. Januar 2015 bis 30. Juni 2016 zu übersenden:

-

Arbeitsverträge, zuzüglich etwaiger Änderungsverträge und Kündigungsschreiben,

-

Nachweise über die in Deutschland geleisteten Arbeitsstunden,

-

Eine entsprechende Nachweisführung, dass die Arbeitsstunden, welche durch die genannten Arbeitnehmer in Deutschland erbracht wurden, mit dem in Deutschland gesetzlich geregelten Mindestlohn von 8,50 €/ Stunde vergütet worden seien,

-

Lohnscheine,

-

Firma und Anschrift des jeweiligen Auftraggebers.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prüfungsverfügung sowie das Anschreiben vom 30. August 2016 verwiesen.

Der gegen die Prüfungsverfügung vom 20. August 2016 gerichtete Einspruch der Antragstellerin datiert auf den 29. September 2016. Gleichzeitig beantragte sie zudem die Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsverfügung.

Sie trug vor, dass sie zwar die allgemeine Mindestlohnpflicht in Deutschland nicht in Frage stelle. Es beständen aber zahlreiche rechtliche Zweifel an der gesetzlichen Umsetzung der Mindestlohnpflicht in der Transportbranche, die auch zum Vertragsverletzungsverfahren vor der Europäischen Kommission geführt hätten. Nach Auffassung der Antragstellerin sei das deutsche Mindestlohngesetz auf ausländische Transportunternehmer nicht anwendbar. Es werde auf die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts (FG) vom 7. November 2018 (7 V 476/18) sowie auf die Entscheidung des FG Baden-Württemberg vom 30. Januar 2019 (11 V 903/18) verwiesen. In beiden hierzu anhängigen Hauptsacheverfahren sei das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH in den dort anhängigen Revisionsverfahren VII R 12/19, VII R 34/18 sowie VII R 35/18 angeordnet worden.

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 24. Januar 2018 und nachfolgender Einspruchsentscheidung vom 21. November 2019 ab.

Am 27. Dezember 2019 hat die Antragstellerin um Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht nachgesucht.

Ebenfalls am 27. Dezember 2019 hat die Antragstellerin Klage "gegen die Prüfungsverfügung vom 30. August 2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2019" erhoben, über die das Gericht noch nicht entschieden hat (3 K 1100/19).

Zu diesem Zeitpunkt lag die Einspruchsentscheidung des Antragsgegners in der Hauptsache noch nicht vor. Der Antragsgegner wies den Einspruch "gegen die Prüfungsverfügung vom 30. August 2016" erst mit Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2020 als unbegründet zurück. Bei der Darstellung des Sachverhaltes spricht der Antragsgegner davon, dass eine Prüfungsverfügung vom 30. August 2016 ergangen sei, in der die Antragstellerin dazu aufgefordert worden sei, für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2016 im Folgenden näher bezeichnete Unterlagen vorzulegen. Der Einspruch sei gemäß § 22 SchwarzArbG i.V.m. §§ 347 ff der Abgabenordnung (AO) zulässig, in der Sache sei er jedoch unbegründet. Die Prüfungsverfügung sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage sei § 15 Satz 1 MiLoG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 5 SchwarzArbG, wonach die Behörden der Zollverwaltung prüfen, ob die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen eingehalten sind. Nach § 15 Satz 1 Nr. 1 MiLoG i.V.m. §§ 4,5 SchwarzArbG seien die Behörden der Zollverwaltung befugt, Einsicht in Arbeitsverträge, Dokumente, aus denen sich die wesentlichen Inhalte des Beschäftigungsverhältnisses ergeben, Lohnabrechnungen, Nachweise über die Zahlung der Löhne und andere Geschäftsunterlagen zu nehmen, die mittelbar oder unmittelbar Auskunft über die Einhaltung des Mindestlohns geben. Die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns (§ 20 MiLoG), die auch Arbeitgeber mit Sitz im Ausland treffe, gelte auch gegenüber entsandten ausländischen Arbeitnehmern, die ausschließlich mobile Tätigkeiten ausüben, solange diese ihre Arbeitsleistung - auch nur kurzzeitig - auf deutschem Staatsgebiet erbringen würden. Die auf § 16 MiLoG beruhende Meldepflicht für ausländische Arbeitgeber für den reinen Transitverkehr sei derzeit ausgesetzt. Gleichwohl sei von der Antragstellerin eine Meldung in Form einer Einsatzplanung (§ 16 Abs. 5 MiLoG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 der MiLoMeldV) abgegeben worden. Aufgrund dessen habe davon ausgegangen werden müssen, dass die Antragstellerin die in der Einsatzplanung aufgeführten Arbeitnehmer im Kabotageverkehr oder im grenzüberschreitenden Straßenverkehr mit Be- oder Entladung in Deutschland beschäftigt habe. Ob die Antragstellerin als Arbeitgeber hinsichtlich der in Deutschland durchgeführten Fahrten und der hierfür eingesetzten Arbeitnehmer mindestlohnpflichtig war und ob sie diese Pflicht gegenüber den in der Einsatzplanung aufgeführten Arbeitnehmern erfüllt hat, könne nur durch die Überprüfung der mit der Prüfungsverfügung angeforderten Unterlagen festgestellt werden. Gegen eine Anwendung des § 20 MiLoG bestünden in der zugrundeliegenden Fallkonstellation mit Blick auf das Unionsrecht keine Bedenken. Ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit oder die Dienstleistungsfreiheit liege nicht vor. Zwar läge eine Beeinträchtigung vor, diese sei jedoch gerechtfertigt, weil am gesetzlichen Mindestlohn ein Allgemeinwohlinteresse bestehe (Schutz der Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen; kein Wettbewerb der Unternehmer zu Lasten der Arbeitnehmer). Es sei zu beachten, dass zwischen Deutschland und Polen ein Lohngefälle bestehe. Die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohnes sowie die damit verbundenen Dokumentations- und Bereithaltungspflichten seien deshalb notwendig, um das Allgemeinwohl zu schützen und die vorgenannten Ziele zu erreichen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2020.

