SG Marburg, Urteil vom 15.01.2020 - S 12 KA 230/18
Fundstelle
openJur 2020, 45419
  • Rkr:

1. Nach der unterschiedlichen Gestaltung der Planungsbereiche ist für die Prüfung eines Sonderbedarfs grundsätzlich am Bezug auf den - gesamten - Planungsbereich festzuhalten. Mit dem Absehen des Gesetzgebers von Landkreisen als Planungsbereich für alle Arztgruppen ist aber eine unterschiedliche Versorgungsdichte intendiert. Im Rahmen der spezialisierten fachärztlichen Versorgung können den Patienten daher auch Wege über 25 km zugemutet werden.

2. Bei ergänzenden oder Ermächtigungen ist die Versorgung in angrenzenden Planungsbereichen einzubeziehen, da es unerheblich ist, ob die vermeintliche Versorgungslücke von Leistungserbringern anderer Planungsbereiche gedeckt wird, solange sie nur gedeckt wird.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Genehmigung zur Erhöhung des Anstellungsumfangs des Herrn Dr. C., Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie, von 20 auf 40 Wochenstunden im Wege des Sonderbedarfs in der Raumordnungsregion Nordhessen.

Die Klägerin ist eine GmbH und Trägerin des A. MVZ mit Praxissitz in A-Stadt, A-Straße. Im Krankenhaus ist Herr Dr. med. D. C., geb. 1970 und jetzt 49 Jahre alt, als Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie im Umfang von 20 Wochenstunden beschäftigt. Er ist zudem in der Zweigpraxis am Standort des MVZ im Umfang von 20 Wochenstunden beschäftigt. Daneben ist das MVZ nach eigenen Angaben in den Bereichen Pädiatrie, Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Diabetologie, Urologie, Chirurgie, Neurochirurgie, Psychotherapie und Orthopädie tätig. Der Kläger ist ferner im Gesundheits- und Pflegezentrum E-Stadt gGmbH, E-Stadt, E-Straße, mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 6,25 Wochenstunden beschäftigt.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 09.02.2017 beim Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen die Genehmigung zur Erhöhung des Anstellungsumfangs des Herrn Dr. C. auf 40 Wochenstunden am Sitz der Zweigpraxis A-Straße, A-Stadt, im Wege des Sonderbedarfs zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Sie wies auf eine Spezialisierung auf die interdisziplinäre Versorgung der hämato-onkologischen Patienten und die sich über die Quartale II/15 bis IV/16 stetig erhöhten Fallzahlen des Herrn Dr. C. hin. Der nächste Vertragsarztsitz eines Facharztes für Hämatologie und Onkologie befinde sich in F-Stadt, 32,8 km entfernt, bzw. in Zweigniederlassung des Facharztes auch in G-Stadt (19,6 km), weitere Vertragsärzte seien in E-Stadt (22,8 km) und H-Stadt (31,6 km) niedergelassen. Auszugehen sei von einer durchschnittlichen Fallzahl von ca. 600 Patienten pro Quartal. Es sei mit einem Anstieg der Krebserkrankungen zu rechnen.

Die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Hessen empfahl, den Antrag abzulehnen. Sie führte unter Datum vom 05.04.2017 aus, Herr Dr. C. sei derzeit neben seiner Anstellung am MVZ auch als leitender Oberarzt bei den A. Kliniken tätig. In dieser Funktion sei ihm mit Schreiben des Erweiterten Landesausschusses (ELA) vom 18.02.2016 die Genehmigung zur Durchführung einer ambulanten Behandlung im Rahmen der Ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) gemäß § 116b Abs. 2 Satz V i.V.m. der Richtlinie Ambulante spezialfachärztliche Versorgung § 116b SGB V (ASV-RL) sowie Anlage la) onkologische Erkrankungen - Tumorgruppe 1 (Gastrointestinale Tumoren und Tumoren der Bauchhöhle) erteilt worden. Bis zum 30.06.2016 sei Herr Dr. C. darüber hinaus in der MVZ J. GmbH mit 10 Wochenstunden (Faktor 0,25) angestellt gewesen. Diese Tätigkeit sei ebf. in einer Zweigpraxis in A-Stadt ausgeübt worden. Eine im Juli 2015 beantragte Ermächtigung des Herrn Dr. C. sei von den Zulassungsgremien abgelehnt worden. Zur Beurteilung der Versorgungssituation sei grundsätzlich auf den Planungsbereich, hier Raumordnungsregion Nordhessen, abzustellen. Nach den aktuellen Beschlüssen des Landesausschusses vom 24.11.2016 bestehe mit 193,32 % eine fachinternistische Überversorgung. In der Raumordnungsregion Nordhessen mit 872.414 Einwohnern (Stand: 31.12.2015) seien 101 Fachinternisten mit insgesamt 81,75 Versorgungsaufträgen niedergelassen. Hiervon führten 32 Fachinternisten keinen Schwerpunkt, ein Fachinternist den Schwerpunkt Angiologie, ein Fachinternist den Schwerpunkt Endokrinologie, fünf Fachinternisten den Schwerpunkt Gastroenterologie, acht Fachinternisten den Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie, 21 Fachinternisten den Schwerpunkt Kardiologie, 21 Fachinternisten den Schwerpunkt Nephrologie, acht Fachinternisten den Schwerpunkt Pneumologie und zwei Fachinternisten den Schwerpunkt Rheumatologie. Zudem führe ein Arzt die Fachgebietsbezeichnung Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde. Die in der R+aumordnungsregion Nordhessen niedergelassenen Fachinternisten mit Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie verteilten sich wie folgt:

Landkreis/Stadt

Anzahl

Gewichtung

Entfernung

Schwalm-Eder-Kreis

2

1,25

G-Stadt, F-Stadt

1

0,75

19 km bzw. 33 km

A-Stadt Herr Dr. C.

1

0,5

Stadt K-Stadt

3

3

K-Stadt

3

3

58 km

Landkreis Waldeck-Frankenberg

3

1,75

H-Stadt

2

1,5

33 km

L-Stadt

1

0,25

71 km

Gesamtergebnis

8

6

Neben Herrn Dr. C. seien in einer Entfernung bis zu 33 km drei weitere Internisten mit Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie mit 2,25 Versorgungsaufträgen ansässig. Diese Wegstrecken seien noch zumutbar. Ferner verfügten in der Raumordnungsregion Nordhessen ein Frauenarzt in M-Stadt (85 km), sechs Urologen (K-Stadt - 58 km; N-Stadt - 49 km; O-Stadt - 59 km; P-Stadt - 46 km) und ein hausärztlich tätiger Internist (A-Stadt) über die Abrechnungsgenehmigung "onkologisch qualifizierter Arzt". Auf Anfrage dieser Ärzte hätten vier Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie sowie vier Ärzte, die über die Abrechnungsgenehmigung "onkologisch qualifizierter Arzt" verfügten, eine Stellungnahme abgegeben. Alle Ärzte hätten angegeben, über freie Kapazitäten zu verfügen, mit Wartezeiten zwischen einem Tag bis zu zwei Wochen, in einem Fall bis zu sechs Monaten bei elektiven Terminen. Akute Fälle würden sofort behandelt werden. Ein Arzt weise darauf hin, dass seine Praxis aufgrund seiner Neuniederlassung noch nicht ausgelastet sei und aufgrund dessen über freie Kapazitäten verfüge. Die Fallzahlen der Klägerin befänden sich in dem Zeitraum der Quartale IV/15 bis II/16 deutlich über dem hessischen Durchschnitt der Fachgruppe. So lägen die Fallzahlen in diesen Quartalen (Faktor 0,5 am A. MVZ sowie Faktor 0,25 am MVZ Obertor) bei 680, 724 bzw. 838 Fällen. Die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe liege, bezogen auf einen vollen Versorgungsauftrag, bei 719, 723 bzw. 763 Fällen. Im Quartal III/16 hätten die Fallzahlen des Klägers bei 700 Fällen (Faktor von 0,5 am A. MVZ) und der Fachgruppe bei 741 Fällen (voller Versorgungsauftrag) gelegen. Freie Kapazitäten könnten demnach nicht festgestellt werden. Dagegen habe die Abrechnungsanalyse der niedergelassenen Internisten mit Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie im Planungsbereich ergeben, dass die in zumutbarer Entfernung tätigen Fachinternisten über freie Kapazitäten verfügten, sodass deren Angaben über die Auslastung plausibel seien.

