OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.04.2020 - 17 U 829/19
Fundstelle
openJur 2020, 45722
  • Rkr:

Die Zahlung einer Entschädigung nach erfolgter Nichtabnahme eines Forward-Darlehens durch den Darlehensnehmer, auf die der Darlehensgeber die Beendigung der Vertragsbeziehung ausdrücklich bestätigt, begründet dessen schutzwürdiges Vertrauen auf das Ausbleiben eines Widerrufs der auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärung.

Tenor

In dem Rechtsstreit

...

wird der Kläger darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das am 02.10.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2-02 O 3/19) gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigten Zurückweisung der Berufung binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Binnen selber Frist können beide Parteien zur Frage des Gebührenstreitwerts in zweiter Instanz Stellung nehmen, wobei der Senat beabsichtigt, diesen entsprechend der erstinstanzlichen Festsetzung auf EUR 9.026,00 festzusetzen.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen die Abweisung seiner Klage, mit der er die Beklagte auf Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrages nach der Erklärung des Widerrufs in Anspruch genommen hat.

Die Beklagte nahm mit Schreiben vom 15.01.2009 den Antrag des Klägers vom 10.12.2008 bezüglich eines Forward-Darlehens in Höhe von EUR 117.600,00 an.

Der Kläger nahm das Darlehen nicht ab und zahlte in der Folge an die Beklagte am 01.08.2011 eine Nichtabnahmegebühr in Höhe von EUR 9.026,00. Die Beklagte bestätigte den Zahlungseingang am 05.08.2011, erklärte, dass keine Ansprüche mehr bestünden und löste das Darlehenskonto auf; auf Anlage K 2 wird Bezug genommen. Die Beklagte nutzte nach Auflösung des Darlehenskontos die freigewordenen Gelder zur Ausreichung neuer Darlehen und verwendete den Rücklauf von Geldströmen für die Bemessung der Refinanzierung von Neukrediten.

Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2014 (Anlage K 3) ließ der Kläger die Beklagte auffordern, ihm eine Kopie des Darlehensvertrages zuzusenden, was die Beklagte am 23.01.2015 unter Verweis darauf, dass das Darlehen seit 2011 beendet sei, ablehnte. Mit Schreiben vom 16.02.2015 (Anlage K 4), der Beklagten zugegangen am selben Tage, erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Forward-Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung; auf Anlage K 4 wird Bezug genommen.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe im Dezember 2008 flächendeckend eine bestimmte, im Einzelnen dargelegte Widerrufsbelehrung verwendet. Die Beklagte habe ihm kein gegengezeichnetes Exemplar des Darlehensvertrages übersandt. Er habe auch sonst kein Original oder eine Abschrift des Darlehensvertrages von der Beklagten erhalten, sondern ausschließlich eine Annahmeerklärung.

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, die Widerrufsfrist habe deswegen nicht zu laufen begonnen. Die Beklagte müsse die fehlenden Unterlagen nach § 142 Abs. 1 ZPO bzw. § 424 ZPO vorlegen.

Die Beklagte hat behauptet, über keine Vertragsunterlagen mehr zu verfügen.

Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, der Anspruch sei bereits unschlüssig dargelegt. Zudem sei das Widerrufsrecht verwirkt. Sie hat außerdem die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der Nichtabnahmeentschädigung, da der Ausübung seines Widerrufsrechts jedenfalls der Einwand der Verwirkung bzw. des Rechtsmissbrauchs entgegenstehe. Das Zeitmoment der Verwirkung sei erfüllt, nachdem der im Jahr 2009 abgeschlossene Darlehensvertrag im Jahr 2011 einvernehmlich beendet und der Widerruf erst mehr als dreieinhalb Jahre später erklärt worden sei. Zwischen dem insoweit maßgeblichen Zustandekommen des Vertrages und dem Widerruf lägen mithin sechs Jahre.

Auch das Umstandsmoment sei gegeben. Das Vertrauen der Beklagten stütze sich nicht nur auf eine Vertragstreue des Klägers während der gesamten Laufzeit des Vertrages, sondern auch darauf, dass die Vertragsbeziehung einvernehmlich vollständig abgewickelt und beendet worden sei. Zu keinem Zeitpunkt habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er an der Vertragsbeziehung nicht festhalten möchte. Er habe auch vorbehaltslos die Nichtabnahmeentschädigung an die Beklagte gezahlt. Zwischen der Abwicklung des Darlehens und der Erklärung des Widerrufs liege zusätzlich ein Zeitraum von knapp drei Jahren. Auch während dieser Zeit habe der Kläger in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, dass er an dem Darlehensvertrag nicht festhalten möchte und / oder sich nicht daran gebunden sehe. Hinzu komme, dass die Vertragsbeziehung zwischen den Parteien nur zweieinhalb Jahre gedauert habe, während der Zeitraum zwischen Auflösung des Darlehenskontos und Widerrufserklärung mit dreieinhalb Jahren deutlich länger gewesen sei. Zu diesem späten Zeitpunkt habe die Beklagte nicht mehr mit einem Widerruf rechnen müssen, sondern auf den Bestand der beiderseitigen Vertragserfüllung vertrauen dürfen. Das gelte umso mehr, als die Beklagte nach Auflösung des Darlehenskontos die Gelder zur Ausreichung neuer Darlehen genutzt und den Rücklauf von Geldströmen für die Bemessung der Refinanzierung von Neukrediten verwendet, mithin Dispositionen im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Vertragsverhältnisses getroffen habe.

Einer Anordnung nach § 425 ZPO habe es hiernach mangels Erheblichkeit der konkret verwendeten Widerrufsbelehrung nicht bedurft, zumal die Beklagte den Besitz von Darlehensunterlagen bestritten habe.

Wegen weiterer Einzelheiten und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.

Der Kläger macht geltend, dass dem Widerruf des Darlehens nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehe. Ihm lägen - bis auf die Annahmeerklärung vom 15.01.2009 - keinerlei Vertragsunterlagen vor; er habe kein von der Beklagten gegengezeichnetes Exemplar eines Darlehensantrags erhalten, welches ihm die Überprüfung ermöglicht hätte, ob Angebot und Annahme deckungsgleich seien. Die Widerrufsbelehrung setze für den Fristbeginn die Übermittlung eines Exemplars dieser Belehrung voraus, welches er jedoch nicht erhalten habe. Hiernach lasse sein Verhalten keinen Schluss darauf zu, dass er von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen werde.

Das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte ihrer Darlegungs- und Beweislast für den Umstand, dass sie dem Kläger ein gegengezeichnetes Exemplar des Darlehensantrags sowie die Widerrufsbelehrung übermittelt habe, nicht genügt habe. Damit sei der Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs, materielles Recht und Verfahrensrecht verletzt worden. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte den Beweis für die Übermittlung der Widerrufsbelehrung nicht geführt habe und dies nach eigenem Vorbringen auch nicht könne, hätte das Landgericht der Klage stattgeben müssen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Aktenzeichen 2-02 O 3/19,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die bis zum Widerruf am 16.02.2015 gezahlte Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von EUR 9.026,00 zuzüglich Zinsen als Nutzungsentschädigung in Höhe von 2,5-Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.08.2011 bis zur Rechtshängigkeit und in Höhe von 5-Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzu[ver]weisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil. Sie führt aus, dass "die Klage" bereits unschlüssig gewesen sei. Der Kläger stelle bezüglich des Inhalts des von ihm geschlossenen Vertrages, zu welchem ihm "keine Vertragsunterlagen mehr" vorlägen, lediglich Mutmaßungen an. Ein konkreter Inhalt werde nicht vorgetragen, sondern lediglich auf eine "flächendeckende Verwendung" Bezug genommen. Eine solche habe jedoch vor dem Hintergrund vielfacher Gesetzes-, Verordnungs- und Rechtsprechungsänderungen nicht bestanden. Es sei auch unbekannt, ob der Vertrag im Angebots- oder im Antragsverfahren zustande gekommen sei; eine Auseinandersetzung mit spekulativen Vortrag des Klägers sei nicht möglich. Jedenfalls nach dem Bestreiten durch die Beklagte fehle dem Vortrag des Klägers die Substanz; die Beklagte sei nicht gehalten, dessen Vorbringen zu ergänzen oder zu erläutern, zumal sie hierzu auch nicht in der Lage sei.

In der ersten Instanz habe der Kläger nicht zum Ausdruck gebracht, ob er lediglich kein "gegengezeichnetes" Exemplar des Darlehensvertrages oder überhaupt kein Vertragsexemplar erhalten habe. Auch habe er dort den Text einer Widerrufsbelehrung angegeben, wovon er nun abrücke. Dies führe zur Unbeachtlichkeit und Unschlüssigkeit des gesamten Vortrags. Der neue Vortrag des Klägers zum Erhalt einer Widerrufsbelehrung werde bestritten und sei verspätet. Von der Erteilung der Widerrufsbelehrung sei auszugehen.