Auf Nachfrage hat die Antragstellerin im Verfahren 3 K 1100/19 erklärt, dass in dem ursprünglichen Klageantrag lediglich auf Grund eines Übertragungsfehlers die Formulierung "in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.11.2019" aufgenommen worden sei. Der ursprüngliche Klageantrag möge als Untätigkeitsklage ausgelegt werden. Hilfsweise werde mit Schriftsatz vom 6. März 2020 nochmals Klage gegen die Prüfungsverfügung vom 30. August 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2020 erhoben.

Zur Begründung ihres Antrages auf Aussetzung der Vollziehung verweist die Antragstellerin zum einen auf die bereits genannten Entscheidungen der Finanzgerichte zur Frage der Anwendbarkeit des MiLoG auf ausländische Transportunternehmer sowie auf die beim BFH hierzu anhängigen noch nicht entschiedenen Revisionsverfahren hierzu.

Hinzukomme, dass der Prüfungszweck selbst im Falle der Anwendbarkeit auf ausländische Transportunternehmen jedenfalls zwischenzeitlich durch Zeitablauf weggefallen sei. Die Prüfungsverfügung habe sich auf den Prüfungszeitraum vom 01. Januar 2015 bis 30. Juni 2016 bezogen. Sowohl die zweijährige Aufbewahrungsfrist des § 17 Abs. 2 MiLoG sei bereits seit längerem abgelaufen. Die längst mögliche Verjährungsfrist für etwaige Bußgeldtatbestände des § 21 MiLoG von maximal drei Jahren seien ebenfalls bereits seit mindestens sieben Monaten abgelaufen. Schließlich seien auch etwaige arbeitsrechtliche Ansprüche auf den Mindestlohn durch Mitarbeiter spätestens seit dem 1. Januar 2020 verjährt. Es sei daher vollkommen irrelevant, ob die Antragstellerin wie auch immer geartete Prüfungsunterlagen vorlegen würde und was deren Inhalt sei, da die Ahndung wie auch immer gearteter Verstöße auf Grund der Verjährung nicht mehr möglich sei. Die Durchführung der Prüfung sei daher sinnlos und stellte eine Verschwendung staatlicher Ressourcen dar.

Das Aufschubinteresse überwiege auch gegenüber dem Vollzugsinteresse. Der Antragsgegner habe mehr als drei Jahre benötigt, um den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung endgültig zu bescheiden. Auch in der Hauptsache habe der Antragsgegner durch die erst am 6. Februar 2020 ergangene Einspruchsentscheidung über den Einspruch vom 29. Juni 2016 zum Ausdruck gebracht, dass eine Eilbedürftigkeit gerade nicht bestehe.

