Hessisches LAG, Urteil vom 23.09.2019 - 9 Sa 1572/17
Fundstelle
openJur 2020, 45763
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juni 2017 - 21 Ca 8746/16 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufung noch über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung sowie einer hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Die Beklagte gehört als Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu einem großen deutschen Telekommunikationskonzern; es sind deutlich mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, ein Betriebsrat ist gebildet.

Der am xx.xx.1977 geborene, verheiratete und 2 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger wurde bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin auf Grundlage mehrerer schriftlicher Arbeitsverträge als Kundenberater beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis begann zunächst befristet bei der A AG am 1. Mai 2000 mit Arbeitsvertrag von 04.2000 (Bl. 5 d.A.), wurde aufgrund eines unbefristeten Arbeitsvertrages vom 8. März 2001 (Bl. 4 d.A.) mit dieser und ab 2007 aufgrund eines Betriebsübergangs mit der Beklagten fortgesetzt; zuletzt lag der Änderungsvertrag der Parteien vom 29. August 2012 (Bl. 6-8 d.A.) zugrunde. Hierin vereinbarten die Parteien, dass der Kläger für seine Tätigkeit ein Jahreszielentgelt erhält, das sich aus einem fixen und einem variablen Anteil zusammensetzt. Im Jahr 2015 erzielte der Kläger unter Berücksichtigung der variablen Gehaltsbestandteile ein Bruttojahresgehalt in Höhe von Euro 51.347,83.

Bis zum 30. April 2015 war der Kläger bei der Beklagten dem Team 05 der Abteilung xxxx1 zugeordnet. Leiter des Teams 05 war der Zeuge B. Zum 1. Mai 2015 wechselte der Kläger in das Team 02 unter der Leitung der Teamleiterin C. In seiner Funktion als Kundenberater war der Kläger für den Vertrieb und die Auftragsbearbeitung der im Konzern der Beklagten angebotenen Produkte zuständig. Diesbezüglich stand dem Kläger wie auch den weiteren Mitarbeitern der Beklagten die IT-Plattform "Customer Relation Management A" (CRM-A) zur Verfügung. Eingaben in das System erfolgten unter Angabe einer so genannten Vertriebspunkt-Nummer (VP-Nummer) und einer individuellen Mitarbeiterkennung. Den verschiedenen Vertriebsteams waren unterschiedliche VP-Nummern zugewiesen, die von den Teammitgliedern verwendet werden sollten.

Im Rahmen der Vertriebstätigkeit stand jedem Team ein bestimmtes Budget für die Gewährung von Rabatten und Vergünstigungen zur Verfügung (sog. Dealcloser). Sofern das zur Verfügung gestellte Budget für die Dealcloser aufgebraucht war, durften bei der Vermarktung von Verträgen keine den Dealclosern entsprechende Rabatte und Vergünstigungen mehr gewährt werden.

Im Jahr 2015 verwendete der Kläger bei der Bearbeitung der Kundenaufträge in 72 Fällen nicht die VP-Nummer seines Vertriebsteams, sondern die VP-Nr. xxxx. Diese VP-Nummer ist von der Beklagten einem in D ansässigen Drittunternehmen zugewiesen. Durch die Verwendung der VP-Nr. xxxx konnte der Kläger zu Gunsten der Kunden in dem System CRM-A für veräußerte Endgeräte Rabatte gewähren, die nicht an die Vorgaben der Dealcloser gebunden waren und die bei einer Verwendung der VP-Nummer des Teams nicht in das System CRM-A hätten eingebucht werden können. Die fragliche VP-Nr. xxxx ist nicht nur vom Kläger, sondern auch von anderen Mitarbeitern der Abteilung xxxx1 verwendet worden.

Am 22. Januar 2016 führte die Beklagte in einem anderen Zusammenhang wegen eines Betrugsverdachtes eine Anhörung des ebenfalls bei der Beklagten beschäftigten Neffen des Klägers durch. An dieser Anhörung nahm auch der Teamleiter B teil. Ausweislich des von der Beklagten gefertigten Protokolls der Anhörung (Bl. 148-153 d.A.) warf die Beklagte dem Neffen des Klägers unter anderem vor, bei verschiedenen Kundenverhältnissen Produkte unter der unzulässigen VP-Nr. xxxx gebucht zu haben.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen eines anderen Kündigungsvorwurfs erstmals mit Schreiben vom 22. Juni 2016 ordentlich zum 31. Januar 2017. Gegen die Kündigung erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kündigungsschutzklage. Mit Urteil vom 24. November 2016 - 21 Ca 4706/17 - stellte das Arbeitsgericht Frankfurt am Main fest, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten von 22. Juni 2016 aufgelöst worden ist und verurteilte die Beklagte, den Kläger bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzverfahrens als Kundenberater tatsächlich weiterzubeschäftigen. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein; das Verfahren vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht trägt das Az. 9 Sa 461/17.

Mit Schriftstück vom 29. November 2016 (Bl. 95, 96 d.A.) hörte die Beklagte den Kläger zum einem "Verdacht auf Betrug zum Nachteil der E GmbH durch Innentäter der A" an. Der Kläger nahm mit E-Mail vom 5. Dezember 2016 (Bl. 97 d.A.) Stellung und führte u.a. aus, die VP-Nr. xxxx hätten laut Teamleiter B die absatzstärksten Kollegen vom Team 02 und Team 07 sowie er bekommen, um damit Teamziele, Teamwettbewerbe und Abteilungsziele zu pushen; die VP-Nr. xxxx hätten die besten Teams im Bereich xxxx1 erhalten.

