AG Darmstadt, Beschluss vom 10.10.2019 - 53 F 1142/19 UK
Fundstelle
openJur 2020, 45445
  • Rkr:
Tenor

1.

Der Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt - 53 F 1014/13 UK - vom 5.12.2013 wird hinsichtlich der Entscheidung zu Ziff. 2. mit Wirkung zum 1.5.2019 dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, an die Antragstellerin die Kosten der privaten Krankenversicherung bei der F Krankenversicherung a.G. in Höhe von derzeit monatlich 120,32 € zuzüglich Selbstbehalt in Höhe von derzeit 306 € pro Kalenderjahr zu zahlen.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

2.

Der Widerantrag wird zurückgewiesen.

3.

Von den Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin 40%, der Antragsgegner 60 % zu tragen.

4.

Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Gründe

I.

Die 2013 geborene Antragstellerin ist die Tochter des Antraggegners, welche im Haushalt ihrer Mutter lebt und von dieser betreut und versorgt wird. Mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom 5.12.2013 (53 F 1014/13 UK) wurde dem Antragsgegner u. a. aufgegeben für seine minderjährige Tochter monatlich 160 % des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes sowie für die seit der Geburt der Tochter bestehende private Krankenversicherung monatlich 67,01 € zuzüglich eines Selbstbehalts i.H.v. 306 € im Jahr zu zahlen. Die Beiträge der privaten Krankenversicherung für die Antragstellerin haben sich mittlerweile erhöht auf monatlich 120,32 €. Seit März 2019 ist der ehemals privat krankenversicherte Antragsgegner in eine gesetzliche Krankenversicherung gewechselt und zahlt seit Mai 2019 keine Beiträge für die private Krankenversicherung seiner Tochter mehr.

Die Antragstellerin meint,

der Antragsgegner sei trotz seines Wechsels in die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet, weiterhin ihre Kosten der privaten Krankenversicherung rückwirkend zum 1. Februar 2019 zu erstatten. Als selbständiger Zahnarzt sei er hierzu nach wie vor wirtschaftlich in der Lage, zumal er eine Verschlechterung seiner Einkünfte nicht substantiiert dargelegt habe. Im Übrigen solle der Antragsgegner als Vater doch ein Interesse an der Fortführung der privaten Krankenversicherung seiner Tochter haben, nachdem er in einem vor dem erkennenden Gericht anhängigen Sorgerechtsverfahren ständig auf deren Therapiebedürftigkeit poche.

Die Antragstellerin beantragt:

Der Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt - 53 F 1014/13 UK - vom 5.12.2013 wird hinsichtlich der Entscheidung zu Ziff. 2. und rückwirkend zum 1.2.2019 dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, an die Antragstellerin die Kosten der privaten Krankenversicherung bei der F Krankenversicherung a.G. in Höhe von derzeit monatlich 120,32 € zuzüglich Selbstbehalt in Höhe von derzeit 306 € pro Kalenderjahr zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Widerantragstellend beantragt er,

den Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt - 53 F 1014/13 UK - vom 5.12.2013 hinsichtlich der Entscheidung zu Ziff. 2. dahingehend abzuändern, dass er ab dem 1.3.2019 nicht mehr verpflichtet ist, die Kosten der privaten Krankenversicherung bei der F Krankenversicherung zu zahlen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Widerantrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner meint,

die Kosten der privaten Krankenversicherung für die Antragstellerin nicht mehr tragen zu müssen, da er seit dem 1.3.2019 im Hinblick auf einen Einkommensrückgang bei seinen Einkünften als selbständiger Zahnarzt nunmehr gesetzlich krankenversichert und die Antragstellerin daher mit ihm familienversichert sei. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimme sich für das Kind nach der Lebensstellung der Eltern. Der Bedarf minderjähriger Kinder richte sich nach den Einkommensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Mit Bekanntgabe seines Wechsels in die gesetzliche Krankenversicherung hätte die Mutter der Antragstellerin die private Krankenversicherung für die Tochter kündigen müssen, so dass seine weitere Inanspruchnahme treuwidrig sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1.

Der Abänderungsantrag der Antragstellerin ist zulässig, da sie eine Erhöhung der privaten Krankenversicherungskosten im Vergleich zur gerichtlichen Entscheidung vom 5.12.2013 behauptet.