Die Prüfungsverfügung sei materiell rechtswidrig. Zum einen sei das Mindestlohngesetz bei verfassungs- und europarechtskonformer Auslegung nicht auf ausländische Transportunternehmen anwendbar. Selbst wenn man aber eine Anwendung annehmen wollte, so müsste jedenfalls für den reinen Transitverkehr die von dem Bundesministerium für Arbeit bekanntgegebene Übergangsregelung vom 30. Januar 2015 bis zur endgültigen europarechtlichen Klärung Berücksichtigung finden. Es sei nicht erkennbar, dass Transitverkehre von der Prüfungsverfügung ausgenommen seien. Auch nehme die Prüfungsverfügung die Arbeitnehmer nicht aus, bei denen das regelmäßige Monatsentgelt 2.000,00 € übersteige, und für die nach § 1 Abs. 1 der Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokV) gerade keine Pflicht zum Erstellen und Bereithalten von Dokumenten bestehe. Auch das Verlangen nach einer Angabe für die nicht in Deutschland abgeleisteten Arbeitsstunden gehe über den Anwendungsbereich des MiLoG hinaus. In der Prüfungsverfügung fehle ferner eine Belehrung gem. § 22 SchwarzArbG sowie § 103 AO.

Die Prüfungsverfügung sei verfassungswidrig, da sie die Antragstellerin in mehrfacher Hinsicht in nicht gerechtfertigter Weise in ihren Grundrechten verletze. Dies gelte für Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) im Sinne einer Verletzung der Berufsausübungsfreiheit, die auch auf juristische Personen mit Sitz im Ausland Anwendung finde. Verletzt sei die Antragstellerin auch in ihrem Grundrecht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes aus Art. 14 GG sowie in dem Gleichbehandlungsrecht des Art. 3 Abs. 1 GG. So stehe die Antragstellerin in direktem Wettbewerb mit deutschen Transportunternehmen zu denen sie ungerechtfertigt ungleich behandelt werde. Die Ungleichbehandlung ergebe sich im Bereich des Umfangs der Kontrolle des MiLoG und der dazu erlassenen Prüfungsverfügung sowohl bei den administrativen Pflichten (Meldung, Übersetzung), als auch bei der nach aktueller Auffassung der Hauptzollämter nicht vorzunehmenden vollständigen Anrechnung der nach polnischem Recht verpflichtend zu zahlenden Entsendezuschläge. Auch bestehe nur für ausländische Unternehmen eine Meldepflicht zur Meldung der Fahrer. Auch nur für diese entständen Übersetzungskosten.

Auch sei das Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 103 Abs. 2 GG verletzt.

Nur eine unionsrechtskonforme Prüfungsverfügung sei nicht rechtswidrig. Vorliegend verletzte die Prüfungsverfügung die Grundfreiheiten der Antragstellerin aus Art. 34ff des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (Warenverkehrsfreiheit) sowie aus Art. 56ff i.V.m. Art. 92 AEUV (Dienstleistungsfreiheit). Zudem sei der Eingriff durch das MiLoG in das nationale Arbeitsrecht, das bei der Antragstellerin gem. Art. 8 der Rom I-Verordnung (VO (EG) 593/2008) das polnische Recht ist, nicht mit den Anforderungen des Art. 9 der Rom I-Verordnung vereinbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Argumentation wird auf die umfangreiche Antragsbegründung verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt,die Vollziehung der Prüfungsverfügung vom 30. August 2016 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzuweisen.

Zur Begründung verweist er zum einen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung vom 21. November 2019.

