OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.05.2020 - 11 U 98/18 (Kart)
Fundstelle
openJur 2020, 45706
  • Rkr:

1. Die Bindungswirkung des Bußgeldbescheides einer Kartellbehörde beschränkt sich auf die Feststellungen zum Kartellrechtsverstoß und umfasst nicht die Schadensentstehung und Schadenskausalität.

2. Die Kartellbetroffenheit ist als "persönliche Betroffenheit" zu verstehen, für die es genügt, dass der Anspruchssteller als unmittelbarer Abnehmer Waren von den am wettbewerbswidrigen Verhalten Beteiligten bezogen hat.

3. Bei einem kartellrechtswidrigen, reinen Informationsaustausch (über den Stand der Jahresvereinbarungen mit ausgewählten Einzelhändlern, beabsichtigte Bruttopreiserhöhungen, Sonderforderungen und Kenngrößen vertrieblicher Tätigkeit) streitet kein Anscheinsbeweis für einen kartellbedingten Schaden.

4. Innerhalb der stattdessen vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller vorgebrachten oder bindend festgestellten indiziellen Umstände kommt einer diesbezüglichen tatsächlichen Vermutung im Sinne eines Erfahrungssatzes im Einzelfall kein maßgebliches Gewicht zu, wenn zahlreiche Indizien vorliegen, die einer preissteigernden Wirkung der Kartellabsprache entgegenstehen.

5. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Aufklärung des behaupteten Kartellschadens ist nicht veranlasst, wenn der Anspruchsteller den reklamierten Schaden nicht schlüssig vorträgt. Daran kann es fehlen, wenn sich das dazu vom Anspruchsteller vorgelegte Parteigutachten auf eine nachweislich unzutreffende Tatsachengrundlage stützt und die Anspruchsgegner methodische Fehler und Widersprüche bei der ökonomischen Analyse und Berechnung aufdecken, denen der darlegungs- und beweisbelastete Anspruchssteller nicht substantiell begegnet ist.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 10.08.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 2-03 O 239/16) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention hat der Kläger zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten und Nebenintervenientinnen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma1 e.K. (nachfolgend: Firma1) Schadensersatz nebst Zinsen und Gutachterkosten von den Beklagten wegen überteuerten Bezugs von Drogeriemarkenartikeln im Zusammenhang mit einem kartellrechtswidrigen Informationsaustausch auf Lieferantenebene.

Wegen des Sachverhalts und des genauen Wortlauts der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen. Diese werden wie folgt zusammengefasst und ergänzt:

Bis zur Insolvenzeröffnung im XX.2012 betrieb Firma1 eines der bundesweit größten Einzelhandelsunternehmen für Drogerieartikel. Wegen der Konzernstruktur und deren historischer Entwicklung wird auf die vom Kläger erstellte Unternehmenspräsentation (Anlage B 10, AO 4 d. A.) verwiesen.

Drogerieartikel gehören zur Kategorie der sog. "schnelldrehenden" Konsumgüter, die vom Verbraucher für den täglichen Bedarf gekauft werden, sich dementsprechend durch eine vergleichsweise hohe Abverkaufsgeschwindigkeit auszeichnen (engl. Fast Moving Consumer Goods - FMCG) und dem sog. "Non-Food I-Segment" zugeordnet werden. Sie werden sowohl als Markenartikel als auch als Handels- und Eigenmarken vertrieben.

Die Beklagten und Nebenintervenientinnen (nachfolgend: NI) sind die in Deutschland führenden Anbieter von Drogeriemarkenartikeln in den Bereichen Körperpflege, Wasch- und Reinigungsmittel. In diesen Marktsegmenten handelt es sich überwiegend um hochkonzentrierte Märkte, in denen jeweils auf die drei führenden Markenhersteller Marktanteile von mehr als 50 % entfallen. Der Vertrieb ist insoweit zweistufig, als zunächst die Hersteller ihre Produkte an die Handelsstufe absetzen und die Händler sodann die bezogene Ware an die Endverbraucher veräußern. Auf der ersten Stufe der Beschaffung von Drogeriemarkenartikeln stehen sich die Hersteller als Anbieter und die jeweiligen Teilnehmer der Handelsstufe als Abnehmer gegenüber (Beschaffungsmarkt). Auf der zweiten Stufe des Vertriebs an die Endverbraucher stehen sich die Teilnehmer der Handelsstufe als Anbieter und die Endverbraucher als Abnehmer gegenüber (Absatzmarkt).

In den Jahren zwischen 2000 und 2012 vertrieben die Hersteller von Drogeriemarkenartikeln ihre Produkte zu 90 % über den Fachhandel, namentlich über Drogeriemärkte und -ketten sowie den Lebensmitteleinzelhandel, wobei die Drogeriemärkte und -ketten ca. 60% der Nachfrage nach Drogeriemarkenartikel auf sich konzentrierten. Firma1 gehörte neben den Drogeriemarktketten "Drogeriemarkt1", Drogeriemarkt2 und Drogeriemarkt3 zu den größten deutschen Drogeriefilialisten und war in dem o.g. Zeitraum lange Zeit mit Abstand Marktführer im Bereich des Handels mit Drogerieartikeln für Endverbraucher im deutschen Markt.

Es bestand daher ein hochkonzentrierter Beschaffungsmarkt, was mit einer sehr hohen Verhandlungsmacht der Einzelhändler gegenüber den Herstellern einherging. Diese waren in besonders hohem Maße darauf angewiesen, dass die von ihnen hergestellten bzw. vertriebenen Drogeriewaren bei dem jeweiligen Einzelhändler "gelistet", also im Sortiment geführt wurden. Über die "Listung" erreichte der betreffende Hersteller, dass sein Produkt überhaupt einer Vielzahl von Konsumenten zugänglich gemacht wurde. Eine Umgehung der zwischengeschalteten Handelsstufe war regelmäßig nicht möglich. In dieser Hinsicht fungierte der Handel aus Sicht des Herstellers als "Türsteher" gegenüber dem jeweiligen Endverbraucher. So unterlag der Beschaffungsmarkt einem starken Preisdruck, da der Einzelhandel aufgrund seiner Nachfragemacht den auf dem Absatzmarkt herrschenden Preisdruck durch mehrere Mechanismen, etwa Rabattforderungen oder Androhung von Auslistungen, Mengen- oder Werbeaktionenreduzierungen auf die Hersteller abwälzen konnte.

Die Preisbildung auf dem Beschaffungsmarkt erfolgte bilateral in sog. Jahresgesprächen/-verhandlungen zwischen dem Einzelhändler und dem jeweiligen Hersteller, die sich über mehrere Monate, oft beginnend im Herbst des Vorjahres auf unterschiedlichen Kommunikationswegen unter Beteiligung verschiedener verhandelnder Personen hinzogen und im Abschluss einer sog. Jahresvereinbarung mündeten, wobei sich der Abschluss für ein Kalenderjahr im Einzelfall auch erst im Folgejahr ergeben konnte und entsprechend auf die Preise des Vorjahres zurückwirkte. Die Vereinbarung umfasste alle Produkte, die ein Lieferant an den betreffenden Einzelhändler veräußerte.

Die Jahresgespräche bauten auf dem jeweiligen Vorjahresabschluss und den dort vereinbarten Konditionen auf. Die Hersteller übermittelten dem Einzelhandel üblicherweise einige Monate vor, spätestens zu Beginn der Jahresgespräche neue, von ihnen einseitig festgelegte Bruttopreise in sortimentsübergreifenden Listen. Hiervon ausgehend wurde über Rabatte, Skonti, Rückvergütungen, Werbeaktionen, Werbekostenzuschüsse und sonstige Vergütungen verhandelt.

Firma1 war zum einen Mitglied der Firma2 AG, über die die teilnehmenden Mitglieder Bezugsvergünstigungen (sog. Firma2-Konditionen) erzielen konnten. Darüber hinaus legten die Verhandlungspartner bei den Jahresgesprächen im Kern zwei Typen von Rabatten fest, nämlich vorgelagerte und nachgelagerte Rabatte. Vorgelagert sind solche Rabatte, die vom Hersteller bereits im Zeitpunkt des Bezugs der Ware gewährt und auf den Rechnungen vermerkt sind, etwa ein Rabatt auf den Bezugspreis, der sich nach dem Umsatzvolumen der bezogenen Menge richtet. Nachgelagerte Rabatte, etwa Werbekostenzuschüsse als Vergütung oder Beteiligung für bestimmte Werbemaßnahmen, werden erst nach Bezug der Ware gewährt und tauchen auf den Rechnungen nicht auf. Die nachgelagerten Rabatte wurden in den Jahresgesprächen nicht abschließend für das gesamte Jahr festgelegt, sondern teilweise auch unterjährig für bestimmte Werbeaktionen abgesprochen. Die vor- und nachgelagerten Rabatte und Konditionen waren dementsprechend teils umsatz- teils leistungsbezogen motiviert und führten dazu, dass der tatsächlich an den Hersteller zu zahlende Nettopreis (nachfolgend: EK-Nettopreis) signifikant unter dem Listenpreis lag.

Jeder Hersteller praktizierte sein eigenes Konditionensystem, ohne dass dies den übrigen Herstellern bekannt war. Zwischen den Herstellern bestanden erhebliche Unterschiede, welche Konditionen in welcher Höhe und welcher Form (rechnungswirksam, nachträglich, prozentual oder absolut usw.) gewährt wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in dem Anhang Ziffer 5.3.2., S. 108 in dem vom Kläger vorgelegten Parteigutachten (Anlage K 14, AO 1 d. A.) der Firma SV1 GmbH (nachfolgend: SV1) sowie exemplarisch auf die Ausführungen in den Klageerwiderungen der Beklagten zu 1 (Bd. IV, Bl. 812 f. d. A.) und der Beklagten zu 7 (Bd. III, Bl. 567/568 d. A.) verwiesen. In den Jahresgesprächen ging es naturgemäß darum, dass die Hersteller eine Erweiterung ihres Sortiments beim Handel wünschten und versuchten, die Bruttopreise anzuheben bzw. sowenig wie möglich Konditionen zu gewähren, der Handel hingegen Preiserhöhungen ablehnte bzw. eine entsprechende Anhebung der Konditionen verlangte.

Die Beklagten und NI waren neben den Firmen Firma3 GmbH (vormals Firma3.1 GmbH, nachfolgend: Firma3) und Firma4 GmbH (nachfolgend: Firma4) Mitglieder des bereits Ende der 90iger Jahre gegründeten Arbeitskreises "Körperpflege, Waschmittel, Reinigungsmittel" (nachfolgend: KWR) des Markenverbandes e.V., einem seit über 100 Jahren bestehenden, branchenübergreifenden Spitzenverband zur Förderung eines leistungsgerechten und qualitätsorientierten Wettbewerbs zwischen Industrie und Handel. Die Mitglieder des Markenverbandes e.V. haben hierfür Wettbewerbsregeln aufgestellt, die vom Bundeskartellamt anerkannt sind. Diese Regeln sollen u.a. Mitgliedsunternehmen davon abhalten, sog. "Anzapfversuchen" des Handels, also dem Verlangen nach leistungsunabhängigen Preisnachlässen, nachzugeben. Die Durchsetzung dieser Regeln, mit der der KWR in seinem Bereich betraut war, erforderte die Identifizierung solcher unzulässigen Praktiken und eine entsprechende Anzeige beim Bundeskartellamt über den Markenverband e.V., was zwischen 2004 und 2006 mehrfach in Bezug auf den Einzelhandelspartner Firma5 geschehen ist.

Nach einem Bonusantrag des Unternehmens Firma6 GmbH (Rechtsvorgängerin der NI zu 3, nachfolgend: NI zu 3) leitete das Bundeskartellamt im Jahr 2007 gegen die NI zu 3, Firma7 GmbH (NI zu 1), Firma8 GmbH (NI zu 2), Firma9 GmbH (Rechtsvorgängerin der NI zu 8, nachfolgend: NI zu 8) und Firma3 Kartellordnungswidrigkeitenverfahren ein und im März 2008 gegen die übrigen KWR-Mitglieder bzw. im Juni 2010 gegen den Markenverband e.V..

Im Februar bzw. Oktober 2008 ergingen gegen die NI zu 1 und 2, die NI zu 8 und Firma3 Bußgeldbescheide, in die Firma1 zum Teil im Oktober 2008 - geschwärzt - Akteneinsicht erhielt. Hierfür wird auf die Anlage K 10 (AO 1 d. A.) vollumfänglich Bezug genommen. Der NI zu 3 wurde das Bußgeld im Wege der Bonusregelung vollständig erlassen. Gegenstand der Bußgeldbescheide waren neben dem hier streitgegenständlichen Informationsaustausch im Rahmen der KWR-Sitzungen zudem verschiedene bilaterale Preisabsprachen zwischen der NI zu 8, der NI zu 1 und 2 und der NI zu 3 über Handgeschirrspülmittel, Zahncreme und Duschgel.

Exemplarisch heißt es in dem gegen die NI zu 8 ergangenen Bußgeldbescheid vom 19.02.2008:

1. Dem Betroffenen wird zur Last gelegt, durch folgende Handlungen vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowohl in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1998 als auch in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 2005, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2007, sowie gegen das Verbot des Art. 81 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) verstoßen zu haben:

a) Abgestimmte Preiserhöhung für Duschgel:

Mit dem Vertriebsleiter der Firma6 GmbH, und der Firma8 GmbH (Firma8), ..., bei Kontakten Mitte 2005 abgestimmte Anhebung der Listenpreise für Duschgel-Produkte der Marken "Produkt1" (Firma9), "Produkt2" (Firma6) und "Produkt3" (Firma8) zum 01. Januar 2006.

b) Austausch von Informationen über den Stand der Verhandlungen mit Einzelhändlern:

Teilnahme an dem regelmäßigen Austausch von Informationen über die Verhandlungen mit Einzelhändlern, insbesondere über die Veränderungen der mit den Einzelhändlern vereinbarten Rabatte, unter den Mitgliedern des Arbeitskreises "Körperpflege-, Wasch- und Reinigungsmittel" (KWR) des Markenverbandes e.V. zumindest im Zeitraum zwischen dem 31. März 2004 und dem 23. November 2006.

2. Gegen den Betroffenen werden nach § 81 Abs. 4 GWB, § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OwiG) wegen der oben bezeichneten Ordnungswidrigkeiten folgende Geldbußen festgesetzt:

-

wegen der abgestimmten Preiserhöhung für Duschgel eine Geldbuße in Höhe von

xxx

-

wegen des Austausches von Informationen über den Stand der Verhandlungen mit Einzelhändlern eine Geldbuße in Höhe von

xxx

Im Übrigen ergingen gegen die anderen NI und den Markenverband e.V. Bußgeldbescheide, ebenso wie gegen sämtliche Beklagte, und zwar gegen:

Beteiligte

Datum

Verstoßzeitraum

Beklagte zu 1

22.03.2012

31.03.04 - 23.11.06

Beklagte zu 2

14.03.2013

31.03.04 - 23.11.06

Beklagte zu 3

14.03.2013

21.01.05 - 23.11.06

Beklagte zu 4

14.03.2013

31.03.04 - 23.11.06

Beklagte zu 5

14.03.2013

21.01.05 - 17.02.06

Beklagte zu 6

14.03.2013

31.03.04 - 06.04.06

Beklagte zu 7

08.12.2012

25.01.06 - 23.11.06

NI zu 1

19.02.2008

31.03.04 - 23.11.06

NI zu 2

19.02.2008

14.04.05 - 23.11.06

NI zu 3

--

--

NI zu 4

02.11.2011

31.03.04 - 23.11.06

NI zu 5

22.12.2008

31.03.04 - 21.09.06

NI zu 6

21.11.2008

31.03.04 - 21.09.06

NI zu 7

03.03.2009

17.02.06 - 23.11.06

NI zu 8

19.02.2008

31.03.04 - 23.11.06

Firma3

31.03.04 - 17.02.06

Exemplarisch heißt es in dem gegen den Markenverband e.V. und die für diesen handelnde Betroffene ... ergangenen Bußgeldbescheid vom 14.03.2013 (Anlage KR 1, AO 7 d. A.) auszugsweise wie folgt:

A. Tatvorwurf

1. Der Betroffenen wird zur Last gelegt, im Zeitraum vom 31.03.2004 bis zum 23.11.2006 durch ein und dieselbe Handlung in Stadt1, Stdt2 und weiteren Städten, vorsätzlich sich an einer von den Vertretern der

- Firma6 GmbH, Stadt3

- Firma10 AG, Stadt3,

- Firma11 GmbH & Co. KG, Stadt4

- Firma8 GmbH, Stadt5

- Firma7 GmbH, Stadt5

- Firma12 GmbH, Stadt6

- Firma13 GmbH, Stadt7

- Firma14 GmbH, Stadt8

- Firma15 GmbH, Stadt9

- Firma16 GmbH, Stadt8

- Firma9 GmbH, Stadt8

- Firma3.1 GmbH, seit 2005: Firma3 GmbH, Stadt3

- Firma17 GmbH, Stadt10

- Firma18 GmbH & Co. OHG, Stadt11

- Firma19 KG, Stadt12

- Firma20 GmbH & Co. KG, Stadt13

- Firma4 GmbH, Stadt14

begangenen vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit (Verstoß gegen das Verbot von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen zuwidergehandelt zu haben, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, bzw. das Verbot von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Unternehmen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind, und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken) vorsätzlich beteiligt zu haben...

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

...

Zwischen dem 31. März 2004 und 26. November 2006 fanden insgesamt 15 Sitzungen des KWR statt:

- am 31. März 20004 in Stadt1,

- am 14./15. Mai 2004 in Stadt2 (Italien),

- am 16. September 2004 in Stadt15,

- am 25. November 2004 in Stadt16

- am 21. Januar 2005 in Stadt17,

- am 14. April 2005 in Stadt18,

- am 10./11. Juni 2005 in Stadt19 (Italien),

- am 15. September 2005 in Stadt20,

- am 17. November 2005 in Stadt21,

- am 25. Januar 2006 in Stadt1,

- am 17. Februar 2006 in Stadt8-Ortsteil1,

- am 06. April 2006 in Stadt22,

- am 16./17. Juni 2006 in Stadt23 (Österreich),

- am 21. September 2006 in Stadt24,

- am 23. November 2006 in Stadt3.

In diesen Sitzungen hat sie (die Betroffene ...) den regelmäßigen Austausch von Informationen zwischen Wettbewerbern über:

a) beabsichtigte kundenübergreifende Bruttopreiserhöhungen sowie die Durchsetzung von angekündigten Bruttopreiserhöhungen,

b) den aktuellen Stand der Verhandlungen mit ausgewählten, großen Einzelhändlern bei Jahresgesprächen, insbesondere über die Veränderungen der mit den Einzelhändlern vereinbarten Rabatte, unter Offenlegung beider Verhandlungsparteien, des eigenen Angebotsverhaltens sowie der Vertragsabschlüsse,

c) das Bestehen und die Höhe von Sonderforderungen von ausgewählten, großen Einzelhändlern sowie den Stand der Verhandlungen unter Offenlegung beider Verhandlungsparteien, des eigenen Angebotsverhaltens sowie der Vertragsabschlüsse,

d) wesentliche Kenngrößen der vertrieblichen Tätigkeit durch die Teilnahme an einem Austausch über die Behandlung von Zahlungszielen.

unterstützt, indem ...[Anmerkung: es folgt die Darstellung der Beteiligungshandlung]...

-

Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 GWB in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung für den Tatzeitraum bis zum 12. Juli 2005 und nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 in der ab 13. Juli 2005 geltenden Fassung ... in Verbindung mit Art. 81 Abs. 1 EG für den Tatzeitraum ab dem 13. Juli 2005 bis zum 23. November 2006 ...

B. Feststellungen

II. Die betroffenen Märkte

...

43. Die KWR-Mitgliedsunternehmen verfügen in den Bereichen Körperpflege, Wasch- und Reinigungsmittel in Deutschland über unterschiedlich breite Produktsortimente. ... In den einzelnen Produktbereichen stellten sich die Marktanteile der KWR-Mitgliedsunternehmen im Jahr 2006 wie folgt dar:

Zahnpflege ..., Duschgel ..., Rasiermittel..., Deodorants..., Bodylotion..., Lippenpflege..., Sonnenschutz..., Dekorative Kosmetik..., Männergesichtspflege..., Gesichtspflege..., Shampoo..., Haarspray..., Haarspülungen..., Haargel..., Haarfestiger..., Handgeschirrspülmittel..., Maschinengeschirrspülmittel..., WC-Reiniger..., Universal-/Bad-/Küchenreiniger..., Kraftreiniger..., Glasreiniger..., Weichspüler..., HDD/LDD/Laundry additives...

44. Eine gute Übersicht hierzu, woraus sich die bestehenden Wettbewerbsverhältnisse ergeben, bietet die Tabelle "Marktstellung und Wettbewerbsbeziehungen", die dem Bußgeldbescheid als Anlage 2 beigefügt ist. (die Tabelle liegt im hiesigen Verfahren als Anlagen Firma16 17, (Bd. III, Bl. 643 d. A.) und KR 14 (AO 8 d. A.) vor, auf die an dieser Stelle Bezug genommen wird).

III. Preisbildung auf der Handelsebene

45. ....[Anm.: Es folgt eine Darstellung der Preisbildung auf dem Beschaffungsmarkt durch sog. Jahresgespräche und Jahresvereinbarungen, die inhaltlich den obigen Darlegungen entspricht]

IV. Der Informationsaustausch innerhalb des KWR-Arbeitskreis

1. Aufgaben und Arbeitsweise des KWR-Arbeitskreises

50. [Anm.: Es folgen Feststellungen zu den oben bereits umrissenen Aufgaben und der Arbeitsweise des Arbeitskreises und zu der nachfolgend noch beschriebenen Beendigung seiner Tätigkeit. Ferner heißt es in diesem Abschnitt wie folgt:]...

63. Die Tabelle "KWR-Mitglieder - Anwesenheiten", die diesem Bescheid als Anlage 1 beigefügt ist, gibt eine Übersicht darüber, welcher Unternehmensvertreter im Einzelnen innerhalb des Tatzeitraums an den KWR-Sitzungen teilgenommen haben. ... Da bereits der Amtsantritt von (...) dazu führte, dass wettbewerblich sensible Informationen nicht mehr in der gleichen Weise wie zuvor auf den KWR-Sitzungen ausgetauscht wurden, endet der Tatzeitraum mit dem 23. November 2006 und nicht mit der Durchsuchung des Bundeskartellamts am 14. März 2007 [Anmerkung: die o.g Tabelle liegt im hiesigen Verfahren als Anlage KR 11 (AO 8 d. A.) vor, auf die insoweit Bezug genommen wird].

2. Der Informationsaustausch über beabsichtigte Bruttopreiserhöhungen

[Anmerkung: in den nachfolgenden Randnummern 64 - 135 folgen Feststellungen des Bundeskartellamts zu den oben als Ziffern a)-d) hervorgehobenen Tathandlungen.

Wegen der Feststellungen des Bundeskartellamtes wird auf die einzelnen gegen die Beklagten, NI und den Markenverband e.V. ergangenen Bußgeldbescheide (Anlagen KR 1, KR 3 bis KR 9, 9a (AO 7 und 8 d. A.) vollumfänglich Bezug genommen.

Der Kläger hat behauptet, infolge des von den Beklagten und NI schuldhaft und gemeinschaftlich begangenen Verstoßes sei Firma1 in adäquat kausaler Weise ein Schaden in Höhe der Differenz zwischen Kartell- und Marktpreis der Waren, die Firma1 von den KWR-Mitgliedern in der Zeit von März 2004 bis Dezember 2007 in von ihm ermittelter Größenordnung bezogen habe, in mindestens der beantragten Höhe entstanden. Der Schaden sei durch das von ihm beauftragte Gutachten und Ergänzungsgutachten von SV1 (Anlagen K 14, AO 1 d. A. und KR 30, AO 8 d. A.) belegt, in dem je nach Produktgruppe und Hersteller Preisüberhöhungen der tatsächlich gezahlten EK-Nettopreise gegenüber den hypothetischen Wettbewerbspreisen zwischen 4,13% und 18,38 %, durchschnittlich von 10,3 % ermittelt worden seien. Hierbei ist der Kläger von einem von Firma1 mit den Beklagten, NI und Firma3 in 11 Warengruppen getätigten Einkaufsvolumen von ca. 2,6 Mrd. EUR ausgegangen, was ca. 75 % des in dieser Zeit von Firma1 getätigten Gesamtumsatzes ausgemacht habe.

Betreffend die Ursächlichkeit des Informationsaustauschs für das Marktverhalten der Kartellbeteiligten hat sich der Kläger auf die Feststellungen des Bundeskartellamtes gestützt, wonach die Kartellanten den aufgrund der ausgetauschten Informationen erlangten Wissensvorsprung zum Nachteil ihrer Abnehmer genutzt und für sie vorteilhaftere Abschlüsse erzielt hätten. Hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Abschlusszeitpunkte für die mit den Beklagten und NI sowie Firma3 geschlossenen Jahresvereinbarungen Firma1 hat er auf die Tabelle in der Replik vom 28.08.2017 S. 58 (Bd. VIII, Bl. 1789 d. A.) Bezug genommen. Der Austausch habe produktübergreifend stattgefunden, sodass das gesamte von den Beklagten und NI und Firma3 bezogene Sortiment kartellbefangen gewesen sei. Letztlich belegten auch die in dem o.g. Schadensgutachten festgestellten Preiserhöhungen zwangsläufig die Kartellbefangenheit der Warenlieferungen. Im Übrigen spreche ein Anscheinsbeweis für die Kartellbefangenheit, der letztlich auf dem im europäischen Recht anerkannten Erfahrungssatz fuße, dass Wettbewerbsbeschränkungen in Form von Informationsaustauschen Preiserhöhungen nach sich zögen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Kartellschadensersatz, mindestens in Höhe von 212.200.000,00 EUR nebst Zinsen und Gutachterkosten (580.483,19 EUR) zu zahlen und den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 137.589,50 EUR freizustellen.

Die Beklagten haben die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Der Kläger habe durch Weiterveräußerung der Waren etwaige Schäden vollends auf in- und ausländische Konzerngesellschaften, jedenfalls aber auf die Endkunden weitergewälzt. Der Kläger müsse die weiterveräußerten Waren individualisieren, um sich seiner Aktivlegitimation im Übrigen nicht zu begeben, was er nicht getan habe.

Die Beklagten haben ferner den Vortrag des Klägers zur Kartellbetroffenheit und zum Schaden als unzureichend zurückgewiesen. Vorliegend habe das Bundeskartellamt lediglich einen sporadischen, punktuellen und lückenhaften Informationsaustausch festgestellt, der nicht mit einer Kartellabsprache verbunden gewesen sei. Der Informationsaustausch sei nicht systematisch, nicht langjährig und nicht auf konkrete Produktpreise gerichtet gewesen, woraus sich erst eine gewisse Kartelldisziplin und belastbare Nutzung der Informationen hätte ergeben können. Die im KWR ausgetauschten Informationen seien so pauschal, unspezifisch und zeitlich wie auch inhaltlich punktuell gewesen, dass sie nicht geeignet gewesen seien, einen wie auch immer gearteten Vorteil bei den Verhandlungen und einen dementsprechenden Nachteil von Firma1 herbeizuführen. Die Informationen seien für die Durchsetzung höherer Nettopreise schlicht nicht verwertbar gewesen, insbesondere vor dem Hintergrund der großen Verhandlungsmacht von Firma1.

