OLG Naumburg, Urteil vom 04.02.2020 - 12 U 155/19
Fundstelle
openJur 2020, 46014
  • Rkr:

Bei dem Erwerb eines von dem sog. Diesel-Abgas-Skandal betroffenen Fahrzeugs mit dem Motor EA189 im August 2016 fehlt es an dem Zurechnungszusammenhang zwischen der behaupteten vorsätzlichen sittenwidrigen Handlung und einem Schaden des Klägers.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 26. September 2019 verkündete Einzelrichterurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag über ein von dem sog. "Abgasskandal" betroffenes Gebrauchtfahrzeug.

Die Beklagte stellte unter der Bezeichnung "EA 189" einen Dieselmotor her, in dessen Motorsteuerung eine Software zur Abgassteuerung installiert wurde. Diese Software verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi, welche die Abgasrückführung steuern. In dem im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimierten "Modus 1", der beim Durchfahren des für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugemissionen maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus automatisch aktiviert wird, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Bei im normalen Straßenverkehr anzutreffenden Fahrbedingungen ist der partikeloptimierte "Modus 0" aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und damit zu einem höheren Stickoxidausstoß führt. Dieses Fahrzeug wurde aufgrund einer entsprechenden Typengenehmigung nach der EU-Abgasnorm 5 zugelassen.

Am 18. September 2015 erklärte die Beklagte, in den USA die vorbeschriebene illegale Abschalteinrichtung betrieben zu haben und gab in diesem Zusammenhang bekannt, dass weltweit etwa 11 Millionen Fahrzeuge betroffen seien. In einer Ad-hoc-Mitteilung vom 22. September 2015 führte die Beklagte zur Dieselthematik aus:

"Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Dieselmotoren mit Hochdruck voran....

Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt. Weitere bisherige interne Überprüfungen haben ergeben, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Dieselfahrzeugen des Volkswagenkonzerns vorhanden ist."

Mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 verfügte das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) gegenüber der Beklagten den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge, gab ihr auf, die "unzulässigen Abschalteinrichtungen" zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen (vgl. Pressemitteilung des KBA vom 16. Oktober 2015 (Anlage K 5, Anlagenband). Von diesem Rückruf war auch das Fahrzeug des Klägers betroffen.

Die Beklagte kündigte daraufhin am gleichen Tage durch eine Pressemitteilung (Anlage K 6, Anlagenband) an, dass seit dem 2. Oktober 2015 für Volkswagenfahrzeuge, aber auch für Fahrzeuge der Marken Audi, Seat und Skoda Internetseiten bereitstünden, die es auf einfache Weise ermöglichten, betroffene Fahrzeuge anhand der Fahrzeugidentifikationsnummer zu individualisieren. Zugleich teilte die Beklagte mit, dass sie den schnellen Beschluss des KBA über den Rückruf betroffener EA 189-Dieselfahrzeuge begrüße, und ankündigte, dass derzeit mit Hochdruck die im Maßnahmenplan festgelegten technischen Lösungen erarbeitet würden. Ab Januar 2016 werde mit der Nachbesserung der Fahrzeuge begonnen, und zwar kostenlos für die Kunden. Die technischen Lösungen würden für jede betroffene Baureihe und jedes betroffene Modelljahr entwickelt. Alle Maßnahmen würden zunächst den zuständigen Behörden vorgestellt. Danach würden die Halter dieser Fahrzeuge von ihr in den nächsten Wochen und Monaten darüber informiert.

Am 23. August 2016 erwarb der Kläger das im Klageantrag näher bezeichnete Fahrzeug Audi A 4 von der A.    GmbH mit einer damaligen Laufleistung von 69.342 km zu einem Kaufpreis von 28.280,00 €. In dem Fahrzeug ist der von der Beklagten hergestellte Dieselmotor des o.g. Typs EA 189 mit 2,0 Liter Hubraum verbaut. Ein sog. Software-Update wurde zwischenzeitlich aufgespielt.