Weiter führt er aus, dass die Anordnung einer Prüfung i.S. d. § 15 Abs. 1 MiLoG i.V.m. § 2 SchwarzArbG im Ermessen der Behörde stehe und in aller Regel ermessensgerecht sei, wenn sie dem Gesetzeszweck, d.h. der Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des MiLoG diene, es sei denn es lägen Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges, sachwidriges oder willkürliches Verhalten vor. Hiergegen verstoße die im Streit stehende Prüfungsverfügung nicht, denn willkürlich wäre sie nur dann, wenn die Vorschriften des MiLoG unter keinen denkbaren Gesichtspunkten Anwendung finden könnten. Dies sei nicht der Fall, auch wenn die Antragstellerin ihren Sitz nicht im Inland habe. Gem. § 20 MiLoG seien Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland verpflichtet, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmern Mindestlohn zu zahlen. Hieraus folge auch die Verpflichtung, die in § 17 MiLoG bezeichneten Dokumente zu erstellen und bereitzuhalten. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich bei den in der Prüfungsverfügung bezeichneten Arbeitnehmern um solche i.S.v. § 20 MiLoG handele.

Die in materieller Hinsicht zentrale Frage, was unter einem "im Inland beschäftigten" Arbeitnehmer i.S.v. § 20 MiLoG zu verstehen sei bzw. ob §§ 16,17 MiLoG für im Transportgewerbe tätige ausländische Arbeitgeber ggf. Verfassungs- oder europarechtskonform einschränkend auszulegen sei, bedürfe in einem gegen eine Prüfungsverfügung gerichteten Verfahren keiner abschließenden Klärung, solange nach den Umständen des Einzelfalls nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Arbeitnehmer eines ausländischen Transportunternehmens im Inland nicht lediglich Transitfahrten durchgeführt habe (Sächsisches FG, Beschluss vom 23. August 2018 4 V 1019/18). Die bisherige finanzgerichtliche Rechtsprechung gehe überwiegend davon aus, dass jedenfalls für Kabotagefahrten und grenzüberschreitende Beförderungen eine Prüfungsbefugnis der Zollbehörden bestehe, da in diesen Fällen nicht von vornherein auszuschließen sei, dass die Arbeitnehmer in nennenswertem Umfang deutschen Lebenshaltungskosten unterlägen und damit der Zweck des MiLoG eingreife.

Im Summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes müssten die sich in der Hauptsache stellenden europarechtlichen Fragen insbesondere zu grenzüberschreitenden Transporttätigkeiten nicht geklärt werden. Es reiche vielmehr aus, dass sich die angefochtene Prüfungsverfügung bei vorläufiger Betrachtung schon im Hinblick auf die Prüfung, ob auch Kabotagefahrten oder grenzüberschreitender Straßenverkehr mit Be- und Entladung erfolgt sei, nicht als willkürlich erweise (FG Münster, Beschluss vom 26. September 2019 9 V 128019 AO).

Würde die Prüfungsverfügung von der Vollziehung ausgesetzt, käme eine Überprüfung endgültig nicht mehr in Betracht, denn gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 MiLoG müssten die Dokumente längstens für zwei Jahre aufbewahrt werden. Es sei davon auszugehen, dass das hier anhängige Hauptsacheverfahren (3 K 1100/19) nicht innerhalb dieser Frist abgeschlossen werden könne. Gegen die bereits zwei finanzgerichtlichen Hauptsacheentscheidungen des FG Berlin Brandenburg (Urteil vom 16. Januar 2019 1 K 1174/17) und des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 17. Juli 2018 11 K 544/16) seien beim Bundesfinanzhof (BFH) derzeit unter den Az. VII R 12/19 und VII R 34/18 Revisionsverfahren anhängig. Eine endgültige Klärung der Rechtsfragen werde frühestens mit Abschluss dieser Revisionsverfahren zu erwarten sein.

Gründe

II. 1. Der Antrag ist unbegründet.

Gegenstand des Antragsverfahrens sowie des entsprechenden unter dem Az. 3 K 1100/19 bei Gericht anhängigen Hauptsacheverfahrens ist nach Auffassung des Senats ein Verwaltungsakt, der sich zusammensetzt aus dem mit "Prüfungsverfügung" überschriebenen Schriftstück vom 30. August 2016 und dem Anschreiben vom selben Tag, soweit darin der Umfang der beabsichtigten Prüfung in Bezug auf den genannten Arbeitnehmer und den Prüfungszeitraum konkretisiert wird (so BFH-Beschluss vom 15. Februar 2008 II B 79/07, BFH/NV 2008, 1102; Hessisches FG, Beschluss vom 7. November 2018 7 V 476/18, TranspR 2019, 242; FG Münster, Beschluss vom 26. September 2019 9 V 1280/19 AO, EFG 2020, 294). Dies ergibst sich unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Entscheidend sind bei der Auslegung von Verwaltungsakten der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Bei der Auslegung ist nicht allein auf den Tenor des Bescheids abzustellen, sondern auch auf den materiellen Regelungsgehalt und die für den Bescheid gegebene Begründung einschließlich etwaiger Bezugnahme auf dem Steuerpflichtigen bereits vorliegende Dokumente sofern die Auslegung zumindest einen Anhalt in der bekannt gegebenen Regelung hat (ständige BFH-Rechtsprechung; BFH-Urteil vom 20. Februar 2019 II R 27/16, BStBl II 2019, 559, m.w.N.).