Auch stehe die fehlende Kenntnis des Darlehensnehmers von seinem Widerrufsrecht einer Verwirkung nicht entgegen. Maßgeblich sei, dass der Vertrag per Vereinbarung der Nichtabnahmeentschädigung auf Wunsch des Klägers abgewickelt worden sei. Infolge des Schadensausgleichs durch die Nichtabnahmeentschädigung, des Verzichts auf Beibringung von Sicherheiten etc. dürfte die Verwirkung im August 2011 eingetreten sein.

Im Übrigen sei die Geltendmachung des Widerrufs mit Klage vom 28.12.2018 mehr als sieben Jahre nach Abwicklung des Darlehens und nahezu vier Jahre nach Erklärung des Widerrufs rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte sei in ihrem Vertrauen schutzwürdig, nachdem sich der Kläger in einer Weise verhalten habe, die bei einem unwirksamen Rechtsgeschäft als dessen Bestätigung im Sinne des § 141 BGB zu werten sei. Ausweislich der Widerrufserklärung habe der Kläger von der Unsicherheit um den Bestand des Darlehensvertrages gewusst. Mit seinem nachfolgenden jahrelangen Schweigen habe er sich auf den Boden des ursprünglichen Vertrages mit der Folge gestellt, dass die Beklagte die Darlehensvaluten und Zinserträge in ihre Kalkulation eingestellt habe. Im Übrigen sei der Anspruch auch verjährt.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers führt nach Auffassung des Senats nicht zum Erfolg.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Die angegriffene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs.1 ZPO.

Das Landgericht hat mit Recht die Klage abgewiesen.

Ungeachtet der Darstellung des Klägers zum Vertragsschluss hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung darauf abgestellt, dass ein Widerrufsrecht jedenfalls verwirkt wäre.

Auch unbefristete Gestaltungsrechte wie das Widerrufsrecht können im Falle illoyaler Verspätung der Verwirkung unterliegen (BGH, Beschluss vom 23.01.2018, XI ZR 298/17, Rn. 11, BeckRS 2018, 3224; BGH, Urteil vom 12.07.2016, XI ZR 501/15, Rn. 39, BeckRS 2016, 12590). Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, Rn. 30, BeckRS 2016, 19929) die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen beginnt, auch ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (BGH, Beschluss vom 23.01.2018, XI ZR 298/17, Rn. 9, BeckRS 2018, 3224; BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, Rn. 30, BeckRS 2016, 19929). Dabei können Zeit- und Umstandsmoment nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung. Je länger der Inhaber des Rechts untätig bleibt, desto mehr wird die Gegenseite in ihrem Vertrauen schutzwürdig, das Recht werde nicht mehr ausgeübt werden (BGH, Urteil vom 19.02.2019, XI ZR 225/17, Rn. 14, BeckRS 2019, 3501). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles, ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann (BGH, Urteil vom 18.02.2020, XI ZR 25/19, Rn. 12, BeckRS 2020, 3950; BGH, Urteil vom 19.02.2019, XI ZR 225/17, Rn. 14, BeckRS 2019, 3501; BGH, Urteil vom 03.07.2018, XI ZR 702/16, Rn. 9, BeckRS 2018, 18191; BGH, Urteil vom 14.03.2017, XI ZR 442/16, Rn. 27, BeckRS 2017, 107789; BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, Rn. 30, BeckRS 2016, 19929; BGH, Urteil vom 12.07.2016, XI ZR 564/15, Rn. 37, BeckRS 2016, 17206).

Das für die Verwirkung erforderliche Zeitmoment ist hier gegeben. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist insoweit der Zeitraum zwischen dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags und der Erklärung des Widerrufs maßgeblich (BGH, Urteil vom 10.09.2019, XI ZR 169/17, Rn. 15, BeckRS 2019, 28974; BGH, Beschluss vom 23.01.2018, XI ZR 298/17, Rn. 13, BeckRS 2018, 3224; BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, Rn. 30, BeckRS 2016, 19929). Hier lagen zwischen dem Abschluss des Darlehensvertrags und der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger sechs Jahre, ein Monat und ein Tag - soweit in der Klageerwiderung vom 01.03.2019 von einem Widerruf vom 08.12.2014 die Rede ist, dürfte es sich angesichts Anlage K 4 um ein Versehen handeln. Dieser Zeitraum ist unter Berücksichtigung der Wechselwirkung geeignet, um in zeitlicher Hinsicht den Vorwurf der Treuwidrigkeit zu begründen.