Der Abänderungsantrag ist auch überwiegend begründet.

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Zahlung der Kosten der privaten Krankenversicherung ab Mai 2019 in Höhe von monatlich 120,32 € zuzüglich eines Selbstbehalts i.H.v. 306 € im Jahr.

Der Antragsgegner zahlt ausweislich des im Tenor genannten Beschlusses des erkennenden Gerichts vom 5.12.2013 für die Antragstellerin einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 160 % des jeweiligen Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergeldes (Tenor zu Z. 1. der genannten Entscheidung) sowie Kosten der privaten Krankenversicherung in Höhe von monatlich 67,01 zuzüglich Selbstbehalt i.H.v. 306 € pro Jahr (Tenor zu Z. 2. der genannten Entscheidung).

Die Kosten der privaten Krankenversicherung haben sich für die Antragstellerin nunmehr auf monatlich 120,32 € zuzüglich eines Selbstbehalts i.H.v. 306 € im Jahr erhöht.

Diese Kosten für die private Krankenversicherung sind in den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle grundsätzlich nicht enthalten, weil davon ausgegangen wird, dass das minderjährige Kind nach § 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB in der gesetzlichen Familienversicherung gegen Krankheit mitversichert ist.

Der Beklagte ist verpflichtet, die Kosten für die Privatversicherung seiner Tochter aufzubringen, da es sich dabei um angemessenen Unterhalt im Sinne von § 1610 Abs. 1 BGB handelt. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). Der angemessene Unterhalt eines Kindes richtet sich nach seiner unter Umständen wechselnden Lebensstellung, gewöhnlich leiten Minderjährige ihren angemessenen Lebensbedarf von den Eltern ab.

Hierbei gilt nach § 1612 Abs. 1 S. 2 BGB zwar grundsätzlich, dass ein Barunterhaltspflichtiger verlangen kann, dass ihm die Gewährung des Unterhalts ganz oder teilweise in anderer Art, z.B. in Form einer Sachleistung, gestattet wird, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen. Nach herrschendem Verständnis wird diese Vorschrift als gesetzliche Grundlage dafür angesehen, dass ein erwerbstätiger Elternteil den Krankenversicherungsschutz seines Kindes durch Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse sicherstellen kann (Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., § 2 Rn. 16).

Welche besonderen Gründe es im vorliegenden Fall rechtfertigen sollen, dass die Antragstellerin von der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln muss, hat der Antragsgegner nicht substantiiert darlegen können.

Denn eine private Krankenversicherung gehört grundsätzlich zu einem angemessenen Unterhalt der Kinder (OLG Frankfurt am Main, FamRZ 2013, 138). Die Antragstellerin ist seit ihrer Geburt privat krankenversichert; auch der Antragsgegner war von der Geburt der Antragstellerin an bis hin zum Jahre 2019 privat krankenversichert. Erst seit März 2019 ist in die gesetzliche Krankenversicherung gewechselt, wobei in diesem Zusammenhang nicht klar ist, ob es sich hierbei um eine Pflichtversicherung oder eine freiwillige Versicherung handelt. Auch die Gründe des Antraggegners für den Wechsel von der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche Krankenversicherung bleiben unscharf. Zwar behauptet der Antragsgegner in diesem Zusammenhang, der Wechsel der Krankenversicherung habe mit einem Rückgang seiner Einkünfte als selbständiger Zahnarzt zu tun. Gleichzeitig ist jedoch in diesem Zusammenhang festzustellen, dass der Antragsgegner als selbständiger Zahnarzt nach wie vor wirtschaftlich in der Lage ist, den Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle (160 %) für seine Tochter in finanzieller Hinsicht aufzubringen. Die lapidare und im Übrigen von der Gegenseite bestrittene Behauptung, seine Einkünfte hätten sich verschlechtert, sind zum einen nicht substantiiert dargelegt und zum anderen für die Höhe des geschuldeten Unterhalts ohne Relevanz, da er - wie erwähnt - offensichtlich in der Lage ist, den titulierten Höchstbetrag nach wie vor zu erbringen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsgegner nach wie vor in guten Einkommensverhältnissen lebt, etwas anderes hat er jedenfalls nicht dargelegt.