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen (BFH-Beschlüsse vom 7. September 2007 V B 97/07, BFH/NV 2008, 120; vom 30. Oktober 2007 V B 170/07, BFH/NV 2008, 627, und vom 29. November 2007 I B 181/07, BStBl II 2008, 195, ständige Rechtsprechung). Der lediglich summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sind der unstreitige Sachverhalt, die gerichtsbekannten Tatsachen und die präsenten Beweismittel zugrunde zu legen (BFH-Beschluss vom 18. Oktober 2007 I B 148/07, BFH/NV 2008, 542). Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, BFH/NV 1997, R 462, m.w.N.).

b) Nach den o.g. Grundsätzen bestehen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsverfügung vom 30. August 2016.

aa) Die Rechtsgrundlage für die Prüfungsverfügung der im Streitfall angefochtenen Art findet sich in § 15 Satz 1 MiLoG i.V.m. § 2 SchwarzArbG, wo zwar nicht ausdrücklich zum Erlass einer Prüfungsverfügung ermächtigt wird, wo jedoch die Prüfungsaufgaben der Zollverwaltung im Einzelnen aufgelistet werden und damit die Möglichkeit, eine solche Prüfung anzuordnen, gleichsam vorausgesetzt wird (FG Münster, Beschluss vom 26. September 2019 9 V 1280/19 AO, EFG 2020, 294, m.w.N.). Besondere Anforderungen an die Prüfungsanordnung stellt das Gesetz nicht (vgl. BFH-Urteil vom 23. Oktober 2012 VII R 41/10, BFH/NV 2013, 282, zu § 2 SchwarzArbG). Sie setzt lediglich voraus, dass der zu prüfende Sachverhalt dem Anwendungsbereich des MiLoG unterfallen kann, d.h. steht von Anfang an fest, dass das MiLoG keine Anwendung findet, kommt eine Prüfung nach Maßgabe dieses Gesetzes schon nicht in Betracht (FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Februar 2018 1 V 1175/17, DStR 2018, 927).

Die Anordnung einer Prüfung i.S.d. § 15 Abs. 1 MiLoG i.V.m. § 2 SchwarzArbG steht im Ermessen der Behörde. Sie ist in aller Regel ermessensgerecht, wenn sie dem Gesetzeszweck, d.h. der Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des MiLoG dient, es sei denn, es lägen Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges, sachwidriges oder willkürliches Behördenverhalten vor (FG Münster, Beschluss vom 26. September 2019 9 V 1280/19 AO, EFG 2020, 294; FG Baden-Württemberg, Urteile vom 17. Juli 2018 11 K 544/16, DStRE 2019, 519 und vom 17. Juli 2018 11 K 2644/16, ZfZ 2019, 303; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Januar 2019 1 K 1174/17, juris).

bb) Vorliegend ergeben sich nicht bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsverfügung aus einer etwaigen unterschiedlichen Beurteilung der streitigen Rechtsfrage, d.h. der Frage, ob und in welchem Umfang das MiLoG auch auf ausländische Transportunternehmen anzuwenden ist, durch die Finanzgerichte bzw. den BFH. Zwar können sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit auch dadurch ergeben, dass der BFH (wie vorliegend) die streitige Rechtsfrage noch nicht entschieden hat und der Rechtsprechung der Finanzgerichte und der Fachliteratur insoweit unterschiedliche Auffassungen vertreten werden (vgl. Koch in Gräber, FGO, 9. Aufl., § 69 Rz. 87 m.w.N.). Allein aus der Zulassung der Revision können sich hingegen ernstliche Zweifel nicht ergeben.