Der Bereich Risikomanagement Compliance & Auditierung (PK-VSVRC) der Beklagten hörte am 13. Dezember 2016 fünf weitere Mitarbeiter der Beklagten zu den Vorwürfen an und konfrontierte sie mit den Aussagen des Klägers; auf deren Stellungnahmen und eidesstattliche Versicherungen wird Bezug genommen (Bl. 80-94 d.A.). Unter anderem führte der ehemalige Teamleiter des Klägers B in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 13. Dezember 2016 folgendes aus (Bl. 92 d.A.):

Ich, B, habe in diesem Leben zu keinem Zeitpunkt eine derartige Vertriebspunktnr. herausgegeben, des Weiteren ist diese mir als solche mit deren Funktion nie bekannt gewesen. Hiermit weise ich auch alle schwerwiegenden Vorwürfe, die hier gegen mich erhoben worden sind, gänzlich ab, da fantasievoll und kreativ, aber nicht wahr."

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2016 (Bl. 98-106 d.A.) hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu einer gegenüber dem Kläger beabsichtigen außerordentlichen fristlosen Tatkündigung, hilfsweise außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung wegen Betruges sowie zu einer vorsorglichen ordentlichen Tatkündigung und ordentlichen Verdachtskündigung mit der tariflichen Kündigungsfrist an. Dabei warf die Beklagte dem Kläger im Ergebnis vor, wiederholt in unzulässiger Weise Kunden unberechtigte Vorteile verschafft zu haben. Durch die Buchungen des Klägers entgegen den Prozessvorgaben der Beklagten sei in Summe ein unberechtigter Kundenvorteil von mindestens Euro 11.900,00 brutto sowie ein direkter Schaden zulasten der A von mindestens Euro 3.279,48 netto entstanden. Dazu nimmt die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat auf einen Untersuchungsbericht der Group Sercurity Governance A-2016-00032 vom 21. Juli 2016 sowie Ergebnisse weiterer Nachermittlungen zu diesem Vorgang Bezug.

In zwei Schreiben vom 16. Dezember 2016 (Bl. 13, 14 d.A.) meldete der Betriebsrat gegenüber der Beklagten Bedenken gegen die außerordentliche fristlose Tat- und Verdachtskündigung an.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2016 (Bl. 11 d.A.), dem Kläger am 23. Dezember 2016 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2016 (Bl. 109, 110 d.A.) widersprach der Betriebsrat gegenüber der Beklagten der beabsichtigten ordentlichen Tat- und Verdachtskündigung.

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2016 (Bl. 30 d.A.), dem Kläger am 29. Dezember 2016 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nochmals vorsorglich ordentlich fristgerecht zum 31. Juli 2017.

Mit der am 30. Dezember 2016 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen und der Beklagten am 13. Januar 2017 (Bl. 17 d.A.) zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die außerordentliche fristlose Kündigung und mit der am 12. Januar 2017 eingegangenen und der Beklagten am 17. Januar 2017 zugestellten (Bl. 28 d.A.) Klageerweiterung gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Dezember 2016 gewandt und hat mit einem am 3. Mai 2017 eingegangenen Schriftsatz hat er zudem hilfsweise seine Weiterbeschäftigung begehrt.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die außerordentliche Kündigung wie auch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten seien unwirksam. Ein Kündigungsgrund sei nicht gegeben; die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht eingehalten. Zudem hat der Kläger die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung bestritten.

Der Kläger hat behauptet, er habe die VP-Nr. xxxx von seinem damaligen Teamleiter, dem Zeugen B, erhalten, um die Vertriebsergebnisse des Teams "pushen" zu können, ohne das teambezogene Budget für die Dealcloser belasten zu müssen. Insofern habe er auf Anweisung seines Vorgesetzten gehandelt. Auch andere Mitarbeiter, teilweise auch aus anderen Teams, hätten die VP-Nr. xxxx verwendet, um vergünstigte Endgerätebuchungen vornehmen bzw. unentschlossene Kunden zum Vertragsschluss bewegen zu können. Neben dem Kläger sei auch den Zeugen F, G, H, I und J die Nutzung der VP-Nr. xxxx durch den Zeugen B gestattet worden. Die Nutzung der VP-Nr. xxxx innerhalb des Teams sei der Beklagten auch schon länger bekannt gewesen, wie die Anhörung des Neffen des Klägers vom 22. Januar 2016 gezeigt habe.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2016 aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die weitere ordentliche, fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 23. Dezember 2016 aufgelöst worden ist;

3. für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. und 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Kundenberater der Entgeltgruppe IVa entsprechen den Arbeitsverträgen vom 8. März 2001 und 28. September 2012 für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen;

4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG ab dem 1. August 2017 als Kundenberater der Entgeltgruppe IVa entsprechen den Arbeitsverträgen vom 8. März 2001 und 28. September 2012 für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe sich durch die unzulässige Verwendung der VP-Nr. xxxx einer schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung schuldig gemacht und ihr einen wirtschaftlichen Schaden zugefügt.