Zu berücksichtigen sei vor allem, dass das Konditionengefüge, welches bei jedem Hersteller verschieden sei und aus dem sich erst die relevanten Nettoeinkaufspreise ergäbe, äußerst komplex und Ausdruck des jeweiligen bilateralen Kräfteverhältnisses zwischen Firma1 und dem jeweiligen Hersteller gewesen sei. Dieses Kräfteverhältnis habe sich durch den Informationsaustausch nicht verändert. Deswegen hätten die ohnehin nur pauschalen Angaben über geplante Bruttolistenpreiserhöhungen keinerlei Rückschlüsse auf die von Firma1 zu zahlenden Nettoeinkaufspreise zugelassen.

Der Kläger habe nicht vorgetragen, wie sich der Informationsaustausch konkret auf die Verhandlungen von Firma1 mit den Beklagten und NI ausgewirkt habe und insoweit ausschließlich auf die Feststellungen in den Bußgeldbescheiden verwiesen, wo darauf nicht eingegangen worden sei. Eine tatsächliche Vermutung für eine "Befangenheit" der Warenbezüge könne auch nicht indiziell herangezogen werden, da hier kein Kartell vorliege, keine Absprachen festgestellt worden seien und der Informationsaustausch nicht auf eine umfassende Wirkung ausgerichtet gewesen sei. Auswirkungen auf das Preisgefüge seien auch deshalb ausgeschlossen, weil die eigentlichen Verhandlungen zu den Jahresgesprächen und etwaigen Listenpreiserhöhungen nicht allein von den Unternehmensvertretern im KWR geführt worden seien, vielmehr von Key-Account Managern und Vertriebsdirektoren, die nicht schlechterdings über die Informationen aus dem KWR verfügt hätten.

Der Kläger habe auch solche Warenbezüge in seine Schadensersatzforderung einbezogen, die gar nicht den vom Bundeskartellamt abgegrenzten Produktmärkten unterfielen. Ebenso verhalte es sich bei solchen Warenbezügen, die Produkte betreffen, hinsichtlich deren es im KWR gar keine Wettbewerbsverhältnisse gegeben habe und die Produkte betreffen, die von bilateralen Preisabsprachen erfasst gewesen seien. Auch seien zeitlich betrachtet die Warenbezüge 2007 schon nicht erfasst, da die Jahresgespräche 2007 überhaupt nicht im KWR thematisiert worden seien. Ebenso seien alle Warenbezüge nicht kartellbefangen, betreffend deren die Preisfindung/Verhandlung in den Jahresgesprächen schon abgeschlossen war, als die entsprechende Information im KWR ausgetauscht worden ist. Soweit außerhalb der jeweils unterschiedlich festgestellten Beteiligungszeiträume der Beklagten und NI schon kein Kartellverstoß des jeweiligen Herstellers festgestellt worden sei, könnten entsprechende Warenbezüge auch nicht kartellbefangen sein. Der Kläger wolle eine gesamtschuldnerische Haftung sämtlicher Beklagter auch dann herbeiführen, wenn zwischen ihnen und/oder den NI überhaupt kein Wettbewerbsverhältnis bestehe, was für zahlreiche der über 10.000 Einzelartikel in den 90 betroffenen Warenuntergruppen gelte.

Das Parteigutachten des Klägers habe keinen Aussagewert. Die Privatgutachterin unterstelle ein flächendeckendes Preiskartell und gehe von einer vollständigen Preistransparenz aus, was aber nicht zutreffe. Das Gutachten gehe von falschen Anknüpfungstatsachen aus, weil es u.a. nicht die von den Beklagten und NI praktizierte nachfrageorientierte Preissetzung anwende und deshalb relevante Inputfaktoren bei der auf den Wettbewerbszeitraum bezogenen Regressionsanalyse übersehen habe. Das Privatgutachten enthalte gravierende methodische Fehler, die zu nicht aufgelösten Widersprüchen geführt hätten. Die Beklagten haben dazu ein gemeinschaftlich in Auftrag gegebenes Privatgutachten der Fa. Firma21 (u.a. vorgelegt als Anlage Firma16 1, Bd. III d. A.) sowie von den Beklagten selbständig beauftragte Gutachten der Firma22 (Beklagte zu 1, Anlage BDF 2, AO 2 d. A.), Firma23 (Beklagte zu 2, AO 5 d. A.), Firma26 (Beklagte zu 4, 5 und 6, AO 4 d. A.), Firma24 (NI zu 8 - Anlage S 9-1, Bd. VI d. A.), Firma25 (NI zu 6., Anlage 6, Bd. VII d. A.) und von Lehrstuhl1 der Universität1 Stadt25 (Beklagte zu 3 - Anlage ER 3, AO 3, Bl. 1475 ff. d. A.) vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat nach mündlicher Verhandlung am 17.05.2018 (Protokoll, Bd. XIV, Bl. 4359 ff. d. A.) mit dem angegriffenen Urteil vom 10.08.2019 (Bd. XIV, Bl. 4433 d. A.) die Klage abgewiesen. Zwar sei die Klage zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die gerügte örtliche Zuständigkeit ergebe sich aus §§ 32 ZPO, 87 GWB iVm § 42 JuZuVO Hessen. Auch liege hinsichtlich der begehrten Gutachterkosten ein Rechtschutzbedürfnis vor, wenn auch regelmäßig deren Erstattung über das Kostenfestsetzungsverfahren weniger aufwendig sei. Ferner sei die Klage hinreichend im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt, da der Kläger hinlänglich deutlich gemacht habe, hauptsächlich aus eigenen Recht und nur hilfsweise aus abgetretenem Recht vorzugehen. Jedoch sei die Klage unbegründet, denn der Kläger habe nicht hinreichend dazu vorgetragen, in welchem Umfang die über die Beklagten bezogenen Waren von Firma1 an inländische Konzerngesellschaften intern weiterveräußert worden sind, weshalb sich die Aktivlegitimation und bereits verjährte Forderungen nicht bestimmen ließen.

Im Einzelnen hat das Landgericht ausgeführt:

Unstreitig habe Firma1 zu konzerninternen Verrechnungspreisen die bezogenen Waren in einem nicht näher bestimmten Umfang an die inländischen Tochtergesellschaften Tochtergesellschaft1.1, Tochtergesellschaft1.2 und Tochtergesellschaft1.3 GmbH & Co. KG weiterveräußert. Streitig sei, ob dies auch bei ausländischen Tochtergesellschaften der Fall gewesen sei, was der Kläger bestritten und hierfür behauptet habe, dies sei nur bei etwa 0,5 % des Gesamtvolumens geschehen. Vor diesem Hintergrund, so das Landgericht, sei eine Schadensverlagerung auf konzerninterne Gesellschaften in nicht näher bestimmten Umfang gegeben. Dabei handele es sich um eine Vorteilsanrechnung, für die zwar grundsätzlich die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet seien. Jedoch treffe den Kläger eine dahingehende sekundäre Darlegungslast mitzuteilen, welcher Anteil des Warenbezugs/Gesamtumsatzes auf inländische Tochtergesellschaften entfiel. Ferner hätte der Kläger zu den konzerninternen Verrechnungspreisen substantiiert vortragen müssen. Nur so hätte festgestellt werden können, ob neben Ansprüchen aus abgetretenem Recht noch eigene originäre Schadensersatzansprüche der Insolvenzschuldnerin bestanden hätten. Denn auf Ansprüche aus abgetretenem Recht könne sich der Kläger nicht stützen. Zum einen sei er für die Abtretung beweisfällig geblieben. Die jeweils vorgelegten Bestätigungen der Abtretungsvereinbarungen seien ungenügend. Zum anderen seien die Abtretungen mit Blick auf § 1 S. 1 InsO als unentgeltliche Leistungen der ebenfalls insolventen Konzerntöchter unwirksam. Letztlich seien Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht verjährt. Die Verjährung habe im Jahr 2013 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2016 geendet. Der Kläger habe durch den Fallbericht des Bundeskartellamtes vom 14.06.2013 Kenntnis von potentiellen Ansprüchen gehabt bzw. sei seit dieser Zeit grob fahrlässig in Unkenntnis hierüber. Betreffend etwaige Ansprüche aus abgetretenem Recht habe das eingeleitete Güteverfahren keine hemmende Wirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gezeitigt, da Ansprüche im Güteverfahren nur aus eigenem Recht geltend gemacht und erst im hiesigen Verfahren 2017 mit der Replik - nach Ablauf der vor der Einführung des § 33h n.F. iVm § 186 Abs. 3 GWB geltenden regelmäßigen Verjährung (§§ 195, 199 BGB) - auf abgetretenes Recht gestützt worden seien, was einen anderen Streitgegenstand betreffe.

Gegen das Urteil des Landgerichts wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Klagebegehren vollumfänglich weiterverfolgt.

Der Kläger rügt die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Landgericht habe die Darlegungsanforderungen hinsichtlich der Schlüssigkeit überspannt, fehlerhaft eine sekundäre Darlegungslast angenommen und den Umfang des Schadens verkannt. Fehlerhaft sei zudem die Annahme, die Ansprüche seien verjährt. Letztlich handele es sich um ein Überraschungsurteil.

Im Einzelnen:

Der Kläger meint, das Landgericht habe fehlerhaft angenommen, der Kläger stütze seine Ansprüche hilfsweise auf abgetretenes Recht. Tatsächlich würden jedoch ausschließlich eigene Ansprüche der Insolvenzschuldnerin verfolgt. Unzutreffend habe das Landgericht angenommen, dass eine Aktivlegitimation nur anzunehmen sei, wenn der Kläger darlege, in welchem Umfang der reklamierte Kartellschaden "Firma1-intern" weitergereicht worden sei.

Das Landgericht habe zudem gegen Beweiswürdigungsregeln verstoßen, da es unzutreffend eine sekundäre Darlegungslast des Klägers für den Umfang der Weiterveräußerung angenommen habe. Substantiierter Vortrag der Beklagten hinsichtlich einer Schadensweiterwälzung liege nicht vor. Die Darlegung von Konzerninterna sei Firma1 auch nicht zumutbar, abgesehen davon auch nicht möglich, weil derartige Informationen zu konzerninternen Verrechnungspreisen dem Kläger trotz Nachforschungen nicht (mehr) zur Verfügung stünden.

Entgegen der Annahme des Landgerichts sei es höchst unwahrscheinlich, dass überhaupt kartellbefangene Waren aus den streitgegenständlichen Erwerbsvorgängen an Inlandsgesellschaften veräußert worden seien, da diese erst nach Januar 2008 in Geschäftskontakt mit Firma1 getreten seien. So hätten die Tochtergesellschaft1.1 GmbH erst Ende 2008/Anfang 2009 und die Tochtergesellschaft1.2 erst im Jahr 2010 ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen. Auch die "Tochtergesellschaft1.3" GmbH & Co. KG sei von der Insolvenzschuldnerin erst Anfang 2008 erworben worden.

Selbst im Falle einer unterstellten Weitergabe des Kartellschadens an Tochterunternehmen von Firma1 verbleibe ein originärer Schaden bei der Insolvenzschuldnerin, was das Landgericht verkannt habe. Die Insolvenzschuldnerin sei nämlich stets Alleingesellschafterin ihrer Tochtergesellschaften gewesen und habe diese konzernrechtlich kontrolliert, so dass wirtschaftliche Identität vorliege. Mithin werde auch die Insolvenzgläubigerin in ihren Rechten verletzt, wenn sie Einbußen an ihrem Gesellschaftsvermögen erleide. Die im Falle der Weiterwälzung des Kartellschadens auf die Tochtergesellschaften dort eingetretenen Kartellschäden hätten zu einer Minderung des Beteiligungswertes der Insolvenzschuldnerin in gleicher Höhe geführt.

Weder seien eigene Ansprüche noch Ansprüche aus abgetretenem Recht - auch wenn diese der Kläger nicht verfolge - verjährt. Fehlerhaft sei bereits die Annahme, die Verjährungsfrist habe im Jahr 2013 zu laufen begonnen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes beginne die kenntnisabhängige Verjährungsfrist für Kartellschadensersatzansprüche bei einem "Follow-on" Verfahren nicht vor Einsichtnahme des Kartellgeschädigten in die Bußgeldbescheide nebst einer 10monatigen Prüfungsfrist. Eine solche Einsichtnahme liege hier erst im Jahr 2016 vor. Die der Insolvenzschuldnerin im Jahre 2008 gewährte Akteneinsicht genüge hierfür nicht. Auch seien die Kartellschadensersatzansprüche nicht absolut verjährt. Die Verjährung beginne erst mit Beendigung des Kartellverstoßes, also mit Beendigung des Kartells; dies gelte insbesondere, wenn es sich um eine dauernde und fortgesetzte Zuwiderhandlung handele. Fernerhin sei die Verjährung während des Kartellordnungswidrigkeitenverfahrens von dessen Einleitung am 19.03.2008 bis sechs Monate nach dessen Beendigung gehemmt. § 33 Abs. 5 GWB a.F. finde auch auf Altfälle Anwendung, mithin auch auf hier streitgegenständliches kartellrechtswidriges Verhalten vor 2005.

Das Landgericht habe schließlich gegen seine Hinweispflichten aus § 139 ZPO verstoßen, da es den Kläger weder auf die Schlüssigkeitsbedenken, noch auf die für bestehend erachtete sekundäre Darlegungslast und auch nicht darauf hingewiesen habe, dass es die Ansprüche aus abgetretenem Recht für verjährt halte.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10.08.2018, Az. 2-03 O 239/16, die Beklagten zu verurteilen,

1. als Gesamtschuldner an den Kläger eine Schadensersatzzahlung zu leisten, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 212.200.000,- EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von jährlich 4 Prozentpunkten seit dem 01.04.2004 und seit dem 01.07.2005 in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins nachfolgender Maßgabe:

aus einem Betrag in Höhe von € 6.261.479,00 seit dem 01.04.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.111.382,00 seit dem 01.05.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.112.489,00 seit dem 01.06.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.321.688,00 seit dem 01.07.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.208.406,00 seit dem 01.08.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.858.618,00 seit dem 01.09.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.269.146,00 seit dem 01.10.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.524.399,00 seit dem 01.11.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.589.917,00 seit dem 01.12.2004;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.432.875,00 seit dem 01.01.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.321.868,00 seit dem 01.02.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.318.942,00 seit dem 01.03.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.480.866,00 seit dem 01.04.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.673.091,00 seit dem 01.05.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.293.231,00 seit dem 01.06.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.675.114,00 seit dem 01.07.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.117.553,00 seit dem 01.08.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.390.988,00 seit dem 01.09.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.423.977,00 seit dem 01.10.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.815.741,00 seit dem 01.11.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.964.359,00 seit dem 01.12.2005;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.101.940,00 seit dem 01.01.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.816.177,00 seit dem 01.02.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.703.941,00 seit dem 01.03.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.291.960,00 seit dem 01.04.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.687.548,00 seit dem 01.05.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 6.371.568,00 seit dem 01.06.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.452.996,00 seit dem 01.07.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.704.372,00 seit dem 01.08.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.784.222,00 seit dem 01.09.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.056.072,00 seit dem 01.10.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 5.025.720,00 seit dem 01.11.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.582.435,00 seit dem 01.12.2006;

aus einem Betrag in Höhe von € 4.036.650,00 seit dem 01.01.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.509.143,00 seit dem 01.02.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.230.125,00 seit dem 01.03.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.598.051,00 seit dem 01.04.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.749.201,00 seit dem 01.05.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.741.110,00 seit dem 01.06.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.713.798,00 seit dem 01.07.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.246.748,00 seit dem 01.08.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.424.013,00 seit dem 01.09.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 2.160.156,00 seit dem 01.10.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 1.935.827,00 seit dem 01.11.2007;

aus einem Betrag in Höhe von € 1.804.697,00 seit dem 01.12.2007; und

aus einem Betrag in Höhe von € 1.346.593,00 seit dem 01.01.2008;

2. als Gesamtschuldner an den Kläger Gutachterkosten in Höhe von 580.483,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen;

3. Die Beklagten zu 1, 2, 4 bis 7 als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von den Kosten außergerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 137.589,50 EUR freizustellen;

hilfsweise, das Verfahren unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 10.08.2018, Az. 2-03 O 239/16, an das Landgericht Frankfurt zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 7 beantragt hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen, soweit sie die Beklagte zu 7 betrifft.

Die Beklagte zu 2 beantragt hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen.

Die NI (außer die NI zu 4) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten und NI verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie fokussieren sich dabei wie folgt:

Sämtliche Beklagte und NI halten den Einwand der Berufung, das Landgericht habe verkannt, dass ausschließlich aus eigenem Recht vorgegangen werde, für unzutreffend, jedenfalls sei eine Berücksichtigung auch eines Hilfsantrags für die Klageabweisung wegen eigener Ansprüche nicht entscheidungserheblich.

Die Beklagten und NI bekräftigen, dass die Klage hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers bereits wegen des Klägervortrags unschlüssig sei. Dies vor dem Hintergrund, dass der Kläger vorgetragen habe, dass Firma1 den Zentraleinkauf für inländische und - in geringem Umfang - auch für ausländische Tochtergesellschaften gemacht habe und eine gruppeninterne Weiterveräußerung zu konzerninternen Verrechnungspreisen stattgefunden habe. Ferner habe der Kläger unter Vorlage von Abtretungsbestätigungen vorgetragen, dass er sich Ansprüche der inländischen Tochtergesellschaften habe abtreten lassen. Mit diesem Vortrag habe das Landgericht zu Recht nicht beurteilen können, für welche Ansprüche eine Aktivlegitimation zu bejahen und für welche sie zu verneinen gewesen wäre.

Jedenfalls sei der Vortrag des Klägers, dass die inländischen Töchter höchstwahrscheinlich gar keine kartellbefangenen Waren bezogen hätten, neu, stehe im Widerspruch zu dem bisherigen Vorbringen, werde bestritten und sei nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Ferner habe es im Kartellzeitraum auch noch weitere Tochtergesellschaften gegeben, zu deren Warenbezug ebenfalls nichts vorgetragen worden sei. Der Kläger könne auch keinen Schaden auf der Basis einer Minderung der Beteiligungen an den Tochtergesellschaften geltend machen, denn dies sei eine unzulässige Durchbrechung des Trennungsprinzips. Ein in der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefall liege offensichtlich nicht vor.

Sämtliche Beklagte und NI bekräftigen, dass der Kläger spätestens mit der Veröffentlichung des Fallberichtes des Bundeskartellamtes 2013 Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erlangt habe. Das zeige sich bereits daran, dass der Kläger Leistungsklage bereits im Juli 2016 erhoben habe, weit vor der Akteneinsicht Ende 2016/Anfang 2017.

Die Beklagten und NI wiederholen und vertiefen ihre erstinstanzlichen Ausführungen zu der ihrer Ansicht nach eingeschränkten Bindungswirkung der Bußgeldbescheide, der Kartellbetroffenheit bzw. Kartellbefangenheit, zum Schaden und zur gesamtschuldnerischen Haftung. Insbesondere bekräftigen sie, dass im konkreten Fall weder Anscheinsbeweise noch tatsächliche Vermutungen für einen kausalen Schaden bei Firma1 streiten.

Wie sich der abstrakte Informationsaustausch unter den KWR-Mitgliedern auf den Preis bestimmter von Firma1 bezogener Produkte ausgewirkt habe, habe der Kläger nicht vorgetragen. Das Parteigutachten sei unbrauchbar, u.a. weil es von einem falschen Berechnungsansatz für die Bestimmung der Bruttopreise bei Markenartikeln ausgehe.

Die Beklagte zu 3 weist beispielsweise nochmals darauf hin, dass sie in dem streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt keine Preiserhöhung gegenüber Firma1 habe durchsetzen können und auch sonst keinen Schaden Firma1 verursacht habe. Die unstreitig erfolgten Auslistungen etlicher ihrer Produkte im Jahr 2005 sprächen hierfür. Auch sonst habe die Beklagte zu 3 ob ihrer geringen Marktpräsenz keinen Einfluss auf die Preise, zu denen Firma1 eingekauft habe, nehmen können.

Auf die Berufungserwiderungen repliziert der Kläger zusammengefasst wie folgt:

Der Kläger habe substantiiert zu der Kartellbetroffenheit von Firma1 vorgetragen, denn anhand der Bußgeldbescheide sei aufgezeigt, dass Firma1 sowohl zentraler Gegenstand der Kartellabsprachen gewesen sei, als auch spezifische Beschaffungsvorgänge Firma1 sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich des Sachverhalts fallen, der Gegenstand des Bußgeldverfahrens war und der Inhalt der Gespräche der Kartellanten aufgrund der Art der dort ausgetauschten Informationen Bezüge zur Klagepartei aufweise.

Von dem Gesamtwarenbezug seien allenfalls 0,5 % an ausländische Tochtergesellschaften veräußert worden. Es sei nicht auszuschließen, dass es auch in weiteren Einzelfällen zu zentralem Einkauf gekommen ist. Für die Auslandsgesellschaften lasse sich nicht mehr feststellen, welche Menge eines Produkts gattungsmäßig von Firma1 an diese weiterveräußert wurden. Er könne aber die mit Firma1 gemachten Gesamtumsätze konzernverbundener Gesellschaften in den Jahren 2004 bis 2007 benennen, so dass sich anhand dessen die denkbar höchstmögliche Weiterwälzung nach § 287 ZPO schätzen lasse.

Auch für die Fa. "Tochtergesellschaft1.3 GmbH" könne er mittlerweile ausschließen, dass kartellbefangene Ware dorthin weiter geliefert worden sei, weil man erst Ende 2007/Anfang 2008 begonnen habe, eine Belieferung der "Tochtergesellschaft1.3 GmbH" durch das Zentrallager Firma1 vorzubereiten und weil es vor dieser Zeit keine Handelsbeziehungen Firma1 zu der "Tochtergesellschaft1.3 GmbH" gegeben habe. Vielmehr sei erst danach sukzessive der Wareneinkauf durch Firma1 zentral erfolgt.

Im Übrigen sei Firma1 als Unternehmensgruppe geschädigt worden, so dass die einzelnen Konzerngesellschaften Gesamtgläubiger nach § 428 BGB seien und er für Firma1 den dem Konzern entstandenen Schaden geltend machen könne, unabhängig einer konzerninternen Weiterveräußerung. Dies folge aus unionsrechtlicher Rechtsprechung (EuGH, Urt. v. 14.03.2019 - C 724/17 - Skanska).

Für die Einzelheiten des Parteivorbringens wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen vollumfänglich Bezug genommen. Sämtliche den hiesigen Urteilsgründen zu entnehmende Tatsachen- und Rechtsfragen sind in der ca. 4-stündigen mündlichen Verhandlung mit den Parteien ausführlich erörtert worden.

In einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz hat der Kläger unter Bezugnahme und unter Vorlage des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2020 (KZR 24/17 - Schienenkartell II) die Ansicht vertreten, dass an der Kartellbetroffenheit sämtlicher Warenbezüge kein Zweifel mehr bestehen könne und eine tatsächliche Vermutung für eine Preiserhöhung spreche, die von den Beklagten und NI nicht erschüttert worden sei.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage als unbegründet abgewiesen.

Allerdings folgt der Senat den Erwägungen des Landgerichts zur nicht schlüssig dargelegten Aktivlegitimation mit Blick auf etwaige Weiterveräußerungen der streitgegenständlichen Waren an in- und ausländische Tochtergesellschaften nicht.

Der Senat hält das neue Vorbringen des Klägers zu den drei streitgegenständlichen Inlandsgesellschaften gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO für zulässig. Der Vortrag, dass sich der erstinstanzlich unstreitige Zentraleinkauf Firma1 auch auf diese Inlandsgesellschaften im hier maßgeblichen Zeitraum bezog, war angesichts erstinstanzlich bereits vorliegender Handelsregisterauskünfte, der Übersicht/Präsentation (Anlage B 10, AO 4 d. A.) und dem diesbezüglichen Vorbringen der Beklagten zu 4 und 5 offensichtlich widersprüchlich, was aufzuklären gewesen wäre. Ungeachtet der Frage, ob der "Passing-On Einwand" aus Wertungsgesichtspunkten bei konzerninterner Weiterveräußerung überhaupt Platz greift, würde ein solcher nichts an der Entstehung eines Schadens ändern und wäre im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Es ließe sich hier nicht feststellen, dass der in Rede stehende Kartellschaden vollständig weitergegeben worden ist, was einen verbleibenden Schaden in irgendeiner Höhe nicht ausgeschlossen und damit einem Grundurteil nicht entgegengestanden hätte. Entgegen der Annahme der Beklagten und NI wären die Beschaffungsvorgänge, die von einer etwaigen Weiterwälzung erfasst worden wären, auch nicht zu individualisieren gewesen. Denn für die Vorteilsausgleichung gilt ebenfalls der Beweismaßstab des § 287 ZPO, so dass eine Weiterwälzung bei hinlänglicher Darlegung von Anknüpfungstatsachen im Rahmen der Bemessung der Höhe des Schadens hätte geschätzt werden können.

Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil dem Kläger keine Kartellschadensersatzansprüche gegen die Beklagten zustehen, da sich schon nicht feststellen lässt, dass der Informationsaustausch im KWR zu einem Schaden bei Firma1 geführt hat.

1. Rechtsrahmen

Die Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche wegen kartellrechtswidriger Zuwiderhandlungen folgt (jeweils iVm § 80 InsO) jeweils aus dem zum Zeitpunkt der Beschaffungsvorgänge/Wareneinkäufe maßgeblichen Recht (vgl. etwa BGH 12.06.2018 - KZR 56/16 - Grauzement II = NJW 2018, 2479, Rn. 33).

Mithin sind hier streitgegenständliche

Warenbezüge bis zum 30.06.2005 nach den § 823 Abs. 2 BGB iVm § 1 GWB (i.d.F. vom 01.01.1999 bis 30.06.2005 "GWB 1999")/ Art. 81 EG (nunmehr Art. 101 AEUV) bzw. § 33 S. 1 GWB iVm § 1 GWB 1999,

Warenbezüge vom 01.07.2005 bis zum 12.07.2005 gemäß § 33 Abs. 3 GWB iVm § 1 GWB/Art. 81 EG (i.d.F. vom 01.07.2005 bis 12.07.2005 "GWB 2005") und

Warenbezüge ab dem 13.07.2005 gemäß § 33 Abs. 3 GWB (i.d.F. vom 13.07.2005 bis 21.12.2007) iVm § 1 GWB/Art. 81 EG sowie Warenbezüge danach gemäß § 33 Abs. 3 GWB (i.d.F. vom 22.12.2007 bis 29.06.2013) iVm § 1 GWB/Art. 81 EG

zu beurteilen.

2. Verstoß gegen das Kartellverbot

Dass die Beklagten gegen vorgenannte kartellrechtliche Vorschriften verstoßen haben, steht für den hiesigen Schadensersatzprozess aufgrund der Feststellungen des Bundeskartellamtes, wie sie in den jeweils gegen die Beklagten nach vorheriger Verfahrensbeteiligung ergangenen Bußgeldbescheiden in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Gegenstand sind, gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 bindend fest.

Die Feststellungswirkung greift auch für Altfälle (hier hinsichtlich des vor 2005 stattgefundenen Informationsaustausches), soweit die bindenden Feststellungen nach dem Inkrafttreten der Norm getroffen wurden (vgl. BGH, Grauzement II, a.a.O., Rn. 30, 32; Senat, Urt. v. 17.11.2015 - 11 U 73/11), was vorliegend der Fall ist.

Für den Umfang der Bindungswirkung ist maßgeblich, inwieweit eine Zuwiderhandlung gegen Kartellrecht im Tenor oder in den tragenden Gründen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht festgestellt worden ist (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - KZR 25/14 - Lottoblock II = NJW 2016, 3527, Rn. 12, 19). Bei Bußgeldentscheidungen erwächst daher auch die festgestellte Dauer des Verstoßes in Bindungswirkung (vgl. Bechthold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 33 Rn. 46).