Es existieren, soweit ersichtlich, jedenfalls in der Hauptsache keine unterschiedlichen Entscheidungen der Finanzgerichte. Soweit bisher Entscheidungen in der Hauptsache hierzu ergangen sind, haben die Finanzgerichte stets die Anwendbarkeit des MiLoG auch auf ausländische Transportunternehmen bejaht, allerdings die Revision zugelassen (Urteile des FG Baden-Württemberg vom 17. Juli 2018 11 K 2644/16 und 11 K 544/16; Urteile des FG Berlin-Brandenburg vom 16. Januar 2019 1 K 1174/17 und 1 K 1161/17). Damit hat etwa das FG Berlin-Brandenburg nicht mehr an seiner noch im ADV-Beschluss vom 7. Februar 2018 (1 V 1175/17) dargelegten vorläufigen Rechtsauffassung festgehalten. Soweit das Hessische FG in dem AdV-Beschluss vom 7. November 2018 (7 V 476/18) die Vollziehung im Hinblick auf unterschiedliche Auffassungen der Finanzgerichte zu der streitigen Rechtsfrage ausgesetzt hatte, geschah dieses maßgeblich auf Grund der zu diesem Zeitpunkt noch existenten Auffassung des FG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 7. Februar 2018 (1 V 1175/17), die in der Hauptsacheentscheidung nicht mehr aufrechterhalten wurde. Eine Entscheidung des Hessischen FG in der Hauptsache steht, soweit ersichtlich, noch aus. Die beim BFH derzeit zu der streitigen Rechtsfrage anhängigen Revisionsverfahren sind jeweils auf Grund der in den klageabweisenden Finanzgerichtsentscheidungen zugelassenen Revisionen anhängig (BFH-Az. VII R 34/18, VII R 35/18 und VII R 12/19). Die zuletzt ergangene Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestätigt ebenfalls summarisch die Anwendung des MiLoG auf ausländische Transportunternehmer (FG Münster, Beschluss vom 26. September 2019, 9 V 1280/19, EFG 2020, 294).

cc) In der Sache ist das MiLoG bei summarischer Prüfung auch auf ausländische Transportunternehmer wie die Antragstellerin anwendbar, denn nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 20 MiLoG) sind Arbeitgeber mit Sitz im In- und Ausland verpflichtet, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Mindestlohn zu zahlen. Hieraus folgt auch die Verpflichtung, die in § 17 MiLoG bezeichneten Dokumente zu erstellen und vorzuhalten.

Es handelt sich bei § 20 MiLoG um eine sog. Eingriffsnorm i.S.v. Art. 9 Rom I-VO. Erfüllt der Arbeitgeber die Pflicht nach § 20 schuldhaft nicht oder nicht rechtzeitig, verwirklicht er den Bußgeldtatbestand des § 21 I Nr. 9 und kann mit einer Geldbuße bis zu 500.000,00 € belegt werden (§ 21 III). Zweifelhaft erscheint allein, ob sehr kurze Beschäftigungen im Inland, welche durch einen ausländischen Arbeitgeber veranlasst wurden - bspw. der Transit von Lkw ausländischen Speditionen durch Deutschland oder sonstige kurzzeitige Arbeitseinsätze im Inland, etwa zu Schulungszwecken -, unter den Tatbestand des "im Inland beschäftigten" AN nach § 20 fallen (dazu Mankowski RdA 2017, 273; Moll/Katerndahl DB 2015, 555; Sittard NZA 2015, 78 ff.; s. a. BVerfG-Beschluss vom 25. Juni 2015 1 BvR 555/15, NJW 2015, 2242) Dagegen spricht der Umstand, dass es sich bei § 20 zwar um eine Eingriffsnorm i.S.v. Art. 9 Rom I-VO handelt, solche Eingriffsnormen aber einen hinreichenden Bezug zu dem normsetzenden Staat aufweisen müssen (vgl. MüKoBGB/Martiny Art. 9 Rom I-VO Rn. 122 ff. m.w.N.). Daran fehlt es im Hinblick auf § 20, wenn die konkrete Beschäftigung Deutschland zeitlich oder sachlich nur am Rande berührt (ebenso Österreichischer OGH Urteil vom 29. November 2016 9 ObA 53/16h, NZA-RR 2017, 180; Sittard NZA 2015, 78, 80; a.A. Däubler, Legal Tribune online, 3. Februar 2015; Mankowski RdA 2017, 273, 276). Diese Wertung entspricht § 6 I AEntG, wonach kurzzeitige Entsendungen unter bestimmten Voraussetzungen von der Anwendung des AEntG ausgenommen sind. Außerdem wäre die Dienstleistungsfreiheit des AG mit Sitz im EU-Ausland unverhältnismäßig beeinträchtigt, wenn dieser für jede kurzzeitige Arbeitserbringung in Deutschland den deutschen Mindestlohn einschließlich der damit verbundenen Dokumentationspflichten beachten müsste (vgl. Franzen in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, MiLoG § 20 Rn. 1, 2 m.w.N.).