Die Klägerin erwiderte hierauf unter Datum vom 26.06.2017, nach den Zahlen der Beigeladenen zu 1) entfielen auf einen Onkologen rund 109.051,75 Patienten. Lege man die aktuellen Zahlen nach dem Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016 zu Grunde, seien bei einer Bevölkerungszahl von 100.000 Einwohnern über 6.000 Patienten mit Krebserkrankungen pro Jahr (Frauen und Männer) -Tendenz steigend - pro Facharzt für Hämatologie und Onkologie zu behandeln. Dies ergebe eine Quartalszahl von durchschnittlich 1.500 Fällen allein im GKV-Bereich. Damit allein, ferner durch die eigenen Fallzahlen, sei schon ein Versorgungsbedarf belegt. Für die Ermittlung des Sonderbedarfs sei allein auf den Einzugsbereich der Praxis, unabhängig von den Planungsbereichsgrenzen, abzustellen. Es seien damit weiterhin auch die vom BSG festgesetzten Grenzen von 25 km bei der Beurteilung der Versorgung von mulitmorbid erkrankten Patienten abzustellen. Die Versorgung im Schwalm-Eder-Kreis mit 180.000 Einwohnern und einer dann zu berücksichtigenden Fallzahl von durchschnittlich 10.800 Patienten pro Jahr, mithin 2.700 Patienten im Quartal für die beiden Fachärzte für Hämatologie und Onkologie, sei unzureichend, selbst wenn ihr Antrag genehmigt werden würde. Weitere Wegstrecken und damit Anfahrzeiten zur Behandlung seien Patienten mit onkologischen und hämatologischen Erkrankungen nicht zumutbar. Die Ausführungen zu den Ärzten, die eine Stellungnahme abgegeben hätten, seien mangels Konkretisierung, um welche Ärzte es hier überhaupt gehe und welche Qualifikationen diese aufwiesen bzw. ob diese überhaupt der Versorgungsmöglichkeit nachkämen, zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachvollziehbar und dürften daher keine Berücksichtigung finden.

Der Zulassungsausschuss lehnte mit Beschluss vom 27.06.2017 den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, anhand der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) werde ersichtlich, dass die Versorgung mit fachinternistischen Leistungen im Planungsbereich Raumordnungsregion Nordhessen sichergestellt sei. Es bestünden ausreichend Kapazitäten bei anderen Ärzten, auch im Hinblick auf das Fachgebiet des Herrn Dr. C.. Die Versorgungslücke müsse in der gesamten Breite eines Versorgungsbereiches bestehen, was hier nicht der Fall sei. Solange freie Kapazitäten bei den anderen Ärzten vorlägen, sei kein Raum für einen Sonderbedarf.

Hiergegen legte die Klägerin am 27.09.2017 unter weitgehender Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens Widerspruch ein.

Die Beigeladene zu 1) empfahl unter Datum vom 25.04.2018 erneut, den Antrag abzulehnen. Sie führte aus, nach den aktuellen Beschlüssen des Landesausschusses vom 14.12.2018 bestehe aktuell eine fachinternistische Überversorgung von 195,70 %. So seien im Planungsbereich Nordhessen mit seinen 872.414 Einwohnern aktuell 99 Fachinternisten mit insgesamt 82,5 Versorgungsaufträgen niedergelassen. Die internistische Versorgung sei demnach sichergestellt, weswegen ein lokaler Sonderbedarf auszuschließen sei. Auch ein qualifizierter Sonderbedarf liege nicht vor. Patienten im Bereich der spezialisierten Leistungen sollten nicht auf Versorgungsangebote verwiesen werden, die mehr als 50 km entfernt seien. Es seien auch die angrenzenden räumlichen Bereiche mit einzubeziehen. So seien auch die vier Internisten mit Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie in Q-Stadt, sowie eine Internistin mit Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie in E-Stadt zu berücksichtigen. Die Versorgungslage stelle sich wie folgt dar:

Landkreis/Stadt

Anzahl

Gewichtung

Entfernung

Schwalm-Eder-Kreis

2

1,25

G-Stadt, F-Stadt

1

0,75

19 km bzw. 33 km/18 Min.

A-Stadt Herr Dr. C.

1

0,5

Stadt K-Stadt

3

3

K-Stadt

3

3

58 km/47 Min.

Landkreis Waldeck-Frankenberg

3

1,75

H-Stadt

2

1,5

33 km/35 Min.

L-Stadt

1

0,25

71 km/1 St. 8 Min.

Marburg-Biedenkopf

4

3,5

Q-Stadt

4

3,5

45 km/52 Min.

Vogelsbergkreis

1

1

E-Stadt

1

1

23 km/26 Min.

Landkreis Hersfeld-Rotenburg

1

0,5

R-Stadt

1

0,5

39 km/43 Min.

Im näheren Umfeld der Praxis (33 km) seien somit vier Ärzte mit 3,25 Versorgungsaufträgen, zusätzlich zum hälftigen Versorgungsauftrag des Herrn Dr. C., tätig. Von einer unzureichenden Versorgung könne daher nicht ausgegangen werden. Auch insgesamt lasse sich an der örtlichen Situation erkennen, dass die Internisten mit Schwerpunkt Onkologie gut verteilt seien. Zwischen den jeweiligen Standorten bestünden 20-40 km Entfernung. Weite Wege für Patienten zum nächsten Arzt seien daher gerade nicht festzustellen. Die Fallzahlen des Klägers stellten sich im Vergleich zum hessischen Durchschnitt wie folgt dar:

Quartal

III/17

II/17

I/17

IV/16

Durchschnitt

Dr. D. C.

683

710

751

683

707

hessischer Durchschnitt

755

737

753

743

747

hälftiger hessischer Durchschnitt

378

369

377

372

374

Die Auslastung der Internisten mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie in der Raumordnungsregion Nordhessen liege bei 108,71 %. Dies liege vor allem an dem hohen Abrechnungsverhalten des Herrn Dr. C.. Werde dieser aus der Berechnung rausgenommen, liege das Abrechnungsvolumen der übrigen sieben Internisten mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie in der Raumordnungsregion Nordhessen bei 97,06 %. Somit seien bei mehreren Ärzten noch freie Kapazitäten anzunehmen. Eine Befragung der zwölf Onkologen im Planungsbereich Raumordnungsregion Nordhessen sowie in Q-Stadt und E-Stadt, von denen acht geantwortet hätten, hätte ergeben, dass fünf Ärzte die Notwendigkeit einer Sonderbedarfszulassung verneint hätten. Drei Ärzte hätten diesbezüglich keine Angaben gemacht. Vier Ärzte sähen den Planungsbereich Raumordnungsregion Nordhessen als ausreichend versorgt an. Vier hätten diesbezüglich keine Angaben gemacht. Fünf Ärzte hätten angegeben, dass A-Stadt ausreichend versorgt sei, wogegen sich bei dieser Frage drei Ärzte enthalten hätten. Vier Ärzte gäben an, noch über freie Kapazitäten zu verfügen, vier hätten freie Kapazitäten verneint. Die Ärzte, die noch über freie Kapazitäten verfügten, gäben an, noch bis zu 200 Patienten pro Quartal bzw. 20 % mehr aufnehmen zu können. Hiervon führe ein Arzt aus, lediglich zur Diagnostik seine Kapazitäten um 20 % erweitern zu können. Auch das Universitätsklinikum Q-Stadt und das Asklepios Klinikum Schwalm-Eder seien zu beachten. Die Kliniken seien gem. § 116b Abs. 2. Satz 1 SGBV berechtigt, die Diagnostik und Behandlung von Patienten ab dem vollendeten 18. Lebensjahr mit gastrointestinalen Tumoren und Tumoren der Bauchhöhle im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Leistungen zu erbringen. Erst seit dem 27.09.2017 sei eine Sonderbedarfszulassung für einen Internisten mit Schwerpunktbezeichnung Onkologie in Q-Stadt ausgesprochen worden. Im Planungsbereich Nordhessen sei vom Zulassungsausschuss erst kürzlich in einem anderen Verfahren ein zusätzlicher Sonderbedarf abgelehnt worden.

Die Beigeladene zu 1) führte auf Nachfrage des Beklagten unter Datum vom 07.05.2018 weiter aus, dass im Quartal III/17 30,75 % der Patienten des Herrn Dr. C. aus A-Stadt kämen, 10,10 % aus S-Stadt, 9,52 % aus T-Stadt, 7,47 % aus U-Stadt und 5,71 % aus V-Stadt. Die weiteren Patienten seien aus verschiedenen kleineren Orten im Umfeld von A-Stadt gekommen.

Der beklagte Berufungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen wies den Widerspruch mit Beschluss vom 09.05.2018, ausgefertigt am 28.06.2018, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, auszugehen sei von der Versorgungslage in der Raumordnungsregion Nordhessen, ergänzend seien die angrenzenden Bereiche anderer Planungsbereiche mit einzubeziehen. Eine Befragung der Ärzte habe ergeben, dass mehrere Ärzte angegeben hätten, noch über freie Kapazitäten von bis zu 200 Patienten pro Quartal zu verfügen bzw. die Leistungen um 20 % steigern zu können. Insb. die in H-Stadt niedergelassenen Onkologen Herr Prof. Dr. H. und Herr Dr. J. hätten angegeben, eine zeitnahe Versorgung onkologischer Patienten sicherstellen zu können. Diese Position hätten die genannten Ärzte auch in anderen ähnlich gelagerten Fällen vertreten. Ferner habe die Beigeladene zu 1) mitgeteilt, dass das gesamte Abrechnungsvolumen der in der Raumordnungsregion Nordhessen niedergelassenen Hämatologen/Onkologen bei Herausrechnung des Leistungsvolumens der Klägerin bei 97,06 % des hessischen Durchschnitts liege. Damit werde deutlich, dass in der Raumordnungsregion Nordhessen freie Kapazitäten im Bereich Hämatologie und Onkologie vorhanden seien. Beide genannten Aspekte, nämlich das Ergebnis seiner Umfrage wie auch die Tatsache, dass die in der Raumordnungsregion Nordhessen niedergelassenen Onkologen/Hämatologen bei landesweiter Betrachtung unterdurchschnittlich abrechneten, zeigten deutlich, dass die Bedarfssituation für die Schaffung eines weiteren hälftigen Versorgungsauftrages im Wege der Anerkennung eines Sonderbedarfs nicht bestünde. Hiergegen könne auch nicht eingewandt werden, dass der Kläger im Rahmen des von ihm derzeit wahrgenommenen hälftigen Versorgungsauftrages überdurchschnittlich abrechne. Alleine die Tatsache, dass in einer Praxis ein überdurchschnittliches Behandlungsvolumen zu konstatieren sei, während insgesamt im Vergleichsgebiet nur ein - leicht - unterdurchschnittliches Abrechnungsniveau erreicht werde, zeige lediglich, dass die Verteilung der Patienten ungleich sei, nicht aber, dass insgesamt eine zu geringe Behandlungskapazität bestehe. Aus diesem Grunde könne nicht davon ausgegangen werden, dass überdurchschnittliche Behandlungszahlen in einer Praxis für sich alleine genommen einen Sonderbedarf belegten. Auch mit dem Argument, für die Patienten im Raum A-Stadt sei ein wohnortnahes Angebot durch die Erteilung der beantragten Anstellungsgenehmigung in Sonderbedarf zu generieren, könne die Klägerin nicht gehört werden. Fakt sei, dass ein derartiges Behandlungsangebot durch den hälftigen Versorgungsauftrag des Herrn Dr. C. bereits existiere. Ggf. sei hier bei Überlastung durch Herrn Dr. C. selbst in geeigneten Fällen für eine Verteilung anfragender Patienten an weitere Leistungsanbieter Sorge zu tragen. Dies gelte insb. für anfragende Patienten, für welche die erwähnten alternativen Versorgungsangebote in ähnlicher Entfernung lägen wie die Praxis der Klägerin. Schließlich sei zudem darauf hinzuweisen, dass in dem von der Klägerin intendierten Standort in A-Stadt auch ein onkologisches ASV-Angebot bestehe, innerhalb dessen ebf Herr Dr. C. tätig sei. Auch dieses Angebot trage jedenfalls zum Teil zur Versorgung onkologischer Patienten bei.

Hiergegen hat die Klägerin am 23.07.2018 die Klage erhoben. Sie ist weiterhin der Auffassung, es bestehe ein Sonderbedarf. Ergänzend zu ihren Ausführungen im Verwaltungsverfahren trägt sie vor, bei acht Fachinternisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie und internistischen Onkologie im zugrunde zu legenden Planungsbereich sei bei 872.440 Einwohnern gegenwärtig von einer Arzt-Einwohner-Verhältniszahl von 1:109.052 auszugehen. Der "onkologisch verantwortliche Arzt" stelle keine Konkurrenz zum Leistungsangebot des Fachinternisten mit Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie dar, sondern sei als ergänzendes Leistungsangebot für die an Krebs erkrankten "eigenen" Patienten im individuellen versorgungs-bereichsrelevanten Schwerpunktbereich zu bewerten. Der Fachinternist mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie gehe dem "onkologisch verantwortlichen Arzt" als Spezialist vor, sein Leistungsspektrum sei daher unabhängig von denjenigen der onkologisch verantwortlichen Ärzte zu beurteilen. Jedenfalls fehle eine Analyse der Leistungserbringer zur Beurteilung einer möglichen Vergleichbarkeit des allenfalls anteilig angebotenen Versorgungsangebotes mit demjenigen des beantragten Sonderbedarfs. Die Abgrenzung der Bezugsregion werde nicht trennscharf vorgenommen. Sie gehe mit der Frage einher, welche Anfahrtswege dem Patienten zum Erreichen alternativer Leistungsangebote zumutbar seien. Die beantragten Leistungen seien als wohnortnah zu erbringende Leistungen zu qualifizieren, unabhängig von der Größe des Planungsbereichs. Insb. im Bereich der hämatologischen und onkologischen Erkrankungen gingen die entsprechenden Symptome und die kräftezehrenden Therapien und Behandlungen häufig mit Insuffizienzen einher, die es dem betroffenen Patienten im Vergleich zu Patienten mit anderen medizinischen Indikationen unverhältnismäßig erschwerten, weitere Wegestrecken zurückzulegen. Es seien nur diejenigen Leistungserbringer zu berücksichtigen, die im Radius von 25 km zum beantragten Vertragsarztsitz die antragsrelevanten Leistungen tatsächlich erbrächten. Dies seien neben Herrn Dr. C. lediglich die Leistungserbringer in G-Stadt (19 km Entfernung) sowie E-Stadt (23 km). Es fehle an einer Objektivierung bzw. Verifizierung der von den befragten Leistungserbringern gemachten Angaben. Der Fachgruppendurchschnitt der in Hessen tätigen Fachinternisten mit Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie werde der Höhe nach bestritten. Die Fallzahlen des Herrn Dr. C. belegten bereits einen Sonderbedarf. Seine Inanspruchnahme belege gerade, dass die Patienten nicht bereit seien, längere Anfahrtswege zu alternativen Leistungsangeboten zurückzulegen. Eine Abweisung von Patienten sei im Hinblick auf die freie Arztwahl bedenklich. Zum Zeitpunkt der Genehmigung des Sonderbedarfs in Q-Stadt sei ihr Antrag bereits lange anhängig gewesen. Es hätte deshalb eine Auswahlentscheidung erfolgen müssen. § 36 Bedarfsplanungs-Richtlinie enthalte keine Regelung, dass ggf. auch auf benachbarte Regionen, die anderen Planungsbereichen zugeordnet seien, abzustellen sei. Die Ausführungen des Bundessozialgerichtes in seinem Urteil unter Aktenzeichen B 6 KA 22/09 R seien keineswegs als nicht mehr einschlägig oder veraltet anzusehen, da im diesbezüglichen Urteil klargestellt worden sei, dass bei spezialisierteren Leistungen auch ein weiterer Radius als der für die dort bestimmte wohnortnahe Leistungserbringung von 25 km zugrunde gelegt werden könne. Der als wohnortnah zu qualifizierenden Breitenversorgung sei insofern Rechnung zu tragen, als dass selbige eben nicht mit längeren Anfahrtswegen einhergehen dürfe, sondern aufgrund der wohnortnahen Patientenbehandlung unter die vom Bundessozialgericht aufgestellten Grundsätze und Voraussetzungen für die wohnortnahe Patientenversorgung zu subsumieren sei. Sollte sich die Klage erfolgreich gestalten, werde Dr. C. seine Beschäftigung im stationären Bereich auf fünf Wochenstunden reduzieren und die Tätigkeit in E-Stadt beenden.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 09.05.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über ihren Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seinen angefochtenen Beschluss und trägt ergänzend vor, im Rahmen der Bedarfsprüfung und der Feststellung etwaiger Versorgungslücken sei als Planungsbereich die Raumordnungsregion Nordhessen zu Grunde zu legen. Gemäß § 36 Bedarfsplanungs-Richtlinie sei allerdings ggf. auch auf benachbarte Regionen, die anderen Planungsbereichen zugeordnet seien, abzustellen. Nach dem Absehen von Landkreisen als Planungsbereich für die spezialisierte fachärztliche Versorgung sei vom Gesetzgeber auch eine unterschiedliche Versorgungsdichte in den jeweiligen Versorgungsebenen intendiert. Gerade Im spezialisierten fachärztlichen Versorgungsbereich seien damit wesentlich größere Wegstrecken in Kauf zu nehmen. Er gehe nicht davon aus, dass innerhalb der fachärztlich-internistischen Versorgung eine Binnendifferenzierung bzgl. zumutbarer Entfernungen vorzunehmen sei. Er gehe von einem grundsätzlich weiten Einzugsbereich der jeweiligen Leistungserbringer dieser Versorgungsebene aus. Infolgedessen könne es keinerlei rechtlichen Bedenken begegnen, wenn er im Rahmen der Bedarfsprüfung insb. auch die Angebote der Praxis Professor Dr. H./Dr. J. in H-Stadt in einer Entfernung von 34 km vom Standort des Dr. C. mit in die Betrachtung einbezogen habe. Beide Ärzte hätten im Rahmen der Befragung in erheblichem Umfang freie Kapazitäten gemeldet und bekundet, zur Übernahme weiterer Patienten auch kurzfristig zur Verfügung zu stehen. Die Daten zum Fachgruppendurchschnitt würden von der Beigeladenen zu 1) errechnet. Es gebe keinen Anlass dazu, die Richtigkeit dieser statistischen Daten zu bestreiten. Alleine die hohe Auslastung eines Arztes bei Minderauslastung seiner Kollegen im selben Planungsbereich begründe grundsätzlich keinen weiteren Sonderbedarf. Wenn ein Vertragsarzt, dessen Kapazitäten voll ausgelastet seien, auf andere Vertragsarzte verweise, stellt dies keineswegs einen Eingriff in die freie Arztwahl dar. Durch das Versorgungsangebot der ASV werde ein Teilgebiet der Hämatologie/Onkologie im ambulanten Bereich abgedeckt, was bei der Beurteilung der Versorgungssituation selbstverständlich zu berücksichtigen sei. In dem Sonderbedarfszulassungsverfahren in Q-Stadt sei festgestellt worden, dass im Raum Q-Stadt/W-Stadt die Auslastung der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen insgesamt bei ca. 150 % liege. Außerdem hätten die in dieser Region niedergelassenen Hämatologen und Onkologen keine Einwände gegen die Erteilung der Sonderbedarfszulassung erhoben. Insofern lägen hier völlig andere Rahmenbedingungen vor als im vorliegenden Verfahren. Im Parallelfall habe er erst am 27.09.2017 positiv befunden, also an dem Tag, an welchem im vorliegenden Verfahren der Widerspruch eingelegt worden sei. Folglich habe er im Zeitpunkt seiner Entscheidung im Parallelverfahren keine Kenntnis davon haben können, dass im vorliegenden Verfahren das Begehren durch den Widerspruch weiterverfolgt werde. Im Übrigen sei der Beschluss über die Sonderbedarfszulassung in Q-Stadt in Bestandskraft erwachsen. Er gehe davon aus, dass die Novellierung der Bedarfsplanungs-Richtlinie auch dazu führen müsse, dass die den Patienten zuzumutenden Wegstrecken jeweils in Abhängigkeit von dem Versorgungsangebot zu sehen seien, welches der Patient konkret benötige. Je nachdem, welche Facharztgruppe dieses Versorgungsangebot erbringen könne, könne nur im Einzelfall festgestellt werden, welche Entfernungen zur Praxis als zumutbar angesehen werden könnten. Entscheidend für die Zuordnung einer vertragsärztlichen Leistung zu einem Planungsbereich sei allein die Fachgruppe, welcher der konkrete jeweilige Arzt angehöre und nicht das von ihm konkret vorgehaltene Leistungsangebot. Innerhalb des hämatologisch-onkologischen Leistungskataloges existiere kein Stufenverhältnis in dem Sinne, dass einige Leistungen keiner weiteren speziellen medizinischen Indikation unterlägen und deshalb einer andersartigen Bedarfsplanung.

Die Beigeladenen haben sich zum Verfahren schriftsätzlich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 26.07.2018 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Gründe

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 09.05.2018 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Widerspruchs durch den Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Klage war daher abzuweisen.

Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Sonderbedarfszulassung ist § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 36 BedarfsplRL. Nach § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien Bestimmungen über Vorgaben für die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze, soweit diese zur Gewährleistung der vertragsärztlichen Versorgung in einem Versorgungsbereich unerlässlich sind, um einen zusätzlichen lokalen oder einen qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarf insb. innerhalb einer Arztgruppe zu decken. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) v. 22.12.2011, BGBl. I 2011, 2983 hat der Gesetzgeber die Bindung der Planungsbereiche an die Stadt- und Landkreise aufgegeben. Die regionalen Planungsbereiche, auf die bei der Ermittlung des Versorgungsgrades abzustellen ist, sind vom Gemeinsamen Bundesausschuss vorzugeben (§ 101 Abs. 1 Satz 6 SGB V und § 12 Abs. 3 Satz 2 Ärzte-ZV). Diesem Auftrag ist der Gemeinsame Bundesausschuss mit der Richtlinie über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie) in der Neufassung vom 20. Dezember 2012, veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT v. 31.12.2012, B7), in Kraft getreten am 1. Januar 2013, zuletzt geändert durch Beschl. v. 05.12.2019 (BAnz AT 20.12.2019 B9, in Kraft getreten am 21.12.2019), nachgekommen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit Beschluss vom 16.05.2013 (BAnz AT 03.07.2013 B5) die §§ 36 und 37 BedarfsplRL neu gefasst. Die durch Beschl. v. 16.05.2019 (BAnz AT 28.06.2019 B6), in Kraft getreten am 30.06.2019 (Teil III.) ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung. In § 36 Abs. 4 Satz 2 BedarfsplRL wurde für die "geografischen Informationen" der Verweis "nach Anlage 7" aufgenommen. Nach den Tragenden Gründen werden in Anlage 7 exemplarische Indikatoren für Raumanalysen beschrieben. U.a. seien auch Indikatoren aus einem Gravitationsmodell benannt, welches im Gutachten zur Quantifizierung von Mitversorgungsbeziehungen eingesetzt worden sei (vgl. GBA, Tragende Gründe zum Beschl. v. 16.05.2019, S. 16, www.g-ba.de).

Die Übertragung der Befugnis zur Normkonkretisierung auf den Gemeinsamen Bundesausschuss ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch hinsichtlich der Sonderbedarfszulassung verfassungsgemäß, zumal der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß der Regelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragen selbst entschieden hat (vgl. BSG, Urt. v. 08.12.2010 - B 6 KA 36/09 R - BSGE 107, 147 = SozR 4-2500 § 101 Nr. 9 m.w.N., juris Rdnr. 14; BSG, Urt. v. 17.08.2011 - B 6 KA 26/10 R - SozR 4-2500 § 101 Nr. 11, juris Rdnr. 35; BSG, Urt. v. 09.02.2011 - B 6 KA 1/10 R - SozR 4-2500 § 101 Nr. 10, juris Rdnr. 25; BSG, Urt. v. 28.06.2000 - B 6 KA 35/99 R - BSGE 86, 242 = SozR 3-2500 § 101 Nr. 5, juris Rdnr. 31 m.w.N.; BSG, Urt. v. 28.06.2017 - B 6 KA 28/16 R - BSGE 123, 243 = SozR 4-2500 § 101 Nr. 19, juris Rdnr. 16). Die Bildung von Raumordnungsregionen als Planungsbereiche ist nicht zu beanstanden (vgl. BSG, Urt. v. 04.05.2016 - B 6 KA 24/15 R - BSGE 121, 54 = SozR 4-2500 § 103 Nr. 19, juris Rdnr. 43).

Nach § 36 BedarfsplRL darf der Zulassungsausschuss unbeschadet der Anordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss dem Zulassungsantrag eines Arztes der betreffenden Arztgruppe auf Sonderbedarf nach Prüfung entsprechen, wenn die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind und die ausnahmsweise Besetzung eines zusätzlichen Vertragsarztsitzes unerlässlich ist, um die vertragsärztliche Versorgung in einem Versorgungsbereich zu gewährleisten und dabei einen zusätzlichen lokalen oder einen qualifikationsbezogenen Versorgungsbedarf zu decken. Sonderbedarf ist als zusätzlicher Versorgungsbedarf für eine lokale Versorgungssituation oder als qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf festzustellen (§ 101 Absatz 1 Nr. 3 SGB V). Die Feststellung dieses Sonderbedarfs bedeutet die ausnahmsweise Zulassung eines zusätzlichen Vertragsarztes in einem Planungsbereich trotz Zulassungsbeschränkungen (§ 36 Abs. 1 BedarfsplRL). Bei der Feststellung von Sonderbedarf sind folgende Mindestbedingungen zu beachten:

1.

Abgrenzung einer Region, die vom beantragten Ort der Niederlassung aus versorgt werden soll und Bewertung der Versorgungslage (Feststellung einer unzureichenden Versorgungslage).

2.

Der Ort der Niederlassung muss für die beantragte Versorgung geeignet sein (Erreichbarkeit, Stabilität u.a.): Der Ort der Niederlassung muss strukturelle Mindestbedingungen erfüllen; der Einzugsbereich muss über eine ausreichende Anzahl an Patienten verfügen; dabei sind die Auswirkungen auf bestehende Versorgungsstrukturen zu berücksichtigen (§ 36 Abs. 3 BedarfsplRL).

Das Tatbestandsmerkmal "unerlässlich" ist auf das in Deutschland vorhandene, an den Bedürfnissen der Patienten ausgerichtete Versorgungsniveau zu beziehen. Eine Auslegung in der Weise, dass nur reale Versorgungsnotstände behoben werden dürften, ist nicht geboten. Es handelt sich um keine reine Notstandsregelung. Vielmehr darf die Konkretisierung dieser Regelung auch an den Versorgungsbedürfnissen der Patienten unterhalb dieser Schwelle ausgerichtet sein. So darf der Gemeinsame Bundesausschuss den Interessen der Patienten an zumutbaren Wartezeiten auch auf nicht vital indizierte Untersuchungen und an einem flächendeckenden Angebot an Dialyseplätzen Rechnung tragen (vgl. BSG, Urt. v. 17.08.2011 - B 6 KA 26/10 R - juris Rn. 41 - SozR 4-2500 § 101 Nr. 11; Wenner, Fs. Eichenhofer, 2015, 707 f.).

Der Zulassungsausschuss hat bei der Ermittlung aller entscheidungsrelevanten Tatsachen eine umfassende Ermittlungspflicht. Die Feststellung soll der Zulassungsausschuss auch unter Zuhilfenahme von geografischen Informationen, die die räumlichen Interaktionen zwischen Ärzten und Patienten abbilden, treffen. Ein lokaler oder qualifikationsbezogener Sonderbedarf setzt voraus, dass aufgrund von durch den Zulassungsausschuss festzustellenden Besonderheiten des maßgeblichen Planungsbereichs (z. B. in Struktur, Zuschnitt, Lage, Infrastruktur, geografische Besonderheiten, Verkehrsanbindung, Verteilung der niedergelassenen Ärzte) ein zumutbarer Zugang der Versicherten zur vertragsärztlichen Versorgung nicht gewährleistet ist und aufgrund dessen Versorgungsdefizite bestehen. Bei der Beurteilung ist den unterschiedlichen Anforderungen der Versorgungsebenen der §§ 11 bis 14 Rechnung zu tragen (§ 36 Abs. 4 BedarfsplRL). Die Sonderbedarfszulassung setzt ferner voraus, dass der Versorgungsbedarf dauerhaft erscheint. Bei vorübergehendem Bedarf ist von der Möglichkeit der Ermächtigung Gebrauch zu machen (§ 36 Abs. 5 BedarfsplRL). Die Zulassung wegen qualifikationsbezogenem Sonderbedarf hat mit der Maßgabe zu erfolgen, dass für den zugelassenen Vertragsarzt nur die ärztlichen Leistungen, welche im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand stehen, abrechnungsfähig sind (§ 36 Abs. 6 BedarfsplRL). Bei der Prüfung auf Sonderbedarf nach Absatz 3 bleibt eine mögliche stationäre Leistungserbringung in Krankenhäusern außer Betracht. Die Vorgaben des § 22 und des geltenden Bedarfsplans zur Anrechnung angestellter und ermächtigter Ärzte und Einrichtungen bleiben unberührt (§ 36 Abs. 9 BedarfsplRL), was hier allerdings dahingestellt bleiben kann, da Ermächtigungen nicht berücksichtigt wurden.

Wesentliche Voraussetzung ist danach ein zusätzlicher lokaler oder qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf, der dauerhaft erscheint.

Bei der Feststellung eines besonderen Versorgungsbedarfes steht den Zulassungsgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. BSG, Urt. v. 28.06.2017 - B 6 KA 28/16 R - BSGE 123, 243 = SozR 4-2500 § 101 Nr. 19, juris Rdnr 21 f.). Zur Ermittlung der Bedarfssituation ist es sachgerecht und statthaft, die bereits niedergelassenen Ärzte nach ihrem Leistungsangebot und der Aufnahmekapazität ihrer Praxen zu befragen. Diese Befragung hat sich grundsätzlich auf die gesamte Breite eines medizinischen Versorgungsbereichs und nicht nur auf einzelne spezielle Leistungen zu beziehen. Die Angaben der Ärzte sind aber als potentielle künftige Konkurrenten des Bewerbers um einen zusätzlichen Praxissitz nicht ohne weiteres als Entscheidungsgrundlage geeignet, sondern müssen sorgfältig ausgewertet, soweit möglich durch weitere Ermittlungen ergänzt und so objektiviert werden. Hierfür ist es erforderlich, etwa die Anzahlstatistiken der in Frage kommenden Vertragsärzte beizuziehen, um festzustellen, inwieweit im Bereich des streitigen Sonderbedarfs von diesen Ärzten Leistungen erbracht werden (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.2008 - B 6 KA 56/07 R - BSGE 102, 21 = SozR 4-2500 § 101 Nr. 3, juris Rdnr. 18; BSG, Urt. v. 28.06.2000 - B 6 KA 35/99 R - BSGE 86, 242 = SozR 3-2500 § 101 Nr. 5, juris Rdnr. 36 u. 38 -; LSG Nordrhein-Westfalen v. 14.07.2004 - L 11 KA 21/04 - GesR 2004, 526, juris Rdnr. 18; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28.02.2007 - L 11 KA 82/06 - juris Rdnr. 21). Die Ermittlungen dürfen sich ferner auch auf die gesamte jeweilige Gruppe der Gebietsärzte beziehen, die nach dem einschlägigen Weiterbildungsrecht befugt sind, die Leistungen eines streitigen Teilgebiets zu erbringen. Es kommt in erster Linie auf die tatsächliche Versorgungssituation in dem betreffenden Planungsbereich an, was nicht ausschließt, dass die sachkundigen Zulassungsgremien diesen Planungsbereich (analog § 12 Abs. 3 Satz 2 Ärzte-ZV) im Falle von Subspezialisierungen einzelner Fachgebiete überschreiten und auch die an den untersuchten räumlichen Bereich angrenzende Gebiete in ihre Überlegungen mit einbeziehen (vgl. BSG, Urt. v. 28.06.2000 - B 6 KA 35/99 R - BSGE 86, 242 = SozR 3-2500 § 101 Nr. 5, juris Rdnr. 36; LSG Sachsen, Beschl. v. 26.05.2005 - L 1 B 31/05 KA-ER - juris Rdnr. 18; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 25.04.2007 - L 10 KA 48/06 - juris Rdnr. 46).

Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, ob die durch Auslegung des Begriffs "besonderer Versorgungsbedarf" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und ob die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Entscheidungen der Zulassungsgremien sind daher hinzunehmen, wenn sie sich im Rahmen der Ermächtigung halten (vgl. BSG, Urt. v. 28.06.2000 - B 6 KA 35/99 R - BSGE 86, 242 = SozR 3-2500 § 101 Nr. 5, juris Rdnr. 34 m.w.N.; vgl. auch BSG, Urt. v. 09.02.2011 - B 6 KA 3/10 R - BSGE 107, 230 = SozR 4-5525 § 24 Nr. 2, juris Rdnr. 22).

Der Beklagte hat zutreffend einen Bedarf für einen weiteren hälftigen Versorgungsbedarf für das Fachgebiet Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie verneint.

Die Raumordnungsregion Nordhessen besteht aus der Stadt und dem Landkreis K-Stadt sowie den Landkreisen Werra-Meißner-Kreis, Waldeck-Frankenberg und Schwalm-Eder-Kreis und hat eine Bevölkerungszahl von 876.521 Einwohnern (Gebietsstand: 31.12.2017; vgl. www.destatis.de/kontakt).

Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass es maßgeblich auf die Bedarfssituation am Standort der Praxis der Klägerin ankommt. Für die Berücksichtigung der Versorgungssituation kommt es nicht auf die Situation einer einzelnen Praxis, sondern auf die Situation der Versicherten im Planungsbereich an. Selbst für den Begriff der "Versorgungsverbesserung" im Sinne einer Zweigpraxisgenehmigung (§ 24 Abs. 3 Ärzte-ZV) hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass ein Versorgungsbedarf nicht mit der Situation der eigenen Praxis begründet werden kann. Die Frage der Versorgungsverbesserung ist nicht für die spezielle Patientenschaft einer Praxis zu beurteilen, sondern abstrakt bezogen auf die im Einzugsbereich lebenden Versicherten als solche (vgl. BSG, Urt. v. 05.06.2013 - B 6 KA 29/12 R - BSGE 113, 291 = SozR 4-5520 § 24 Nr. 9, juris Rdnr. 30).