Das erkennende Gericht verkennt im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht der privaten Krankenversicherungskosten nicht, dass nach der Rechtsprechung das Kind auf den Wechsel in eine gesetzliche Krankenversicherung verwiesen werden kann, wenn diese in Kombination mit einer privaten Zusatzversicherung keine Nachteile im Leistungsumfang erbringt (OLG Frankfurt am Main, a.a.O.; OLG Koblenz FamRZ 2010, 1457).

Den Abschluss einer privaten Zusatzversicherung auf seine Kosten hat der Antragsgegner für seine Tochter gar nicht erst angeboten, jedenfalls ergibt sich dies nicht aus der Akte. Darüber hinaus ist im vorliegenden Verfahren auch von Bedeutung, dass es aus dem Verfahren 53 F 500/19 SO gerichtsbekannt ist, dass die Antragstellerin trotz positiver Entwicklung ihres Gesundheitszustandes sich seit geraumer Zeit in psychotherapeutischer Behandlung befindet, zunächst bei Dr. H, nunmehr bei der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Frau Dr.P. Die Antragstellerin ist durch die Trennung und Scheidung ihrer Eltern und die ständigen Streitigkeiten zwischen ihnen in einer besonderen Belastungssituation, was die psychotherapeutische Behandlung bedingte und auch noch bedingt.

Da die privaten Krankenversicherungen im Vergleich zu den gesetzlichen Krankenversicherungen über unterschiedliche Leistungen und unterschiedliche Tarife verfügen, wäre es zunächst einmal Sache des Antraggegners gewesen, im Einzelnen darzulegen, dass der Leistungskatalog der von ihm gewählten gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber dem Leistungskatalog der privaten Krankenversicherung seiner Tochter im Hinblick auf ihre oben geschilderten Beeinträchtigungen gesundheitlicher Art keine Nachteile enthält.

Im Ergebnis ist damit nach Auffassung des Gerichts zu konstatieren, dass die seit der Geburt des Kindes bestehende private Krankenversicherung, die nicht von den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle umfasst ist, einen angemessenen Unterhalt für die Antragstellerin darstellt, zumal der Antragsgegner weder die Gründe für seinen Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung noch den Rückgang seiner Einkünfte als selbständiger Zahnarzt substantiiert darlegt. Insoweit ist ein Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung für das Gericht nicht nachvollziehbar. Ebenso unterlässt der Antragsgegner eine substantiierte Darlegung dazu, dass durch einen Wechsel der Krankenversicherung für seine Tochter keinen Nachteil entsteht.

Der Antrag war allerdings zurückzuweisen, soweit die Antragstellerin eine Abänderung zum 1. Februar 2019 beansprucht. Tatsächlich kann sie eine derartige Abänderung erst seit Mai 2019 verlangen, da zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass der Antragsgegner die Beiträge für die private Krankenversicherung bis einschließlich April 2019 schon bei Antragserhebung erbracht hatte und er erst seit Mai 2019 die Beiträge nicht mehr zahlt. Dies ergibt sich aus dem eigenen Vortrag der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat zwar grundsätzlich ein Titulierungsinteresse für den geschuldeten Unterhalt (Krankenversicherungskosten), hätte dann aber in ihrem Antrag die vom Antragsgegner unstreitig erbrachten Zahlungen für Februar bis April 2019 in Abzug bringen müssen.

2.

Der Widerantrag des Antragsgegners ist zulässig, nachdem er eine Änderung der Verhältnisse dahingehend behauptet, nicht mehr privat sondern seit 1.3.2019 gesetzlich krankenversichert zu sein.

Der Widerantrag ist allerdings unbegründet. Der Antragsgegner schuldet der Antragstellerin trotz seiner für sich selbst seit 1.3.2019 abgeschlossenen gesetzlichen Krankenversicherung weiterhin die Kosten für deren private Krankenversicherung gemäß § 1610 BGB. Hierbei handelt es sich um einen seiner Tochter zustehenden angemessenen Unterhalt. Insoweit wird wegen den Einzelheiten auf die obigen Darlegungen des erkennenden Gerichts zu Ziff. 1. der Entscheidungsgründe zum Antrag der Antragstellerin auf Erstattung der privaten Krankenversicherungskosten verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG.

Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit folgt aus § 116 FamFG.

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