Die Frage in welchem Umfang die in der Prüfungsverfügung aufgeführten Arbeitnehmer der Antragstellerin im Streitzeitraum im Inland beschäftigt waren, und ob eine lediglich sehr kurze Zeit des Inlandsaufenthaltes (etwa auf Grund von Transitfahrten) für die Anwendung des MiLoG ausreicht, bedarf im Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsverfügung dennoch keiner Klärung. Denn unstreitig waren die in der Prüfungsverfügung genannten Arbeitnehmer der Antragstellerin nicht ausschließlich auf reinen Transitfahrten durch Deutschland im Einsatz. Dies wird von der Antragstellerin nicht behauptet. Selbst wenn sie dieses aber behaupten sollte, so wäre im Falle eines in diesem Punkt streitigen Sachverhaltes dennoch die Prüfungsverfügung nicht insoweit rechtswidrig, denn nur durch eine Prüfung und Vorlage der den ausschließlichen Transitverkehr belegenden Unterlagen könnte geklärt werden, ob tatsächlich ggf. der Anwendungsbereich des MiLoG nicht eröffnet wäre.

dd) Die bisherige finanzgerichtliche Rechtsprechung geht überwiegend davon aus, dass jedenfalls für Kabotagefahrten und grenzüberschreitende Beförderungen eine Prüfungsbefugnis der Zollbehörden besteht und es sich bei den diesbezüglichen Fahrern, soweit sie in Deutschland fahren, um im Inland beschäftigte Arbeitnehmer i:S.v. § 20 MiLoG handelt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.1.2019 1 K 1174/17, juris; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.7.2018 11 K 544/16, DStRE 2019, 519; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.7.2017 11 V 2865/16, Sächsisches FG, Beschluss vom 23.8.2018 4 V 1019/18, juris und FG Münster, Beschluss vom 26. September 2019 9 V 1280/19 AO, EFG 2020, 294). In diesen Fällen sei nicht von vornherein auszuschließen, dass die Arbeitnehmer in nennenswertem Umfang deutschen Lebenshaltungskosten unterlägen und damit der Zweck des MiLoG eingreife. Diese Auffassung widerspreche nicht der Rechtsprechung des EuGHs (Urteil vom 18.9.2014 - C-549/13, NJW 2014, 3769), wonach Mindestlohnsätze dann eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) darstellten, wenn die betroffenen Arbeitnehmer ausschließlich in einem anderen Mitgliedstaat tätig würden. Der Senat folgt dieser Auffassung, wonach jedenfalls für Kabotagefahrten und grenzüberschreitende Beförderungen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Anordnung einer Prüfung durch die Zollbehörden bestehen.

Eine Prüfungsverfügung ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn die Durchführung derartiger Fahrten ernsthaft in Betracht kommt. Dies ist vorliegend unstreitig der Fall. Die nähere Sachverhaltsermittlung ist Gegenstand der vom Antragsgegner beabsichtigten Prüfung.

ee) Welche Konsequenzen aus der Prüfung gezogen werden dürfen, ist weder Gegenstand des vorliegenden Verfahrens noch des Hauptsacheverfahrens.

Aus diesem Grund kommt es nach Auffassung des Senats auch nicht darauf an, ob zwischenzeitlich die zweijährige Aufbewahrungsfrist des § 17 Abs. 1 Satz 1 MiLoG bereits abgelaufen ist. Denn zum einen besteht nach Ablauf der Frist keine Vernichtungspflicht, so dass die Unterlagen nach wie vor vorhanden sein und vorgelegt werden können. Zum anderen würde sich die berechtigte Vernichtung der Unterlagen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist lediglich auf das Ergebnis und die Auswertung der Prüfung auswirken, die vorliegend nicht zu prüfen ist.