Sie hat behauptet, die VP-Nr. xxxx sei dem Kläger nicht von seinem früheren Teamleiter B zur Verfügung gestellt worden. Die VP-Nr. xxxx sei zunächst beginnend ab dem 23. März 2015 zwei Monate ausschließlich vom Kläger verwendet worden; erst am 28. Mai 2015 sei die Nummer dann auch von einem weiteren Mitarbeiter verwendet worden. Insgesamt hätten sechs Mitarbeiter die Nummer mehrfach verwendet, ein weiterer Mitarbeiter einmal.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat Beweis erhoben durch Vernehmung des ehemaligen Teamleiters des Klägers B als Zeugen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit am 29. Juni 2017 verkündetem Urteil - 21 Ca 8746/16 (Bl. 197-210 d.A.) - der Kündigungsschutzklage in Bezug auf die außerordentliche Kündigung und die hilfsweise ordentliche Kündigung entsprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2016 aufgelöst worden sei, weil sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Kündigung nicht auf einen hinreichenden wichtigen Grund berufen könne. Die Beklagte sei für die Behauptung, der Kläger habe die VP-Nr. xxxx ohne Wissen und Kenntnis seines Vorgesetzten B verwendet, beweisfällig geblieben. Die Vernehmung des Zeugen B habe nach Überzeugung der Kammer nicht zu dem Ergebnis geführt, dass dessen Behauptungen als wahr angesehen und der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt werden können. Die Aussage des Zeugen B sei nicht hinreichend glaubhaft; der Zeuge selbst nicht hinreichend glaubwürdig gewesen. Entsprechend sei das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Dezember 2016 aufgelöst worden. Der Kläger könne jedoch nicht seine Weiterbeschäftigung verlangen. Einem Weiterbeschäftigungsanspruch sei bereits im Kündigungsschutzverfahren der Parteien mit dem Aktenzeichen 21 Ca 4706/16 entsprochen worden.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 22. November 2017 zugestellte Urteil am 27. November 2017 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 22. Februar 2018 am 21. Februar 2018 begründet.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe eine rechtswirksame außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Diese sei jedenfalls als Verdachtskündigung rechtswirksam. Der Kläger habe zulasten der Beklagten und der E GmbH schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen begangen. Sein Verhalten erfülle in mindestens 72 Fällen den Tatbestand eines Betruges. Der Kläger habe wiederholt eine Umgehung von internen Kennungen und Berichtigungen vorgenommen, um im Rahmen von Vertragsverhandlungen bzw. Abschlüssen (potentiellen) Kunden unberechtigte Vorteile zum Nachteil der Beklagten bzw. der E GmbH zu gewähren. Das Arbeitsgericht sei von einer unrichtigen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen. Für das Verhalten des Klägers sei kein Rechtfertigungsgrund gegeben. Der Kläger habe sich nur pauschal als Schutzbehauptung darauf berufen, sein Vorgesetzter B habe ihm die Verwendung der VP-Nr. xxxx gestattet. Diese Behauptung sei zu pauschal. Im Übrigen habe eine fehlerhafte Beweiswürdigung stattgefunden, denn der Beweis könne nicht deswegen als nicht erbracht angesehen werden, weil keine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit zu gewinnen gewesen sei. Die Aussage des Zeugen B habe den Vortrag der Beklagten bestätigt. Diese Aussage habe das Arbeitsgericht nicht gewürdigt. Dem Kläger hätte zudem klar sein müssen, dass die Verwendung der VP-Nr. xxxx ein unrechtmäßiges und nicht zu billigendes Verhalten sei, selbst wenn sein Vorgesetzter es gestattet hätte. Ein offensichtlich unrechtmäßiges Verhalten dürfe nicht sanktionslos bleiben, desto mehr Personen sich eines solchen Verhalten befleißigten oder es gar systematisch betrieben. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung und angesichts der bereits zuvor ausgesprochenen Kündigung bzw. der erteilten Abmahnung sei eine Abmahnung ein untaugliches Mittel. Die Beklagte habe die Zweiwochenfrist des 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden.

Die Beklagte behauptet, der Zeuge B habe dem Kläger nicht erlaubt, die VP-Nr. xxxx zu verwenden, um die Ergebnisse zu verbessern (Beweis: Zeugen B, C, K). Dem Kläger sei durch sein Vorgehen zum einen der Vorteil entstanden, dass er durch die Abschlüsse seine individuellen Zielvorgaben entsprechend verbessert habe. Zum anderen seien die getätigten Buchungsvorgänge relevant für die Teamziele und für einen (möglichen) Erfolg im Rahmen verschiedener Wettbewerbe, an denen bei Erfolg auch einzelne Mitarbeiter partizipieren und Prämien erhalten würden. Die Absicht des Klägers sei dahin gegangen, sich durch sein vorsätzliches Fehlverhalten unberechtigt den Vorteil einer Leistung und erfolgsorientierten Vergütung bzw. von Prämien zum Nachteil der Beklagten zu verschaffen.

Das zuständige EG-Clearing-Team des in D ansässigen Drittunternehmens L habe die VP-Nr. xxxx in bestimmten vorgegebenen Situationen verwenden dürfen.

Die Beklagte behauptet, nach dem Vorliegen der Erlaubnis der Konzerneinheit GSG vom 15. November 2016 seien durch die Abteilung Risikomanagement Compliance und Auditierung der E GmbH zwischen dem 15. November 2016 bis 18. November 2016 Nachermittlungen angestoßen und durchgeführt worden. Grund hierfür sei gewesen, dass aus Sicht der zuständigen Compliance-Einheit als weiterer Kernpunkt nicht ermittelt worden sei, nämlich ob die VP-Nr. xxxx vom Kläger auch dazu benutzt worden sei, unberechtigte und vor allem zu niedrige Endgerätepreise zu buchen. Am 18. November 2016 sei das Zwischenergebnis der bis dahin erfolgten Ermittlungen an den zuständigen Personalbereich übersandt worden. Zu diesem Zeitpunkt hätten noch die jeweiligen Einkaufspreise der Endgeräte gefehlt. Am 28. November 2016 habe der zuständigen HR-Managerin M der Zwischenermittlungsbericht (Anl. B2, Bl. 78, 79 d.A) vorgelegen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juni 2017 - 21 Ca 8746/16 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, die Berufung der Beklagten müsse ohne Erfolg bleiben. Die Beklagte sei für ihren zentralen Kündigungsvorwurf, der Kläger habe die VP-Nr. xxxx eigenmächtig und unerlaubt für Endgerätebuchungen genutzt, beweisfällig geblieben. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass alle betroffenen Arbeitnehmer eigenmächtig und unerlaubt arbeitsvertragliche Pflichtenverstöße begangen hätten, so dass zumindest eine wissentliche Duldung der Nutzung durch die Beklagte naheliege. Zudem bleibe offen, ob und wer die Buchungen auf die VP-Nr. xxxx überwacht habe. Es sei nicht ersichtlich, wie der Kläger mit der Endgerätebuchung einen Vorteil für seine individuellen Vertriebszielvorgaben hätte erreichen können. Die Beklagte habe nicht dargelegt, wie sich die - unstreitig erfolgten - Endgerätebuchungen auf die maßgebliche VP-Nr. xxxx konkret auf Einzel- und Teamziele ausgewirkt hätten.

Der Kläger behauptet auch in der Berufungsinstanz unter nochmaliger Bezugnahme auf die "Tagesbefehle" des Teamleiters B (Bl. 140 ff. d.A.), die aus seiner Sicht die Diktion schlichter Mitarbeitermotivation deutlich überschritten hätten, die außerordentliche Rabattgewährung für Endgeräte sei dem damals und heute bestehenden täglich kommunizierten Vertriebsdruck der Beklagten geschuldet gewesen.

Der Kläger behauptet, sein Teamleiter B habe die VP-Nr. xxxx mitgebracht und dazu die Aussage getroffen, dass diese zum Pushing des Teamziels sei und die Vorgehensweise mit zwei weiteren Abteilungsleitern abgesprochen sei. Der genaue Zeitpunkt der Anweisung könne nicht mehr angegeben werden, es könne ungefähr Oktober oder November 2014 (vergleiche Sitzungsprotokoll vom 23. September 2019, Bl. 353 RS d.A.) gewesen sein. Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass die Verwendung der VP-Nr. xxxx unzulässig gewesen sei, nachdem sein Vorgesetzter ihn angewiesen habe, die VP-Nr. xxxx zu benutzen und gesagt habe, dass der Abteilungsleiter von dem Vorgehen informiert gewesen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 4. Juni 2019 (Bl. 321, 322 d.A.) und vom 23. September 2019 (Bl. 350-355 d.A.) Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B, F, G, H und J. Wegen der Beweisbeschlüsse und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. September 2019 (Bl. 350-355 d.A.) Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat die Gerichtsakten des Parallelverfahrens der Parteien vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht - 9 Sa 461/17 - informationshalber beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. In diesem Verfahren hat das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 23. September 2019 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe

A. Die Berufung ist der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 Buchst. c ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ArbGG) sowie innerhalb der bis zum 22. Februar 2018 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch rechtzeitig begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., Abs. 1 Satz 5 ArbGG).

B. Die Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg, da das Arbeitsverhältnis der Parteien weder aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2016 und noch aufgrund der hilfsweisen ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 23. Dezember 2016 sein Ende gefunden hat.

I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz nach § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG Anwendung, da im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten bereits länger als sechs Monate bestand und die Beklagte ständig weit mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigte. Der Kläger hat weiterhin gemäß § 4 Satz 1 KSchG rechtzeitig Klage erhoben, da er die dreiwöchige Frist zwischen Zugang der außerordentlichen Kündigung am 23. Dezember 2016 mit seiner Klageerhebung beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main 30. Dezember 2016 sowie Zustellung bei der Beklagten am 13. Januar 2017 und der hilfsweise ordentlichen Kündigung bei ihm am 29. Dezember 2016 mit seiner der Beklagten am 17. Januar 2017 zugestellten Klageerweiterung gewahrt hat.

II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2016 aufgelöst worden.

1. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2016 ist bereits deshalb unwirksam, da die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt hat. Sie hat die Kündigung nicht innerhalb von zwei Wochen seit Kenntniserlangung von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt.

a) Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann allerdings nach pflichtgemäßem Ermessen zunächst weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt (BAG, Urteil vom 25. April 2018 - 2 AZR 611/17, nach juris). Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden (BAG, Urteil vom 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13, nach juris; BAG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12, nach juris). Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurde (BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15, nach juris; BAG, Urteil vom 2. März 2017 - 2 AZR 698/15, nach juris). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kündigungsberechtigte für die Einhaltung der Ausschlussfrist darlegungs- und beweispflichtig ist. Derjenige, der eine Kündigung aus wichtigem Grund ausspricht, muss darlegen und ggf. beweisen, dass er von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erst innerhalb der letzten zwei Wochen vor ihrem Ausspruch erfahren hat. Diese Darlegungspflicht ist nicht bereits erfüllt, wenn der Kündigende lediglich allgemein vorträgt, er kenne die Kündigungsgründe nicht länger als zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung. Er muss vielmehr die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat. Um den Zeitpunkt, in dem der Wissensstand des Kündigungsberechtigten ausreicht, bestimmen zu können, und um es dem Gekündigten zu ermöglichen, die behauptete Schilderung zu überprüfen und gegebenenfalls qualifiziert zu bestreiten, muss grundsätzlich angegeben werden, wie es zu der Aufdeckung des Kündigungsgrundes gekommen sein soll. Hat der Kündigungsberechtigte noch Ermittlungen durchgeführt, muss er hierzu weiter darlegen, welche Tatsachenbehauptungen unklar und daher ermittlungsbedürftig waren, und welche - sei es auch nur aus damaliger Sicht - weiteren Ermittlungen er zur Klärung der Zweifel angestellt hat (vgl. BAG, Urteil vom 1. Februar 2007 - 2 AZR 333/06, nach juris). Für eine Kündigung, die wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung ausgesprochen wird, gelten mit Blick auf § 626 Abs. 2 BGB grundsätzlich dieselben Erwägungen wie für eine Kündigung wegen einer als erwiesen angesehenen Straftat (so BAG, Urteil vom 22. November 2012 - 2 AZR 732/11, nach juris).

b) Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze hat die Beklagte ihre Kenntniserlangung von den Kündigungsgründen nicht substantiiert dargelegt und keine konkreten Ausführungen gemacht, dass sie die Ermittlungen mit der gebotenen Eile durchführt hat, um sich umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts zu verschaffen.