Auch aus einer rechnerischen Geringerversorgung des Planungsbereichs kann kein Sonderbedarf abgeleitet werden. Nach den Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung waren im Jahr 2018 1.259 Internisten mit dem Schwerpunkt Hämatologie/Internistische Onkologie tätig (vgl. http://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/html/16398.php; Angaben allerdings ohne Angabe des Umfangs des Versorgungsauftrags). Bei ca. 82 Mio. Einwohner in Deutschland ergibt dies eine rechnerische Versorgungsdichte (82 Mio. : 1.259) von einem Hämatologen/Internistischen Onkologen auf 65.131 Einwohner. Geht man von dieser Anhaltszahl aus, so würde sich für die Raumordnungsregion Nordhessen bei einer Bevölkerungszahl von 876 521 ein Bedarf (876 521 : 65.131) von 13,5 Hämatologen ergeben. Tatsächlich sind in der Raumordnungsregion Nordhessen ohne Berücksichtigung des Werra-Meißner-Kreises nur Hämatologen im Umfang von neun Versorgungsaufträgen tätig. Auf die tatsächliche rechnerische Versorgungsdichte kommt es aber nicht an. Den Regelungen zur Sonderbedarfszulassung liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Bedarf in einem überversorgten Planungsbereich bezogen auf die jeweilige Arztgruppe gedeckt ist und dass deshalb ein qualifikationsbezogener Sonderbedarf nur bezogen auf einzelne besondere Qualifikationen bestehen kann, die ihren Niederschlag in einer speziellen Weiterbildung oder Subspezialisierung nach der Weiterbildungsordnung gefunden haben. Das Instrument der Sonderbedarfszulassung zielt also nicht auf die Lösung systematischer Defizite in der Versorgung einer Region. Deshalb kann einem Antrag auf Sonderbedarfszulassung in einem wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereich nicht mit der Begründung entsprochen werden, dass die Versorgung generell und bezogen auf die gesamte Arztgruppe in quantitativ-allgemeiner Hinsicht nicht gedeckt sei (vgl. BSG, Urt. v. 11.09.2002 - B 6 KA 23/01 R - SozR 3-5520 § 20 Nr. 4, juris Rdnr. 18; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 11.02.2009 - L 11 KA 98/08 - juris Rdnr. 41).

Grundsätzlich können im Rahmen der spezialisierten ärztlichen Versorgung den Patienten auch Wege über 25 km zugemutet werden und kann die Versorgung durch Ärzte in anliegenden Planungsbereichen bzw. Raumordnungsregionen berücksichtigt werden.

Für allgemeine Leistungen hat sich das Bundessozialgericht wiederholt auf eine Entfernung von bis zu 25 km festgelegt. Versorgungsangebote, die mehr als 25 km entfernt sind, werden grundsätzlich nicht berücksichtigt. Bei größeren Entfernungen kommt eine Sonderbedarfszulassung in Betracht (vgl. BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 22/09 R - juris Rdnr. 24 - SozR 4-2500 § 101 Nr. 8; BSG, Urt. v. 08.12.2010 - B 6 KA 36/09 R - juris Rdnr. 20 - SozR 4-2500 § 101 Nr. 9; BSG, Urt. v. 29.06.2011 - B 6 KA 34/10 R - juris Rdnr. 17 - SozR 4-2500 § 119 Nr. 1).

Mit der Aufgabe der Bindung der Planungsbereiche an die Stadt- und Landkreise durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz sind die regionalen Planungsbereiche, auf die bei der Ermittlung des Versorgungsgrades abzustellen ist, vom Gemeinsamen Bundesausschuss vorzugeben (§ 101 Abs. 1 Satz 6 SGB V und § 12 Abs. 3 Satz 2 Ärzte-ZV). Mit der Flexibilisierung der Planungsbereiche wird eine Differenzierung nach Arztgruppen ermöglicht. Die Neudefinition der Planungsbereiche ist aber bei der Definition einer zumutbaren Wegstrecke zu berücksichtigen. Nach § 36 Abs. 4 Satz 3 BedarfsplRL ist bei der Beurteilung des Sonderbedarfs den unterschiedlichen Anforderungen der Versorgungsebenen der §§ 11 bis 14 Rechnung zu tragen (vgl. Wahrendorf, KrV 2014, 245). Aus der Begründung des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Zuordnung zu den Versorgungsebenen und damit unterschiedlich großen Planungsbereichen folgt, dass in der Zuordnung zu den Versorgungsebenen, abgesehen von den dort genannten Ausnahmen, auch eine Definition des Bedarfs zu sehen ist. Aufgrund des größeren Einzugsgebietes werden Anästhesisten, Radiologen und fachärztlich tätige Internisten der sog. spezialisierten fachärztlichen Versorgung zugeordnet. Die Zuordnung zur sog. Raumordnungsregion, was 96 großen, flächigen Gebieten entspricht, geht von der Annahme aus, dass diese in der Wechselwirkung städtischer und ländlicher Gebiete weitgehend ein eigenes Versorgungsgleichgewicht herstellen (vgl. GBA, Tragende Gründe zum Beschl. v. 20.12.2012, www.gb-a.de). Insofern dürfte es gerade innerhalb der vom Gesetzgeber dem Gemeinsamen Bundesausschuss eingeräumten Konkretisierungsbefugnis liegen, Vorgaben für die erwünschte Versorgungsdichte zu machen, was insofern auch mit der Entwurfsbegründung zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz übereinstimmt. Danach soll aufgrund der unterschiedlichen Bedeutung der Wohnortnähe für verschiedene ärztliche Angebote ermöglicht werden, bei der Größe der Planungsbereiche nach Arztgruppen zu differenzieren (vgl. BT-Drs. 17/6906, S. 74). Auch wenn nach der unterschiedlichen Gestaltung der Planungsbereiche zwar grundsätzlich am Bezug auf den - gesamten - Planungsbereich festzuhalten ist, ist mit dem Absehen von Landkreisen als Planungsbereich für alle Arztgruppen vom Gesetzgeber eine unterschiedliche Versorgungsdichte intendiert. Gerade im spezialisierten fachärztlichen Versorgungsbereich sind damit wesentlich größere Wegstrecken in Kauf zu nehmen. Dies legt eine Modifizierung der bisherigen Rechtsprechung zur Zumutbarkeit der Wegstrecken im Hinblick auf die Zuordnung zu den Versorgungsbereichen nahe, die die Zumutbarkeit an den Begriff des Bedarfs knüpft (vgl. Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 101 SGB V, Rn. 78). Im spezialisierten fachärztlichen Versorgungsbereich sind größere Wegstrecken in Kauf zu nehmen. Daher ist eine Modifizierung der bisherigen Rechtsprechung zur Zumutbarkeit der Wegstrecken im Hinblick auf die Zuordnung zu den Versorgungsbereichen veranlasst, die die Zumutbarkeit einer Wegstrecke auch an den Begriff des Bedarfs knüpft (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 11.01.2017 - L 12 KA 20/16 - juris Rdnr. 29; LSG Bayern, Urt. v. 11.01.2017 - L 12 KA 20/16 - juris Rdnr. 33; SG München, Urt. v. 12.04.2018 - S 38 KA 341/16 - juris Rn. 25 ff.).

Allerdings ist generell bei ergänzenden Zulassungen oder Ermächtigungen die Versorgung in angrenzenden Bereichen einzubeziehen, da es unerheblich ist, ob die vermeintliche Versorgungslücke von Leistungserbringern anderer Planungsbereiche gedeckt wird, solange sie nur gedeckt wird. Die Versorgung in benachbarten Planungsbereichen sollte deshalb berücksichtigt werden, weil es auf die lokalen und insoweit nicht durch die Grenzen des Planungsbereiches beschränkten Gegebenheiten ankommt (vgl. LSG Sachsen, Beschl. v. 30.07.2009 - L 1 B 786/08 KA-ER - juris Rdnr. 62; SG Marburg, Urt. v. 10.09.2008 - S 12 KA 49/08 - juris Rdnr. 37; SG Köln, Urt. v. 07.11.2008 - S 26 KA 4/08 - juris Rdnr. 12). Für die sog. defensive Konkurrentenklage stellt auch das BSG auf über den Planungsbereich hinausgehende Patientenströme ab (vgl. BSG, Urt. v. 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R - BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr. 4, juris Rdnr. 20 ff.). Nach LSG Hessen ist einem Krankenhausarzt eine bundesweit wirkende Ermächtigung zu erteilen, wenn dies erforderlich ist, um den Versicherten den Zugang zu speziellen ärztlichen Leistungen zu verschaffen (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 20.10.2010 - L 4 KA 68/09 - juris Rdnr. 49). Auch verlangt die Neudefinition der Planungsbereiche eine Modifizierung der Planungsbereichsbezogenheit angesichts der Größe der Planungsbereiche der spezialisierten (und der gesonderten fachärztlichen Versorgung) durch Bildung von Subbereichen. Dem trägt § 36 Abs. 3 Nr. 1 BedarfsplRL Rechnung, indem er die Zulassungsgremien verpflichtet, zur Feststellung einer unzureichenden Versorgungslage die "Abgrenzung einer Region", die vom beantragten Ort der Niederlassung aus versorgt werden soll, und eine Bewertung der Versorgungslage vorzunehmen. Damit wird ein Zusammenhang zwischen Örtlichkeit und Leistungsspektrum hergestellt. Zutreffend weist der Gemeinsame Bundesausschuss darauf hin, dass auch ein qualifikationsbezogener Sonderbedarf immer einen räumlichen Bezug aufweisen muss, da auch er sich auf die zu versorgenden Patienten einer Region bezieht (vgl. Tragende Gründe zum Beschl. v. 20.12.2012, S. 9, www.g-ba.de).

Von daher war es von der Kammer nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Versorgung durch die in H-Stadt - Entfernung zum Standort der Klägerin 33 km - und in den angrenzenden Planungsbereichen der Raumordnungsregion Osthessen (E-Stadt, 23 km und R-Stadt, 39 km) und der Raumordnungsregion Mittelhessen (Q-Stadt, 45 km) niedergelassenen Onkologen bei der Beurteilung der vorhandenen Versorgungskapazitäten einbezogen hat. Der Beklagte hat durch eine Befragung der Ärzte ermittelt, dass mehrere Ärzte noch über freie Kapazitäten von bis zu 200 Patienten pro Quartal verfügen bzw. die Leistungen um 20 % steigern können, insb. die in H-Stadt niedergelassenen Onkologen. Dies steht nicht in Widerspruch zu den Angaben der Beigeladenen zu 1), wonach das gesamte Abrechnungsvolumen der in der Raumordnungsregion Nordhessen niedergelassenen Hämatologen/Onkologen bei Herausrechnung des Leistungsvolumens der Klägerin bei 97,06 % des hessischen Durchschnitts liegt. Die ärztlicherseits genannten freien Kapazitäten werden insofern durch die Abrechnungsstatistiken bestätigt, da Durchschnittszahlen keine Obergrenzen angeben.

Für die mit einer Ärztin fachkundig besetzte Kammer folgt auch aus medizinischen Gründen keine Unzumutbarkeit der genannten Entfernungen, da im Regelfall die kontinuierliche Betreuung der onkologischen Patienten durch Hausärzte oder andere Fachärzte erfolgt. Notwendige Behandlungen durch Hämatologen/Onkologen sind im Regelfall nur in größeren zeitlichen Abständen erforderlich. Hinzu kommt die Lage des Standorts der klägerischen Praxis am südlichen Rand des Planungsbereichs in unmittelbarer Nähe zu den Raumordnungsregionen Osthessen und Mittelhessen. Ein Großteil der bisher von der Klägerin durch Dr. C. versorgten Patienten stammt aus A-Stadt selbst oder der umliegenden Gemeinden. Eine besondere Qualifikation, die auf einen überörtlichen Einzugsbereich hindeuten würde, ist nicht ersichtlich. Gegenteiliges hat auch die mündliche Verhandlung nicht ergeben.

Auf eine Arzt-Einwohner-Verhältniszahl kann bzgl. des streitbefangenen Schwerpunkts nicht abgestellt werden, da gerade für diesen keine eigenständige Arztgruppe gebildet wurde. Maßgeblich ist insofern, ob im anzunehmenden Einzugsbereich der Praxis ausreichende Versorgungskapazitäten vorhanden sind. Auf die Versorgung durch onkologisch verantwortliche Ärzte" hat der Beklagte seine Entscheidung nicht gestützt, so dass von der Kammer nicht zu prüfen war, ob diese gleichwertig oder nur ergänzend zu den Hämatologen und Onkologen tätig sind. Auf die Genehmigung des Sonderbedarfs in Q-Stadt kommt es nicht an, da diese Entscheidung bestandskräftig ist und von der Klägerin offensichtlich nicht angefochten wurde. Insofern kann auch dahingestellt bleiben, ob eine Auswahlentscheidung hätte erfolgen müssen.

Der Beklagte hat auch die noch maßgebliche Bedarfsplanung berücksichtigt. Der GBA fasste mit Beschl. v. 16.05.2019 (BAnz AT 28.06.2019 B6), in Kraft getreten am 30.06.2019 (Teil III.) als Folgeänderung zu den § 8 und 9 BedarfsplRL die Allgemeinen Verhältniszahlen für die Fachinternisten neu und setzte sie von 21.508 auf 14.437 herab. Deren Umsetzung hat durch die Landesausschüsse spätestens nach Ablauf von sechs Monaten seit Inkrafttreten zu erfolgen. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Hessen hat am 28.11.2019 unter Zugrundelegung des Arztstandes 01.10.2019 auf Basis der Bedarfsplanungs-Richtlinie 2012 (zuletzt geändert am 16.05.2019) einen Beschluss zur Anordnung und Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen gefasst. Für die Fachinternisten in der Raumordnungsregion Nordhessen haben sich dadurch keine freien Arztsitze ergeben.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO). Von dieser Möglichkeit ist Gebrauch zu machen, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat, wenn er allein oder mit anderen Beteiligten gesiegt hat oder das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2004, § 197a, Rdnr. 29). Zu berücksichtigen ist, ob der Beigeladene sich während des Verfahrens geäußert und auch Anträge gestellt hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.11.2002 - B 13 RJ 19/01 R - SozR 3-5795 § 10d Nr. 1, juris Rdnr. 44). Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Kosten sind ihnen nicht zu erstatten.

Die Sprungrevision war nach § 160 SGG zuzulassen, da eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage zumutbare Wege nach der Gesetzesänderung nicht vorliegt. Auch erscheint nach Auffassung der Kammer die Frage der Berücksichtigung angrenzender Planungsbereiche im Rahmen der Prüfung einer Sonderbedarfszulassung nach Neufassung der §§ 36, 37 BedarfsplRL nicht hinreichend geklärt und bedarf weiterer Konturierung.

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