Zusammengefasst hat das Bundeskartellamt vorliegend das wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten im Tenor bzw. in den tragenden Gründen der Bußgeldbescheide dahin beschrieben, dass die Beklagten im Zeitraum zwischen dem 31. März 2004 und 23. November 2006 - wobei dieser Zeitraum bei den Beklagten zu 3, 5, 6 und 7 kürzer ist - durch ein und dieselbe Handlung in Stadt1 und andernorts gemeinschaftlich handelnd jeweils mit den Vertretern der übrigen KWR-Mitglieder, auf insgesamt 15 Sitzungen des KWR sich regelmäßig über:

-

beabsichtigte kundenübergreifende Bruttopreiserhöhungen und deren Durchsetzung,

-

den Verhandlungsstand der Jahresgespräche mit Einzelhändlern unter Offenlegung von Rabatten, Angeboten und Vertragsabschlüssen,

-

das Bestehen und die Höhe von Sonderforderungen ausgewählter Einzelhändler unter Offenlegung von Rabatten, Angeboten und Vertragsabschlüssen sowie

-

wesentliche Kenngrößen vertrieblicher Tätigkeit durch die Behandlung von Zahlungszielen und die Teilnahme an Benchmark-Studien

ausgetauscht haben.

Den Feststellungen der einzelnen Bußgeldbescheide ist zu entnehmen, dass nicht durchweg stets alle Beklagte (und NI) auf den einzelnen Sitzungen vertreten waren und auch nicht immer alle vorstehenden Informationsgegenstände im Allgemeinen wie im Besonderen zu Firma1 besprochen wurden, vielmehr die Inhalte, die Beteiligten und Empfänger/Geber der einzelnen Informationen variierten.

So ist etwa in dem gegen die Beklagte zu 7 ergangenen Bußgeldbescheid nicht festgestellt, dass diese sich an einem Austausch über beabsichtigte kundenübergreifende Bruttopreiserhöhungen und deren Durchsetzung beteiligt hat (ebenso verhält es sich bei den NI zu 1, 2, 5, 6, 7, 8 und bei Firma3). Ferner ist in den jeweiligen Bescheiden betreffend die Beklagten zu 1, 7 und 5 (und betreffend die NI zu 1, 2, 5, 6, 7, 8 und Firma3) nicht festgestellt, dass sie sich über das Bestehen und die Höhe von Sonderforderungen ausgewählter Einzelhändler ausgetauscht haben. Eine Beteiligung an einem Austausch über wesentliche Kenngrößen vertrieblicher Tätigkeit durch die Behandlung von Zahlungszielen (ausgenommen die Beklagten zu 5 und 7) und die Teilnahme an Benchmark-Studien wird außerdem nicht allen Beklagten und NI angelastet (nicht den Beklagten zu 4, 5 und 7 sowie nicht den NI zu 1, 2, 5, 6, 7, 8 und nicht Firma3).

Der Austausch wird zu den jeweils beteiligten Unternehmen und den betroffenen Märkten einschließlich vorliegender Wettbewerbsverhältnisse sowie zu den einzelnen Gegenständen des Austauschs zunächst im Allgemeinen, sodann im Besonderen (u.a. zu Firma1) weiter dargelegt (vgl. exemplarisch Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 4, Anlage KR 3, AO 7 d. A., Rn. 11 ff., 43 ff., 64 ff., 85 ff., 105 ff., 120 ff., 124 ff.). Hierbei ist in zeitlicher Hinsicht festgestellt, dass der Tatzeitraum jedenfalls mit dem 23. November 2006 endete, da wettbewerblich sensible Informationen seit dieser Zeit nicht mehr ausgetauscht wurden.

In rechtlicher Hinsicht sah das Bundeskartellamt in dem Verhalten der Beklagten eine Vereinbarung im Sinne Art. 81 EG bzw. § 1 GWB, jedenfalls aber eine abgestimmte Verhaltensweise, die sich auf das Marktverhalten insoweit auswirkte, als sie eine Beschränkung des Geheimwettbewerbs bezweckte und bewirkte (vgl. exemplarisch Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 4, Anlage KR 3, AO 7 d. A., Rn. 363 ff., 366 ff., 372 ff., 379 ff.).

3. Kartellbetroffenheit

Ein Kartellschadensersatzanspruch setzt über das Vorliegen eines Kartellverstoßes hinaus gemäß § 33 Abs. 1 S. 1, 3 GWB 2005 (ebenso § 33 Abs. 1 S. 1, 3 i.d.F. vom 13.07.2005 bis 21.12.2007 und vom 22.12.2007 bis 29.06.2013; abweichend § 33 S. 1 GWB 1999: derjenige, der vom Schutzbereich der Norm umfasst war) voraus, dass der Anspruchssteller als anderer Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt, also betroffen ist.

Inhalt und dogmatische Zuordnung der Kartellbetroffenheit wurden bislang in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert (vgl. jüngst m.w.N. Weitbrecht, NZKart 2020, 106 (107); Klumpe/Thiede, NZKart 2020, 104). Dies liegt daran, dass haftungsbegründender und haftungsausfüllender Tatbestand bei Kartellverstößen schwer voneinander zu trennen sind, da mit dem Kartellverstoß allein weder ein individuelles Rechtsgut verletzt, noch einen Schaden hervorgerufen ist. Erst wenn aufgrund des verbotswidrigen Verhaltens ein bestimmtes Marktverhalten Dritten gegenüber an den Tag gelegt wird, kann ein Schaden eintreten (s. Pohlmann, NZKart 2020, 55). Das bedeutet für die Abgrenzung von Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung, dass einerseits schon der erste Schaden der Haftungsausfüllung zuzurechnen ist, andererseits nicht der Kartellverstoß allein zur Haftungsbegründung ausreicht. Nach der Rechtsprechung erstreckt sich deshalb der Bereich des nach § 286 ZPO zu beweisenden Haftungsgrundes außerhalb von Schadensersatzansprüchen wegen Personen- oder Sachschäden auch auf die Feststellung, dass der Anspruchssteller so von dem Verstoß betroffen worden ist, dass nachteilige Folgen für ihn eintreten konnten (BGH NJW 1993, 3073). Insoweit stellt die Kartellbetroffenheit die Verbindung zwischen dem allgemein wettbewerbswidrigen Verhalten und dem auf den Anspruchssteller bezogenen konkret beeinträchtigten Wettbewerbsverhältnis her, indem sie gemäß § 33 Abs. 3 GWB (§ 33 Abs. 1 S. 1, 3 GWB 2005) eine Beeinträchtigung des Anspruchsstellers verlangt.

Überwiegend wurde daher bislang eine Beeinträchtigung des Anspruchsstellers daran festgemacht, ob die Geschäfte des Marktbeteiligten, für die ein Schaden reklamiert wird, kartellbefangen waren, also ob der Wettbewerb unter den Kartellanten betreffend die veräußerten Waren durch die in Rede stehenden Kartellverstöße ausgeschlossen oder eingeschränkt wurde (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.2018 - KZR 26/17 - Schienenkartell = NJW 2019, 661, Rn. 59). Untersucht wurde im Rahmen der Kartellbetroffenheit also eine Umsatzbetroffenheit, d.h. die Frage, ob der Anspruchssteller beim Erwerb kartellbefangener Waren so mit dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Kartellanten in Berührung gekommen ist, dass nachteilige Folgen für ihn eintreten konnten (vgl. OLG Nürnberg, Bschl. v. 08.07.2019 - 3 U 1876/18 - HEMA Vertriebskreis = BeckRS 2019, 26965, Rn. 42), wobei in der Literatur größtenteils die konkrete Möglichkeit eines Schadenseintritts verlangt wurde (vgl. Fuchs in: Fuchs/Weitbrecht, HdB Private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 4 Rn. 12d; Paul in: Fuchs/Weitbrecht, HdB Private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 5 Rn. 89; Inderst/Thomas, Schadensersatz bei Kartellverstößen, 2. Aufl. 2018, S. 55, 122, 136; s. auch Ohlhoff in: Kamann/Ohlhoff/Völcker, Kartellverfahren und Kartellprozess, 2017, § 26 Rn. 120 f.).

Die Rechtspraxis ging zumeist davon aus, dass ein Marktteilnehmer und (potentiell) Geschädigter kartellbetroffen war, wenn das Kartell ihm gegenüber derart praktiziert worden ist, dass die Kartellbeteiligten bei ihrem Marktverhalten die "Spielregeln" des Kartells (unmittelbar) angewandt haben oder wenn sich zu seinem Nachteil das Kartell im Sinne einer adäquat-kausalen Folge (mittelbar) ausgewirkt hat (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.01.2019 - VI-U (Kart) 18/17 = BeckRS 2019, 8644, Rn. 47).

Die Kartellbetroffenheit hatte der Bundesgerichtshof rekurrierend auf seine "Lottoblock II" - Entscheidung (BGH, Lottoblock II, a.a.O., Rn. 47) dem Beweismaß des § 286 ZPO unterstellt, mithin dem Haftungsgrund zugeordnet (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 59; dementsprechend etwa OLG Nürnberg, HEMA Vertriebskreis, a.a.O., Rn. 44).

Hieran hält der Bundesgerichtshof nun nicht mehr fest, sondern lässt es für die zum Haftungsgrund gehörende Betroffenheit im Sinne des § 33 Abs. 3 GWB (§ 33 Abs. 1 S. 1 GWB 2005) genügen, dass dem Anspruchsgegner ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten anzulasten ist, das - vermittelt durch den Abschluss von Umsatzgeschäften oder in anderer Weise - geeignet ist, einen Schaden des Anspruchsstellers mittelbar oder unmittelbar zu begründen (BGH, Urt. v. 28.01.2020 - KZR 24/17 - Schienenkartell II = NZKart 2020, 136 ff., Rn. 25). Zur Ermittlung dieser haftungsbegründenden Kausalität muss nicht mehr festgestellt werden, ob sich das wettbewerbsbeschränkende Verhalten auf den streitgegenständlichen Auftrag tatsächlich ausgewirkt hat und dieser damit "kartellbefangen" war (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 26). Vielmehr ist die Kartellbefangenheit einzelner Erwerbsvorgänge im Rahmen der Schadensfeststellung Gegenstand der haftungsausfüllenden Kausalität (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 27).

Letztlich hat der Bundesgerichtshof nun klargestellt, dass die zum Haftungsgrund gehörende Betroffenheit als eine "persönliche Betroffenheit" zu verstehen ist, wie dies in der Entscheidung vom 12.07.2016 (BGH, Lottoblock II, a.a.O., Rn. 47) wahrscheinlich schon angelegt war (vgl. m.w.N. Lahme/ Ruster, NZKart 2019, 196 ff.; vgl. auch Hutschneider/ Stieglitz, NZKart 2019, 363 (367); LG Dortmund, Bschl. v. 06.11.2019 - 8 O 15/15).

Maßgebend für diese Klarstellung ist das unionsrechtlich geprägte, weite Verständnis des Kartellverbots, dessen effektiver Durchsetzung es dient, dass jedermann Ersatz des Schadens verlangen kann, soweit zwischen dem Schaden und dem Kartellverstoß ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Jüngst hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass das Bestehen dieses Rechts nicht in irgendeiner Weise vom nationalen Recht der Mitgliedsstaaten abhängig gemacht werden kann, mithin jede nationale normative Begrenzung des Kreises der Anspruchsberechtigten dem weiten Schutzbereich des Art. 101 AEUV entgegensteht (EuGH, Urt. v. 12.12.2019 - C-435/18 - Aufzugskartell = NZKart 2020, 30, Rn. 30 ff.). Dagegen ist es in Ermangelung unionsrechtlicher Regelungen Sache der Mitgliedstaaten, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs im Einzelfall unter Berücksichtigung des Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatzes zu regeln (vgl. m.w.N. EuGH, Urt. v. 05.06.2014 - C 557/12 - Umbrella Pricing = NZKart 2014, 263 ff., Rn. 24 f.).

Die Frage des "ursächlichen Zusammenhangs" zwischen dem wettbewerbsbeschränkenden Verhalten und dem Schaden, jedenfalls soweit es darum geht, ob ein bestimmter Schaden in tatsächlicher Hinsicht auf ein bestimmtes Ereignis zurückzuführen ist, ist ein Problem der Kausalität und gehört damit zur Durchsetzung des Anspruchs (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 29.07.2019 - C-435/18 - Aufzugskartell, Rn. 50 ff.). In der "Schienenkartell II" - Entscheidung hat der Bundesgerichtshof vor diesem Hintergrund klargestellt, dass die Kartellbefangenheit einzelner Erwerbsvorgänge gleichbedeutend mit diesem unionsrechtlich determinierten Begriff des ursächlichen Zusammenhangs ist, mithin die haftungsausfüllende Kausalität die Schadensfeststellung betrifft und nicht die Ermittlung der haftungsbegründenden Kausalität innerhalb der Anspruchsberechtigung (BGH, Schienenkartell II, a.a.O, Rn. 25 ff.; s. dazu die Entscheidungsbesprechungen von Petzold/ Steinle, NZKart 2020, 176 ff. und von Hutschneider/Stieglitz, NZKart 2020, 180 ff.).

Somit genügt für eine Beeinträchtigung im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 1, 3 GWB 2005 die abstrakte Möglichkeit, dass der Anspruchssteller durch den Kartellverstoß einen Schaden erlitten hat. Beeinträchtigt ist jeder, für den vorstellbar ist, dass er einen auf den Kartellverstoß zurückzuführenden Schaden erleiden könnte, wofür ein weites Verständnis anzulegen ist (so m.w.N. Lahme/ Ruster, NZKart 2019, 196 (198)).

Hinreichend ist, dass der Anspruchssteller als unmittelbarer Abnehmer Waren von den am wettbewerbswidrigen Verhalten Beteiligten bezogen hat, welche Gegenstand der Absprache bzw. des abgestimmten Verhaltens waren (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 25). Indem Firma1 als unmittelbarer Abnehmer aller KWR-Mitglieder während der Dauer der vom Bundeskartellamt festgestellten Verstöße auf den räumlich und sachlich relevanten Märkten kontrahiert hat, besteht die abstrakte Möglichkeit, dass Firma1 durch die Verstöße einen Schaden erlitten hat.

4. Entstehung eines Schadens

Ein Schadensersatzanspruch des Klägers setzt voraus, dass Firma1 aus der Abwicklung des in Rede stehenden Warenbezugs mit den Beklagten und NI ein Schaden entstanden ist, die Geschäfte ohne den jeweiligen Wettbewerbsverstoß also jeweils zu günstigeren Konditionen abgeschlossen hätten werden können (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 52).

Die an den Nachweis eines kausalen Schadens zu stellenden Anforderungen richten sich nach dem deutschen Zivilprozessrecht. Zwar ist nach dem Inhalt des Unionsrechts jeder Schaden, der in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV steht, nach dieser Vorschrift ersatzfähig. Auf einen spezifischen Zurechnungszusammenhang kommt es dabei nicht an. Der Begriff der haftungsausfüllenden Kausalität ist damit im Ausgangspunkt unionsrechtlich determiniert. Da es an einer näheren Ausgestaltung dieses Begriffs im Unionsrecht fehlt, obliegt es aber dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten, die Modalitäten der Ausübung und Durchsetzung des unionsrechtlich begründeten Schadensersatzanspruchs unter Einschluss des Kausalitätsbegriffs zu regeln, wobei die Mitgliedstaaten nach den Grundsätzen der Effektivität und der Äquivalenz verpflichtet sind, die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln und des sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzanspruchs sicherzustellen. Zu diesen Modalitäten zählen jedenfalls die Vorschriften über die zivilprozessualen Anforderungen an die richterliche Tatsachenfeststellung (m.w.N. BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 30).

Die Entstehung eines Kartellschadens einschließlich der Frage nach dem ursächlichen Zusammenhang zwischen Kartellabsprache und dem Vorliegen eines individuellen Schadens ist - wie oben bereits ausgeführt - der haftungsausfüllenden Kausalität zugeordnet, so dass der Anwendungsbereich von § 287 Abs. 1 ZPO eröffnet ist. Hiernach entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Der Tatrichter ist insoweit freier gestellt, als er Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen und Schätzungen anstellen kann und es in seinem Ermessen steht, ob und wie er Beweis erhebt. An der Beweislastverteilung zu Lasten des Anspruchsstellers ändert dies hingegen nichts (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 287, Rn. 1). So darf die Schätzung nicht mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte "völlig in der Luft hängen". Für die richterliche Überzeugung reicht eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist (vgl. BGH, Lottoblock II, a.a.O., Rn.49).

Die Feststellung, dass der Preis, den ein an einer Kartellabsprache beteiligtes Unternehmen mit einem Abnehmer vereinbart, höher ist, als er ohne die Kartellabsprache wäre, oder allgemein das Preisniveau, welches sich auf einem von einer Kartellabsprache betroffenen Markt einstellt, über demjenigen Preisniveau liegt, das sich ohne die Absprache eingestellt hätte, kann nur aufgrund von Indizien getroffen werden. Der Tatrichter kann daher nur unter Heranziehung derjenigen Umstände, die darauf schließen lassen, wie sich das Marktgeschehen ohne die Kartellabsprache wahrscheinlich entwickelt hätte, zu Feststellungen zum hypothetischen Marktpreis gelangen (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 34).

Die nach § 287 ZPO vorzunehmende Würdigung hat alle Umstände einzubeziehen, die entweder im Sachvortrag der Parteien (derjenigen Partei, die sich auf einen ihr günstigen Umstand mit indizieller Bedeutung für oder gegen einen Preiseffekt des Kartells beruft) oder in den bindenden Feststellungen der kartellbehördlichen Entscheidung eine hinreichende Stütze finden (vgl. BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 36, 38). Insoweit können die bindenden Feststellungen des Bundeskartellamtes auch indizielle Wirkung für die jeweiligen Beklagten und NI haben, die nicht Adressaten des jeweiligen Bescheids sind. Ebenso sind Erfahrungssätze und gutachterliche Stellungnahmen der Parteien zu berücksichtigen (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 39, 46).

Der Senat ist nicht zu der Überzeugung gelangt, dass Firma1 infolge des wettbewerbswidrigen Verhaltens der KWR-Mitglieder mit der für § 287 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit überhaupt ein Schaden entstanden ist. Dies steht weder aufgrund der Feststellungen des Bundeskartellamtes bindend fest (dazu nachfolgend unter a)), noch streitet hierfür ein Anscheinsbeweis (nachfolgend unter b)). Auch unter Berücksichtigung von Erfahrungssätzen ergibt die umfassende Würdigung aller von den Parteien - einschließlich gutachterlicher Stellungnahmen - vorgebrachten bzw. den Feststellungen des Bundeskartellamtes zu entnehmenden indiziellen Umstände keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen solchen kausalen Schaden (nachfolgend unter c)).

a) Bindungswirkung nach § 33 Abs. 4 GWB 2005

Soweit die Berufung davon ausgeht, dass für den Tatrichter bereits aufgrund der Feststellungen des Bundeskartellamtes gemäß § 33 Abs. 4 GWB 2005 bindend feststehe, dass sich der Informationsaustausch im KWR tatsächlich nachteilig auf die Geschäfte Firma1 ausgewirkt hat, trifft dies nicht zu.

Die über den Kartellverstoß hinausgehenden Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches, vor allem die Schadenskausalität und die Schadensbezifferung, sind nicht von der Bindungswirkung des § 33 Abs. 4 GWB 2005 erfasst (vgl. BGH, Lottoblock II, a.a.O, Rn. 13, s.a. Bechthold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 33, Rn. 44; zur 9. GWB Novelle (unveränderte Reichweite der Bindungswirkung) Kersting in: Die 9. GWB-Novelle 2017, Kap. 7, S. 147, Rn. 71). Denn diese Voraussetzungen betreffen nicht die tragenden tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zum Kartellverstoß. Wenngleich für das Vorliegen eines Verstoßes gegen § 1 GWB bzw. Art. 81 EG/ Art. 101 AEUV im Zusammenhang mit der Feststellung einer bezweckten oder bewirkten Wettbewerbsbeschränkung das Potential bzw. die Wahrscheinlichkeit wettbewerbswidriger Auswirkungen bestimmt wird, so ist damit nicht zugleich eine tatsächliche Auswirkung des wettbewerbswidrigen Verhaltens auf den Wettbewerb bei einer ganz konkreten Transaktion festgestellt. Die Feststellung des Kartellverstoßes durch das Bundeskartellamt umfasst nur die Beteiligung an dem Kartell, nicht dagegen dessen generelle preissteigernde Wirkung oder gar eine konkrete Beeinflussung des individuellen Erwerbsaktes (vgl. Fuchs in: Fuchs/Weitbrecht, HdB Private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 4 Rn. 32 m.w.N.). Dies entspricht der Natur eines Verstoßes gegen das Kartellverbot als abstraktes Gefährdungsdelikt.

Zwar hat das Bundeskartellamt hinsichtlich der Auswirkungen des Informationsaustausches in einzelnen Bescheiden angemerkt, dass s.E. "die KWR-Mitgliedsunternehmen einen Wissensvorsprung erhielten, den sie zum Nachteil ihrer Abnehmer nutzten und damit für sie vorteilhaftere Abschlüsse erzielten" (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die Beklagten zu 4 und 5, Anlage KR 3, AO 7 d. A., Rn. 123). Diese Einschätzung nimmt aber weder an der Bindungswirkung teil, noch weist sie für die hier zu beurteilende Frage eines individuellen kausalen Schadens bei Firma1 aufgrund einzelner Beschaffungsvorgänge einen konkreten Tatsachengehalt auf.

b) kein Anscheinsbeweis

Weder spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass Firma1 aus den Geschäften mit den Beklagten und NI, auf die der Kläger sein Begehren stützt, ein Schaden entstanden ist, noch dafür, dass diese Geschäfte kartellbefangen waren.

Betreffend Quoten- und Kundenschutzkartelle fehlt es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises angesichts der Vielgestaltigkeit und Komplexität wettbewerbsbeschränkender Absprachen, ihrer Durchführung und ihrer Wirkungen an der erforderlichen Typizität des Geschehensablaufs. Es ist nicht hinreichend gesichert, dass eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass Quoten- und Kundenschutzabsprachen tatsächlich und in jedem Einzelfall beachtet und erfolgreich umgesetzt werden, auch dann nicht, wenn sie auf eine umfassende Wirkung ausgerichtet sind (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 57, 60; bestätigend BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 31).

Zwar betreffen die vorstehenden Entscheidungen ausdrücklich Quoten- und Kundenschutzkartelle. Wenn allerdings schon dort die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht anwendbar sind, so gilt das erst Recht für wettbewerbswidriges Verhalten in Form eines reinen Informationsaustauschs, wie er im hiesigen Fall in Rede steht. Dass die Umsetzung und Durchführung des Informationsaustausches im KWR keine Typizität aufweist, liegt angesichts der jeweils unterschiedlichen Qualität der ausgetauschten Informationen für die Beklagten und NI, den unterschiedlichen Wettbewerbsverhältnissen, den unterschiedlichen Gegenständen des Informationsaustauschs sowie ob der unterschiedlichen Beteiligung im KWR und den jeweils unterschiedlichen Reaktionsmöglichkeiten Firma1 (etwa Auslistungen, Forderung der Anhebung der UVPs, Nichtpräsentation der Ware oder Streichung von Aktionen) auf der Hand. Auch für andere Kartelle, denen u.a. ein Informationsaustausch zu Grunde lag, ist in der bisherigen Rechtsprechung die Anwendung des Anscheinsbeweises abgelehnt worden (vgl. OLG Nürnberg, HEMA Vertriebskreis, a.a.O., Rn. 49; OLG Stuttgart, Urt. v. 04.04.2019 - 2 U 101/18 - LkW-Kartell = NZKart 2019, 345 (346)).

c) Gesamtwürdigung

Die vorzunehmende Gesamtwürdigung der von den Parteien vorgebrachten und in den Bußgeldbescheiden des Bundeskartellamts herausgearbeiteten Indizien hat keine verlässliche Grundlage erbracht, dass Firma1 aufgrund des Informationsaustauschs überhaupt ein Schaden entstanden ist. Die Anwendung ökonomischer Erfahrungssätze liefert kein tragfähiges Indiz für die Entstehung eines Kartellschadens (nachfolgend unter aa)). Die eingehende Beleuchtung der im KWR ausgetauschten Informationen erlaubt keine verlässlichen Rückschlüsse auf einen dadurch hervorgerufenen Nachteil von Firma1 (nachfolgend unter bb)). Hinzu kommt, dass der Informationsaustausch für einen erheblichen Teil der vom Kläger als kartellbefangen reklamierten Beschaffungsvorgänge gar keine Auswirkungen haben konnte (nachfolgend unter cc)). Der Kläger hat auch durch das von ihm vorgelegte Privatgutachten keinen Kartellschaden belegen können (nachfolgend unter dd)). Eine Gesamtbetrachtung sämtlicher relevanter Indizien lässt keine Rückschlüsse auf einen durch den Informationsaustausch bei Firma1 entstandenen Schaden zu (nachfolgend unter ee)).

aa) Berücksichtigung von ökonomischen Erfahrungssätzen

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung streitet eine tatsächliche Vermutung - im Sinne eines Erfahrungssatzes - dafür, dass die im Rahmen eines Kartells erzielten Preise im Schnitt über denen liegen, die sich ohne die wettbewerbsbeschränkende Absprache bildeten. Soweit ein Kartell auf eine umfassende Wirkung gerichtet ist, kann darüber hinaus auch eine tatsächliche Vermutung dafür streiten, dass Aufträge, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich der Absprache fallen, von diesen erfasst wurden und damit kartellbefangen waren (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 55, 61; BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 40).

Der Bundesgerichtshof hat diese tatsächlichen Vermutungen für sog. Kernbeschränkungen des Wettbewerbs formuliert.

Der Senat hat Bedenken, ob diese Erfahrungssätze auf den Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen, wie er hier stattgefunden hat, überhaupt Anwendung finden können (vgl. dazu Dworschak/Jopen, NZKart 2019, 126 ff.), was in der Instanzrechtsprechung unterschiedlich bewertet wird (im Ausgangspunkt noch bejahend OLG Nürnberg, HEMA-Vertriebskreis, a.a.O., Rn. 54; i. E. wohl ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 04.04.2019 - 2 U 101/18 - Lkw-Kartell = NZKart 2019, 345; vgl. auch LG Stuttgart, Urt. v. 25.07.2019 - 30 O 44/17 - LkW-Kartell = BeckRS 2019, 16037, Rn. 90; s. auch LG Stuttgart, Urt. v. 09.01.2020 - 30 O 120/18 = BeckRS 2010, 396, Rn. 45; offenlassend zum Informationsaustausch im KWR LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 17.10.2019 - 19 O 9543/16 - KWR-Arbeitskreis/NORMA = NZKart 2019, 678).

(1) Hardcore-Kartelle

Im Ausgangspunkt knüpft der Bundesgerichtshof an den ökonomischen Erfahrungssatz an, dass die Beteiligten eines Kartells deshalb unzulässige Absprachen treffen, weil sie sich - trotz des damit verbundenen erheblichen Aufwands und dem mit einer Aufdeckung des wettbewerbswidrigen Verhaltens verbundenen Risiko einer straf- und bußgeldrechtlichen Verfolgung - von der Umsetzung des Kartells einen wirtschaftlichen Vorteil versprechen, von dem sie meinen, ihn ohne die verbotene Verhaltenskoordinierung nicht in adäquatem Umfang erzielen zu können.