Die Beklagte hat gegenüber dem Betriebsrat auf einen Untersuchungsbericht der Group Sercurity Governance A-2016-00032 vom 21. Juli 2016 sowie auf Ergebnisse weiterer Nachermittlungen zu diesem Vorgang Bezug genommen. Der Nachermittlungsauftrag erfolgte erst am 15. November 2016. Die Beklagte hat nicht dargestellt, welche Erkenntnisse der Untersuchungsbericht der Group Sercurity Governance A-2016-00032 vom 21. Juli 2016 vermittelt hat. Zu diesem Zeitpunkt, nämlich bereits am einen 21. Juli 2016, war für die Beklagte klar, dass der Kläger im Kalenderjahr 2015 unter der VP-Nr. xxxx Endgerätebuchungen vorgenommen hat, die sie als unzulässig und arbeitsvertragswidrig bewertet. Allerdings hat die Beklagte erst im November 2016 eine Nachermittlung angestoßen, ohne hierfür eine nachvollziehbare Erklärung zu liefern oder ihren Wissensstand nach den jeweiligen Ermittlungsberichten zu präzisieren. Ein Zuwarten von fast 4 Monaten seit dem Untersuchungsbericht vom 21. Juli 2016 jedenfalls stellt kein hinreichend zügiges Betreiben der Ermittlungen dar. Eine Hemmung des Fristablaufs ist nicht erfolgt. Die von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen zur genaueren Sachverhaltsermittlung sind vom Standpunkt eines verständigen Vertragspartners aus gesehen nicht mit der gebotenen Eile erfolgt.

2. Auch liegt kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB für eine Tatkündigung vor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht zur ausreichenden Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Kläger im Jahr 2015 die VP-Nr. xxxx ohne Wissen und Kenntnis seines Vorgesetzten genutzt hat, um im Rahmen von Vertragsverhandlungen und -abschlüssen (potentiellen) Kunden unberechtigte Vorteile zum Nachteil der Beklagten und der E zu gewähren. Der von der Beklagten zur Rechtfertigung der Kündigung behauptete Sachverhalt ist damit nicht erwiesen. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB lässt sich nicht feststellen. Dies führt zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG, Urteil vom 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 nach juris; BAG, Urteil vom 19. April 2012 - 2 AZR 258/11, nach juris; BAG, Urteil vom 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10, nach juris; BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09, nach juris).

b) Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers, unter Umgehung von internen Kennungen und Berechtigungen Kunden unberechtigte Vorteile zum Nachteil der Arbeitgeberin zu verschaffen, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Einhaltung seiner Vorgaben bei Vertragsverhandlungen und -abschlüssen mit (potentiellen) Kunden vertrauen können. Benutzt ein Arbeitnehmer vorsätzlich und wissentlich nicht die ihm zur Verfügung gestellten internen Berechtigungen, sondern zur Verschaffung von Vorteilen insbesondere auch von eigenen Vorteilen in Form von Provisionen o.ä. eine fremde Kennung, so kann dies einen schweren Vertrauensmissbrauch darstellen. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Arbeitgeber.

c) Die Beklagte konnte jedoch nicht darlegen, dass der Kläger die VP-Nr. xxxx eigenmächtig und ohne Anweisung oder zumindest Billigung seines damaligen Teamleiters B genutzt hat.

aa) Der Kläger hat sich darauf berufen, er habe die VP-Nr. xxxx von seinem damaligen Teamleiter, dem Zeugen B, erhalten, um die Vertriebsergebnisse des Teams "pushen" zu können, ohne das teambezogener Budget für die Dealcloser belasten zu müssen. Insofern habe er auf Anweisung seines Vorgesetzten gehandelt. Die Anweisung einer Nutzung oder auch die Gestattung der Nutzung der VP-Nr. xxxx durch seinen Teamleiter B zum gezielten "Pushing" der Teamziele schließt eine eigenmächtige Nutzung der VP-Nr. xxxx zum Nachteil der Beklagten aus. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger verpflichtet gewesen wäre, derartige Anweisungen seines Teamleiters zu hinterfragen oder zu überprüfen. Dies hat die Beklagte dem Kläger nicht vorgeworfen und wäre im Übrigen abmahnungswürdiges Verhalten. Gleiches gilt für Fortsetzung einer zuvor gestatteten oder angewiesenen Nutzung der VP-Nr. xxxx in dem neuen Team ohne Rückversicherung der Nutzungsberechtigung bei einem neuen Teamleiter.

bb) Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem kündigenden Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes. Den Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Allerdings kann den Arbeitnehmer schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen. Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers - soweit es nicht völlig "aus der Luft gegriffen" ist - iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substantiiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (BAG, Urteil vom 17. März 2016 - 2 AZR 110/15, nach juris; BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15, nach juris).

cc) Danach hatte die Beklagte zunächst die dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzungen darzulegen. In diesem Zusammenhang erscheint es bereits fraglich, ob überhaupt zu Gunsten der Beklagten die Grundsätze über die sekundäre Darlegungslast des Klägers herangezogen werden müssen. Denn unwidersprochen hat die Beklagte selbst vorgetragen, im Zuge ihrer weiteren Ermittlungen Kenntnis davon erlangt zu haben, dass im Jahr 2015 die fragliche VP-Nr. xxxx nicht nur vom Kläger, sondern auch von weiteren Mitarbeitern in der Abteilung xxxx1 verwendet wurde.

Dessen ungeachtet hat der Kläger jedoch greifbare Anhaltspunkte für das Eingreifen eines Rechtfertigungsgrundes angeführt. Er hat behauptet, im Team 05 sei den umsatzstärksten Kollegen die Nutzung der VP-Nr. xxxx durch den Teamleiter B gestattet worden. Hintergrund sei nach der Erklärung des Teamleiters B gegenüber dem Kläger gewesen, dass durch die Verwendung der VP-Nr. xxxx das themenbezogene Gutschriftbudget nicht belastet werden sollte, wenn keine Dealcloser zur Verfügung gestanden hätten, so dass die Gerätezugabe an den Kunden durch Gutschriften hätte erfolgen müssen. Profitiert von dieser Vorgehensweise hätten neben den Kunden auch der A Konzern durch eine mindestens 24-monatige Kundenbindung.

3. Die Kammer hat nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht die erforderliche Überzeugung gewonnen, dass der Kläger die VP-Nr. xxxx eigenmächtig und ohne Aufforderung oder Einwilligung seines Vorgesetzten B genutzt hat.

a) Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer gegebenenfalls durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Beweiswürdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, aber nicht völlig ausgeschlossen sein. Für die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist ausreichend, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen. Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen, deren Richtigkeit unterstellt, von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Es hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen. Dabei sind die Tatsacheninstanzen grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft sie den behaupteten Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau beimessen (BAG, Urteil vom 25. April 2018 - 2 AZR 611/17, nach juris). Kann sich das Gericht nach ordnungsgemäßer Würdigung sämtlicher Ergebnisse einer Beweisaufnahme und der mündlichen Verhandlung von der zu beweisenden Tatsache nicht in dem erforderlichen Maß überzeugen (non liquet), hat es bei seiner Entscheidung von dem Nichtvorliegen der betreffenden Tatsache zu Ungunsten der beweisbelasteten Partei auszugehen (Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO, § 286 Rn. 34).

b) Das o.g. Maß der Überzeugung hat die Berufungskammer nach dem Vortrag beider Parteien und der in der Berufungsverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme nicht gewinnen können. Danach bleiben bei der Berufungskammer sachlich begründete Zweifel, die die Erlangung einer persönlichen Gewissheit dahingehend, dass der von der Beklagten erhobene Vorwurf - der Kläger habe die VP-NR. xxxx eigenmächtig und ohne Aufforderung oder Einwilligung seines Vorgesetzten B genutzt - zutrifft, ausschließt.

Die Zweifel, die eine ausreichende Überzeugungsbildung des Gerichts ausschließen, sind aus folgenden Gesichtspunkten begründet:

aa) Zunächst hat die Beklagte bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 29. Juni 2017 selbst mitgeteilt, dass die fragliche VP-Nr. xxxx nicht nur vom Kläger, sondern auch von anderen Mitarbeitern der Abteilung xxxx1 verwendet worden sei. Insgesamt seien es weitere 7 Mitarbeiter gewesen, von denen sechs Mitarbeiter die Nummer mehrfach verwendet hätten. Bereits dieser Umstand spricht dafür, dass die VP-Nr. xxxx in der Abteilung xxxx1 im Umlauf war. Soweit die Beklagte mit dem Hinweis darauf, dass der Kläger sie nach ihren Behauptungen zunächst zwei Monate ausschließlich genutzt habe und sie erst später von weiteren Mitarbeitern verwendet worden sei, darauf schließen will, der Kläger selbst habe die VP-Nr. xxxx in Umlauf gebracht, hat sie dies durch keine weiteren Umstände belegt. Auf Nachfrage des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung am 23. September 2019 konnte die Beklagte auch nicht erklären, inwieweit es technisch und organisatorisch möglich gewesen ist, die VP-Nr. xxxx, die einem externen Dienstleister zugewiesen wurde, zu verwenden. Fest steht danach, dass der Kläger jedenfalls nicht als einziger Mitarbeiter die VP-Nr. xxxx gekannt und genutzt hat, ohne dass die Beklagte alternative Wege aufgezeigt hätte, wie der Kläger als Teammitarbeiter in den Besitz der VP-Nr. xxxx gekommen sein könnte.

bb) Die vom Berufungsgericht gegenbeweislich vernommenen Zeugen F und J haben zur Überzeugung der Kammer ausgesagt, die VP-Nr. xxxx über den Teamleiter erhalten zu haben. Sie haben der Kammer einen Grad an Überzeugung vermittelt, der die Annahme ausschließt, der Kläger habe die VP-Nr. xxxx eigenmächtig und ohne Billigung seines Teamleiters B bei Buchungsvorgängen verwendet.

(1) Insbesondere der Zeuge F hat glaubhaft bekundet, die VP-Nr. xxxx von seinem Teamleiter B bekommen zu haben und diese mit seiner Billigung genutzt zu haben. Hierzu hat der Zeuge F ausgeführt, der Teamleiter B habe über den Einsatz der VP-Nr. xxxx nicht nur Bescheid gewusst, sondern er habe von ihm diese Nummer zusammen mit dem Zeugen N bekommen. Der Teamleiter B habe gesagt, dass sie beim Absetzen, also beim Verkaufen die VP-Nr. xxxx nutzen sollten. Auch die Nutzung der VP-Nr. xxxx hat der Zeuge erklärt. Es sei seiner Erinnerung nach so gewesen, dass die persönliche VP-Nummer schon voreingestellt gewesen sei und diese dann gelöscht und mit der VP-Nr. xxxx überschrieben worden sei. Er hat ausdrücklich angegeben, dass sie damals entsprechend den Vorgaben des Teamleiters gehandelt hätten, der ihnen die Nummer zur Verfügung gestellt habe.

Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugens bestanden bei der Kammer nicht. Der Zeuge, von Beruf Kaufmann für Dialog-Marketing, hat nach dem Eindruck der Kammer insbesondere ein wesentliches Augenmerk auf die ordentliche Ausführung der Prozesse bei der Beklagten gelegt. Der Zeuge war sichtlich bemüht, der Kammer auch die jeweilige Vorgehensweise bei Buchungsvorgängen sorgfältig zu erklären und die gestellten Fragen zutreffend zu beantworten. Ohne zu übertreiben hat er ausgeführt, dass er bei allen Arbeitsprozessen, wie zuvor gelernt, zunächst eine Recherche durchgeführt habe. Die Buchungen mit der VP-Nr. xxxx, von der er jetzt wisse, dass deren Nutzung falsch gewesen sei, habe er erst durchgeführt, nachdem er weder im System WINS etwas gefunden habe noch in der Infobox einen "dealcloser" entdeckt habe.

(2) Auch der gegenbeweislich vernommene weitere Zeuge J hat glaubhaft bekundet, die VP-Nr. xxxx ein paarmal sporadisch genutzt zu haben, mit dem Hinweis, diese Nummer wahrscheinlich von seinem Teamleiter bekommen zu haben. Zudem hat er bekundet, dass sich die Kollegen nicht untereinander VP-Nummern geben und alles über den Teamleiter laufe. Auch seine Aussage war nach Ansicht der Kammer glaubhaft; sein Eindruck war glaubwürdig.

(3) Die in der Berufungsinstanz wiederholte Vernehmung des bereits erstinstanzlich gehörten Zeugen B vermochte nicht die Überzeugung der Kammer zu bilden, der Kläger habe ohne Erlaubnis und auch ohne Billigung des Zeugen B die VP-Nr. xxxx verwendet, um seine Ergebnisse zu verbessern. Bei der Kammer verbleiben Zweifel hinsichtlich der Glaubhaftigkeit seiner Aussage und seiner Glaubwürdigkeit.

Der Zeuge B hat ausgesagt, im Zusammenhang mit der Anhörung des N könne er sich nicht an die VP-Nr. xxxx erinnern. Er habe in diesem Zusammenhang die Nummer nur kurz angeschaut, sich diese aber nicht gemerkt. Er sei damals nur von dem Mitarbeiter N zur Unterstützung hinzugezogen worden, als dieser mit den Vorwürfen der Konzernsicherheit konfrontiert worden sei. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des B ergeben sich bereits daraus, dass der Mitarbeiter N mit Vorwürfen der Konzernsicherheit konfrontiert wurde und die VP-Nr. xxxx hierfür eine tragende Rolle spielte. Es erscheint fernliegend, dass der Zeuge B in diesem Zusammenhang und auch im Hinblick auf die weitere Führung seines Teams kein Augenmerk auf diese fremde, nicht seiner Abteilung zugewiesene VP-Nummer gelegt hat oder sich auf die Suche nach deren Nutzung auch durch gezieltes Befragen seiner Teammitglieder begeben hat. Dies ist umso ungewöhnlicher, weil er selbst angegeben hat, über den Umfang und die Tat des Mitarbeiters N sehr schockiert gewesen zu sein. Zudem hat er angegeben, es sei das Bewusstsein da gewesen, dass dies (gemeint ist wohl die Verwendung einer fremden VP-Nummer) wieder geschehen könne. Insbesondere weil er selbst angegeben hat, ein sehr gut auf gestelltes Team gehabt zu haben, in das er selbst sehr viel Arbeit investiert hat. Auch bestehen Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Dies insbesondere, weil der Zeuge in Abrede gestellt hat, dass es nachvollziehbaren Absatzdruck gegeben habe. Unter Berücksichtigung der befehlsartigen Tagesmotivationen des Zeugen B an seine Teammitglieder (Bl. 140 ff. d.A.) erscheint dies abwegig. In diesen heißt es nämlich auszugsweise: "Was ist los, bisher sind 2 Stunden vergangen und nur die... haben was gestrichelt!!! Geht gar nicht Freunde, also Gas geben!!!" oder "Das funktioniert verdammt noch mal so nicht!! Ich will von jedem einzelnen HEUTE was sehen, sonst kracht´s, das ist mein ABSOLUTER ERNST, ihr seid ALLE NICHT ZUM CHILLEN HIER; also raus aus der Komfortzone und umorientieren !!!!!!!!!! nicht in diesem Leben und vor allem nicht mit mir!!!" oder "Ich habe im Schnitt von Euch nicht mehr wie 2 KEK erhalten, von manchen keinen (um die kümmere ich mich separat) das ist absolut LAPPENHAFT" oder "Wollt Ihr mich auf den Arm nehmen?!!! Ich erwarte das morgen sofort ausgeliefert wird, insbesondere von denen die sonst hier nicht viel liefern. Macht Euch immer wieder bewusst, dass ihr mit zu einem solchen Verhalten, wie lange angekündigt, definitiv nicht entfristet werdet. Und der Rest bekommt von mir ne Abmahnung, wenn es so weiter geht"...