Mit Anwaltsschreiben vom 8. Juni 2018 (Anlage K 13, Anlagenband) forderte der Kläger die Beklagte zur Anerkennung von Schadenersatzansprüchen auf, was die Beklagte ablehnte.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger erstinstanzlich u.a. vorgetragen, er hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn er Kenntnis von der illegalen Abschalteinrichtung gehabt hätte. Infolge dieser Software sei das Fahrzeug mangelhaft; ein Software-Update sei nicht geeignet, die Mangelhaftigkeit und Gesetzeswidrigkeit zu beheben. Infolge der Manipulation sei der Fahrzeugwert um 25 v. H. gesunken. Der Vorstand der Beklagten habe es zumindest billigend in Kauf genommen, dass ihren Kunden über das Vertriebsnetz von Vertragshändlern und über Tochterunternehmen nicht gesetzeskonforme Fahrzeuge verkauft und auf diese Weise sittenwidrig ein wirtschaftlicher Schaden zugefügt wird.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat im Wesentlichen geltend gemacht, das klägerische Fahrzeug sei weder im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mangelhaft gewesen noch habe das Aufspielen des Software-Updates zu Schäden oder Mängeln an dem Fahrzeug geführt. Durch das Software-Update sei die von dem KBA beanstandete Software entfernt worden. Das Fahrzeug sei technisch sicher, fahrbereit und erfülle alle gesetzlichen Vorgaben. Im Übrigen fehle es an einem Kausalzusammenhang zwischen schädigender Handlung und Schaden, weil dem Kläger aufgrund der Presseberichterstattung die Abgasproblematik bekannt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Anträge wird auf die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz. Die Beklagte sei bereits nicht passiv legitimiert, denn die Audi AG sei Hersteller des Fahrzeuges. Auch hafte die Beklagte nicht unter konzernrechtlichen Gesichtspunkten bzw. nach § 826 BGB. Der Beklagten fehle nach der ad-hoc-Erklärung vom 22. September 2015 der Vorsatz. Sie habe den Kläger nicht getäuscht bzw. sei eine Täuschungshandlung nicht von der Absicht getragen gewesen, sich stoffgleich zu bereichern. Wegen der Einzelheiten der Ausführungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der damit unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Er vertritt weiter die Ansicht, die Beklagte sei als Herstellerin des gegenständlichen Motors passivlegitimiert. Dessen Herstellen und Inverkehrbringen unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung begründe eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung. Sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB erfüllt. Die Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 habe die Kausalität nicht entfallen lassen.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 26.September 2019 (Az. 10 O 1818/ 18) wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeuges der Marke: Audi, Typ: A 4 Avant, Fahrzeug-Identifizierungsnummer: ... an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 28.280,00 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise:

1. Die Beklagte wird verurteilt, einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadenersatz in Höhe von mindestens 25 % des Kaufpreises des Fahrzeugs von 28.280,00 €, mindestens somit 7.070,00 € nebst Zinsen hieraus i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den Betrag aus Hilfsantrag zu 1) hinausgehenden Schadenersatz für weitere Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeuges, FIN ... mit der manipulierenden Motorsoftware resultieren, zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen i. H. v. 4 % aus 28.280,00 € seit dem 24. August 2016 bis zu Beginn der Rechtshängigkeit zu bezahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens i. H. v. 1.564,26 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen nach §§ 517, 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet.

1. Der Kläger kann von der Beklagten wegen des behaupteten Einsatzes einer nach Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung seines Pkws unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Zahlung des geleisteten Kaufpreises, gegebenenfalls auch unter Anrechnung der gezogenen Nutzungen des Fahrzeuges, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkws, noch den hilfsweise geltend gemachten Schadenersatz in Höhe von 25 v.H. des Kaufpreises beanspruchen.

a. Mangels Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien scheiden vertragliche Schadensersatzansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten von vornherein aus. Auch vorvertragliche Ansprüche gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB sind nicht erkennbar. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte unmittelbar oder mittelbar an dem Kaufvertragsschluss beteiligt war, noch dass sie ein über ihr allgemeines Absatzinteresse hinausgehendes wirtschaftliches Interesse gerade an dem Fahrzeugkauf des Klägers besaß oder durch die Inanspruchnahme von Vertrauen jenen in besonderem Maße erheblich beeinflusst hat. Soweit dem Kläger im Zeitpunkt des Kaufes neben Details zur Ausstattung des Pkws auch werbende Aussagen der Beklagten bekannt gewesen sein sollten, wäre diese Tatsache nicht geeignet, eine Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen aus § 311 Abs. 3 BGB zu begründen, weil hierfür werbende Anpreisungen des Herstellers nicht genügen (z. B. LG Braunschweig, Urteil vom 16. Oktober 2017, 11 O 4092/16, Rdn. 29, zitiert nach Juris).

b. Auch deliktische Schadensersatzansprüche stehen dem Kläger gegen die Beklagte nicht zu.

Seinen Schadensersatzanspruch kann der Kläger nicht auf die §§ 826, 31 analog BGB (aa.) noch auf die §§ 823 Abs. 2, 31 analog BGB i. V. m. § 263 StGB (bb.) oder auf die §§ 823 Abs. 2, 31 analog BGB i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; nachfolgend: EG-FGV) in der Fassung vom 3. Februar 2011 oder Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (nachfolgend: VO (EG) 715/2007) (cc.) stützen.

aa. Eine Haftung gemäß den §§ 826, 31 analog BGB scheidet ungeachtet der Frage, ob das Verhalten der Beklagten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sittenwidrig war oder ob auf den früheren Zeitpunkt der Strategieentscheidung der Beklagten, derartige Motoren in Verkehrs zu bringen, abgestellt werden muss, aus, weil der Senat davon ausgeht, dass der Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages wusste, dass das Fahrzeug von der Diesel-Thematik betroffen war und der in dem Fahrzeug eingebaute Motor mit der Täuschungssoftware ausgestattet war, es jedenfalls aber an einem Zurechnungszusammenhang fehlt, weil die Beklagte diesen durch ihre Maßnahmen unterbrochen hat.

(1) Schon der Umstand, dass bei dem Kläger durch eine der Beklagten zuzurechnende sittenwidrige Täuschungshandlung ein Irrtum erregt wurde, ist weder ersichtlich noch von dem Kläger hinreichend substantiiert dargetan worden. Die Erregung eines Irrtums ist vielmehr begrifflich ausgeschlossen, weil der Kläger bereits Kenntnis von den Tatsachen hatte, über deren Vorliegen er getäuscht worden sein will (z. B. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Januar 2020, 17 U 107/19, Rdn. 21, zitiert nach Juris). Zwar ist der Schaden eines Käufers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs auch in dessen Belastung mit der ungewollten Verbindlichkeit zu sehen (z. B. OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. November 2019, 17 U 146/19, Rdn. 42, zitiert nach Juris). Vorliegend geht der Senat aber davon aus, dass der Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages nicht nur wusste, dass das Fahrzeug, dessen Kauf er anstrebte, von der Diesel-Thematik betroffen ist, sondern auch, dass der in dem Fahrzeug eingebaute Motor mit einer Software ausgestattet war, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüflaufstand gegenüber dem Ausstoß im normalen Fahrbetrieb optimiert. Damit ist der Abschluss des hier in Streit stehenden Kaufvertrages für ihn keine ungewollte Verbindlichkeit gewesen, sondern Resultat einer in Kenntnis sämtlicher die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände getroffenen eigenverantwortlichen Entscheidung für ein Fahrzeug, welches über einen von der Diesel-Problematik betroffenen Motor verfügte (ähnlich OLG Frankfurt, Urteil vom 27. November 2019, 17 U 313/18, Rdn. 30 f.; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13. November 2019, 9 U 120/19, Rdn. 16; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Januar 2020, 17 U 107/19, Rdn. 25; sämtlich zitiert nach Juris).

Der Senat geht aufgrund der Gesamtumstände davon aus, dass der Kläger die entsprechende Kenntnis aufgrund der in den Medien beginnend ab Mitte September 2015 einsetzenden umfassenden medialen Berichterstattung über diese Thematik erlangte und zudem durch den Verkäufer hierüber in dem Kaufvertrag vom 23. August 2016 informiert worden ist, der folgenden Hinweis enthält: "Nach unseren Erkenntnissen können verschiedene Motoren des Volkswagenkonzerns (beispielsweise EA 189 EU5 usw.) und anderen Marken und Herstellern von einer "Abgaswertoptimierungssoftware" betroffen sein. Der Käufer akzeptiert diesen Umstand und stellt keine weiteren Forderungen/Rechtsansprüche an den Verkäufer.". Hinsichtlich eines durch die Beklagte in seiner Person hervorgerufenen Irrtums konnte sich der Kläger nicht auf das Vorbringen beschränken, er hätte den Kaufvertrag nicht abgeschlossen, falls er um den Einbau der unzutreffende Abgaswerte anzeigenden Software gewusst hätte. Vielmehr hätte er zu der von ihm behaupteten Erregung eines Irrtums über Tatsachen weitergehend substantiiert vortragen müssen, weil es sich um eine Thematik handelte, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bereits über einen mehr als zehn Monate währenden Zeitraum Gegenstand einer umfassenden medialen Berichterstattung war (z. B. OLG Braunschweig, Beschluss vom 2. November 2017, 7 U 69/17, Rdn. 16, zitiert nach beckonline). Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, wie der Kläger sich angesichts der gerichtsbekannten Massivität der Berichterstattung und des konkreten Hinweises des Verkäufers den entsprechenden Erkenntnissen hinsichtlich des Dieselskandals über Monate hat entziehen können.

(2) Aber selbst wenn der Kläger vor Abschluss des Kaufvertrags tatsächlich keine Kenntnis von der Betroffenheit des Fahrzeugs von dem sog. Abgasskandal und dem Vorhandensein der hier in Streit stehenden Software gehabt hätte, wie er vorträgt, fehlte es jedenfalls am 23. August 2016, dem Tag des Kaufvertragsabschlusses, am Zurechnungszusammenhang zwischen der behaupteten sittenwidrigen, vorsätzlichen Handlung der Beklagten und einem Schaden des Klägers (ähnlich OLG Köln, Urteil vom 6. Juni 2019, 24 U 5/19, Rdn. 46 ("ab Herbst 2015"); OLG Celle, Beschluss vom 1. Juli 2019, 7 U 33/19, Rdn. 26 ("ab Herbst 2015"); OLG Frankfurt, Urteil vom 27. November 2019, 17 U 313/18, Rdn. 21 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Januar 2020, 17 U 107/19. Rdn. 26, ("ab 16. Dezember 2015"); vgl. allgemein zum Zurechnungszusammenhang BGH, Urteil vom 21. November 2019, III ZR 244/18, Rdn. 27; sämtlich zitiert nach Juris).

Für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen gilt auch im Rahmen des § 826 BGB, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen. Ein Verhalten kann hinsichtlich der Herbeiführung bestimmter Schäden, insbesondere auch hinsichtlich der Schädigung bestimmter Personen, als sittlich anstößig zu werten sein, während ihm diese Qualifikation hinsichtlich anderer, wenn auch ebenfalls adäquat verursachter Schadensfolgen nicht zukommt. Die Ersatzpflicht beschränkt sich in einem solchen Fall auf diejenigen Schäden, die dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen (z. B. BGH, Urteil vom 11. November 1985, II ZR 109/84, Rdn. 15; Urteil vom 6. Juni 2013, IX 204/12, Rdn. 20 ff., beide zitiert nach Juris).

Der Vorwurf der vorsätzlichen Zufügung eines Schadens greift daher nur dann, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung gerade deswegen vorgenommen hat, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden ist. Eine Haftung scheidet danach aber aus, wenn der durch das Verhalten des Schädigers in Gang gesetzte Kausalverlauf bei wertender Betrachtung durch später hinzugetretene Umstände unterbrochen wurde, weil diese im Hinblick auf den eingetretenen Schaden so stark in den Vordergrund treten, dass die Erstursache vollständig verdrängt wird (z. B. Oetker, in: Münchner Kommentar, BGB, 8. Aufl., Rdn. 143 zu § 249 BGB) beziehungsweise der geltend gemachte Schaden nicht mehr in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage steht; denn ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang genügt nicht (z. B. BGH, Urteil vom 7. Mai 2019, VI ZR 512/17, Rdn. 8, zitiert nach Juris). Es muss daher in Fällen wie dem vorliegenden auch zum Zeitpunkt des Erwerbs des Gebrauchtfahrzeugs durch den Kläger noch eine sittenwidrige Veranlassung durch die Beklagte vorliegen (z. B. OLG Stuttgart, Urteil vom 26. November 2019, 10 U 199/19, Rdn. 44, zitiert nach Juris).

Daran fehlt es. Bei einem am 23. August 2016 abgeschlossenen Kaufvertrag über ein von einer unzulässigen Abschalteinrichtung betroffenen Kraftfahrzeug entfällt aus Rechtsgründen und ohne dass es noch auf die Feststellung der individuellen positiven Kenntnis des jeweiligen Klägers von der Betroffenheit seines Fahrzeuges vom Abgasskandal im Zeitpunkt des Kaufes ankommt, der Zurechnungszusammenhang. Auch wenn der Kläger als mittelbar Geschädigter grundsätzlich in den Schutzbereich des § 826 BGB fällt (z. B. OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. November 2019, 17 U 146/19, Rdn. 46, zitiert nach Juris), stellt sich ein erst durch den eigenverantwortlichen Vertragsschluss im August 2016 eingetretener Vermögensschaden wegen der ab September 2015 seitens der Beklagten als Schädigerin zur Eindämmung und Aufklärung des Skandals vorgenommenen öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen als nicht (mehr) dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammend dar. Die in der Eingehung der Zahlungsverpflichtung durch den mit dem Autohaus geschlossenen Kaufvertrag liegende behauptete Schädigung beruht vielmehr auf einem eigenverantwortlichen Willensentschluss des Klägers, der nicht mehr in einem inneren Zusammenhang mit der von der Beklagten geschaffenen Gefahrenlage steht (z. B. OLG Frankfurt, Urteil vom 27. November 2019, 17 U 313/18, Rdn. 26, zitiert nach Juris).

Dabei kann dahinstehen, ob bereits die Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten vom 22. September 2015 nach § 15 WpHG ausreichend war, mit der die Beklagte die Öffentlichkeit davon unterrichtet hat, dass weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 von den bereits zuvor in den USA beanstandeten auffälligen Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb betroffen waren (dagegen etwa OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019, 13 U 149/18, Rdn. 66, zitiert nach Juris).

Die Beklagte hat danach allerdings entscheidende weitere Schritte unternommen, um die Folgen ihres Verhaltens zu minimieren. Insbesondere gab sie am 15. Oktober 2015 bekannt (Anlage K 6, Anlagenband), dass seit dem 2. Oktober 2015 für Volkswagenfahrzeuge, aber auch für Fahrzeuge der Marken Audi, Seat und Skoda Internetseiten bereitstünden, die es auf einfache Weise ermöglichten, betroffene Fahrzeuge anhand der Fahrzeugidentifikationsnummer zu individualisieren. Zugleich hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie den schnellen Beschluss des KBA über den Rückruf betroffener EA 189-Dieselfahrzeuge begrüße, und angekündigt, dass derzeit mit Hochdruck die im Maßnahmenplan festgelegten technischen Lösungen erarbeitet würden. Ab Januar 2016 werde mit der Nachbesserung der Fahrzeuge begonnen, und zwar kostenlos für die Kunden. Die technischen Lösungen würden für jede betroffene Baureihe und jedes betroffene Modelljahr entwickelt. Alle Maßnahmen würden zunächst den zuständigen Behörden vorgestellt. Danach würden die Halter dieser Fahrzeuge von ihr in den nächsten Wochen und Monaten darüber informiert.

Über die gesamten Umstände wurde zudem in sämtlichen öffentlichen Medien gerichtsbekannt umfangreich berichtet. Die Beklagte hat somit die breite Öffentlichkeit und damit auch die potentiellen Erwerber von gebrauchten Kraftfahrzeugen, die mit dem Motor EA 189 ausgestattet sind, in Form von Pressemitteilungen ab Ende September 2015 bis Mitte Oktober 2015 darüber informiert, dass dieser Motor mit einer Abschalteinrichtung versehen ist, die vom KBA als nicht ordnungsgemäß angesehen wird und daher zu entfernen ist. Diese sich aus diesen Informationsquellen ergebenden Kenntnisse in der breiten Öffentlichkeit sind bei der Beurteilung, welche Anstrengungen von der Beklagten zu unternehmen waren, um den aufgrund des Inverkehrbringens der mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehenen Fahrzeuge fortdauernden Sittenwidrigkeitsvorwurf zu beseitigen, zu berücksichtigen.

Bei der in diesem Sinne gebotenen Gesamtbetrachtung kann jedenfalls im August 2016 nicht mehr von einer weiterhin als sittenwidrig anzusehenden Veranlassung der Schädigung von Käufern durch das ursprünglich sittenwidrige Inverkehrbringen der Fahrzeuge ausgegangen werden. Vielmehr hat die Beklagte in objektiver und subjektiver Hinsicht jedenfalls im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs am 23. August 2016 ausreichend viel getan, damit es nicht zu weiteren Vermögensschäden bei potentiellen Käufern im Hinblick auf den Motor EA 189 kommt, so dass zwischen ihrem ursprünglichen Verhalten - der Konzernentscheidung zur Implementierung der Software - und dem durch den Erwerb des hier in Streit stehenden Fahrzeugs im August 2016 entstandenen Schaden des Klägers kein so enger innerer Zusammenhang mehr begründet werden kann, dass im Sinne der oben dargelegten Grundsätze das Verhalten der Beklagten auch gegenüber Gebrauchtwagenkäufern wie dem Kläger als sittenwidrig angesehen werden könnte (vgl. schon BGH, Urteil vom 11. November 1985, II ZR 109/84, Rdn. 18, zitiert nach Juris). Auf eventuell weitere Mitteilungen der Beklagten kommt es daher nicht mehr an. Unabhängig davon, ob der Kläger von den o.g. Informationen subjektiv Kenntnis hatte, scheidet damit eine Haftung aus § 826 BGB jedenfalls mangels objektiven Zurechnungszusammenhangs aus (z. B. OLG Frankfurt, Urteil vom 27. November 2019, 17 U 313/18, Rdn. 29; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Januar 2020, 17 U 107/19, Rdn. 42; beide zitiert nach Juris).

Dass der Kläger sich gleichwohl aufgrund des pflichtwidrigen Vorverhaltens der Beklagten zum Abschluss des vermeintlich nachteiligen Kaufvertrages herausgefordert fühlen durfte und der Kausalzusammenhang deshalb fortbestünde, lässt sich dem Vorbringen des hierfür darlegungs- und beweispflichtigen Klägers (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 2013, II ZR 293/11, Rdn. 13, zitiert nach Juris) nicht entnehmen. Insbesondere kommt es hierbei nicht darauf an, ob dem Kläger nicht sämtliche Details der Motorsteuerungssoftware bekannt gewesen wären. Entscheidend ist vielmehr, dass er vor Abschluss des Kaufvertrages durch die (auch) von der Beklagten veranlassten Informationen hinreichend für die Thematik sensibilisiert worden war und deshalb die Möglichkeit hatte, entweder wegen der Motorisierung des Fahrzeuges vom Kauf Abstand zu nehmen, vorab weitere Informationen einzuholen oder die mitgeteilten Umstände einschließlich der etwaig verbliebenen Unklarheiten abzuwägen und in die Verhandlungen - etwa über die Höhe des Kaufpreises - und in die abschließende Kaufentscheidung einzubeziehen. Abgesehen davon, dass der von ihm insoweit als Schaden geltend gemachte Minderwert betroffener Fahrzeuge sich nach seiner Behauptung bereits im Zeitraum vor Abschluss des Kaufvertrags manifestiert haben und ihm damit selbst zu Gute gekommen sein dürfte, ist davon auszugehen, dass er bereits aufgrund der mitgeteilten Umstände - ohne weitere Detailkenntnis - eine eigenverantwortliche Kaufentscheidung treffen konnte.

bb. Seinen Schadensersatzanspruch kann der Kläger auch nicht auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB stützen.

Dass bei dem Kläger durch eine der Beklagten zuzurechnende Täuschungshandlung ein Irrtum erregt wurde, ist weder ersichtlich noch von dem Kläger hinreichend substantiiert dargetan worden. Die Erregung eines Irrtums ist, wie bereits dargelegt, begrifflich ausgeschlossen, wenn der Kläger bereits Kenntnis von den Tatsachen hatte, über deren Vorliegen er getäuscht worden sein will. Von einer Kenntnis geht der Senat, wie dargelegt, aus.

Auch fehlt es an einem für jeden Schadensersatzanspruch erforderlichen Zurechnungszusammenhang, wie ausgeführt.

cc. Ebenso scheidet ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus den §§ 823 Abs. 2, 31 analog BGB i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 aus, da es sich hierbei nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt (z. B. OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019, 7 U 134/17, Rdn. 137 ff.; OLG München, Beschluss vom 29. August 2019, 8 U 1449/19, Rdn. 77 ff.; OLG Celle, Beschlüsse vom 1. Juli 2019, 7 U 33/19, Rdn. 39 ff., und vom 27. Mai 2019, 7 U 335/18, Rdn. 39 ff; sämtlich zitiert nach Juris).

Entscheidend für die Frage, ob eine Rechtsnorm ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist u.a., ob die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll; mithin der Individualrechtsschutz im Aufgabenbereich der Norm liegt. Für die Beurteilung des Schutzgesetzcharakters einer Vorschrift ist auch für unionsrechtliche Normen in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs der Norm zu prüfen, ob der Gesetzgebers an die Verletzung des geschützten Interesses die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB knüpfen wollte (vgl. zu Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV bereits BGH, Urteil vom 10. Februar 2011, I ZR 136/09, Rdn. 18, zitiert nach Juris). Daran fehlt es bei den o.g. Normen. Nach den Erwägungsgründen (1) bis (4) und (7) der VO (EG) 715/2007 ist deren Ziel die Harmonisierung und Vollendung des Binnenmarktes durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung von Fahrzeugemissionen. Dass dagegen der europäische Gesetzgeber dem einzelnen Verbraucher eines jeden Mitgliedstaates die Rechtsmacht in die Hand geben wollte, mit Mitteln des Privatrechts gegen denjenigen vorzugehen, der in dieser Verordnung zur Umsetzung dieser Ziele geregelte Verbote übertritt und sein Rechtsinteresse beeinträchtigt, ist nicht angesprochen (z. B. OLG Braunschweig in seinem Urteil vom 19. Februar 2019, 7 U 134/17, Rdn. 144, zitiert nach Juris). Für die Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (nachfolgend: RL 2007/46/EG) umsetzenden §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV gilt Entsprechendes. Aus den Erwägungsgründen (2), (4) und (23) der RL 2007/46/EG ergibt sich ebenfalls, dass deren Ziel allein "die Vollendung des Binnenmarktes durch die Einführung eines verbindlichen Systems gemeinschaftlicher Typgenehmigungen für alle Fahrzeugklassen" ist. Individualinteressen, vor allem das Vermögensinteresse von Kraftfahrzeugerwerbern, finden darin keine Erwähnung (z. B. OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019, 7 U 134/17, Rdn. 146 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Januar 2020, 17 U 107/19, Rdn. 50; beide zitiert nach Juris).

2. Soweit der Kläger hilfsweise beantragt, von der Beklagten einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe von mindestens 25 % des Kaufpreises des Fahrzeugs nebst Zinsen zu erhalten und die Feststellung der Pflicht zum Ersatz weiterer Schäden begehrt, dringt er damit schon deshalb nicht durch, weil es aus den genannten Gründen an einer Anspruchsgrundlage fehlt.

3. Der Kläger hat mangels Hauptanspruchs auch keinen Anspruch auf Verzinsung sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gegen dieses Urteil hat der Senat die Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Grimm               Bode                Dr. Fichtner