Die generelle Eignung eines Kartells, wirtschaftliche Vorteile entstehen zu lassen, folgt schon daraus, dass die beteiligten Unternehmen durch die Festlegung bestimmter Preise, Quoten, Gebiete oder Kunden der Notwendigkeit enthoben sind, sich im Wettbewerb am Markt zur Erlangung von Aufträgen gegen konkurrierende Unternehmen durchzusetzen. Wird den beteiligten Unternehmen von vornherein eine fest umrissene Quote o.a. zugedacht, können die Marktmechanismen keine Wirkung entfalten. Damit wird grundsätzlich der Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft gesetzt. Insoweit besteht ein wirtschaftlicher Erfahrungssatz, dass die Gründung und Durchführung eines Kartells häufig zu einem Mehrerlös führt (vgl. etwa BGH, Grauzement II, a.a.O, Rn. 35; BGH, Urt. v. 28.06.2001 - KZR 75/10 - ORWI = NJW 2012, 928, Rn. 26; BGH Urt. v. 28.08.2005 - KRB 20/12 - Berliner Transportbeton I = NJW 2006, 163 ff. (164 f.); OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.01.2019 - VI-U 18/17 - Schienenkartell = NZKart 2019, 15).

Da eine solche Verhaltenskoordinierung grundsätzlich auf eine umfassende Wirkung gerichtet ist, begründet dies eine tatsächliche Vermutung dafür, dass Aufträge, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich der Absprachen fallen, von diesen erfasst wurden und damit kartellbefangen waren (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 61).

Diese Erwägungen betreffen aber Preis- und Quoten- bzw. Kundenschutzkartelle, d.h. sog. Hardcore-Kartelle. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass eine Verhaltenskoordinierung erfolgt, die unmittelbaren Bezug auf einen Wettbewerbsparameter wie Preis, Menge, Qualität hat; Gegenstand ist eine Festsetzung von Preisen, die Beschränkung der Produktion oder die Aufteilung von Märkten und Kunden, was unmittelbar zur Folge hat, dass die Abnehmer höhere Preise zahlen oder nicht die gewünschte Menge oder Qualität erhalten (Krauß in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 23). Da diese Festsetzungen ausschließlich Wettbewerbsbeschränkungen bezwecken, sind dies nicht freistellungsfähige Kernbeschränkungen (vgl. Emmerich, Kartellrecht, 12. Aufl. 2012, § 5 Rn. 4; Fuchs in: Immenga/Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Spez-GVO, Art. 4, Rn. 1; Thomas in: Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 19, Rn. 97).

Für diese Fälle gelten die Ausführungen des Bundesgerichtshofes in der ersten Entscheidung zum Schienenkartell, dass "durch solche Absprachen die beteiligten Unternehmen in einem gewissen Umfang der Notwendigkeit enthoben sind, sich im Wettbewerb zur Erlangung von Aufträgen gegen konkurrierende Unternehmen durchzusetzen. Sie zielen mithin darauf, den Preiswettbewerb weitgehend außer Kraft zu setzen. Unternehmen, die sich aufgrund solcher Absprachen nicht dem Wettbewerb stellen müssen, werden im Regelfall keinen Anlass sehen, bestehende Preissenkungsspielräume zu nutzen (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 55).

Hiervon unterscheidet sich ein reiner Informationsaustausch, wie er hier praktiziert wurde, erheblich. Wenngleich die Beteiligten auch hier eine Vereinbarung getroffen bzw. sich darüber abgestimmt haben, sich über wettbewerbsrelevante Daten auszutauschen, erfolgten keine Absprachen, also Festlegungen bzw. Verhaltenskoordinierungen, mit unmittelbarem Bezug zu einem Wettbewerbsparameter. Vielmehr besteht aufgrund des Inhalts und der Zielsetzung des Austauschs ein lediglich mittelbarer Bezug zu einem solchen, indem sich die Beteiligten über ihre Absichten zu geplanten Bruttopreiserhöhungen, dem Verhandlungsstand ihrer Jahresgespräche oder ihrer Reaktion auf Sonderforderungen informierten.

Im Einzelnen ergeben sich bei einem reinen Informationsaustausch die nachfolgenden Besonderheiten:

(2) Informationsaustausch

Ein wettbewerbswidriger Informationsaustausch betrifft zuvorderst die Beschränkung des Geheimwettbewerbs (vgl. Lober in: Schulte/Just, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 49; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.01.2017 - V 4 Kart 6/15 (OWi) - Süßwarenkartell = BeckRS 2017, 141749, Rn. 380 ff., aufgehoben durch BGH, Bschl. v. 21.06.2019 - KRB 10/18 ausschließlich aus verfahrensrechtlichen Gründen). Wettbewerbswidrig ist der durch den Informationsaustausch erreichte Wissensvorsprung. Hierdurch sind die beteiligten Unternehmen jedoch - anders als bei o.g. Hardcore-Kartellen - noch nicht der Notwendigkeit enthoben, sich im Wettbewerb zur Erlangung von Aufträgen gegen die Konkurrenten durchzusetzen.

Sowohl in den Fällen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung als auch bei lediglich bewirkten Wettbewerbsbeschränkung durch einen Informationsaustausch fehlt es an einer unmittelbar preisbezogenen Festlegung auf ein bestimmtes kollusives Verhalten der wettbewerbswidrig handelnden Unternehmen gegenüber der Marktgegenseite. Es besteht zwar eine Festlegung bzw. Verhaltenskoordinierung hinsichtlich der Schaffung von Transparenz bezogen auf einen Wettbewerbsparameter, aber eben (noch) keine diesbezügliche Kollusion in Bezug auf das anschließende Marktverhalten (vgl. zu den nur indirekten Wirkungen eines Marktinformationssystems oder von Vereinbarungen eines Informationsaustauschs Krauß in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 68).

Ob sich die Beschränkung des Geheimwettbewerbs auf den Preiswettbewerb durchschlägt, mithin eine daraus folgende Verhaltenskoordinierung im Sinne einer Festlegung hinsichtlich eines Wettbewerbsparameters erfolgt, hängt vielmehr von einer Vielzahl von Umständen ab, so dass es nicht schlechterdings die Regel ist, dass bestehende Preissetzungsspielräume nicht wettbewerbskonform genutzt werden. Das hängt damit zusammen, dass ein bloßer Informationsaustausch im Vergleich zu einer bereits den Preiswettbewerb unmittelbar betreffenden Verhaltenskoordinierung ambivalent ist. Denn er kann unter Umständen verschiedene Arten von Effizienzgewinnen hervorbringen und so Abnehmern zu Gute kommen, unter anderen Umständen sich aber beschränkend auf das Wettbewerbsergebnis auswirken. So eröffnet die durch den Austausch künstlich erhöhte Transparenz auf dem Markt den Unternehmen erst verschiedene Koordinierungsmöglichkeiten. Das Wettbewerbsergebnis richtet sich nach den Eigenschaften des Marktes, auf dem er stattfindet und nach der Art der ausgetauschten Informationen, da sich durch den Austausch das Umfeld des relevanten Marktes derart ändern kann, dass er koordinierungsanfällig wird (vgl. Horizontalleitlinien der Kommission, Abl. 2011 C 11/1, Rn. 55 ff., 65 ff.).

Auch in den Bußgeldbescheiden des Bundeskartellamts werden zur Tatbestandsmäßigkeit der Verletzungshandlungen entsprechende rechtliche Schlussfolgerungen gezogen. Dort heißt es auszugsweise:

"Die Wettbewerbsbeschränkung muss nicht unmittelbarer Gegenstand einer Vereinbarung sein. Auch übereinstimmende Willenserklärungen, deren Inhalt sich nur in indirekter Weise auf das Marktverhalten der Parteien auswirkt, können Vereinbarungen im Sinne des Art. 81 EG bzw. § 1 GWB darstellen...." Der Austausch "...erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen eines abgestimmten Verhaltens, da hier eine unmittelbare Fühlungnahme zwischen Wettbewerbern vorlag, die geeignet war, entweder das Marktverhalten eines Wettbewerbers zu beeinflussen oder einen Konkurrenten über das eigene beabsichtigte oder in Erwägung gezogene Marktverhalten ins Bild zu setzen...." Der Austausch erlaubte "... den anderen Unternehmen, ihre jeweilige Preis- sowie Verhandlungsstrategie den Gegebenheiten anzupassen und damit Ungewissheiten über das Marktgeschehen zu verringern..." "Diese Verhaltensweisen innerhalb des KWR-Arbeitskreises bezweckten und bewirkten eine Beschränkung des Geheimwettbewerbs in Bezug auf folgende, nicht öffentlich bekannte Wettbewerbsparameter: Zeitpunkt und teilweise Umfang künftiger Bruttopreiserhöhungen, aktueller Stand der Jahresgespräche ..., Bestehen und die Höhe von Sonderforderungen ..., wesentliche Kenngrößen der vertrieblichen Tätigkeit ...". (vgl. Bußgeldbescheid gegen den Markenverband, Anlage KR 1, AO 7 d. A., Rn. 395, 398, 408).

Im Ergebnis hat die Kartellbehörde daher (im Rahmen der Bußgeldbemessung wertend) festgestellt, dass der Austausch nicht zu den schwerwiegenden horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne der Ziff. 9 der Bußgeldleitlinien (u.a. Preis,- Quoten und Gebietskartelle, Kundenabsprachen) zählt, sondern es sich um ein minderschweres Marktinformationssystem handelt (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die NI zu 1, Anlage KR 9a, AO 8 d. A., Rn. 5.2), durch welches zumindest - nur - die Gefahr der Koordinierung des Marktverhaltens unter den Markenartikelherstellern entstanden ist (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die NI zu 6, Anlage KR 9a, AO 8 d. A., S. 9).

Wenn aber die o.g. Erfahrungssätze Verhaltensweisen betreffen, die eine unmittelbare Koordinierung hinsichtlich der Wettbewerbsparameter beinhalten, womit sie direkt die Marktmechanismen beeinflussen und darauf abzielen, den Preiswettbewerb außer Kraft zu setzen, so kann dies schlechterdings nicht ohne Weiteres auf lediglich mittelbar ein kollusives Marktergebnis in Bezug nehmende Verhaltensweisen übertragen werden.

Es kann letztlich offenbleiben, ob die oben dargestellten tatsächlichen Vermutungen im Sinne von Erfahrungssätzen überhaupt für einen reinen Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen gelten können oder nicht. Selbst wenn man die Anwendbarkeit bejaht, kann diesen für den hier in Rede stehenden Informationsaustausch kein maßgebliches Gewicht zukommen, weil zahlreiche Indizien vorliegen, die einer preissteigernden Wirkung entgegenstehen.

(3) Gewichtung im Einzelfall

Anders als bei Geltung eines Anscheinsbeweises kommt einer tatsächlichen Vermutung kein abstrakt quantifizierbarer Einfluss auf das Ergebnis der Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu, da dies mit dem Grundsatz der freien richterlichen Überzeugungsbildung unvereinbar wäre. Das Gewicht des Erfahrungssatzes hängt vielmehr entscheidend von der konkreten Gestaltung des Kartells und seiner Praxis sowie davon ab, welche weiteren Umstände feststellbar sind, die für oder gegen einen Preiseffekt der Kartellabsprache sprechen (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., R. 41). Die Vermutung preissteigernder Wirkung eines Kartells kann beispielsweise an Gewicht gewinnen, je länger und nachhaltiger das Kartell praktiziert wurde (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 55). Umgekehrt können Anzeichen für eine fehlende Kartelldisziplin dem entgegenstehen (BGH Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 38).

Neben der Anzahl der Marktteilnehmer, der Anzahl der an den Absprachen beteiligten Unternehmen, ihren Möglichkeiten, die für die Umsetzung der Absprachen erforderlichen Informationen auszutauschen, dem Anteil der Marktabdeckung, dem Grad der Kartelldisziplin und den Reaktionsmöglichkeiten der Marktgegenseite können eine Vielzahl weiterer Faktoren für die Umsetzung des wettbewerbswidrigen Verhaltens von Bedeutung sein, etwa praktische Schwierigkeiten in der Anfangsphase wegen eines nicht uneingeschränkt funktionierenden Informationsaustausches, eine zeitlich oder räumlich unterschiedliche Intensität oder auch eine Änderung der Absprachen hinsichtlich Struktur und Teilnehmer (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 56, 62 ff.).

Bei einem Quoten- und Kundenschutzkartell kommt der tatsächlichen Vermutung einer allgemein preissteigernden Wirkung regelmäßig eine starke Indizwirkung für ein von der Kartellabsprache beeinflusstes Preisniveau zu (BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 56; BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 42). Von einer starken indiziellen Wirkung geht überwiegend auch die bisherige instanzgerichtliche Rechtsprechung in den Fällen des Lkw-Kartells aus (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 04.04.2019 - 2 U 101/18 - Lkw-Kartell = NZKart 2019, 345 (347); LG Stuttgart, Urt. v. 25.07.2019 - 30 O 44/17 = BeckRS 2019, 16037, Rn. 88).

Es liegt auf der Hand, dass dies hier nicht gelten kann. Denn der Informationsaustausch im KWR ist in seiner Gestaltung und Praxis weder mit dem im Schienenkartell langjährig praktizierten System wechselseitiger Mitteilungen der (Schutz)Angebots- und Zuschlagspreise, von dem mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nach wegen der bestehenden Preistransparenz ein allgemeiner Effekt auf die Angebotspreise ausging, noch mit dem beim Lkw-Kartell in Rede stehenden Informationsaustausch vergleichbar.

Beim "Kartell der Schienenfreunde" erfolgten über einen Zeitraum von über zehn Jahren Absprachen zwischen den Kartellanten per Telefon, E-Mail oder persönliche Treffen, wonach diese sich bestimmte "Altkunden" oder "Stammkunden" zuordneten und diese Zuordnung allseits respektiert wurde. Hierzu verzichteten andere Kartellanten auf die Abgabe von Angeboten, reichten diese verspätet oder zu bewusst überhöhten Preisen ein. Aufgrund dieser über Jahre erfolgten Praxis und gewachsenen Kundenbeziehungen war allen Beteiligten klar, wer jeweils den ausgeschriebenen Auftrag erhalten sollte. Dem betreffenden "Spielführer" kam eine organisatorische und koordinierende Funktion für den Auftrag dahingehend zu, dass er den anderen Unternehmen die Preise der Schutzangebote bzw. angestrebten Zuschlagspreise mitteilte. Das System basierte auf einem projektübergreifenden Verständnis und Vertrauensverhältnis der Kartellanten untereinander. Es gab Kompensationsgeschäfte und die wechselseitige Sicherheit, als Gegenleistung für die Abgabe von Schutzangeboten bei einem anderen Projekt ebenfalls geschützt zu werden. Der Ablauf war so etabliert, dass es häufig keiner ausdrücklichen Absprache bezogen auf ein konkretes Projekt bedurfte (BGH, Schienenkartell II, a.a.O, Rn. 21).

Für das Lkw-Kartell hat die EU-Kommission jedenfalls für die dortigen Muttergesellschaften der Kartellanten eine komplexe, vielgestaltige, über einen Zeitraum von 14 Jahren andauernde Zuwiderhandlung festgestellt, die neben einem systematischen, formalisierten und produktspezifischen Informationsaustausch zu Bruttopreislisten und Konfiguratoren auch Abstimmungen und Vereinbarungen über Preise und Preiserhöhungen sowie weitere Koordinierungen der Kartellanten beinhaltete (vgl. Beschluss der Kommission v. 19.07.2016, AT 39824 - Trucks; LG Stuttgart, Urt. v. 25.07.2019 - 30 O 44/17 = BeckRS 2019, 16037, Rn. 53; LG Stuttgart, Urt. v. 09.01.2020 - 30 O 120/18 = BeckRS 2010, 396, Rn. 45; vgl. auch LG Mannheim, Urt. v. 24.04.2019 - 14 O 117/18 = NZKart 2019, 389 (390), das die komplexe Zuwiderhandlung der Muttergesellschaften einschließlich Preisabsprachen von dem bloßen, von den deutschen Tochtergesellschaften begangenen Informationsaustausch anhand der Feststellungen der Kommission abgrenzt). Die dortigen Kartellanten haben Bruttopreislisten, später Konfiguratoren, die konkrete Bruttopreise für sämtliche Modelle und Optionen enthielten, ausgetauscht und des Weiteren Bruttopreiserhöhungen besprochen und in einigen Fällen auch vereinbart. Aufgrund des Austauschs konnten sie die Nettopreise ihrer Konkurrenten besser berechnen. Zielsetzung der Kollusion zwischen den Kartellanten war es, das Bruttopreisverhalten sowie die Einführung bestimmter Abgasnormen miteinander zu koordinieren (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 04.04.2019 - 2 U 101/18 - Lkw-Kartell = NZKart 2019, 345).

Der vorliegende Fall ist schon im Ansatz anders gelagert:

Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes wurde der KWR als Arbeitskreis gebildet, um die Arbeit des Markenverbandes e.V. zur Förderung eines leistungsgerechten Wettbewerbs und seiner Sicherung gegen wettbewerbsfremde Praktiken in dieser Branche zu erleichtern. Dieser Arbeitskreis kam fünf bis sechs Mal im Jahr zusammen. Innerhalb eines Zeitraums von lediglich gut 2,5 Jahren zwischen 31.03.2004 und 23.11.2006 fand auf insgesamt 15 Treffen des KWR zwar ein regelmäßiger Austausch von nicht öffentlichen Informationen statt, zu dessen Gegenstand geplante Bruttopreiserhöhungen und die Durchsetzung angekündigter Bruttopreiserhöhungen, der Stand der Jahresgespräche einschließlich Sonderforderungen, Rabatte und entsprechendes Angebotsverhalten, die Teilnahme an Benchmark-Studien sowie die Behandlung von Zahlungszielen gehörten. Jedoch variierte nicht nur die jeweilige Teilnahme an den Treffen unter den Beklagten und NI, sondern auch der Gegenstand des Austauschs, mithin die Art der Information, die betroffenen Märkte und Wettbewerbsverhältnisse sowie Geber und Empfänger der Informationen.

Die Beklagten und NI nahmen jeweils nicht stets an allen Sitzungen und auch nicht durchweg vertreten durch dieselbe Person teil. Nicht auf jeder Sitzung wurden stets alle vorstehend benannten Informationsgegenstände ausgetauscht. Teils waren die Informationen kundenübergreifend, teils nur auf einzelne Einzelhändler beschränkt, so dass auch nicht zwingend auf jeder Sitzung Informationen zu Firma1 ausgetauscht wurden. Anders als etwa in den Fällen des Schienen- und des Lkw-Kartells betraf der Austausch nicht einen oder einige wenige Märkte, vielmehr war er produktübergreifend angelegt. Da es einen einheitlichen Markt für Drogerieartikel nicht gibt, vielmehr in den unterschiedlichen Produktbereichen einzelne Produktmärkte bestehen, hat das Bundeskartellamt für den KWR mehr als 20 verschiedene Produktmärkte sachlich abgegrenzt. Die Wettbewerbsverhältnisse innerhalb dieser Produktmärkte differierten zwischen den Beklagten und NI. Hinzu kommt, dass die mitgeteilten Informationen keinen direkten Produktbezug hatten und hochaggregiert waren.

Ausgetauscht wurden:

- betreffend beabsichtigte Bruttopreiserhöhungen, ob eine Preiserhöhung beabsichtigt ist, falls ja zu welchem Zeitpunkt, teilweise der in einem Durchschnittsprozentsatz angegebene Umfang und teilweise der betreffende Produktmarkt, wobei sich grundsätzlich alle anwesenden KWR-Mitglieder geäußert haben, die Preiserhöhungstermine den KWR-Mitgliedern und dem Einzelhandel vor dem Austausch größtenteils, nicht aber zwingend unbekannt waren und der Austauschs teils kundenübergreifend, teils kundenbezogen erfolgte,

- betreffend den Stand der Jahresvereinbarung mit ausgewählten großen Einzelhändlern das Stadium der Verhandlungen ("durch"/"nicht durch"), ob, und wenn ja, welche zusätzlichen Rabattforderungen des Einzelhandels bestanden und was von den KWR-Mitgliedern angeboten wurde, und zwar ausgedrückt jeweils in einem produktübergreifenden Prozentsatz, wobei Firma1 neben Firma5 zwar im Zentrum dieses Austauschs stand, allerdings nicht immer alle Anwesenden Informationen kundtaten und teils die eigenen Jahresvereinbarungen bereits abgeschlossen waren,

- betreffend Sonderforderungen, dass Firma1 anlässlich des 30jährigen Firmenjubiläums zusätzliche Rabatte forderte (ob, teils Prozentsatz), wobei diese Forderungen auch Erwähnung in dem offiziellen Protokoll fanden und hierzu festgehalten wurde, dass diesen bilateral gegenüber Firma1 begegnet wird sowie, dass Firma1 Forderungen wegen höherer Transportkosten aufstellte, wobei Konsens bestand, diesen Forderungen nicht nachzugeben,

- betreffend Kenngrößen vertrieblicher Tätigkeit durch Teilnahme an zwei Benchmark-Studien 2004 und 2006 der Gesamt-Netto-Umsatz, Vertriebsstrukturen und Vertriebskosten, sowie einmalig die jeweilige Behandlung von Zahlungszielen während des Jahres 2005.

Wenngleich das Bundeskartellamt in den gegen die Beklagten und NI ergangenen Bußgeldbescheiden konkurrenzrechtlich in der Annahme einer andauernden Zuwiderhandlung für die Verhaltensweisen beim Informationsaustausch von einer Bewertungseinheit und damit von einem einzigen Verstoß ausgegangen ist, so zeichnen die Feststellungen insgesamt das Bild eines unsystematischen, inhomogenen und punktuellen Austauschs vertriebsrelevanter Informationen. Hierauf wird nachfolgend unter bb) noch näher eingegangen.

Eine Koordinierung der KWR-Mitglieder über den Austausch hinaus hinsichtlich ihres weiteren Marktverhaltens betreffend einen Wettbewerbsparameter, mithin die vom Kläger behauptete "Verhandlungsfront" der KWR-Mitglieder, vermag der Senat den Feststellungen des Bundeskartellamtes nicht zu entnehmen. Es gab - abseits der bilateralen Absprachen zwischen einzelnen NI - keine Absprachen oder abgestimmten Verhaltensweisen zu (Brutto)Preisen, Konditionen oder sonstigen Wettbewerbsparametern.

Das weitere Marktverhalten der KWR-Mitglieder, nämlich ihre Verhandlungen mit Firma1 über die "Konditionengerüste", aus denen sich letztlich erst der für Firma1 maßgebliche EK-Nettopreis ergab, war dem Informationsaustausch entzogen. Es oblag den insoweit völlig freigestellten Beteiligten, sich auf Basis der auf dem Beschaffungsmarkt vorherrschenden Kräfteverhältnisse gegen Hersteller von Wettbewerbsprodukten durchzusetzen.

Der Informationsaustausch im KWR hat daher nichts mit dem im Schienenkartell betriebenen "System" bzw. einer beim Lkw-Kartell infolge des langjährigen Austauschs erreichten "Koordinierung" gemein und folgt auch keinem typischen Muster oder Gesamtbild, in welches sich einzelne Warenbezüge hätten sachlich, räumlich und zeitlich einfügen können. Angesichts der bereits aufgezeigten und nachstehend näher beleuchteten, konkreten Marktgegebenheiten und Gegenstände des Informationsaustauschs unter Berücksichtigung insbesondere der konkreten Umsetzung und der Kartelldisziplin waren diese nicht mit maßgeblichem Gewicht in die Gesamtwürdigung einzustellen.

Der erkennende Senat musste demnach im Einzelnen auf Grundlage des Parteivortrags zur Gestaltung und Praxis des Informationsaustauschs im KWR beleuchten, ob die konkreten Beschaffungsvorgänge in dem Sinne "kartellbefangen" waren, dass sich der Informationsaustausch auf die an Firma1 berechneten EK-Nettopreise nachteilig ausgewirkt hat (vgl. dazu BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 44).

bb) Gestaltung und Praxis des Informationsaustauschs im KWR

Die eingehende Beleuchtung der im KWR ausgetauschten Informationen erlaubt keine verlässlichen Rückschlüsse auf einen dadurch hervorgerufenen Nachteil von Firma1.

Der Kläger stützt seine Behauptung, sämtliche seiner Warenbezüge von den Beklagten und NI in dem streitgegenständlichen Zeitraum seien durch den Informationsaustausch zu seinem Nachteil beeinflusst worden, auf die Feststellungen des Bundeskartellamts zur Ausgestaltung des Informationsaustauschs und zum Inhalt der dort ausgetauschten Informationen. Er beschränkt sich deshalb auf den Vortrag, er habe in diesem Zeitraum Waren von den Beklagten und NI bezogen und behauptet, die ausgetauschten Informationen hätten preisrelevante Bedeutung gehabt.

Der Kläger stützt sich weiter auf die Tatsache, dass die Beklagten und NI durch ihren internen Austausch einen Wissensvorsprung erlangt haben, den sie in ihren Verhandlungen mit den Einkäufern von Firma1 nutzen konnten.

Insoweit kommt ihm dem Grunde nach der allgemeine Erfahrungssatz zu Gute, dass erlangtes Wissen in darauffolgende Entscheidungen einfließt und sich in nachfolgendem Verhalten niederschlägt (vgl. beispielhaft Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 6, KR 8, AO 8 d. A., Rn. 256). Hierauf gründet der Europäische Gerichtshof den Erfahrungssatz, dass Unternehmen, wenn sie auf dem Markt tätig sind, die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen berücksichtigen und für ihr Marktverhalten benutzen (EuGH, Urt. v. 19.03.2015 - C-286/13 P - Bananen (Dole) = NZKart 2015, 267, Rn. 127; EuGH, T-Mobile Netherlands, a.a.O., Rn. 44).

Dieser Erfahrungssatz vermag die Behauptung des Klägers, dass sich der Informationsaustausch zum Nachteil von Firma1 ausgewirkt hat, aber nicht gewichtig zu stützen.

In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesgerichtshofs ist die dargestellte Kausalitätsvermutung bislang ausschließlich für die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Kartellverstoßes aktiviert worden, in dem sie als "Bindeglied" zwischen der vorangegangenen Abstimmung der Unternehmen und ihrem Marktverhalten herangezogen worden ist (EuGH a.a.O; BGH, Urt. v. 12.04.2016 - KZR 31/14, NZKart 2016, 371, Tz. 51 - Gemeinschaftsprogramme; ferner Krauß in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 66, 103, 105; Bechthold/ Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 26).

Entsprechendes kommt in den Bußgeldbescheiden des Bundeskartellamts zum Ausdruck, wenn dort festgestellt wird: "Eine Auswirkung auf das Marktverhalten lag damit bereits vor, wenn den KWR-Mitgliedern Informationen über beabsichtigte Listenpreiserhöhungen, Stand der Jahresgespräche, Sonderforderungen sowie Kenngrößen der vertrieblichen Tätigkeit zur Verfügung standen und sie diese Informationen für ihre Verhandlungen und Planungen nutzen konnten. (Anm: Unterstreichung nur hier (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 6, KR 8, AO 8 d. A., Rn. 337).

Da es sich - wie oben bereits aufgezeigt - bei dem Verstoß gegen das Kartellverbot um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen unabhängig davon erfüllt, ob sich ein Nachteil der Marktgegenseite durch das wettbewerbswidrige Marktverhalten feststellen lässt (vgl. EuGH, Urt. v. 06.10.2009 - C-501/06 P = PharmR 2010, 103; ebenso Lober in: Schulte/Just, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 45; ebenso Heyers, NZKart 2013, 99 (100)); vgl. auch Krauß in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 174). Denn Art. 81 EG wie auch die übrigen Wettbewerbsregeln des Vertrages schützen nicht nur die unmittelbaren Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher, sondern die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb als solchen (vgl. EuGH, T-Mobile Netherlands, a.a.O., Rn. 31, 34 ff. u. 38).

Die Frage, ob das durch den Wissensvorsprung beeinträchtigte Marktverhalten eines Wettbewerbers nachteilige Auswirkungen auf die Marktgegenseite hat, hängt dagegen vor allem von den wirtschaftlichen Bedingungen auf den relevanten Märkten und den Eigenschaften der ausgetauschten Informationen ab. Hierfür sind sowohl die Merkmale des Marktes (Transparenz, Konzentration, Komplexität, Stabilität, Symmetrie) als auch des Informationsaustausches (Art, Öffentlichkeit und Alter der Daten, Marktabdeckung, Häufigkeit und Öffentlichkeit des Austauschs) relevant. So ist es auf hinreichend transparenten, konzentrierten, nicht komplexen, stabilen und symmetrischen Märkten eher wahrscheinlich, dass Unternehmen durch einen Informationsaustausch ein Kollusionsergebnis erzielen. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit von wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen bei einem Informationsaustausch, der wenig zur Transparenz auf dem Markt beiträgt, deutlich geringer anzusetzen. Im Falle etwa des Austauschs aggregierter Daten, d.h. von Daten, die nur mit hinreichender Schwierigkeit Rückschlüsse auf individuelle unternehmensspezifische Daten zulassen, sind wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen viel weniger wahrscheinlich (Horizontalleitlinien der Kommission, Abl. 2011 C 11/1, Rn. 75 ff.).

Daher ergibt sich zusammenfassend für den vorliegenden Fall, dass dieser unionsrechtlich geprägte Erfahrungssatz zwar indiziert, dass die KWR-Mitglieder die erlangten Informationen nutzten und infolge dessen ihre eigenen Verhandlungspositionen durch erhöhte Transparenz des Marktverhaltens der Wettbewerber verbesserten (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 6, KR 8, AO 8 d. A., Rn. 255). Er gibt aber für sich gesehen keine Auskunft darüber, ob sich die ausgetauschten Informationen tatsächlich auf den Preiswettbewerb zum Nachteil Firma1 ausgewirkt haben.

Wegen der Ambivalenz der ausgetauschten Informationen ist es nicht zwangsläufig so, dass sich deren Kenntnis negativ auf den Preiswettbewerb auswirkt. So können die beteiligten Unternehmen etwa die Information über das Stadium der Verhandlungen eines Mitbewerbers zum Anlass nehmen, in den eigenen Verhandlungen dem Kunden günstigere Konditionen einzuräumen als sie bislang dazu bereit waren. Nachteilige Auswirkungen treten erst dann ein, wenn der Informationsaustausch eine Verhaltenskoordinierung zu Lasten des Kunden herbeigeführt hat. Anders gewendet: Um eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung im Sonderfall des reinen Informationsaustausches annehmen zu können, muss die Gesamtwürdigung aller Umstände ergeben, dass die ausgetauschten Informationen der Kartellanten mitursächlich für die Preisgestaltung auf dem Markt waren, dem der Erwerbsvorgang zuzurechnen ist (vgl. LG Mannheim, Urt. v. 24.04.2019 - 14 O 117/18 Kart = NZKart 2019, 389 (391)).

Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung, ob mit der nach § 287 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein kausaler Schaden entstanden ist, kommt es folglich darauf an, ob und wie die am Informationsaustausch Beteiligten das erlangte Wissen in den konkreten Auftragsverhandlungen mit Firma1 nutzen und ihr Marktverhalten so gestalten konnten, dass sie sich begünstigten.

Die allgemeine Betrachtung des Klägers, dass Firma1 im KWR ausdrücklich "Thema" war, genügt dafür nicht. Dies gilt schon deswegen, weil es strukturell - wie oben aufgezeigt - bedingt ist, dass ein Informationsaustausch durch die Erhöhung der Markttransparenz (erst) den Weg für koordiniertes Verhalten der Beteiligten, welches letztlich wettbewerbswidrige Auswirkungen zeitigt, bereitet oder solches erleichtert. Mithin bedarf es der Darlegung solcher indizieller Umstände, die für eine - gegebenenfalls konkludente - Verständigung der Beteiligten sprechen (vgl. Horizontallleitlinien der Kommission, Abl. 2011 C 11/1, Rn. 65 ff.). Dies gilt umso mehr, als die Darstellung des Klägers, es habe einen systematischen, einheitlichen und regelmäßigen Austausch sensibler Informationen im Verstoßzeitraum gegeben, den Feststellungen des Bundeskartellamtes nicht zu entnehmen ist.

(1) Austausch über geplante Bruttopreiserhöhungen

Die Gestaltung und Praxis des Informationsaustauschs im KWR über geplante Bruttopreiserhöhungen lässt keine Rückschlüsse auf nachteilige Verhandlungsergebnisse für Firma1 zu.

(1.1) Feststellungen des Bundeskartellamtes und Parteivortrag

Im Einzelnen verhielt sich der Austausch über geplante Bruttolistenpreiserhöhungen bei Firma1 ausweislich der Feststellungen des Bundeskartellamtes im KWR zusammengefasst wie folgt:

In der Sitzung vom 14.05.2004 teilten Firma3 und die Beklagte zu 5 mit, dass sie bei Firma1 ihre Bruttolistenpreiserhöhungen durchgesetzt hätten. Darüber hinaus gab es im Jahr 2004 keinen Austausch zu Bruttolistenpreiserhöhungen.

In der Sitzung vom 21.01.2005 gaben Firma3 und die Beklagte zu 2 an, Firma1 wolle die Bruttolistenpreiserhöhungen nur zu einem Drittel akzeptieren, wobei die Beklagte zu 2 angab, eine Preiserhöhung von 5 % beabsichtigt zu haben. Die Beklagte zu 1 teilte mit, ihre Bruttolistenpreiserhöhung umgesetzt zu haben. In der Sitzung vom 14.04.2005 teilte die Beklagte zu 2 mit, dass die Preiserhöhung 2004 immer noch ein Thema bei Firma1 sei, dieser aber neue Preise zahle. Welche Angaben die NI zu 3 machte, kann dem Bescheid nicht entnommen werden. Sonst gab es 2005 keinen weiteren Austausch zu geplanten Preiserhöhungen.

In der Sitzung vom 25.01.2006 teilten Firma3, die Beklagten zu 1, 3, 5 und 7 sowie die NI zu 2, 4 und 6 mit, dass Firma1 Bruttolistenpreiserhöhungen ablehne und die Verhandlungen schwierig seien. Die Beklagte zu 6 gab an, die Preiserhöhung Firma1 erst jetzt angekündigt zu haben. Die NI zu 3 und 5 berichteten, mit der Bruttolistenpreiserhöhung "durch" zu sein. Ferner wurden ausweislich der Sitzungsmitschriften des Vertreters der NI zu 2 die Termine für eine Preiserhöhung 2007 durch acht Anwesende mitgeteilt. In der Sitzung vom 17.02.2006 vermeldeten dann auch die Beklagte zu 1 und die NI zu 4, mit der Bruttolistenpreiserhöhung durch zu sein, wohingegen Firma3, die Beklagten zu 5 und 7 und die NI zu 2 noch kein Verhandlungsergebnis erzielen konnten. Ein weiterer Austausch fand nicht statt.

Zu berücksichtigen ist zunächst, dass das Bundeskartellamt nur einzelnen Beklagten und NI einen diesbezüglichen Vorwurf angelastet hat. So ist etwa in dem gegen die Beklagte zu 7 ergangenen Bußgeldbescheid nicht festgestellt, dass diese sich an einem Austausch über beabsichtigte kundenübergreifende Bruttopreiserhöhungen beteiligt hat (ebenso wenig bei den NI zu 1, 2, 5, 7, 8 und bei Firma3). Die Klage führt dazu nicht weiter aus.

Über diese Feststellungen des Bundeskartellamtes hinaus trägt der Kläger weder für alle Beklagten und NI vor, ob bzw. wann während des Verstoßzeitraums welches KWR-Mitglied gegenüber Firma1 bei welchen der von ihr bezogenen Produkte eine Bruttolistenpreiserhöhung durchgeführt hat (nur für einzelne KWR-Mitglieder 2006), noch wie sich die diesbezüglichen Verhandlungen gestalteten, insbesondere, aufgrund welcher Umstände der Kläger annimmt, dass eine Preiserhöhung erfolgte, die für Firma1 nachteilige Wirkungen hatte. Dies ist deshalb bedeutsam, weil die Beklagten und NI einwenden, dass Preiserhöhungen bei Firma1 überhaupt nur durchsetzbar waren, wenn die letzte Preiserhöhung lang genug zurücklag, die Weitergabe der Preiserhöhungen an den Endkunden gesichert war und im Gegenzug zusätzliche Vorteile bei den Konditionen eingeräumt wurden. Darüber hinaus trägt beispielsweise die NI zu 7 vor, seit 2006 gar keine Bruttolistenpreise mehr kommuniziert, sondern mit kundenindividuellen Bezugspreisen operiert und überdies 2006 und 2007 auch keine Preiserhöhung vorgenommen zu haben. Ebenso wendet die Beklagte zu 3 ein, dass sie in den hier streitgegenständlichen Jahresgesprächen mit Firma1 keine Erhöhung der Bruttolistenpreise habe durchsetzen können; Ausgangspunkt der Jahresgespräche sei bis 2007 die Bruttopreisliste für 2003 geblieben.

Der Senat vermag den Feststellungen des Bundeskartellamtes keine irgendwie geartete Koordinierung hinsichtlich des Preises, des Zeitpunkts einer Preiserhöhung oder der prozentualen Erhöhung zu entnehmen und eine solche ist auch sonst nicht ersichtlich oder dargelegt. Die vom Kläger pauschal behauptete "Verhandlungsfront" der KWR-Mitglieder ist ohne greifbaren Ansatz. Der Kläger zeigt keine Umstände auf, aus denen sich ableiten ließe, dass sich die Beklagten und NI hinsichtlich der Bruttolistenpreissetzung für bestimmte Produkte zeitlich oder inhaltlich abgestimmt oder sonst konzertiert hätten. Eine solche, selbst stillschweigend erfolgte, Abstimmung hätte sich für Firma1 in irgendeiner Form zeitlich oder inhaltlich in den Verhandlungen bzw. Verhandlungsergebnissen bemerkbar machen müssen, so dass es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen wäre, entsprechendes konkret vorzutragen (vgl. zur Darlegungslast Buschfeld/Egner, WRP 2019, 857, Rn. 35). Dies ist aber nicht geschehen. Stattdessen wird aus den oben aufgezeigten konkreten Inhalten des diesbezüglichen Austauschs in zeitlicher Hinsicht deutlich, dass kein regelmäßiger auf die jeweiligen Preisverhandlungen mit Firma1 abgestimmter Austausch stattfand, der es erlaubt hätte, sich in irgendeiner Hinsicht zu koordinieren. Soweit es Preiserhöhungen betreffend 2007 gab, erfolgten diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten - was für sich betrachtet schon gegen eine gemeinsame "Verhandlungsfront" spricht.

Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang auch die pauschale Behauptung, die in der Sitzung vom 25.01.2006 von acht KWR-Mitgliedern angekündigten Preiserhöhungen für 2007 seien so tatsächlich auch umgesetzt worden. Denn diese Mitteilung betrifft insoweit einen abgeschlossenen Sachverhalt, als diese Beteiligten einen von ihnen bereits festgelegten Termin benannt haben, ohne dass hiermit eine inhaltliche oder zeitliche Koordinierung verbunden gewesen wäre. Dass darüber hinaus einzelne KWR-Mitglieder "auf diesen Zug aufgesprungen" sind, ist nicht dargelegt oder ersichtlich.

Auch für die Mehrwertsteuererhöhung zum Januar 2007 zeigt der Kläger eine derartige Kollusion der KWR-Mitglieder nicht auf. Den Feststellungen des Bundeskartellamtes lässt sich allein entnehmen, dass auf der Sitzung am 15.09.2005 allgemein über die Problematik der Mehrwertsteuererhöhung für Industrie und Handel gesprochen wurde und benannt wurde, dass der Handel ein Sonderopfer der Hersteller (keine Preiserhöhung) verlange. Wie damit letztlich umzugehen sei, blieb ausweislich des offiziellen Sitzungsprotokolls einem jeden Unternehmen vorbehalten. Dazu passt die Aussage des Betroffenen A (Beklagte zu 7): "Es wurde über bereits akzeptierte Preiserhöhungen berichtet. Diskutiert wurde lediglich wie man sich bei der bevorstehenden Mehrwertsteuererhöhung verhalten werde...und letztlich nach dem 25.01.2006 in einer Folgesitzung ... im offiziellen Protokoll festgehalten wurde, dass jedes Unternehmen die Fragestellung eigenständig behandeln müsse." (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen den Markenverband, Anlage KR 1, AO 7 d. A., Rn. 214).

(1.2) Qualität und Dichte der Informationen

Insbesondere die Qualität und Dichte der Informationen sprechen dagegen, dass sich der Austausch zu beabsichtigen Bruttopreiserhöhungen nachteilig auf die vom Kläger in seiner Schadensberechnung zu Grunde gelegten EK-Nettopreise ausgewirkt hat.

Der Klage ist zwar zuzugeben, dass der Bruttolistenpreis bei den Preisverhandlungen in den Jahresgesprächen als Ausgangspunkt für den vermittels verschiedenster Konditionen zu bildenden EK-Nettopreis Firma1 fungierte und daher Informationen über Bruttopreiserhöhungen für die Preisbildung auf dem Beschaffungsmarkt grundsätzlich von Relevanz waren. Maßgebliche Bedeutung für die Netto-Preisbildung hatten aber unstreitig erst die von den Bruttolistenpreisen ausgehenden komplexen Konditionenverhandlungen (vgl. dazu u.a. Bußgeldbescheid gegen den Markenverband, Anlage KR 1, AO 7 d. A., Rn. 46).

Wenn der Kläger pauschal behauptet, eine Listenpreiserhöhung um z.B. 5 % wirke sich direkt auf den zu bezahlenden EK-Nettopreis aus (vgl. etwa Ergänzungsgutachten, Anlage KR 30, AO 8 d. A., S. 32), so bleiben zahlreiche Gesichtspunkte gänzlich unberücksichtigt. Zum einen gingen die jährlichen Bruttopreiserhöhungen mit einer Änderung des Produktportfolios der Hersteller einher, zum anderen wurden die sortimentsübergreifenden wie auch die produktspezifischen Konditionen in den bilateralen und sich über viele Monate hinziehenden Jahresgesprächen ausgehandelt, deren Inhalt und deren individuelle Ergebnisse (Konditionengerüste) den anderen Mitgliedern des KWR-Arbeitskreises unbekannt blieben.

Weder ergibt sich aus den Feststellungen des Bundeskartellamtes noch aus dem Klägervortrag, dass die KWR-Mitglieder vermittels der ausgetauschten Angaben über den beabsichtigten Zeitpunkt der Bruttopreiserhöhung oder vereinzelten prozentualen Angaben der Gesamtveränderung auf die Netto-Preise einzelner Produkte oder Warengruppen ihrer Wettbewerber hätten Rückschlüsse ziehen können.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass sich der Austausch angesichts der nicht auf die jeweiligen Bruttolistenpreiserhöhungen der KWR-Mitglieder abgestimmten Sitzungen im KWR teils auf bereits abgeschlossene Sachverhalte bezog. So konnte der Austausch in zeitlicher Hinsicht nur dann Auswirkungen auf die Festlegung der Bruttopreise eines KWR-Mitglieds haben, wenn die diesbezügliche Festlegung im Zeitpunkt des Austauschs noch nicht erfolgt war. Nur so wäre überhaupt denkbar, dass sich infolge des wettbewerbswidrigen Verhaltens ungünstige Geschäfte ergaben. Dazu hat beispielsweise die Beklagte zu 1 vorgetragen, sie habe in jedem Jahr bevor die Bruttolistenpreiserhöhung Thema im KWR gewesen ist, ihre Bruttolistenpreiserhöhung bereits festgelegt und durchgesetzt. Auf diesen zeitlichen Zusammenhang zwischen den behaupteten Bruttolistenpreiserhöhungen der einzelnen Beklagten und NI und einer erst infolge des Austauschs getroffenen Festlegung im KWR geht der Kläger nicht ein.

Der Bedeutungsgehalt der hier ausgetauschten Informationen ist auch im Hinblick auf die den Beteiligten bekannte Verhandlungsstrategie der verantwortlichen Einkäufer auf Handelsseite zu vernachlässigen. Die Beklagten haben substantiiert dargelegt, dass die Einkäufer der Handelsunternehmen und namentlich von Firma1 danach trachteten, den jährlichen Bruttopreiserhöhungen der Hersteller in dem streitbefangenen Zeitraum ihre Forderungen nach einer Verbesserung der Einkaufskonditionen entgegenzusetzen, wofür die unten näher behandelte kontinuierliche Verbesserung der nachgelagerten Rabatte und Konditionen zu Gunsten von Firma1 einen Beleg liefert. Der Kläger ist dem nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat zum Inhalt und Verlauf der jeweiligen Jahresgespräche keine Ausführungen gemacht. Hieraus lässt sich ableiten, dass die Kenntnis der KWR-Mitglieder über beabsichtigte Bruttopreiserhöhungen zwar ein "Merkposten", aber letztlich keine maßgebliche Bezugsgröße für die eigenständig mit dem Handel zu führenden Jahresgespräche war.

Hinzu kommt, dass weder die konkrete Höhe der Listenpreise oder Vorjahrespreise noch Preise zu einem einzelnen Produkt oder einer Produktgruppe Gegenstand des Austauschs waren. Stattdessen wurden Absichten über die prozentuale Veränderung/Erhöhung der Bruttolistenpreise für das Gesamtportfolio ausgetauscht.

Überhaupt beinhalteten die oben aufgezeigten Informationen über geplante Bruttopreiserhöhungen keinen konkreten Produktbezug, der es den übrigen KWR-Mitgliedern erlaubt hätte, eine diesbezügliche Preisstrategie für bestimmte Produkte abzuleiten und dies für die eigene Preisstrategie zu nutzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die neue Preisliste nicht durchweg für alle Produkte die Preise erhöhte, weswegen selbst die oben aufgezeigte einmalige Prozentangabe zur Größenordnung der geplanten bzw. durchgesetzten Preiserhöhung bezogen auf das Gesamtportfolio wenig Aussagekraft für die unterschiedlichen Wettbewerbsverhältnisse mit den übrigen KWR-Mitgliedern hatte.

Es überzeugt zudem der Einwand der Beklagten zu 1, dass es von einer Vielzahl von Faktoren abhing, ob ein Hersteller eine Bruttolistenpreiserhöhung gegenüber Firma1 im Einzelfall hat durchsetzen können, beispielsweise dem Zurückliegen der letzten Preiserhöhung, der Bedeutung des Lieferanten, der Tiefe und Breite des Sortiments und der Marktstärke der Produkte. Zu diesen Faktoren trägt der Kläger nichts vor, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre.

Hier, wie auch bei den nachfolgend behandelten Inhalten des KWR- Informationsaustauschs, spielen mehrere weitere Faktoren eine erhebliche Rolle, die eine etwaige Auswirkung des Informationsvorsprungs auf das Marktverhalten der Teilnehmer gegenüber Firma1 neutralisieren. Dies ist zum einen die Marktstärke von Firma1 auf dem Beschaffungsmarkt, zum anderen die nicht vorhandene Kartelldisziplin sowie die Zielsetzung des KWR:

(1.3.) Nachfragemacht von Firma1

Erhebliches Gewicht für die Preisverhandlungen in den Jahresgesprächen hatten die durch die Nachfragemacht bedingten Reaktions- und Ausweichmöglichkeiten Firma1. Zwar handelte es sich bei den KWR-Mitgliedern um die in Deutschland führenden Anbieter von Drogeriemarkenartikeln. Auch waren die jeweiligen Produktmärkte hochkonzentriert mit Marktanteilen der jeweils drei führenden Anbieter von mehr als 50 %. Unstreitig hatte Firma1 als damaliger Marktführer und der daraus folgenden "Türsteher-Funktion" für den Zugang zum Absatzmarkt jedoch eine starke Verhandlungsposition inne, die es ihm ermöglichte, über die Androhung von Auslistungen oder der Versagung von Aktionen eigene Forderungen wirksam zu untermauern und unzureichenden Preisnachlässen der Beklagten und NI zu begegnen.

Die jeweiligen Jahresgespräche mit den Beklagten und NI waren unterschiedlich je nach Marktstellung des Unternehmens und Umfang der Lieferbeziehung geprägt und ergaben ein individuelles Kräfteverhältnis. Die Beklagten und NI haben vorgetragen, dass es Verhandlungsmaxime Firma1 gewesen sei, Listenpreiserhöhungen zunächst zurückzuweisen, allenfalls diese durch nachgelagerte Rabatte in den Jahresvereinbarungen zu neutralisieren sowie insgesamt die Konditionen für sich stetig zu verbessern. Dem ist der Kläger - wie schon dargestellt - nicht substantiiert entgegengetreten, ebenso wie dem detaillierten Vortrag der Beklagten zu 3. Sie hat aufgezeigt, dass ihre Jahresgespräche 2005 von der Drohung von Auslistungen Firma1 geprägt gewesen sind und es letztlich zu umfänglichen Auslistungen verschiedener Produkte kam, womit ein Netto-Umsatzverlust von 7,1 Mio. EUR im Jahr 2005 verbunden war, was einem Umsatzrückgang mit Firma1 von 20 % entspricht. Die Befürchtung vor Auslistungen bestimmter Produkte bestand aber wegen der "Türsteherfunktion" von Firma1 für alle Teilnehmer des KWR und lässt eine Preisanpassung nach unten bzw. eine Konditionenverbesserung wahrscheinlicher erscheinen, als die Durchsetzung von Preiserhöhungen auf Basis der dort nur bruchstückhaft erhaltenen Informationen.

Soweit die Mitglieder des KWR mit ihren Erzeugnissen im Wettbewerb standen, so waren die einzelnen Produkte aus Sicht von Firma1 austauschbar, so dass die Intensität der gegenseitigen Abhängigkeit unterschiedlich ausgeprägt war. Für die NI zu 7 etwa war Firma1 im Jahr 2006 mit einem Umsatzanteil von ca. 20 % der wichtigste Kunde. Umgekehrt machten die mit der NI zu 7 getätigten Umsätze Firma1 nur ca. 1 % aus. Hinzukommt, dass Firma1 über den Handel mit Eigenmarken in der Lage war, seinen Bedarf in gewissen zeitlichen wie produktspezifischem Umfang anderweitig zu decken. Zudem baute Firma1 durch den Handel mit Eigenmarken über die Zeit Expertise zur Kosten- und Margenstruktur bei der Produktion von Drogerieartikeln auf, was ihm bei den Verhandlungen nützte. Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise fraglich, inwieweit etwa die Mitteilung eines vergleichsweise unbedeutenden Wettbewerbers im KWR, ein bestimmtes Angebot (Angabe eines Gesamtprozentsatzes ohne Bezugsgröße) gemacht zu haben, auf das Verhandlungsergebnis mit einem eher bedeutsamen Wettbewerber Einfluss gehabt haben soll, was auch für den umgekehrten Fall gilt. Der Kläger erklärt nicht, anhand welcher Umstände er, betreffend welches konkreten Verhandlungsergebnisses es festmacht, dass das jeweilige Kräfteverhältnis durch den Informationsaustausch zum Nachteil Firma1 gestört war. Dies ist auch nicht durch die bloße Schilderung ersetzt, die Verhandlungen seien jedes Jahr langwierig und umfassend gewesen oder durch den pauschalen Hinweis, die Beklagte zu 1 habe 2005 ihre Konditionen an eine Umsatzstaffel koppeln können.

(1.4.) Kartelldisziplin

Auch die fehlende Kartelldisziplin spricht gegen eine preissteigernde Wirkung des Informationsaustauschs zum Nachteil von Firma1. Die Beklagten haben nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass es innerhalb wie außerhalb des KWR weder Kontrollmöglichkeiten gab, die ausgetauschten Informationen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, noch das Sanktionierungsmechanismen zur Abstrafung abweichenden Verhaltens existierten. Das ergibt sich bereits denklogisch aus dem unstreitigen Umstand, dass die Konditionengefüge der Beklagten und NI unterschiedlich und den jeweiligen Mitbewerbern in ihren Einzelheiten nicht bekannt waren, sondern innerhalb des jeweiligen bilateralen Verhältnisses mit dem Handel geheim blieben. Ob ein Hersteller etwa Änderungen der Gesamtrabatthöhe tatsächlich vollzogen hat, ließ sich angesichts der unterschiedlichen Rabatte für verschiedene Produkte, unbekannter Rabattschwellen oder auch unterschiedlicher Umsatzabhängigkeit nicht überprüfen und auch nicht aus der Endkundenpreisentwicklung für ein bestimmtes Produkt ableiten.

(1.5.) Zielsetzung des KWR-Arbeitskreises

In diesem Zusammenhang spielt hier wie auch bei den nachfolgend erörterten Punkten eine Rolle, dass die Gründung und die Tätigkeit des Arbeitskreises nicht auf die Erzielung eines kollusiven Ergebnisses ausgerichtet waren. Unstreitig war der KWR mit der legitimen Zielsetzung konstituiert und entsprechend praktiziert worden, für diese Branche den leistungsgerechten Wettbewerb zwischen Industrie und Handel zu fördern, hierbei rechtswidrige Anzapfversuche des Handels zu identifizieren und diesen gegebenenfalls über den Markenverband entgegenzutreten.

Zwar ging der Austausch in weiten Bereichen über die Grenzen des Zulässigen hinaus, es ging den Beteiligten insoweit aber - wie das Bundeskartellamt feststellte - darum, ihre eigene Verhandlungsposition zu verbessern (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen den Markenverband, Anlage KR 1, AO 7 d. A., Rn. 313 f., 337, 416 f.). Ziel war es also, mit einem Informationsvorsprung gegenüber dem Einzelhandel in die Verhandlungen zu gehen. Dies liegt angesichts der hier unstreitigen großen Verhandlungsmacht der Marktgegenseite (vgl. soeben (1.3)) auch nahe. Mithin war die Zielsetzung nicht schlechterdings auf eine Koordinierung des Preisverhaltens zum Nachteil des Einzelhandels ausgerichtet und hat indiziell weniger Gewicht, als eine solche bei einer Preis-, Kunden- oder Quotenschutzabsprache, etwa jenen bilateralen Preisabsprachen zwischen einzelnen NI.

(2) Austausch über den Stand der Jahresgespräche

Die Gestaltung und Praxis des Austauschs über den Stand der Jahresgespräche spricht ebenso wenig für nachteilige Auswirkungen auf die EK-Nettopreise Firma1.

(2.1) Feststellungen des Bundeskartellamtes und Parteivortrag

Im Einzelnen sind ausgehend von den Feststellungen des Bundeskartellamtes folgende Informationen betreffend Firma1 für die jeweiligen Jahresvereinbarungen ausgetauscht worden:

Die Jahresvereinbarungen mit Firma1 für das Jahr 2004 wurde im KWR betreffend Firma1 zusammengefasst wie folgt thematisiert: Auf der Sitzung am 31.03.2004 teilten sieben KWR-Mitglieder die an sie von Firma1 herangetragenen Forderungen und sieben KWR-Mitglieder die von ihnen an Firma1 unterbreiteten Angebote jeweils in Form eines produktübergreifenden Gesamtprozentsatzes mit. Die Beklagte zu 1 teilte mit, schon "durch auf der Basis von vor drei Jahren" zu sein, während alle übrigen Anwesenden erkennen ließen, dass die Gespräche noch offen waren. In der Sitzung am 14.05.2004 teilten zudem die NI zu 1 und 3 sowie die Beklagten zu 1, 2 und 5 sowie Firma4 mit, dass sie "durch" seien und die Beklagte zu 6, dass sie "bei 2 von 3 durch" sei. In den Sitzungen vom 16.09.2004 und 25.11.2004 teilte lediglich die Beklagte zu 6 mit, dass die Jahresgespräche teils noch offen seien bzw. dass sie "durch" sei.

Die Jahresvereinbarungen mit Firma1 für das Jahr 2005 wurde im KWR betreffend Firma1 zusammengefasst wie folgt thematisiert: In der Sitzung am 21.01.2005 teilte die Beklagte zu 1 mit, bereits "durch" zu sein, wohingegen alle übrigen Anwesenden noch offene Gespräche zu erkennen gaben. Darüber hinaus teilten acht KWR-Mitglieder die Firma1 Forderungen jeweils in Form eines produktübergreifenden Gesamtprozentsatzes mit. In der Sitzung am 14.04.2005 teilten sodann die Beklagte zu 5 sowie die NI zu 1, 2 und 4 mit, dass sie "durch" bzw. "fast durch"/ "zu 99% durch" seien. Alle anderen Anwesenden hatten noch offene Gespräche, wobei auch die Beklagte zu 3 ausweislich der vorgelegten Jahresvereinbarung (Anlage KR 13, AO 3 d. A.) bereits abgeschlossen hatte. Die Beklagte zu 2 teilte mit, dass Firma1 Garantien fordere und Aktionen reduzieren wolle. In den übrigen Sitzungen 2005 wurden die Jahresvereinbarungen nicht besprochen.

Die Jahresvereinbarungen mit Firma1 für das Jahr 2006 wurde im KWR betreffend Firma1 zusammengefasst wie folgt thematisiert: In der Sitzung vom 25.01.2006 berichteten die Beklagten zu 3 und 7 sowie die NI zu 3, dass sie abgeschlossen hätten (teils mit der Angabe eines Prozentsatzes ohne Bezugsgröße), wohingegen die übrigen Anwesenden noch offene Gespräche vermelden konnten. Einige KWR-Mitglieder berichteten, dass "Knackpunkt" der Verhandlungen die Listenpreiserhöhung sei. In der Sitzung vom 17.02.2006 wurde lediglich von der Beklagten zu 2 mitgeteilt, dass Firma1 ein von den Herstellern finanziertes Regalupdate fordere. In den übrigen Sitzungen 2006 wurden die Jahresvereinbarungen nicht besprochen.

Zu den Jahresvereinbarungen 2007 hat überhaupt kein Austausch stattgefunden.

(2.2) Qualität und Dichte der ausgetauschten Informationen

Aufgrund der Qualität und Dichte der ausgetauschten Informationen zum Stand der Jahresvereinbarungen hält der Senat es nicht für wahrscheinlich, dass sich der Austausch für Firma1 nachteilig auf das jeweilige Verhandlungsergebnis ausgewirkt hat.

Zum einen betraf der Austausch nicht die den Bruttolistenpreisen nachgelagerten Konditionen als solche oder gar den EK-Nettopreis, sondern - ohne konkreten Produktbezug - nur das Stadium der Verhandlungen ("durch"/"nicht durch"), das "Ob" und ganz vereinzelt das "Wie" zusätzlicher Rabattforderungen des Einzelhandels nebst entsprechenden Angeboten, allerdings ausgedrückt lediglich in einem produktübergreifenden Prozentsatz ohne Nennung der Bezugsgröße.

Die Unterschiedlichkeit der den jeweiligen Jahresvereinbarungen aller KWR-Mitglieder zu Grunde liegenden Konditionengerüste, die eine Vielzahl verschiedener Konditionen (Rabatte, Zuschüsse, Aktionen) vorsahen - zumal das Gesamtsortiment eines jeden Herstellers jährlich wechselte - spricht dagegen, dass sich eine Information über das Stadium der Verhandlungen anderer KWR-Mitglieder oder über einen nicht produktbezogenen verlangten oder angebotenen Rabatt ohne Angabe der Bezugsgröße nachteilig auf ein konkretes Verhandlungsergebnis Firma1 mit den Beklagten oder NI ausgewirkt hat. Das Stadium der Verhandlungen sowie die Angabe von Gesamtforderungen bzw. Gesamtangeboten in Prozent ohne Bezugsgröße erlaubten den KWR-Mitgliedern keinen tragfähigen Rückschluss auf den EK-Nettopreis für ein einzelnes Produkt bzw. eine Warengruppe. Einen Vergleich der Inhalte des Informationsaustauschs mit den Inhalten der im Einzelnen geschlossenen Jahresvereinbarungen, der den von ihm behaupteten Zusammenhang des Austausches mit für ihn ungünstigeren Abschlüssen aufzeigen könnte, stellt der Kläger darüber hinaus nicht an.

Die bruchstückhaften Informationen vermitteln zwar Tendenzen zu etwaigen Verhandlungsstrategien in den Jahresgesprächen einzelner KWR-Mitglieder, erlauben aber keinen Rückschluss auf deren konkrete Preisbildung innerhalb der Konditionengefüge. Weder wird ein konkreter Bruttopreis oder Nettopreis für ein Produkt oder eine Warengruppe benannt, noch ein konkreter, produktbezogener Rabatt bzw. die absolute Höhe desselben o.ä. mitgeteilt, lediglich ein produktübergreifender Prozentsatz einer Forderung oder eines Angebots (relative Änderung einer Rabattforderung oder -gewährung). Der Informationsgehalt der so mitgeteilten Veränderung eines prozentualen Gesamtrabattsatzes muss auch deswegen als gering bewertet werden, da einerseits die eingeräumten Rabatte teilweise an erreichte Umsätze gekoppelt waren und bei Abschluss der Jahresvereinbarung eine verlässliche Prognose zu tatsächlichen Umsätzen noch nicht möglich war, sodass der mitgeteilte Gesamtrabattsatz wenig verlässlich war. Andererseits waren die Konditionengerüste der einzelnen Hersteller verschieden, so dass die Angabe des Gesamtrabattsatzes bzw. deren Veränderung keinen Rückschluss auf eine konkrete Kondition ermöglichte. Ebenso hat der Kläger - wie oben schon dargestellt - bereits in der Klageschrift eingeräumt, dass einzelne nachgelagerte Rabatte für bestimmte Produkte in den Jahresvereinbarungen noch gar nicht festgelegt wurden, so dass der Informationsaustausch auch insoweit keine verlässliche Grundlage für die eigenen Konditionenverhandlungen der Beklagten und NI lieferte.

Die Informationen über den Stand der Jahresgespräche konnten auch kein Signal in Richtung des künftigen Marktverhaltens setzen, aus dem sich irgendeine diesbezügliche Koordinierung der KWR-Mitglieder hätte ergeben können. Die KWR-Mitglieder befanden sich in unterschiedlichen Verhandlungsstadien und nicht immer haben sich alle Anwesenden geäußert.

Hinzu kommt, dass der pauschale Austausch der ausgetauschten Informationen im KWR nicht ein bzw. einige wenige Produkte eines Marktes betraf, sondern mehr als 10.000 Einzelprodukte auf mehr als 20 einzelnen Produktmärkten, wobei unter den KWR-Mitgliedern je nach Produkt bzw. Produktmarkt unterschiedliche, teils auch keine Wettbewerbsbeziehungen bestanden. Auf stark fragmentierten Märkten sind wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen unwahrscheinlicher als in engen Oligopolen, da sich wenige Unternehmen leichter auf Koordinierungsmöglichkeiten verständigen können und Kollusionsergebnisse stabiler und von größerem Nutzen sind (so Horizontallleitlinien der Kommission, Abl. 2011 C 11/1, Rn. 79). Angesichts der Produktvielfalt und der damit zusammenhängenden Unterschiedlichkeit der Wettbewerbsverhältnisse sowie der komplexen, nicht einheitlichen Konditionengefüge der KWR-Mitglieder war kein Bereich definiert, in dem sich KWR-Mitglieder unmittelbar preisbezogen im Vorgriff auf ihre Verhandlungen hätten koordinieren können.

Die ausgetauschten Informationen betrafen nicht zukünftig geplante Preise, sondern bereits vorliegende Angebote, Forderungen und Vertragsabschlüsse, mithin Handlungen in der Vergangenheit. Ein in die Zukunft gerichteter, abstimmungsfähiger Aussagegehalt kann diesen Informationen allenfalls in geringfügigem Umfang beigemessen werden. Die ausgetauschten Informationen waren mithin nicht geeignet, eine fokale, das heißt allen Beteiligten offensichtliche Verhaltensweise aufzuzeigen. Wie der Kläger darauf kommt, dass die KWR-Mitglieder mit dem ausgetauschten Stand der Verhandlungen wussten, welches Angebot notwendig war, um ein bestimmtes Verhandlungsziel zu erreichen, bleibt offen. Ohne Substanz ist fernerhin die Annahme des Klägers, alle Hersteller hätten infolge der Information, dass noch kein Konkurrent abgeschlossen hat, "hart" verhandelt und versucht, ein für sie besseres Verhandlungsergebnis zu erzielen. Die ausgetauschten Informationen waren durchaus auch geeignet, bei den KWR-Mitgliedern eine Verhandlungsstrategie hervorzurufen, die zu einem für Firma1 günstigeren Ergebnis führte, etwa weil bekannt wurde, dass ein wichtiger Mitbewerber seine Jahresgespräche schon abgeschlossen hatte. Auch zeigen die vom Kläger dargelegten und unten näher behandelten Konditionenverläufe keine Koordinierungseffekte (vgl. Anlage K 14, AO 1 d. A., S. 123 ff.). Solche könnten sich an parallelem oder zumindest gleichgerichtetem Preisverhalten der Beteiligten abzeichnen, was aber nicht der Fall ist. Während des untersuchten Zeitraums stiegen und fielen die Rabatte und Konditionen der unterschiedlichen Hersteller unabhängig voneinander.

Ferner muss berücksichtigt werden, dass die vorgenannten Informationen für die Teilnehmer am KWR-Arbeitskreis lediglich eine Momentaufnahme innerhalb der jeweils über mehrere Monate, auf unterschiedlichen Kommunikationsebenen und -wegen geführten Jahresgesprächen darstellten. Eine Verlässlichkeit bestand nicht, zumal die Angaben während laufender Jahresgespräche auch nicht überprüfbar waren. So war beispielsweise die Information zum Stand der Jahresvereinbarung: "noch offen" oder "durch" vor diesem Hintergrund am nächsten Tag gegebenenfalls überholt bzw. angesichts von Nachverhandlungen, Änderungen und Nachträgen nicht abschließend oder definitiv.

Der Austausch erfolgte zwar regelmäßig, jedoch bezogen auf die Jahresvereinbarungen der einzelnen KWR-Mitgliedern nicht koordiniert, nämlich "...zwar in einem etwa zweimonatigen Turnus, nicht jedoch kontinuierlich während der sich oft über zahlreiche Verhandlungsrunden erstreckenden Jahresgespräche." (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen NI zu 8, Anlage K 10, Bd. 8 d. A.). Überdies bestand der wettbewerbswidrige Austausch insgesamt nicht einmal drei Jahre und für einzelne Mitglieder nur wenige Monate. Betreffend letztere hielt das Bundeskartellamt entsprechend fest, dass - ungeachtet der Tatbestandsverwirklichung des Kartellverbots - "...es innerhalb dieses kurzen Zeitraums kaum möglich gewesen ist, den tatsächlichen Informationsgehalt der erlangten Daten abschließend zu bewerten bzw. diese Daten in ihr operatives Geschäft zu integrieren." (vgl. Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 4, KR 3, AO 7 d. A., Rn. 321).

Die Einwände der Beklagten und NI stehen nicht im Widerspruch zu den Feststellungen des Bundeskartellamtes. Auch das Bundeskartellamt hat nämlich festgestellt, dass die bereitgestellten Informationen nur einen geringen Detaillierungsgrad aufwiesen und dass sich der Austausch nur auf die Veränderung der Rabatte (Forderungen/Angebote in Prozent), nicht auf die Gesamtrabatthöhe und nicht auf den Nettopreis bezog. Festgestellt hat die Behörde auch, dass etwa die Informationen zum Stand der Jahresvereinbarungen der anderen KWR-Mitglieder mit Blick auf drohende Auslistungen von einer gewissen Bedeutung waren oder die Informationen zu Sonderforderungen und Rabatten die generellen Strategien und Tendenzen der anderen KWR-Mitglieder aufzeigen konnten. Zu tatsächlich erfolgten nachteiligen Auswirkungen betreffend eine konkrete Jahresvereinbarung eines KWR-Mitglieds, hat sich das Bundeskartellamt nicht geäußert.

Dies gilt gleichermaßen für den vom Kläger bemühten Akteneinsichtsbeschluss vom 09.06.2016, in dem es lediglich heißt, dass "...Auswirkungen des Informationsaustauschs ebenso möglich erscheinen, wenn die Antragsstellerinnen nicht selbst Gegenstand des Informationsaustauschs waren." (vgl. Anlage K 13, AO 1 d. A.). Das Bundeskartellamt hat sich auch dort lediglich damit beschäftigt, dass es im KWR zu einer bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkung im Sinne einer Beschränkung des Geheimwettbewerbs gekommen ist, die das Potential hat, Koordinierungen der Beteiligten zu erleichtern, nicht aber dazu, ob eine darüber hinaus gehende Kollusion der Beteiligten erfolgt ist. Den Bußgeldbescheiden wird mit diesen Erwägungen auch nicht die Grundlage entzogen, weil der vom Bundeskartellamt festgestellte Verstoß gegen das Kartellverbot unabhängig vom dem Vorliegen tatsächlicher Auswirkungen gegeben ist. Mithin läuft auch der für die Feststellungen des Bundeskartellamtes betreffend die bezweckten und bewirkten Beschränkungen des Geheimwettbewerbs vorgebrachte Zeugenbeweis ins Leere.

(2.3) bereits abgeschlossene Jahresvereinbarungen

Der Informationsaustausch kann sich denklogisch nicht ursächlich auf Jahresvereinbarungen der Beklagten und NI ausgewirkt haben, die bei Empfang der Informationen bereits abgeschlossen oder ausverhandelt waren. Dies berücksichtigt der Kläger nur zum Teil. So hat er zwar aus seiner Schadenskalkulation die Beschaffungsvorgänge aus der Jahresvereinbarung der Beklagten zu 1 für das Jahr 2004 herausgenommen, weil diese unstreitig bereits vor Beginn des Austauschs im KWR am 31.03.2004 abgeschlossen war. Entsprechendem Vortrag der Beklagten zu 1, dass auch die Jahresvereinbarung für das Jahr 2005 bereits abschließend verhandelt war, bevor der diesbezügliche Abschluss im KWR Thema war, ist der Kläger nicht substantiell entgegengetreten, wie auch nicht weiterem gleichgelagerten Vortrag der Beklagten und NI zu Abschlusszeitpunkten oder dem Verhandlungsgeschehen. Beispielsweise ergibt sich für die Beklagten zu 3 und 7 sowie für die NI zu 3 ausweislich der Feststellungen des Bundeskartellamtes, dass diese auf der ersten Sitzung betreffend die Jahresvereinbarung 2006 am 25.01.2006 bereits deren Abschluss vermeldeten, was der Kläger nicht berücksichtigt. Vor allem erläutert er nicht, wie sich die Information anderer Teilnehmer über den Stand ihrer Jahresgespräche hierauf ausgewirkt haben soll.

(2.4) Nachlaufzeitraum

Die Beklagten und NI haben ihren Informationsaustausch letztmals am 23.11.2006 praktiziert. Der Kläger hat nicht dargelegt, in welchem Umfang sich die bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Jahresvereinbarungen noch in das Folgejahr 2007 ausgewirkt haben. Ebenfalls ist nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die Beklagten und NI in den Sitzungen bis zum 23.11.2006 Informationen erhalten haben, die sich nachteilig auf die in den Jahresvereinbarungen 2007 ausgehandelten EK-Nettopreise ausgewirkt haben könnten. Allein der zwischen den Parteien unstreitige Umstand, dass die jeweilige Jahresvereinbarung auf dem Vorjahresergebnis aufbaut, also als Ausgangspunkt der Verhandlungen diente, genügt hierfür nicht. Denn der etwaig im Vorjahr erlangte Wissensvorsprung bezog sich ausschließlich auf ein bestimmtes, in Bezug zu diesen Vorjahresverhandlungen stehendes Marktverhalten. Entgegen der Ansicht des Klägers ist vorliegend auch nicht über die tatsächliche Vermutung der Fortsetzung des kartellrechtswidrigen Verhaltens (s. BGH, Lottoblock II, a.a.O., Rn. 24) eine andauernde Beeinflussung des Marktgeschehens indiziert. Denn unstreitig ist das kartellrechtswidrige Verhalten mit der Sitzung vom 23.11.2006 beendet und auch nicht in abgewandelter Form fortgesetzt worden. Eine tatsächliche Vermutung, dass kartellwidriges Verhalten nachwirkt, gibt es dagegen nicht.

(3) Austausch über vertriebsrelevante Kennzahlen

Auch die Feststellungen des Bundeskartellamts zum Austausch vertriebsrelevanter Kennzahlen machen eine darauf zurückzuführende Schädigung von Firma1 nicht wahrscheinlich.

Im Verstoßzeitraum fanden zwei Benchmark-Studien statt. An jener im Jahr 2004 beteiligten sich alle KWR-Mitglieder außer der Beklagten zu 4 und an derjenigen im Jahr 2006 beteiligten sich alle KWR-Mitglieder außer die Beklagten zu 4, 5 und 6 und die NI zu 7. Gegenstand der Benchmark-Studien waren Angaben in identifizierender Form zu Netto-Gesamtumsätzen und Vertriebsstrukturen.

Darüber hinaus kamen die KWR-Mitglieder auf der Sitzung am 25.11.2004 überein, eine Umfrage über die jeweilige Behandlung von Zahlungszielen unter den KWR-Mitgliedern durchzuführen. Eine entsprechende Tabelle wurde auf der Sitzung am 21.01.2005 vorgestellt und im Anschluss sind die Daten von allen KWR-Mitgliedern, außer von der Beklagten zu 5, die keine Angaben machte, erhoben worden und die Tabelle im Laufe des Jahres 2005 den KWR-Mitgliedern zur Verfügung gestellt worden. Diesbezügliche Verstöße sind nicht für die Beklagten zu 5 und zu 7 festgestellt.

Inwieweit hierdurch eine Koordinierung der Beteiligten hinsichtlich ihres weiteren Marktverhaltens betreffend die EK-Nettopreise, auf die der Kläger seine Schadensberechnung stützt, stattgefunden hat, ist nicht ersichtlich und zeigt die Klage nicht im Ansatz auf, abgesehen davon, dass hier ebenso unberücksichtigt bleibt, dass die Teilnahme am Benchmarking nicht den Beklagten zu 4, 5 und 7 und nicht den NI zu 1, 2, 5, 6, 7, 8 sowie auch nicht Firma3 angelastet wurde. Der Austausch über betriebliche Kennzahlen mag die Kosteneffizienz der teilnehmenden Unternehmen gesteigert haben (vgl. Horizontalleitlinien der Kommission, Abl. 2011 C11/1, Rn. 95). Wenn aber infolge des Benchmarkings die Vertriebskosten der Beteiligten reduziert werden konnten, überzeugt es ohne weitere Anhaltspunkte nicht, dass hiervon nicht auch die Marktgegenseite profitiert hat. Auch die Informationen der KWR-Mitglieder über die ihren Kunden gewährten Zahlungsziele hatten keinen unmittelbaren Einfluss auf die in den Jahresvereinbarungen ausgehandelten EK-Nettopreise. Vor allem hat der Kläger nicht dargelegt, ob und wie die Beklagten und NI infolge des Austauschs gegenüber Firma1 betreffend die Zahlungsziele aufgetreten sind. Ein aus den gemeinsamen Studien ableitbarer Schaden von Firma1 ist auch angesichts der oben dargestellten Umstände der Verhandlungen über die EK-Nettopreise daher nicht ersichtlich.

(4) Austausch über Umsatzentwicklung

Betreffend Firma1 tauschten die KWR-Mitglieder allein auf der Sitzung am 25.01.2006 Umsatzentwicklungen aus, indem elf Mitglieder mitteilten, dass im Jahr 2005 im Vergleich zum Vorjahr das Geschäft: "gut", "leicht steigend", "gleichbleibend", "deutlich rückläufig", "ein-/zweistellig" rückläufig bzw. "um 6,5 % rückläufig" sei.

Angesichts der Tatsache, dass diese Informationen nur auf einer Sitzung bekannt gegeben wurden und höchst allgemein gehalten sind, mithin kein Produkt- und Preisbezug gegeben ist, der es ermöglicht hätte, Rückschlüsse auf den EK-Nettopreis zu ziehen, sprechen keine Anzeichen dafür, dass Firma1 im Nachgang zu diesem Austausch Geschäfte zu ungünstigeren Konditionen abgeschlossen hat.

(5) Austausch über Sonderforderungen

Auch die Gestaltung und Praxis des Austauschs über Sonderforderungen spricht gegen ursächlich auf den Austausch zurückzuführende nachteilige Auswirkungen auf die EK-Nettopreise Firma1.

Gegenstand des Austauschs im KWR betreffend Firma1 waren eine Sonderforderung anlässlich des 30jährigen Firmenjubiläums sowie Forderungen wegen erhöhter Transportkosten. Dass sich hieran die Beklagten zu 1, 5 und 7 sowie die NI zu 1, 2, 5, 6, 7 und 8 beteiligt haben, steht allerdings mangels insoweit festgestelltem Verstoß nicht bindend fest, wozu sich die Klage nicht weiter verhält.

Erstmals in der Sitzung vom 16.09.2004 erklärte die Beklagte zu 6, dass noch keine Gespräche mit Firma1 über dessen Sonderforderung zum 30jährigen Jubiläum geführt worden seien. Die KWR-Mitglieder stellten fest, dies bilateral mit Firma1 zu klären. Ebenso erklärten in der Sitzung vom 25.11.2004 acht von zehn Unternehmen mit Firma1 grundsätzlich über diese Sonderforderung gesprochen zu haben, wobei teils Firma1 Forderung in Prozent mitgeteilt wurde und dass man Angebote gemacht hatte. Gleichwohl hielt man daran fest, dies bilateral mit Firma1 weiter zu verhandeln. Dies wiederholten die auf der Sitzung vom 21.01.2005 anwesenden KWR-Mitglieder, wobei die meisten Anwesenden zu diesem Zeitpunkt sich bereits mit Firma1 einig geworden waren. So teilten etwa die Beklagten zu 1, 2 und 6, Firma3 und die NI zu 3, 5 und 6 mit, dass die diesbezüglichen Verhandlungen schon "durch" seien. Auf der Sitzung am 14.04.2005 teilte die Beklagte zu 3 mit, 50.000 EUR an Firma1 gezahlt zu haben.

Der Kläger trägt zu den diesbezüglichen Verhandlungen mit den Beklagten und NI nicht vor, etwa an wen diese Forderung, mit welcher Reaktion herangetragen wurde. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Firma1 nach dem eigenen Vorbringen des Klägers seine Forderung gegenüber allen KWR-Mitgliedern hat durchsetzen können (vgl. Anlage KR 13, AO 8 d. A. d. A.), ist nicht im Ansatz dargelegt oder sonst ersichtlich, inwieweit infolge des Austauschs noch bessere Jubiläumsvergütungen für Firma1 verhindert worden sein sollten. Der Inhalt des diesbezüglichen Austauschs zeigt zudem, dass keine irgendwie geartete Koordinierung erfolgte, sondern dass der Umgang hiermit den jeweiligen bilateralen Verhandlungen mit Firma1 vorbehalten wurde.

Bei der Würdigung des diesbezüglichen Austauschs ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Benennung solcher Forderungen zur Erfüllung der legitimen Aufgaben innerhalb des KWR, nämlich unzulässige Anzapfversuche des Handels zu identifizieren und hierauf gegebenenfalls in Abstimmung mit dem Bundeskartellamt zu reagieren, erforderlich war. Insoweit lässt sich ausweislich der Feststellungen des Bundeskartellamtes (vgl. etwa Bußgeldbescheid gegen die Beklagte zu 4, Anlage KR 3, AO 7 d. A., Rn. 87 ff.) dem Austausch über Sonderforderungen des Handels zumindest auch der legitime Zweck entnehmen, sich gegen unzulässige Anzapfversuche des Handels zur Wehr zu setzen. Dies spricht dagegen, dass die Beklagten und NI den Austausch nutzten, um auch ihr zukünftiges Marktverhalten hinsichtlich dieser Sonderforderung abzustimmen.

Forderungen wegen erhöhter Transportkosten Firma1 waren in der Form Gegenstand des Informationsaustauschs im KWR, dass auf den Sitzungen am 21.09.2006 und 23.11.2006 ein Konsens zwischen den Anwesenden KWR-Mitgliedern bestand, diesen Forderungen nicht nachzugeben, was auch im offiziellen Protokoll zur Sitzung am 21.09.2006 festgehalten wurde. Auch hier differenziert die Klage nicht danach, welche Beklagten und NI auf eben diesen Sitzungen überhaupt vertreten waren. So nahm beispielsweise die Beklagte zu 2 nicht an der Sitzung vom 23.11.2006 teil.

Die Beklagten und NI wenden gegen eine mögliche Benachteiligung Firma1 in diesem Zusammenhang ein, dass eine solche Forderung mangels objektiv erkennbarer und angemessener Gegenleistung missbräuchlich sei, weswegen es sich - ähnlich wie bei Hochzeitsrabatten - vgl. BGH, Bschl. v. 23.01.2018 - KVR 3/17 - um ein unzulässiges Anzapfen handele. Dem ist der Kläger nicht substantiell entgegengetreten. Eine Nichtdurchsetzbarkeit unzulässiger Forderungen kann aber nicht zu einem kausal adäquaten Schaden führen. Zum einen wäre ein solcher Schaden nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst, zum anderen führte nicht die zunächst gebildete Verhandlungsfront der KWR-Mitglieder dazu, dass Firma1 die Forderung hat nicht durchsetzen können, vielmehr begründete erst der unzulässige Anzapfversuch Firma1 eine Auseinandersetzung mit diesem im KWR mit dem Ziel, das wettbewerbswidrige Verhalten Firma1 aufzudecken (vgl. Bußgeldbescheid gegen die B zu 6, Rn. 219 u. 240 f., AO 8 d. A.).

Überdies legt der Kläger hierzu nicht im Einzelnen dar, welche Forderungen er diesbezüglich wann, an welches KWR-Mitglied herangetragen hat und aufgrund welcher Umstände, sich eine nachteilige Wirkung auf sein Verhandlungsergebnis, insbesondere auf seine EK-Nettopreise, ergeben konnte. Allenfalls vage formuliert er, dass Firma1 "wahrscheinlich schlussendlich von seiner Forderung teilweise zurückweichen (musste)." (vgl. Replik vom 28.08.2017, S. 117, Bl. 1848, Bd. VIII d. A.).

cc) betroffene Märkte, Wettbewerbsverhältnisse

Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ist fernerhin zu berücksichtigen, dass der Informationsaustausch im KWR nicht ein bzw. einige wenige Produkte eines Marktes betraf, sondern mehr als 10.000 Einzelprodukte auf mehr als 20 einzelnen Produktmärkten, wobei unter den KWR-Mitgliedern je nach Produkt bzw. Produktgruppe unterschiedliche bzw. teils keine Wettbewerbsbeziehungen bestanden.

Tatsächlich nachteilige Auswirkungen auf die hier in Rede stehenden Geschäfte zwischen Firma1 und den Beklagten/NI setzen voraus, dass der Wettbewerb unter den Beklagten und NI betreffend die an Firma1 veräußerten Waren durch die vom Bundeskartellamt festgestellten Kartellverstöße ausgeschlossen oder eingeschränkt wurde (vgl. BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 59), mithin, dass die KWR-Mitglieder bei ihrem Marktverhalten die vereinbarten bzw. abgestimmten "Spielregeln" unmittelbar gegenüber Firma1 angewandt haben bzw. sich der Austausch im KWR zum Nachteil Firma1 (mittelbar) ausgewirkt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.01.2019 - VI-U (Kart) 18/17 = BeckRS 2019, 8644, Rn. 47).

Das ist dort schon von vornherein ausgeschlossen, wo innerhalb des KWR-Arbeitskreises zwischen den Mitgliedern überhaupt kein Wettbewerbsverhältnis bestand, weil die Waren nur von einem der Mitglieder vertrieben worden sind (nachfolgend unter (1)). Entsprechendes gilt für diejenigen Produktgruppen, bei denen die Nebenintervenienten bilaterale Preisabsprachen getroffen hatten, weil sich insoweit nicht einmal ansatzweise erkennen lässt, dass der Informationsaustausch für einen Preisnachteil von Firma1 mitursächlich geworden sein könnte (nachfolgend unter (2)). Zuletzt hat der Kläger auch keine Marktabgrenzung für diejenigen Produktgruppen vorgenommen, bei denen das Bundeskartellamt eine solche Abgrenzung nicht durchgeführt hat, so dass der Senat eine Abgrenzung des sachlichen Markts und eine hieraus ableitbare Schadensfeststellung nicht treffen kann (nachfolgend unter (3)).

(1) Wettbewerbsverhältnis

Der Kläger hat im Rahmen der ihm obliegenden Darlegungslast - auch unter Zuhilfenahme der insoweit bindenden Feststellungen des Bundeskartellamtes - Umstände vorzutragen, wonach der als kartellbefangen behauptete Warenbezug von einem Informationsaustausch unter Wettbewerbern erfasst war. Denn nur dann ist ein Zusammenhang zwischen einem Kartellrechtsverstoß und einem Nachteil bei Firma1 vorstellbar (vgl. ebenso bereits OLG Nürnberg, HEMA-Vertriebskreis, a.a.O., Rn. 69).

Das Bundeskartellamt hat Produktmärkte identifiziert, für die unter den KWR-Mitgliedern keine Wettbewerbsverhältnisse bestanden, weil nur ein Mitglied diese Produkte in seinem Sortiment geführt hat. Hinsichtlich dieser Waren kann unter den KWR-Mitgliedern durch das wettbewerbswidrige Verhalten daher schon gar kein Wettbewerb eingeschränkt oder ausgeschlossen worden sein.

Soweit der Kläger demgegenüber vorträgt, ein bestehendes Wettbewerbsverhältnis sei im Hinblick auf die jeweils betroffenen Produkte irrelevant, da ein Kartellverstoß tatbestandlich kein bestehendes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Beteiligten voraussetze, so geht diese Annahme fehl.

Zunächst setzt ein Kartellverstoß im hier vorliegenden Fall eines Informationsaustauschs ein Wettbewerbsverhältnis voraus. Bereits nach der hier zum Teil einschlägigen Gesetzeslage bis zum 30.06.2005 waren nur Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen "zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen" von § 1 GWB erfasst. Wenngleich die danach geltende Gesetzesfassung nach der Streichung dieses Tatbestandsmerkmals für die Tatbestandsmäßigkeit nicht mehr zwischen horizontalen und vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen unterscheidet und entsprechend das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Beteiligten für die Feststellung einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise nicht mehr erforderlich ist (vgl. Krauß in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 1 Rn. 198 ff.; a. A. Bechthold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 49 f., der am Vorliegen eines zumindest potentiellen Wettbewerbsverhältnisses festhält), ist für dass Tatbestandsmerkmal der bezweckten oder bewirkten Wettbewerbsbeschränkung im Falle eines Informationsaustausches durchaus von Bedeutung, dass der Austausch zwischen Wettbewerbern stattfindet.

So verhält sich der Europäische Gerichtshof zur Tatbestandsmäßigkeit eines Informationsaustausches ausdrücklich und ausschließlich zu einem Austausch zwischen Wettbewerbern (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2015 - C-286/13 P - Bananen (Dole) = NZKart 2015, 267, Rn. 119 ff.; EuGH, T-Mobile Netherlands, a.a.O., Rn. 32 ff.). In Fällen eines bloßen Informationsaustauschs kann in keinem Fall auf das Wettbewerbsverhältnis verzichtet werden (so Bechthold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 50).

Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch aus den Feststellungen des Bundeskartellamtes nicht. Für die bußgeldrechtliche Begründung eines Kartellverstoßes genügte es, überhaupt Wettbewerbsverhältnisse zwischen den KWR-Mitgliedern auszumachen. So können sich je nach Wettbewerbsverhältnis im KWR täterschaftlich begangene Verstöße ergeben, an denen sich die jeweiligen Nichtwettbewerber in Form der (psychischen) Beihilfe beteiligt haben. Eine Beteiligung an einem Wettbewerbsverstoß Dritter setzt auch nicht das Bestehen einer eigenen Wettbewerbsbeziehung voraus (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.01.2017 - V 4 Kart 6/15 (OWi) - Süßwarenkartell = BeckRS 2017, 141749, Rn. 100, 378, aufgehoben durch BGH Bschl. v. 21.06.2019 - KRB 10/18 ausschließlich aus verfahrensrechtlichen Gründen; s. auch EuGH, Urt. v. 26.09.2018 - C 99/17 P - Smartcard-Clips = NZKart 2018, 526 ff.).

Von der Tatbestandsmäßigkeit des Kartellverstoßes zu unterscheiden ist aber die hier zu beantwortende Frage, ob sich das kartellrechtswidrige Verhalten nachteilig auf bestimmte Geschäfte eines Marktbeteiligten ausgewirkt hat oder anders gewendet, ob ein Wettbewerb unter möglichen Vertragspartnern des Anspruchsstellers in Bezug auf die jeweils bezogenen Waren oder Dienstleistungen durch das kartellrechtswidrige Verhalten eingeschränkt oder ausgeschlossen war (vgl. BGH, Schienenkartell, a.a.O., Rn. 59). Im Blick sind also stets nachteilige Auswirkungen auf ein Marktergebnis innerhalb eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses. Nachteilige Geschäfte, die außerhalb dieses Wettbewerbsverhältnisses liegen, können daher nicht kausal auf das wettbewerbswidrige Verhalten zurückzuführen sein. Dass für die einzelnen KWR-Mitglieder Informationen teils auch dann von gewisser Bedeutung waren, wenn sie nicht den von dem jeweiligen KWR-Mitglied bedienten Produktmarkt betrafen, ändert hieran nichts.

Mithin kann sich das wettbewerbswidrige Verhalten nicht auf Warenbezüge ausgewirkt haben, die Produkte betreffen, für welche überhaupt kein Wettbewerbsverhältnis unter den KWR-Mitgliedern bestand. Dies gilt insbesondere für den Einkauf von Insektenschutzmitteln von der NI zu 7 und den Einkauf von Windeln von der Beklagten zu 4, den Einkauf von Tampons, Babyöl, Babyshampoo, Babycreme, Babybad von der NI zu 6, aber auch Warenbezüge von der Beklagten zu 3 in den Bereichen Schuh- und Autopflegeprodukte.

(2) bilaterale Preisabsprachen

Der Senat vermag außerdem nicht zu erkennen, dass der Informationsaustausch für solche Warenbezüge (mit-)schadensursächlich geworden sein könnte, für die einzelne NI im Kartellzeitraum bilaterale Preisabsprachen getroffen haben. Dieses wettbewerbswidrige Verhalten ist separat bewusst worden und betrifft die nach dem 01.01.2006 bezogenen Produkte im Bereich Duschgel, Zahncreme und Handgeschirrspülmittel der NI zu 8, NI zu 1 und 2 und der NI zu 3. Die Beklagten waren daran nicht beteiligt, so dass diese Rechtsverstöße mit Recht nicht zum Gegenstand der Klage gemacht worden sind. Da der vom Kläger reklamierte Schaden in Form einer Erhöhung der EK-Nettopreise bereits auf diese bilateralen Absprachen zurückgeführt werden kann, weil die an diesen bilateralen Absprachen Beteiligten dort unmittelbar den Preiswettbewerb außer Kraft gesetzt hatten, lässt sich nicht erkennen, inwiefern der Informationsaustausch darüber hinaus zu einer Schadensentwicklung bei Firma1 hätte beitragen können. Dieser stellt vielmehr eine im tatbestandlichen Erfolg nicht enthaltene Reserveursache dar (zu Reserveursachen in diesem Zusammenhang Paul in: Fuchs/ Weitbrecht, HdB private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 5 Rn. 95, 98).

(3) Marktabgrenzung des Bundeskartellamtes

Ebenfalls scheidet eine Kartellbefangenheit solcher Warenbezüge aus, die nicht zu den vom Bundeskartellamt abgegrenzten Produktmärkten (s. Anlage KR 14, AO 8 d. A.) gehören. Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass die jeweiligen Jahresvereinbarungen zwischen Firma1 und den KWR-Mitgliedern unstreitig sämtliche Produkte umfassten, die Firma1 von den jeweiligen Beteiligten bezog, sowie, dass sich der Austausch über die Listenpreise auf das Gesamtsortiment bezog. Das Bundeskartellamt hat jedoch eine Marktabgrenzung für die betroffenen Märkte und Produkte vorgenommen, die im Schadensersatzprozess maßgeblich ist (so Weitbrecht in: Fuchs/Weitbrecht, HdB Private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 15, Rn. 62). Das bedeutet zwar nicht, dass diese Marktabgrenzung abschließend ist. Es hat aber zur Folge, dass sich der Anspruchsteller für Beschaffungsvorgänge, die außerhalb der vom Bundeskartellamt abgegrenzten Produktmärkte liegen, nicht auf die Bindungswirkung der Bußgeldbescheide stützen kann, sondern eigenständigen Vortrag zur Abgrenzung der Produktmärkte halten muss (vgl. ebenso bereits OLG Nürnberg, HEMA-Vertriebskreis, a.a.O., Rn. 71 f.). Die Feststellungen, dass der Austausch produktübergreifend erfolgte und die Jahresvereinbarungen sämtliche von dem jeweiligen KWR-Mitglied bezogene Produkte umfasste, erweitern den sachlich relevanten Markt entgegen der Auffassung des Klägers nicht.

Mithin sind etwa Warenbezüge aus dem Bereich Babypflege, Damenhygiene, Windeln, Colorationen, flüssige Seifen, Insektenschutz, Selbstbräuner, Schuh- und Autopflegeprodukte nicht kartellbefangen.

dd) Berücksichtigung gutachterlicher Stellungnahmen

Der Kläger kann auch mit Hilfe des von ihm vorgelegten Gutachtens von SV1 nicht belegen, dass Firma1 durch den Informationsaustausch ein Schaden entstanden ist.

Der Kläger hatte SV1 beauftragt, den Schaden zu beziffern, den Firma1 seines Erachtens durch den streitbefangenen Informationsaustausch erlitten hat (PGA S. 8). Das Parteigutachten ist so aufgebaut, dass den Erläuterungen zu dem vom Bundeskartellamt festgestellten Kartell Ausführungen zu der Methodik der wettbewerbsökonomischen Begutachtung nachfolgen, dann der Drogerieartikelmarkt kurz beschrieben und am Ende eine ökonometrische Auswertung dahingehend erfolgt, wie hoch der kartellbedingte Preisaufschlag bei Firma1 war (PGA S. 9).

Der Kläger behauptet, aus den Berechnungen dieses wettbewerbsökonomischen Beratungsunternehmens habe sich ergeben, dass über alle Warengruppen und Lieferanten hinweg zwischen März 2004 und Dezember 2006 ein kartellbedingter Preisaufschlag in Höhe von durchschnittlich 10.3 % und von Januar 2007 bis Dezember 2007 ein solcher in Höhe von 4.2 % zu Lasten von Firma1 festzustellen sei. Dies werde durch das Privatgutachten vom Juni 2016 (Anlage K 14, AO 1 d. A., nachfolgend: PGA) und durch das auf die Erwiderungen der Beklagten erstellte Ergänzungsgutachten (Anlage KR 30, AO 8 d. A., nachfolgend: EGA) belegt.

Der Senat kann dem nicht folgen.

(1) Beweiswert eines Schadensgutachtens

Der als Folge eines überhöhten Kartellpreises (sog. "overcharge") beim Abnehmer entstandene Schaden ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Preis, den der Geschädigte an den Schädiger tatsächlich gezahlt hat und dem Preis, der sich unter Wettbewerbsbedingungen ergeben hätte (vgl. Bornkamm/Tolkmitt, in: Langen/Bunte, a.a.O., Rn. 33 zu § 33a GWB m. w. N.). Diese Differenz muss von dem Geschädigten dargelegt und - sofern dies geschehen ist - bewiesen werden.

Der hypothetische Wettbewerbspreis ist niemals mit absoluter Gewissheit zu ermitteln (vgl. Hüschelrath u.a., Schadensermittlung und Schadensersatz bei Hardcore-Kartellen, 1. Aufl. 2012, S. 52). Daher kann auch ein Sachverständiger die Frage, ob der vom Abnehmer geforderte Preis einem hypothetischen Marktpreis entsprach, der sich ohne eine Kartellabsprache eingestellt hätte, nur aufgrund einer sachverständigen Bewertung der gegebenen Anknüpfungstatsachen und einem hierauf beruhenden Schluss von den vorliegenden Indizien auf die unter Beweis gestellte Haupttatsache - den Kartellschaden - beantworten (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 37). Der Sachverständige kann sich mit ökonometrischen Methoden dem kontrafaktischen Szenario eines hypothetischen Wettbewerbspreises regelmäßig nur annähern. Die Plausibilität dieser Annäherung hängt dabei typischerweise zum einen von der Genauigkeit und Validität der tatsächlichen Beobachtungen auf dem kartellierten und dem Vergleichsmarkt und zum anderen davon ab, ob sich die Unterschiede zwischen den verglichenen Märkten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfassen lassen. Hieraus ergibt sich, dass ein Sachverständigengutachten weder die richterliche Gesamtwürdigung ersetzen, noch, dass die Vorlage eines ökonometrischen Privatgutachtens durch eine der Parteien diese Würdigung in die eine oder andere Richtung präjudizieren kann (BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 48).

Der Senat musste sich daher die Frage stellen, ob die Berechnungen und Schlussfolgerungen des als qualifizierter Parteivortrag zu bewertenden Privatgutachtens von SV1 auf zutreffende Anknüpfungstatsachen gestützt wurden und ob sie inhaltlich widerspruchsfrei sind, weil nur dann aus den privatgutachterlichen Äußerungen ein Indiz für einen Kartellschaden von Firma1 abgeleitet werden könnte.

Diese Frage ist zum Nachteil des Klägers zu beantworten. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob SV1 überhaupt den Inhalt und die Reichweite des streitgegenständlichen Informationsaustauschs richtig erfasst hat oder vielmehr ihren Schlussfolgerungen Absprachen zugrunde gelegt hat, die tatsächlich gar nicht getroffen worden sind (nachfolgend unter (2)). Der Senat kann auch die von SV1 gezogenen Schlussfolgerungen mit der von ihr selbst ermittelten Rabatt- und Konditionenentwicklung nicht in Übereinstimmung bringen (nachfolgend unter (3)). Zuletzt hat auch die umfassende Auswertung des Sachvortrags der Parteien und der vorgelegten Privatgutachten durchgreifende Zweifel in Bezug auf die der ökonometrischen Analyse zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen hervorgebracht (nachfolgend unter (4)). In der Gesamtschau hat der Senat nicht die Überzeugung gewonnen, dass mit Hilfe des Privatgutachtens ein Kartellschaden in irgendeiner Höhe dargelegt worden ist (nachfolgend unter (5)).

Dazu im Einzelnen:

(2) Theoretische Annahmen der Privatgutachterin

SV1 will in Kapitel 1.3. ("Ökonomische Logik des Drogeriemarktkartells") ihres Ausgangsgutachtens sowie in Kapitel 1.2 ("Ökonomische Theorie und Erfahrungsaustausch") ihres Ergänzungsgutachtens auf theoretischer Grundlage aus dem Wesen eines Informationsaustauschs und den hieraus folgenden Konsequenzen für die Preisbildung daran beteiligter Wettbewerber Schlussfolgerungen für den hiesigen Fall ableiten.

Soweit sie in dem ersten Gutachten zu den Auswirkungen des Informationsaustauschs Stellung nimmt, sind ihre Ausführungen bereits deswegen unerheblich, weil sie von einer unmittelbar wirkenden Preisabsprache ausgeht und damit nicht von einem wettbewerbswidrigen Verhalten, wie es dem hier streitgegenständlichen, oben beleuchteten Informationsaustausch entspricht. So ist es - anders als von SV1 angenommen - beispielsweise nicht richtig, dass sich die KWR-Mitglieder "über die an Firma1 zu gewährenden Rabatte abstimmten" (vgl. PGA S. 18 ff., 21). Ebenso falsch ist die von SV1 aufgestellte Behauptung, dass "die Bewertung der zukünftigen Marktentwicklung bezüglich Preisfestsetzung und Abnehmerreaktionen nicht mehr selbständig, sondern abgestimmt mit den Wettbewerbern in einer Art Flechtwerk aus horizontalen und vertikalen Absprachen [erfolgten]" (PGA S. 115 ff.). Ohne näher auf das bebußte Verhalten einzugehen und ohne sich mit der Heterogenität der Produktmärkte und der fehlenden Transparenz der Konditionengerüste auseinanderzusetzen, stellt die Privatgutachterin vielmehr pauschale Behauptungen auf, indem sie beispielweise davon spricht, dass hier eine "kollektive Senkung" der Firma1 gewährten Rabatte im Rahmen einer "stabilen Kollusion" stattgefunden hätte (S. 19 PGA).

In dem Ergänzungsgutachten greift SV1 den Einwand der Beklagten zu den strukturellen Unterschieden zwischen einem Informationsaustausch und einer Preisabsprache zwar auf, zeigt aber mit den von ihr bemühten ökonomischen Theorien nicht auf, dass die Ausgangslage bei dem hier zu untersuchenden Informationsaustausch jener bei Preis-, Kunden- und Quotenschutzabsprachen gleichen würde, so dass die von ihr herangezogenen Erfahrungssätze hinsichtlich der Folgen derartiger Verhaltenskoordinierung auf den hiesigen Fall nach wie vor nicht übertragbar sind. Entsprechendes gilt für die dortigen Ausführungen zur Spieltheorie, die ohne Betrachtungen der Besonderheiten dieses Falles pauschal von einem hier nicht zu belegenden "umfassenden Informationsaustausch" ausgehen.

(3) Entwicklung der Rabatte und Konditionen

In gleicher Weise unergiebig sind die Ausführungen in dem Privatgutachten zur Entwicklung der Rabatte und Konditionen. SV1 hat die streitgegenständlichen Rabatte und sonstigen Konditionen ermittelt, die die KWR-Mitglieder Firma1 im Zeitraum von 2003 - 2012 gewährt haben (Tabellen 68-70 PGA). Sie zieht daraus allerdings Schlussfolgerungen, die durch die ermittelten Tatsachen nicht belegt werden können. So führt SV1 in Kapitel 1.3. des Ausgangsgutachtens aus, die von Firma1 zur Verfügung gestellten Lieferantendaten belegten, dass die Beklagten und NI Firma1 im Zeitraum ab 2008 (Wettbewerbszeitraum) durchgängig höhere Rabatte als im Kartellzeitraum von 3/2004 - 12/2006 gewährt hätten (S. 19 PGA). In Ziffer 1.4. des Ausgangsgutachtens "Kausalität Kartell: Schaden von Firma1" wird diese nachweislich falsche Behauptung geringfügig eingeschränkt. Dort führt sie folgendes aus:

"...Erstens stimmten sich die Kartellanten in Bezug auf die an Firma1 zu gewährenden Rabatte ab. Dies führte dazu, dass die von Firma1 im Kartellzeitraum 03/2004 - 12/2006 erhaltenen Rabatte deutlich unter einem wettbewerblichen Niveau lagen. Dies zeigt sich unter anderem in den von Firma1 zur Verfügung gestellten Liefer- und Preisdaten: fast alle Lieferanten gewährten Firma1 bei einem vergleichbaren Einkaufsvolumen im Wettbewerbszeitraum ab 2008 höhere Rabatte als im Kartellzeitraum 03/2004 - 12/2006 (siehe Kapitel 5.3, S. 21 PGA)".

Die Behauptungen höherer Rabatte im Wettbewerbszeitraum entbehren einer tatsächlichen Grundlage. Es ist zum einen nach den Feststellungen des Bundeskartellamts nicht erwiesen, dass sich die Mitglieder des KWR im Hinblick auf die Firma1 gewährten Rabatte abgestimmt hätten. Dies ist oben bereits ausführlich dargelegt worden. Bei objektiver Betrachtung lässt sich zum anderen auch nicht erkennen, dass die Entwicklung der von den KWR-Mitgliedern gewährten Konditionen eine Signifikanz aufweisen würde, die die Schlussfolgerung von SV1 rechtfertigen könnte:

Tabelle 68 des Ausgangsgutachtens (PGA) belegt, dass die jährlichen Skonti- und Firma2-Konditionen sämtlicher KWR-Mitglieder im gesamten Betrachtungszeitraum von 2003 - 2012 nahezu gleichgeblieben sind (S. 107). Die in den Tabellen 69 und 70 enthaltene Übersicht nachträglicher Konditionen, Boni und WKZ gegenüber Firma1 enthält ebenfalls keine entsprechende Aussagekraft, sondern zeigt vielmehr, dass einige der Beklagten und NI ihre Konditionen gegenüber Firma1 im Zeitraum nach 2007 verschlechtert, andere ihre Konditionen je nach Produktgruppen verbessert oder verschlechtert haben und, dass sich für den verbliebenen Teil der Beklagten und NI bereits ab 2003 bis 2010 eine kontinuierliche, nahezu gleichbleibende Konditionenverbesserung ablesen lässt (S. 108-109). Ein Sondereinfluss des KWR-Austauschs ist darin nicht erkennbar. Die kontinuierliche Verbesserung der "Firma1-Konditionen" lässt sich dagegen ohne weiteres mit dem von den Beklagten geschilderten "Verhandlungsspiel" erklären, bei dem Firma1 als marktmächtiger Nachfrager die jährlichen Bruttopreiserhöhungen durch Konditionenverbesserungen weitgehend neutralisieren konnte. Die von SV1 ermittelten Rabatte und Konditionen vor, während und nach dem Kartellzeitraum sind daher zum Beleg eines Kartellschadens nicht geeignet.

(4) Beweiswert der ökonometrischen Analysen

Die ökonometrischen Analysen des Privatgutachtens gehen von zweifelhaften Anknüpfungstatsachen, namentlich einem unzutreffenden Preissetzungsmechanismus aus und können daher ebenfalls einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Informationsaustausch und einem wie auch immer gearteten Kartellschaden nicht belegen.

(4.1) Methodik und Vorgehensweise der Privatgutachterin

SV1 hat zur Ermittlung eines Kartellschadens die Methodik des zeitlichen Vergleichsmarkts in Form einer "Während-nachher"-Analyse angewandt. Sie hat demnach denselben sachlich und räumlich relevanten Markt zugrunde gelegt und die Markt- und Preisentwicklung im Zeitraum von 2008 - 2011 (definierter Nachkartellzeitraum - Wettbewerbsperiode) für die Bestimmung des kontrafaktischen Preises herangezogen. Dabei wurde angenommen, dass der im November 2006 beendete Informationsaustausch noch einen Nachlaufzeitraum bis zum 31.12.2007 hatte.

Dabei ist SV1 - vereinfacht dargestellt - wie folgt vorgegangen:

Mit Hilfe der vom Kläger zur Verfügung gestellten Datenbanken, die bereits eine Unterteilung in sog. Hauptwarengruppen enthielten, hat SV1 zunächst die zu berücksichtigenden Einkaufsvolumina aufgearbeitet. Dies ist dann in einem weiteren Schritt noch durch die Bildung von insgesamt 90 Warenuntergruppen mit einem Gesamtumsatz von 2004 - 2007 von rund 1.529 MRD € verfeinert worden. Für die ökonometrische Auswertung sind acht Drogerie-Warengruppen (Körper-, Haar-, Mund-, Intim-, Gesichts- und Babypflege, Men-Shop und Windeln) bestimmt worden, in denen jeweils einer der Beteiligten des KWR als Lieferant mit herausragender Bedeutung identifiziert wurde. So ist beispielsweise in der Warengruppe "Körperpflege", deren Anteil 21 % am Gesamtumsatz von Firma1 ausgemacht hat, die Beklagte zu 1 als die herausragende Lieferantin identifiziert worden (zu den Einzelheiten des Auswahlprozesses vgl. Kapitel 4.2.2. PGA). Parallel dazu wurden vorbereitend die letztlich von Firma1 gezahlten und im dortigen sog. "B-Warenwirtschaftssystem" hinterlegten EK-Nettopreise ermittelt.

Die Regressionsanalyse geht von der Arbeitshypothese aus, dass in einem wettbewerblichen Umfeld die Preise der Inputfaktoren für Drogerieartikel auch den Drogerieartikelpreis beeinflusst haben, den Firma1 an seine Lieferanten zahlen musste (Kapitel 4.2.3. PGA - S. 53 PGA). Als relevanten Inputfaktor hat SV1 die Produktionskosten in Gestalt der Bezugskosten der Rohstoffe für die nach den gesetzlichen Vorgaben zu deklarierenden Inhaltsstoffe der Drogerieartikel, die Kosten für Verpackungsmittel und teilweise die Produktionsenergie herangezogen und diese nachfolgend als "Erzeugerkosten" bezeichneten Faktoren bestimmten Oberkategorien bzw. Substanzen zugeordnet. Dies ermöglichte es ihr, die vom Statistischen Bundesamt bereitgestellten Daten für die entsprechenden Erzeugerpreisindizes bzw. Importpreisindizes in diesen Oberkategorien zu verwenden (S. 54 PGA).

Sodann hat SV1 für die Wettbewerbsperiode (2008 - 2011) durch eine Regressionsanalyse bei den acht in den Warengruppen jeweils "dominanten" Lieferanten einen statistischen Zusammenhang zwischen den vorgenannten Inputfaktoren auf den Preis und den an Firma1 in Rechnung gestellten Preis selbst hergestellt (S. 38 PGA). Aufgrund dieses Zusammenhangs wurde dann im nächsten Schritt ein hypothetischer bzw. kontrafaktischer Wettbewerbspreis für die Kartellperiode und in einer Panelanalyse für jede Preisreihe ein individueller hypothetischer Preis geschätzt.

SV1 geht davon aus, dass somit ein Preisaufschlag ermittelt werden konnte, der sich aus der Differenz zwischen den tatsächlich von Firma1 an die Lieferanten gezahlten und den aus den Modellen berechneten hypothetischen Wettbewerbspreisen ergibt. Die von ihr so definierte "Overcharge" wurde von SV1 dann auf die anderen Lieferanten in der Warengruppe hochgerechnet. Dabei geht SV1 von der Annahme aus, dass bei den restlichen Lieferanten der kartellbedingte Preisaufschlag für Artikel aus derselben Warengruppe in gleicher Höhe angefallen ist (S. 39 PGA). In einem letzten Schritt wurden diese Ergebnisse auf diejenigen Drogerieartikel-Warengruppen übertragen, für die keine eigenständigen ökonometrischen Analysen durchgeführt worden waren.

Zusammengefasst und vereinfacht gesprochen hat SV1 somit versucht, für den Zeitraum zwischen 2008 und 2011 einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Nettopreise bestimmter Drogerieartikel einerseits und der Entwicklung bestimmter Rohstoffpreise bzw. Produktionskosten für Drogerieartikel andererseits herzustellen und diesen Zusammenhang auf den Zeitraum von 2004 - 2007 übertragen.

(4.2) Einwände der Beklagten und NI und Gegengutachten

Die Beklagten und NI haben das Privatgutachten von SV1 aus zahlreichen Gründen als untauglich zurückgewiesen und ihrerseits unter Vorlage von Privatgutachten der Institute Firma22, Firma23, Firma26, Firma24, Firma25 und Lehrstuhl1 der Universität1 Stadt5 dargelegt, dass ein durch den Informationsaustausch hervorgerufener Schaden von Firma1 ausgeschlossen werden kann. Sie haben SV1 methodische Fehler und eine fehlerhafte Tatsachenermittlung vorgeworfen.

So haben die Beklagten und NI u.a. übereinstimmend ausgeführt, dass das Privatgutachten von SV1 nicht auf zutreffenden Anknüpfungspunkten beruhe, weil die herangezogene Entwicklung der Erzeugerkosten keine Signifikanz für die eigene Preisbildung aufweise, während gleichzeitig andere für die Preisbildung tatsächlich bedeutsame Faktoren ausgeblendet worden seien.

Die Beklagten und NI haben sich dazu auf ein gemeinschaftlich in Auftrag gegebenes Privatgutachten des Herrn C, Partner der Unternehmensberatung Firma21 berufen. In dem Privatgutachten wird die Preisbildung von Markenartikelherstellern in dem hier betroffenen Bereich sog. "Fast Moving Consumer Goods." (FMCG) beschrieben (u.a. vorgelegt als Anlage Firma16 1, Bl. 590 ff. d. A.).

Der Privatgutachter legt zunächst dar, dass es drei grundlegende Preisbildungsverfahren gibt, die sich entweder an den Kosten für die Herstellung der Produkte (sog. Aufschlagskalkulation oder "cost plus - Verfahren"), an den Preisen der Konkurrenten (wettbewerbsorientierte Preissetzung) oder an dem Nutzen orientieren, den die Käufer aus dem Kauf, der Benutzung oder dem Verbrauch der Produkte ziehen (sog. Nachfrage- oder nutzerorientierte Preissetzung).

Hersteller von Markenartikeln starten mit der Preissetzung bei den Konsumenten. Da diese den Preis tatsächlich bezahlen, muss ihr wahrgenommener Nutzen mindestens genauso hoch sein wie der zu bezahlende Preis. Als Indikator für den Nutzen wird die Zahlungsbereitschaft gemessen. Da die Marke des Produkts neben einer Herkunftsfunktion u.a. auch eine Schutz-, Garantie- und Werbefunktion hat, die zumeist über längere Zeiträume durch Qualitätssicherung, Produkt(-weiter)entwicklung und einem ebenso erheblichen Werbeaufwand aufgebaut und "gepflegt" wird, rechtfertigt und ermöglicht es die Marke den Herstellern, ein höheres Preisniveau zu erzielen. Bekannte Marken sind demnach deutlich wertvoller als der Wert der jährlichen Werbeausgaben.

Die Preissetzung von Markenartikelherstellern liegt im Verantwortungsbereich des Produktmanagements bzw. des Marketings, wo bereits im Zuge des Produktentwicklungsprozesses im Wege der Marktforschung die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten und die Positionierung der Marke untersucht werden. Dabei stellen die Wettbewerbspreise - seien es diejenigen anderer Markenartikel oder diejenigen von Handelsmarken - ergänzende Informationen zur Preisbestimmung dar. Die Herstellungskosten üben bei Markenartikeln dagegen keinen direkten Einfluss auf die Preisbestimmung aus, sondern dienen als langfristige Preisuntergrenze.

Zusammengefasst kommt das Privatgutachten von Herrn C daher zu dem Ergebnis, dass die Preissetzung der Hersteller von Markenartikeln in dem hier untersuchten Sektor nachfrageorientiert ("von oben") im Sinne einer antizipierten Zahlungsbereitschaft des Konsumenten beginnt und in der sog. unverbindlichen Preisempfehlung (UVP) oder einem daran orientierten Bruttopreis ausgedrückt wird. Wesentlicher Einflussfaktor für die Preisbestimmung eines Drogeriemarkenartikels ist demnach die Marktstärke des Produkts. Eine Preissetzung "von unten" (Kosten-plus Preissetzung) ist dagegen für Markenartikelunternehmen denkbar ungeeignet, weil die Herstellkosten eines Jahres die über den langen vorangegangenen Zeitraum der Markenführung entstandenen Aufwendungen nicht widerspiegeln. Auch die unterjährigen Marketingkosten des Herstellers können den Wert des Markenartikels und die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher daher nicht messbar machen.

Die Beklagten und NI haben detailliert dargelegt, dass die Preisbildung ihrer Drogeriemarkenartikel entsprechend der Ausführungen des Privatgutachters C nachfrageorientiert gestaltet war. Die Beklagten und NI haben auch dargelegt, dass ihre Erzeugerkosten für die nachfrageorientierte Preisbildung deshalb nachrangig waren, weil diese Kosten für den Endverbraucher unerheblich und dort auch unbekannt sind und nur einen sehr beschränkten Teil der Nettopreise ausmachen. Beispielhaft wird auf die Ausführungen in den Klageerwiderungen der Beklagten zu 1 (Ziffer 14.4, Bl. 860 ff. d. A.) und der Beklagten zu 7 (Ziffer 3., Bl. 570 ff. d. A.) Bezug genommen, wo u.a. diese Kalkulation offengelegt worden ist.

(4.3) Kritik an den Feststellungen der Privatgutachterin

Die Beklagten und NI haben zahlreiche nachvollziehbare Kritikpunkte an der Vorgehensweise und Tatsachengrundlage des Privatgutachtens von SV1 vorgebracht und mit sachverständiger Unterstützung ihrer Privatgutachter logische "Brüche" in den dortigen Schlussfolgerungen aufgezeigt, die durchgreifende Zweifel an der Plausibilität des Gutachtens erweckt haben.

Im Folgenden werden lediglich die besonders markanten Einwände aufgeführt:

(4.3.1.)

Sämtliche Beklagte und NI haben bemängelt, dass es SV1 versäumt hat, wichtige Inputfaktoren zu untersuchen, die für ihre nachfrageorientierte Preisfestsetzung eine wesentlich höhere Bedeutung gehabt hatten als die Rohstoffpreise. So sei es beispielsweise im Zuge der sog. "Finanzkrise" ausweislich des von dem renommierten Marktforschungsunternehmen D veröffentlichten Konsumklimaindex im Verlauf des Jahres 2008 zu einem bedeutenden Rückgang der Verbrauchernachfrage nach Konsumgütern gekommen (Schaubild Bl. 864 d. A.). Dies sei einhergegangen mit einem deutlich verstärkten Preiswettbewerb durch die kontinuierliche Ausweitung des Marktanteils von Handelsmarken. Dies wird durch die in der Klageerwiderung der Beklagten zu 1 für den Bereich von Körperpflegeprodukten wiedergegebenen Auszüge aus den dort eingeholten Privatgutachten der Fa. Frima22 verdeutlicht, dem der Kläger insoweit nicht entgegengetreten ist (Ziffer 14.5.3., Bl. 865 d. A.). Die Beklagten zu 4 und 5 haben dies in ihrer Klageerwiderung unter Verweis auf eine einschlägige Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts untermauert, in der zwischen den Jahren 2000 und 2012 eine annähernde Verdopplung des Marktanteils von Handelsmarken festgestellt wird (Bl. 1089 d. A.).

Die Beklagten haben nachvollziehbar dargelegt, dass sie der durch die vorgenannten Faktoren ausgelöste Preisdruck mit steigender Tendenz im Zeitraum von 2004 - 2011 dazu gezwungen hat, die eigenen Angebotspreise herabzusetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Gesichtspunkte sind in dem Gutachten von SV1 nicht einmal angesprochen worden.

(4.3.2.)

Die Beklagten und NI haben eingewandt, dass sowohl die Zusammensetzung der Produktbündel intransparent und u.a. in Bezug auf die unterschiedlichen Nachfragebedingungen der umfassten Produkte inkonsistent ist, als auch, dass die Preisreihen künstlich erzeugt und nicht an der Marktentwicklung orientiert sind, so dass das hier angewandte rückwärtsgerichtete Prognosemodell mangels Identität der Produktbündel nicht aussagekräftig ist.

Insbesondere durch die detaillierten Ausführungen in der Klageerwiderung der Beklagten zu 4 und 5 (Ziffer IV.1., Bl. 1074 ff. d. A.) ist die gerügte Intransparenz und Inkonsistenz der Produktbündel für den Senat nachvollziehbar dargelegt worden.

(4.3.3.)

Die Beklagten und NI haben nachvollziehbar dargelegt, dass die Anknüpfung der Regressionsanalyse an die Entwicklung der Erzeugerpreise weder ökonomisch mit der Preisbildung gegenüber den Handelspartnern korrespondiert noch die Realität der Jahresgespräche mit Firma1 widerspiegelt. So hätten sich die im Privatgutachten zugrunde gelegten unterjährigen Rohstoffkostenveränderungen schon deshalb nicht auf die Verkaufspreise gegenüber Firma1 auswirken können, weil diese in den Jahresvereinbarungen für ein gesamtes Jahr festgelegt wurden.

Bis auf die Tatsache, dass die Verhandlungspartner gestiegene Erzeugerkosten in einigen Fällen zur Begründung einer Bruttopreiserhöhung nannten, wurden diese - unstreitig - in den Jahresgesprächen mit den von Firma1 entsandten Verhandlungsführern niemals erörtert oder von diesen hinterfragt.

(4.3.4.)

Die Beklagten und NI haben überzeugend herausgearbeitet, dass die Ermittlungen der SV1 zweifelhaft sind, weil "unpassende" Resultate in der Abrechnung unterdrückt worden sind. Hier wird beispielhaft auf die Berechnungen in der Klageerwiderung der Beklagten zu 2 (Ziffer V.1., Bl. 1210 d. A.) und der Beklagten zu 6 (Ziffer G 1., Bl. 1303 ff. d. A.) sowie auf die Ausführungen der Beklagten zu 4 und 5 (Ziffer IV.6., Bl. 1094 f. d. A., jeweils mit Bezug auf das Firma26-Gutachten) verwiesen. So führt der Vergleich zwischen dem im Verstoß- und Nachlaufzeitraum monatsgenau ermittelten Wettbewerbspreis mit dem tatsächlich gezahlten Preis nicht in allen Fällen zu einem vermeintlichen "Schaden", sondern in vielen Monaten war der ermittelte Wettbewerbspreis höher als der tatsächlich von Firma1 gezahlte Preis. Dies hat die Beklagte zu 2 in einer Gegenüberstellung für das Produkt "Marke1." anschaulich gemacht, die zu "negativen Schäden" von Firma1 im Jahr 2004 von - 8.455,39 € geführt hat, weil nur in einem Monat dieses Jahres, dem Mai 2004 der Wettbewerbspreis um 102 € unterhalb des tatsächlich genannten Preises gelegen haben soll. In die Schadensberechnung der Privatgutachterin SV1 ist allerdings nur dieser Mehrpreis vom Mai 2004 eingestellt worden, der "negative Schaden" blieb unberücksichtigt.

(4.3.5.)

Eine ebenso auffällige Ungereimtheit des SV1 - Gutachtens wird in der Klageerwiderung der Beklagten zu 1 (Ziffer 14.1, Bl. 855 d. A.) aufgedeckt. So errechnet das Gutachten etwa für die Bezüge von der Beklagten zu 1 selbst im Jahr 2004 einen kartellbedingten Schaden, obwohl diese ihre Jahresvereinbarung einschließlich der Bruttopreiserhöhung vor dem Verbotszeitraum unstreitig bereits abgeschlossen hatte. Vergleichbares gilt für die Beklagte zu 7 in den Jahren 2004 und 2005. Auch dort hat SV1 einen Kartellschaden ermittelt, obwohl die Beklagte zu 7 erstmals 2006 am Informationsaustausch beteiligt war. Auch betreffend die Beklagten zu 3 und 5 sowie für die NI zu 7, die erst in den Folgejahren am Informationsaustausch teilgenommen hatten, wurden Kartellschäden im Jahr 2004 ermittelt. Mit Recht hat die Beklagte zu 1 demnach die Frage aufgeworfen, wie ein zeitlich nachgelagertes, angeblich schädigendes Ereignis kausal für bereits zuvor abgeschlossene Vereinbarungen geworden sein soll und damit die Aussagekraft des SV1 - Gutachtens schon dem Grunde nach in Frage gestellt.

(4.3.6.)

Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf das Gesamtbild der Konditionenentwicklung im Zeitraum zwischen 2003 und 2010. Die Beklagten haben darauf verwiesen, dass die gegenüber Firma1 ausgehandelten Nettopreise in diesem Zeitraum weitgehend konstant um durchschnittlich 1 - 2 % stiegen. Beispielhaft wird auf die von der Beklagten zu 1 präsentierten Preisreihen zu den von ihr vertriebenen Körper-, Haar- und Gesichtspflegeprodukten verwiesen (Bl. 844 ff. d. A.). Der von der SV1 errechnete "overcharge" von ca. 10 % in den Jahren 2004 - 2006 lässt sich im Wege einer Kontrollbetrachtung in dieses Gesamtbild nicht einfügen.

(4.3.7.)

Die Beklagten haben mit Hilfe der von ihnen eingesetzten o.g. Privatgutachter dargelegt, dass sich das von SV1 entwickelte Modell bei Berücksichtigung der wesentlichen Kritikpunkte als nicht robust erweist, weil dann nämlich ein Kartellschaden bei Firma1 nicht nachweisbar ist. Auf die Ausführungen in der Klageerwiderung der Beklagten zu 4 und 5 (Ziffer IV 7, Bl. 1095 d. A.) und die entsprechenden Erläuterungen in dem Gutachten der Fa. Firma26 wird verwiesen.

(4.4.) Replik des Klägers auf die Einwände der Beklagten und NI

Der Kläger ist den Einwänden der Beklagten und NI in der Replik vom 28.8.2017 (Bl. 1731 ff. d. A.) nicht substantiiert entgegengetreten und hat vor allem die von dort aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüche im Privatgutachten von SV1 nicht aufgeklärt.

Inhaltlich hat sich der Kläger einer eigenen Stellungnahme enthalten und stattdessen im Wesentlichen die theoretischen Ausführungen von SV1 aus dem oben schon angesprochenen Kapitel 1.2 des Ergänzungsgutachtens ("Ökonomische Theorie und Erfahrungsaustausch") (Anlage KR 30) zitiert, mit denen sich der Senat oben schon beschäftigt und die er als hier nicht ausschlaggebend bewertet hat. Soweit der Kläger in seiner Erwiderung zu den Parteigutachten der Beklagten individuelle Ausführungen macht, entbehrt dies der Substanz.

(4.4.1.)

Der Kläger stellt die Richtigkeit des von den Beklagten vorgelegten Privatgutachtens von Herrn C (Firma2) nicht in Frage (Replik, Ziffer C III, 7., Bl. 1948 d. A.). Er streitet dort auch nicht ab, dass die Beklagten und NI eine nachfrageorientierte Preissetzung praktizierten, die sich an den von Herrn C herausgearbeiteten Grundsätzen orientiert. Daher ist es unstreitig geworden, dass SV1 mit der Anwendung des "cost plus Ansatzes" von einem tatsächlich überhaupt nicht angewandten Preissetzungsverfahren ausgegangen ist, was durchgreifende Zweifel entstehen lässt, ob die von SV1 gewählte Anknüpfung ihrer Regressionsanalyse an die Entwicklung von Erzeugerkosten, auf die sie ihre Bewertung ausschließlich stützt, überhaupt berechtigt war. Darauf ist der Kläger aber nicht mit Substanz eingegangen:

Der Kläger will die demnach berechtigte Kritik der Beklagten lediglich als "Anregung" verstehen, der durch Einfügen weiterer "Variablen" entsprochen werden könne. Das ist allerdings für den Senat schon aus denklogischen Gründen nicht nachvollziehbar, ohne das hierfür noch sachverständige Hilfe eingeholt werden müsste:

Der Kläger setzt sich nicht mit dem Vorwurf auseinander, dass SV1 den tatsächlich praktizierten Preissetzungsmechanismus nicht beachtet hat bzw. geht mit keinem Wort darauf ein, warum SV1 an dem kostenbasierten Preisbildungsmodell weiter festhält, obwohl dies hier gar nicht angewandt wurde. Ebenso wenig äußert er sich zu der Kritik, dass SV1 die bei der nachfragebasierten Preissetzung relevanten oben dargestellten Faktoren des Marktumfeldes überhaupt nicht beachtet hat.

Auch die Ausführungen von SV1 in dem Ergänzungsgutachten (dort unter Ziffer 2.1.4., S. 69) nehmen die Einwände der Beklagten und NI nicht ernsthaft auf. Die pauschale Aussage: "Es kann nicht ernsthaft entgegen jeder ökonomischen Überlegung bestritten werden, dass Produktionskosten Preise bestimmen" (a.a.O., S. 70) entbehrt einer substantiellen Auseinandersetzung mit dem von den Beklagten und NI praktizierten nachfrageorientierten Preissetzungsmechanismus und den unbestrittenen Feststellungen in dem Gegengutachten von Herrn C.

Es ist mit Rücksicht auf den substantiierten Vortrag der Beklagten und NI schon denklogisch nicht nachvollziehbar, dass die im Ergänzungsgutachten berücksichtigten weiteren Variablen "Werbeausgaben für Drogerieartikel in Deutschland", "Industrieklimaindex für die chemische Industrie" und "Anzahl der Firma1-Filialen" jeweils zwischen 2004 und 2011 der eben dargestellten Kritik begegnen können. Wieso der branchenübergreifende Querschnitt von Werbeaufwendungen Anhaltspunkte für die zur Preisfestsetzung herangezogene Marktstärke der hier streitgegenständlichen Produkte liefern soll, wird nicht erläutert. Dies gilt umso mehr als der Gegengutachter C - unstreitig - klargestellt hat, dass die über viele Jahre aufgebaute Marktstärke eines Produkts nicht ohne weiteres mit dem über eine bestimmte Zeitperiode ermittelten Werbeaufwand erfasst werden kann. Hierauf gehen weder SV1 noch der Kläger überhaupt ein.

Auch auf die weiteren oben dargestellten Kritikpunkte, Ungereimtheiten und Widersprüche des Ausgangsgutachtens geht der Kläger und SV1 nicht ein:

(4.4.2.)

Der Kritik an der intransparenten Zusammensetzung der Produktbündel und an der inkonsistenten und künstlich erzeugten Erzeugung von Preisreihen begegnet der Kläger mit der schlichten Aussage, die Daten von Firma1 seien nicht artifiziell gewesen, was aber einen anderen, hier nicht relevanten Gesichtspunkt betrifft.

(4.4.3.)

Zu dem Einwand, dass die "trennscharf" monatsbezogene Entwicklung der Erzeugerpreise weder die Realität der Preisbildung zwischen Firma1 und den Beklagten in den Jahresverhandlungen widerspiegelt und dort auch nicht thematisiert worden ist, äußert sich der Kläger gar nicht.

(4.4.4.)

Die von den Beklagten und NI aufgedeckte Ungereimtheit, dass "negative Schäden" von Firma1 in den Schadensberechnungen von SV1 unterdrückt worden sind, wird weder in der Replik des Klägers noch in der SV1 -Replik (Anlage KR 30 AO 8 d. A., Ziffer 2, S. 55) überhaupt aufgegriffen.

(4.4.5.)

Gleiches gilt für den von den Beklagten herausgearbeiteten Widerspruch in dem Ausgangsgutachten, das einen Kartellschaden auch für Zeiträume festgestellt hatte, an denen die jeweils Betroffenen überhaupt nicht an dem Informationsaustausch beteiligt waren. Das Ergänzungsgutachten geht darüber schlicht mit dem Bemerken hinweg, man habe nun diese Zeiträume aus der Schadensberechnung herausgenommen, äußert sich aber mit keinem Wort zu dem nachvollziehbaren Vorwurf, dass damit bereits die Methodik und die Anknüpfungstatsachen des Ausgangsgutachtens durchgreifenden Zweifeln ausgesetzt ist.

(4.4.6.)

Auch der Verweis der Beklagten und NI, dass sich das von SV1 gefundene Ergebnis einer ca. 10% "overcharge" mit Rücksicht auf die allgemeine Konditionenentwicklung nicht als plausibel erklären lässt, wird in den Repliken des Klägers und von SV1 nicht einmal aufgegriffen.

(4.4.7.)

Letztlich gilt das gleiche für die im Gegengutachten von Firma26 und den anderen Privatgutachtern der Beklagten und Nebenintervenienten substantiell vorgebrachten Einwände gegen die Robustheit des von SV1 verwendeten Berechnungsmodells. Die häufige Wiederholung des Satzes: "SV1 hat eine belastbare Schadenstheorie vorgelegt." in der Replik des Klägers kann einen substantiierten Parteivortrag nicht ersetzen.

(5) keine weitergehende Sachverhaltsaufklärung

Es sind aufgrund der vom Kläger letztlich nicht substantiell bestrittenen Einwände der Beklagten im Ergebnis durchgreifende Zweifel geblieben, ob die Privatgutachterin SV1 des Klägers einen zutreffenden Untersuchungsansatz gewählt und ob sie von korrekten Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist. Da der Kläger somit nicht substantiiert darlegen konnte, dass ihm überhaupt ein Kartellschaden entstanden ist und da auch die weiteren oben behandelten Umstände dies nicht nahelegen, sieht der Senat keinen Anlass, dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens für seinen Kartellschaden nachzugehen oder gar von Amts wegen aufzuklären, ob Firma1 einen Nachteil erlitten haben könnte, der auf den Informationsaustausch zurückgehen kann (vgl. dazu BGH, Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 36).

ee) Gesamtbetrachtung aller indiziellen Umstände

Hiernach vermag der Senat den Feststellungen des Bundeskartellamtes sowie dem Parteivortrag keine indiziellen Umstände zu entnehmen, die für sich betrachtet eine gesicherte Grundlage für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines bei Firma1 infolge des hier in Rede stehenden Informationsaustauschs eingetretenen kausalen Schadens liefern. Auch in der Gesamtschau aller zu berücksichtigenden Umstände ist der Senat nicht mit der nach § 287 ZPO erforderlichen Wahrscheinlichkeit von einem ursächlich mit dem Kartellverstoß zusammenhängenden Schaden überzeugt.

5. Gesamtschuld

Ohne dass dies für die Überzeugungsbildung des Senats eine Rolle gespielt hat, weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Der Kläger hat nicht schlüssig dargelegt, warum die Beklagten als Gesamtschuldner für alle Beschaffungsvorgänge aller Beklagten und NI in dem Zeitraum vom März 2004 - Dezember 2007 unabhängig von einem Wettbewerbsverhältnis haften sollten.

Der Ansatz des Klägers, die vom Bundeskartellamt als einheitliche Zuwiderhandlung bewertete Tat zivilrechtlich zur Begründung einer Gesamtschuld heranzuziehen, geht fehl.

Er berücksichtigt nicht, dass die hier festgestellte Grundabrede ausschließlich beinhaltet, sich im Rahmen der regelmäßig stattfindenden KWR-Sitzungen über sensible Daten wie den Stand der jeweiligen Jahresvereinbarungen, geplante Bruttolistenpreiserhöhungen und Sonderforderungen auszutauschen. Hierauf ist das durch die einvernehmliche und unwidersprochene Teilnahme bzw. Praxis begründete Einverständnis gerichtet. Dieses kann zwar anknüpfend an das jeweilige Potential eines Kollusionsergebnisses eine bezweckte oder bewirkte Beschränkung des (Geheim)Wettbewerbs darstellen, was innerhalb des - im Kartellordnungswidrigkeitenverfahren so betrachteten - einheitlichen Verstoßes mehrere Teilverstöße beinhaltet. Zivilschadensersatzrechtlich sind aber diese Teilverstöße in den Blick zu nehmen, da nur diese auf konkrete Vermögensnachteile fokussiert sind (vgl. BGH, Urt. v. 14.04.1954 - VI ZR 26/53 = NJW 1954, 1033). Das zivilrechtlich entscheidende Deliktsgeschehen ist nicht "dem Kartell" oder "dem Informationsaustausch" als solchen zu entnehmen, sondern anhand des Erfolgsunrechts, also des Eintritts eines Vermögensschadens, zu bestimmen (so Paul in: Fuchs/Weitbrecht, HdB private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 5 Rn. 242).

Dieses Erfolgsunrecht zeigt sich bei einem bloßen Informationsaustausch aber noch nicht anhand des Austauschs als solchen, sondern setzt ein durch den Austausch gestütztes bzw. unterstütztes kollusives Verhalten der Beteiligten voraus. Es ist daher bei der zivilrechtlichen Haftung nicht möglich, auf einen Verstoß abzustellen, der die konkrete Verständigung der Beteiligten auf Koordinierungsmodalitäten ihres Wettbewerbsverhaltens bezogen auf ein konkretes Geschäft überhaupt nicht beschreibt.

Die hier festgestellte Grundabrede hat weder individuelle Preisverhandlungen, Wettbewerbs- und Marktverhältnisse noch die diesbezüglichen Beteiligungen der verschiedenen KWR-Mitglieder an etwaigem kollusiven Wettbewerbsverhalten im Blick. Dies unterscheidet die hiesige Grundabrede etwa von derjenigen im Schienenkartell, wonach der dortige langjährig praktizierte Ablauf eines Systems wechselseitiger Mitteilungen der Schutzangebots- und Zuschlagspreise häufig keiner auf ein konkretes Projekt bezogenen ausdrücklichen Absprache mehr bedurfte (vgl. BGH Schienenkartell II, a.a.O., Rn. 43). Es geht um die Kausalität des Schadens, die davon abhängt, wie weit die Verursachungsbeiträge zeitlich zurück oder in die Zukunft wirken und wie weit Verursachungsbeiträge eines nicht auf dem den Schaden betreffenden Markt tätigen Unternehmens für die Schäden auf den entfernteren Märkten reichen (vgl. Weitbrecht in: Fuchs/Weitbrecht, HdB private Kartellrechtsdurchsetzung, 1. Aufl. 2019, § 15 Rn. 124).

In Konsequenz dessen wäre eine gesamtschuldnerische Haftung der einzelnen Beklagten nur soweit gegeben, wie die jeweiligen Wettbewerbsbeziehungen und die zeitlichen Beteiligungen reichen. Entsprechend hätte der Kläger seine Klageanträge differenzieren müssen, wovon er trotz entsprechender Einwände der Beklagten und NI bewusst abgesehen hat.

6. Nebenentscheidungen

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

7. Revision

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Entscheidung beruht auf einer einzelfallbezogenen Auswertung des Parteivorbringens auf der Grundlage der in den zitierten Entscheidungen enthaltenen höchstrichterlichen Vorgaben.