Auch das erforderliche Umstandsmoment liegt vor. Zwar reicht eine unbeanstandete Durchführung des Darlehensvertrages allein nicht aus, um von einer Verwirkung ausgehen zu können (BGH, Urteil vom 12.07.2016, XI ZR 564/15, Rn. 39, BeckRS 2016, 17206). Hier steht allerdings ein darüberhinausgehendes Verhalten des Klägers in Rede, dem die Beklagte entnehmen durfte, der Kläger werde ein Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen.

Vorliegend hat der Kläger im Sommer 2011 das Forward-Darlehen nicht abgerufen und hierfür an die Beklagte eine Nichtabnahmegebühr in Höhe von EUR 9.026,00 gezahlt. Nachdem die Beklagte daraufhin die Beendigung des Darlehensvertrages bestätigt hat und die Parteien das Darlehensverhältnis hiernach auch übereinstimmend als beendet angesehen haben, lag jedenfalls hiermit - ungeachtet der nicht näher dargelegten Darlehenskonditionen - eine Beendigung des Vertrages vor. Diese auch geht denknotwendig auf einen zunächst allein getroffenen Entschluss und damit den Wunsch des Klägers zurück.

Die Beklagte durfte hiernach davon ausgehen, dass der Kläger ein mögliches Widerrufsrecht nicht mehr ausüben werde. Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, kann gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein (BGH, Urteil vom 18.02.2020, XI ZR 25/19, Rn. 12, BeckRS 2020, 3950; BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, Rn. 30, BeckRS 2016, 19929). Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags - wie hier - auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, Urteil vom 18.02.2020, XI ZR 25/19, Rn. 12, BeckRS 2020, 3950; BGH, Urteil vom 10.09.2019, XI ZR 169/17, Rn. 17, BeckRS 2019, 28974; BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, Rn. 30, BeckRS 2016, 19929) bzw. einvernehmlich erfolgt ist (Senat, Beschluss vom 11.06.2018, 17 U 37/18, Rn. 26, BeckRS 2018, 17293; BGH, Beschluss vom 23.01.2018, XI ZR 298/17, Rn. 16, BeckRS 2018, 3224; BGH, Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 393/16, Rn. 8, BeckRS 2017, 131329) - und dies entgegen der Auffassung des Klägers selbst dann, wenn der Darlehensgeber davon ausging oder ausgehen musste, dass der Darlehensnehmer von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis hat (Senat, Beschluss vom 11.06.2018, 17 U 37/18, Rn. 26, BeckRS 2018, 17293; BGH, Beschluss vom 25.09.2018, XI ZR 462/17, Rn. 12, BeckRS 2018, 31663; BGH, Beschluss vom 23.01.2018, XI ZR 298/17, Rn. 17, BeckRS 2018, 3224; BGH, Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 549/16, Rn. 16, BeckRS 2017, 131369; vgl. auch BGH, Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 449/16, Rn. 19, BeckRS 2017, 131367; BGH, Urteil vom 10.10.2017, XI ZR 443/16, Rn. 26, BeckRS 2017, 131330).

Die Nichtabnahme eines Forward-Darlehens ist vor diesem Hintergrund nicht anders zu bewerten als eine vorzeitige Rückzahlung des ausgezahlten Darlehens auf Wunsch des Darlehensnehmers. In beiden Fällen wird eine entgegen der ursprünglichen Vereinbarung vorzeitige Beendigung des Vertrages vorgenommen, die in der Regel auch mit der Zahlung einer gesonderten Vergütung - bei der vorzeitigen Rückzahlung in Form einer Vorfälligkeitsentschädigung - einhergeht. In beiden Fällen werden die die im Darlehensvertrag vorgesehenen Leistungspflichten prinzipiell nicht beseitigt, sondern es wird letztlich nur eine vorzeitige Erbringung der geschuldeten Leistung veranlasst (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, Rn. 33, BeckRS 2016, 19929, für die vorzeitige Abwicklung eines ausgezahlten Darlehens), wobei die Tatsache und Höhe einer hierfür zu zahlenden Entschädigung in Form eines Aufhebungsentgelts keinen maßgeblich bei der Würdigung zu berücksichtigenden Umstand darstellen (BGH, Beschluss vom 25.09.2018, XI ZR 462/17, Rn. 10, BeckRS 2018, 31663). Die Tatsache, dass jeder dieser vorzeitigen Beendigungen eine - in der Regel durch eine neue gesonderte (Aufhebungs-) Vereinbarung getragene - endgültige und abschließende Abwicklung des Darlehens innewohnt, rechtfertigt im Hinblick auf die vertrauensbildende Wirkung eine einheitliche Betrachtung.

Hinzu tritt vorliegend der Umstand, dass die Beklagte, nachdem der Kläger die Nichtabnahmeentschädigung bezahlt hatte, deren Zahlungseingang am 05.08.2011 bestätigt, das Darlehenskonto aufgelöst und ausdrücklich mitgeteilt hat, dass "somit [...] keine Ansprüche mehr aus dem Darlehensvertrag vom 15.01.2009 [bestehen]". Auf diese Weise hat die Beklagte deutlich gemacht, dass damit die gegenseitigen Beziehungen restlos und endgültig beendet sind, ohne dass der Kläger dem entgegengetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.09.2019, XI ZR 169/17, Rn. 17, BeckRS 2019, 28974, zur Vorfälligkeitsentschädigung).

Bei dieser Sachlage ist es mit Treu und Glauben unvereinbar, wenn der Kläger nach einem Zeitraum von weiteren dreieinhalb Jahren, nach denen die Beklagte auf den übereinstimmend als endgültig angesehenen Zustand vertraut hat und vertrauen durfte, diese Grundlage angreift (vgl. BGH, Urteil vom 10.09.2019, XI ZR 169/17, Rn. 17, BeckRS 2019, 28974). Dieser Zeitraum weiterer Untätigkeit zwischen Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrages und dem Widerruf war im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Widerrufs zulasten des Klägers zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2020, XI ZR 25/19, Rn. 14, BeckRS 2020, 3950, m.w.N.).

Darüber hinaus ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte aufgrund des vom Kläger geschaffenen Vertrauenstatbestandes die freigewordenen Gelder zur Ausreichung neuer Darlehen genutzt und den Rücklauf von Geldströmen - hier: die Zahlung der Nichtabnahmeentschädigung (vgl. BGH, Beschluss vom 25.09.2018, XI ZR 462/17, Rn. 13, BeckRS 2018, 31663, zur Vorfälligkeitsentschädigung) - für die Bemessung der Refinanzierung von Neukrediten verwendet hat. Damit hat die Beklagte ihr besonders schutzwürdiges Vertrauen "betätigt" und sich zulässigerweise entsprechend eingerichtet (vgl. BGH, Urteil vom 10.09.2019, XI ZR 169/17, Rn. 17, BeckRS 2019, 28974). Dieser weitere Einsatz der vom Darlehensnehmer erlangten Mittel nach vollständiger Beendigung des Darlehensvertrags ist geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen des Darlehensgebers auf das Ausbleiben des Widerrufs zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2020, XI ZR 25/19, Rn. 16, BeckRS 2020, 3950, m.w.N.).

Unter Berücksichtigung der erforderlichen Einzelfallbetrachtung reichen die vorstehend erörterten Umstände aus, um das Umstandsmoment und somit eine Verwirkung des Widerrufsrechts zu bejahen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2014 (Anlage K3) die Beklagte auffordern ließ, ihm eine Kopie des Darlehensvertrages zuzusenden, was die Beklagte am 23.01.2015 ablehnte. Dieses Schreiben ist nicht geeignet, das bis dahin aufgebaute Vertrauen der Beklagten zu beeinträchtigen, der Kläger werde etwaige aus der fehlenden Widerrufsbelehrung folgenden Rechte nicht mehr geltend machen; auch nach Erhalt der Aufforderung des Klägers durfte die Beklagte hiervon ungeschmälert ausgehen. Das vorgelegte Schreiben lässt nicht einmal andeutungshalber erkennen, dass es in irgendeinem Zusammenhang mit dem später im Februar 2015 erklärten Widerruf der auf den Darlehensabschluss gerichteten Willenserklärung stehen würde; vielmehr bleibt die dort genannte Begründung, der Kläger "benötige eine Kopie des vollständigen Darlehensvertrages [...] für seine Unterlagen", nichtssagend. Demgegenüber unterstreicht die Beklagte durch ihren Verweis vom 23.01.2015, dass das Darlehen bereits seit 2011 beendet sei, sogar noch einmal ihr berechtigterweise bestehendes Vertrauen auf die endgültige Abwicklung des Vertragsverhältnisses.

Aus den vorstehenden Gründen kommt auch eine Zurückverweisung der Sache nicht in Betracht.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Senat dem Kläger zur Vermeidung einer Zurückweisung der Berufung durch einen einstimmigen Beschluss, dessen Begründung sich in einer Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss erschöpfen könnte, eine Rücknahme der Berufung in Erwägung zu ziehen. Eventuellem neuen Sachvortrag setzt die Zivilprozessordnung enge Grenzen. Eine Zurücknahme der Berufung hätte - abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten - eine deutliche Reduzierung der Gerichtskosten zur Folge, da die Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren im Allgemeinen von vier auf zwei Gerichtsgebühren halbiert würden.

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