Weiter hat der Zeuge B ausgesagt, dass er sich den Ablauf nur so vorstellen könne, dass der Kläger sich unter Verwendung der VP-Nr. xxxx persönliche Vorteile verschafft habe. Der Kläger habe wohl den eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen wollen, indem er behauptet habe, er sei dazu angewiesen worden. In Anbetracht des vom Zeugen B ausgeübten Vertriebsdrucks hat er jedenfalls nicht nachvollziehbar erklären können, dass er nicht selbst von einem sehr guten Absatzergebnis hätte profitieren können. Zudem hat der Zeuge F ausgesagt, es gebe individuelle Ziele, von denen der Mitarbeiter profitiere, aber auch Teamziele, von denen das Team und natürlich auch der Teamleiter profitieren würden.

(4) Einer Vernehmung der weiter von der Beklagten benannten Zeugen C und K bedurfte es nicht. Die Beklagte hat nicht dargestellt, inwieweit die Zeuginnen überhaupt Kenntnis davon erlangt haben könnten, der Zeuge B habe dem Kläger nicht erlaubt, zur Verbesserung der Ergebnisse die VP-Nr. xxxx zu verwenden. Der Kläger war erst nach seiner Tätigkeit im Team des Zeugen B nach dessen Auflösung in das von der Zeugin C geleitete Team gewechselt. Die Zeugin K war lediglich Teamleiterin eines Nachbarteams. Die Beklagte hätte konkreter vorzutragen müssen, welche Anhaltspunkte für die in das Wissen der Zeugen gestellten Behauptungen sprechen sollen. Danach waren die Beweisantritte der Beklagten unbeachtlich.

4. Des Weiteren ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2016 - ungeachtet deren Unwirksamkeit aufgrund der Versäumung der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB - nicht als außerordentliche Verdachtskündigung unwirksam.

a) Als wichtiger Grund "an sich" geeignet sind nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (zu den Voraussetzungen BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11, nach juris).Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11, nach juris; BAG, Urteil vom 25. November 2010 - 2 AZR 801/09, nach juris). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG, Urteil vom 25. November 2010 - 2 AZR 801/09, nach juris; BAG, Urteil vom 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08, nach juris). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11, nach juris; BAG, Urteil vom 29. November 2007 - 2 AZR 724/06, nach juris). Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11, nach juris; BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11, nach juris).

b) Der Verdacht kann im Streitfall nicht auf konkrete Tatsachen gestützt werden.

Derartige Tatsachen konnte die Beklagte nicht beweisen. Die Kammer konnte mit dem nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Grad an Gewissheit auch nicht zu der Überzeugung gelangen, es bestehe der Verdacht einer schwerwiegenden vom Kläger begangenen Pflichtverletzung. Es besteht gerade keine große Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung durch den Kläger in der von der Beklagten vorgeworfenen Weise; auf die vorstehenden Ausführungen zur Tatkündigung kann insoweit Bezug genommen werden. Die Beweisaufnahme im Übrigen führt nicht nur dazu, dass keine Überzeugungsbildung der Berufungskammer von einer schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung des Klägers zum Nachteil der Beklagten möglich ist. Sie führt auch dazu, dass die Kammer selbst eine große Wahrscheinlichkeit verneint.

III. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Dezember 2016 aufgelöst worden. Sie ist sowohl als ordentliche Verdachts- wie auch als Tatkündigung unwirksam.

1. Eine konkrete Pflichtverletzung des Klägers, die die Beklagte zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus verhaltensbedingten Gründen berechtigen könnten, liegt nicht vor. Es wird auf die Ausführungen unter Punkt II. Bezug genommen.

2. Die streitbefangene Kündigung der Beklagten vom 23. Dezember 2016 ist auch nicht als Verdachtskündigung sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

a) Der Verdacht einer Pflichtverletzung stellt gegenüber dem verhaltensbezogenen Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung tatsächlich begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Ein schwerwiegender Verdacht einer Pflichtverletzung kann zum Verlust der vertragsnotwendigen Vertrauenswürdigkeit des Arbeitnehmers und damit zu einem Eignungsmangel führen, der einem verständig und gerecht abwägenden Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht (BAG, Urteil vom 31. Januar 2019 - 2 AZR 426/18, nach juris). Der Verdacht kann auch eine ordentliche Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers bedingen.

b) Die Kammer konnte mit dem nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Grad an Gewissheit auch nicht zu der Überzeugung gelangen, der Kläger weise aufgrund des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen Eignungsmangel auf. Es wird auf die Ausführungen unter Punkt II. Bezug genommen.

c) Zudem berechtigt im Streitfall das lange Zuwarten der Beklagten trotz Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Umständen zu der Annahme, die Kündigung sei nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch einen objektiv vorliegenden Grund - hier den Verlust des vertragsnotwendigen Vertrauens - "bedingt". Der Untersuchungsbericht der Group Sercurity Governance A-2016-00032 vom 21. Juli 2016 lag der Beklagten bereits seit Monaten vor.Die Beklagte hatte damit Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen und blieb für einen mit der Annahme eines irreparablen Vertrauensverlusts unvereinbar lang erscheinenden Zeitraum untätig. Als Grund für Nachermittlungen führt die Beklagte einzig an, dass aus Sicht der zuständigen Compliance-Einheit als weiterer Kernpunkt nicht ermittelt worden sei, ob die VP-Nr. xxxx vom Kläger auch dazu benutzt worden sei, unberechtigte und vor allem zu niedrige Endgerätepreise zu buchen. Warum diese Nachermittlungen aber erst Monate nach ihrer Kenntniserlangung angestoßen wurden, verschweigt die Beklagte. Damit sind keine besonderen Umstände von der Beklagten dargelegt, die das lange Zuwarten bis zum Kündigungsausspruch erklärlich machen.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, da die Berufung der Beklagten erfolglos bleibt.

Für die Zulassung der Revision ist kein Grund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG ersichtlich.