Ebenfalls bedarf es in diesem Verfahren keiner Prüfung, ob und welcher Höhe etwaige Zuschläge auf den Mindestlohn anzurechnen sind oder nicht.

ff) Soweit, wie die Antragstellerin vorträgt, Grundrechtseingriffe in Art. 12 und 14 GG vorliegen sollten, so wären diese bei summarischer Prüfung auf Grund der geringen Intensität und der Rechtfertigung des Eingriffs jedenfalls gerechtfertigt.

Mit den Zielen der gesetzlichen Regelung, insbesondere der Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts, benennt der Gesetzgeber hinreichend gewichtige Regelungsziele, um die Ausgestaltung respektive den Eingriff verhältnismäßig erscheinen zu lassen (ebenso Engels JZ 2008, 490 (498)). Zur Verhältnismäßigkeit trägt bei, dass der gesetzliche Mindestlohn lediglich eine unterste Grenze setzt und der Betätigung der Tarif- und Vertragsautonomie im Übrigen ein großer Spielraum verbleibt (vgl. bereits Preis/Greiner ZfA 2009, 825 (835 f.); Greiner in BeckOK ArbR, 55. Ed. 1.3.2020, MiLoG § 1 Rn. 14). In der klassischen Drei-Stufen-Lehre des BVerfG zur Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) stellt die Mindestlohnvorgabe eine bloße Berufsausübungsregelung dar und kann damit aus vernünftigen Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt werden (BVerfG-Urteile vom 13. Dezember 2000 BVerfGE 103, 1 und vom 10. Juni 2009 BVerfGE 123, 186; Barczak RdA 2014, 296). Die Bereitstellung einer ansatzweise auskömmlichen Existenzgrundlage, die Entlastung der sozialen Sicherungssysteme und die Vermeidung ordnungspolitisch bedenklicher Anreizwirkungen sind legitime Ausgestaltungsziele.

Ein Eingriff in Art. 3 GG vermag der Senat bei summarischer Prüfung nicht zu erkennen, denn hinsichtlich der hier allein im Streit stehenden Prüfung liegt eine Ungleichbehandlung mit deutschen Transportunternehmen nicht vor.

gg) Eine Rechtswidrigkeit der Prüfungsverfügung ergibt sich bei summarischer Prüfung auch nicht aus einem etwaigen Verstoß gegen Unionsrecht.

Zum einen schließt Art. 153 Abs. 5 AEUV an sich Fragen des Arbeitsentgelts von der sekundärrechtlichen Normsetzungskompetenz der Europäischen Union aus. Zwar haben insbesondere die Regelungen des Arbeitnehmerentsenderecht in der Entsende-RL 96/71/EG und die daran anknüpfende Rechtsprechung des EuGHs, namentlich in den Rechtssachen Rüffert (EuGH-Urteil vom 3. April 2008 C 346/06, NZA 2008, 537) und Bundesdruckerei (EuGH-Urteil vom 18. September 2014 C 549/13, NZA 2014, 1129), erhebliche Auswirkungen auf die Mindestlohngesetzgebung. Die Kollisionsregelung in § 1 Abs. 3 nimmt auf diese europarechtlichen Implikationen Rücksicht. Der gesetzliche Mindestlohn ist damit im Grundsatz europarechtlich unbedenklich (Greiner in BeckOK ArbR 55. Ed. 1.3.2020, MiLoG § 1 Rn. 21).

In Detailfragen kann sich allenfalls die Notwendigkeit einer unionsrechtskonformen Auslegung ergeben, etwa hinsichtlich der (hier nicht im Streit stehenden) Problematik der Transitfahrten. Die mit dem Mindestlohn einhergehende Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 ff. AEUV) sowie bei Transportdienstleistungen der Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV) kann zudem gerechtfertigt werden. Die Anwendung des Mindestlohns ist auch bei kurzzeitigen Tätigkeiten im Inland zur Verwirklichung der von ihm verfolgten oben dargestellten zwingenden Gründe des Allgemeininteresses bei summarischer Prüfung geeignet und erforderlich (vgl. hierzu auch Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, MiLoG § 20 Rn. 19).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Beschwerde war zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Zitate25
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte