Hessisches LSG, Urteil vom 25.10.2019 - L 5 R 332/17
Fundstelle
openJur 2020, 45411
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente.

Der 1957 geborene Kläger, deutscher Staatsangehöriger kasachischer Herkunft, siedelte am 21. November 1993 in die Bundesrepublik Deutschland über. Er ist als Spätaussiedler nach § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) anerkannt.

Ausweislich der Eintragungen in seinem russischen Arbeitsbuch war der Kläger im Herkunftsgebiet wie folgt beschäftigt:

03.09.1973 bis 30.11.1973

Ausbildung im Lehrpunkt beimVerkehrsbautrust C-Stadt

03.12.1973 bis 26.09.1974

Zimmerer 3. Stufe

10.09.1974 bis 23.08.1979

eingeschrieben als Student an derDirektstudienabteilung der ÖkonomischenFakultät der Landwirtschaftlichen HochschuleC-Stadt

05.09.1979 bis 12.09.1979

X.-GetreidesowchoseÖkonom

14.09.1979 bis 29.09.1979

Landwirtschaftliche Hochschule D-StadtAssistent am Lehrstuhl Organisation derLandwirtschaft, wegen Zuweisung nachAbschluss der Hochschule

09.10.1979 bis 02.04.1982

Sowchose "Y."Oberökonom für Arbeit und Arbeitslohn

02.04.1982 bis 10.11.1993

Z.-SowchoseHauptökonom

Mit Bescheid vom 14. Februar 2001 stellte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen als Rechtsvorgängerin der Beklagten die im Versicherungsverlauf (Anlage 2) enthaltenen Daten bis zum 31. Dezember 1994 verbindlich fest. In der ebenfalls beigefügten Anlage 10 heißt es, nach dem Fremdrentengesetz (FRG) werden die Zeiten des Klägers in der ehemaligen Sowjetunion vom 3. Dezember 1973 bis 26. September 1974, 5. September 1979 bis 12. September 1979, 14. September 1979 bis 28. September 1979 und 8. Oktober 1979 bis 10. November 1993 als Beitragszeiten in der Rentenversicherung der Arbeiter berücksichtigt und zu 5/6 angerechnet. Diese Zeiten seien nur glaubhaft gemacht, nicht jedoch nachgewiesen. Darüber hinaus waren die Zeiten bis 26. September 1974 der Qualifikationsgruppe 5 der Anlage 13 zum Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI), ab 5. September 1979 der Qualifikationsgruppe 1, ab 14. September 1979 der Qualifikationsgruppe 2 und ab 8. Oktober 1979 erneut der Qualifikationsgruppe 1 zugeordnet.

Anlässlich einer Überprüfung seines Versicherungsverlaufs gab der Kläger unter dem 24. Mai 2007 an, die gespeicherten Daten seien unrichtig, weil er in der Zeit vom 4. Mai 1979 bis 15. August 1979 im Anschluss an sein Hochschulstudium verkürzten Militärdienst geleistet habe, der als Pflichtbeitragszeit zu berücksichtigen sei. Er verfüge hierüber zwar über keine Unterlagen mehr, allerdings könnten die Zeugen A. E. und F. A. seinen Militärdienst bestätigen.

Mit weiterem Bescheid vom 21. Juni 2007 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf (Anlage 2) enthaltenen Daten bis zum 31. Dezember 2000 verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden sind. Da der Kläger bisher angegeben habe, vom 10. September 1974 bis 23. August 1979 ein Studium absolviert zu haben, sei es nicht glaubhaft, dass er nunmehr in der Zeit vom 4. Mai 1979 bis 15. August 1979 Wehrdienst in der ehemaligen UdSSR abgeleistet habe. Für diese Zeit könnten daher Beitragszeiten bzw. Beschäftigungszeiten nicht vorgemerkt werden.

Den hiergegen vom Kläger am 12. September 2007 erhobenen Widerspruch sah die Beklagte wegen Verfristung als Überprüfungsantrag an, den sie mit Bescheid vom 21. November 2007 ablehnte. Die vom Kläger eingereichten Unterlagen (Diplom G-I Nr. xxx1 vom 27. April 1979 über den Erwerb der Qualifikation "Ökonom-Organisator der landwirtschaftlichen Produktion" nebst Anlagen) reichten für eine Anerkennung der Wehrdienstzeit in der ehemaligen Sowjetunion nicht aus. Die fragliche Zeit könne daher weiterhin nicht anerkannt werden.

Mit Schreiben vom 26. November 2013 übersandte der Magistrat der Stadt A-Stadt im Namen des Klägers eine kasachische Archivbescheinigung nebst Apostille mit der Bitte um Anerkennung und Neubewertung der FRG-Zeiten.

Mit Bescheid vom 14. Januar 2014 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 14. Februar 2001 ab, weil die übersandte Archivbescheinigung keine konkreten Aussagen zur Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage enthalte bzw. nicht als Mittel des Vollbeweises angesehen werden könne. Es handele sich nicht um die Originale oder Kopien der beim Arbeitgeber vorhandenen Personal- und Lohnunterlagen.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 21. Januar 2014 abermals Widerspruch, zu dessen Begründung er betonte, in der Zeit vom 28. April 1979 bis 23. August 1979 an einer militärischen Kurzausbildung teilgenommen zu haben. Zur Stütze seines Begehrens reichte der Kläger eine Kopie seines russischen Arbeitsbuches nebst deutscher Übersetzung zur Akte.

Daraufhin zog die Beklagte vom Kreisausschuss des Landkreises Waldeck-Frankenberg die dort über den Kläger geführte BVFG-Akte sowie schriftliche Zeugenaussagen von A. E., G. G. und F. A. bei.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2014 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf (Anlage 2) enthaltenen Daten bis zum 31. Dezember 2007 verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden sind, und ordnete nunmehr auch die Zeit vom 14. September 1979 bis 28. September 1979 der Qualifikationsgruppe 1 zu.

Durch Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14. Januar 2014, abgeändert durch Bescheid vom 10. Juni 2014, mit der Begründung zurück, dass für die geltend gemachten rentenrechtlichen Zeiten Entgeltpunkte lediglich mit 5/6-Kürzung anerkannt werden könnten, da sie nur glaubhaft gemacht worden seien. Die Eintragung einer Beschäftigungszeit im sowjetischen Arbeitsbuch beweise keine ununterbrochene Beschäftigung. Der vom Kläger eingereichten Bescheinigung sei kein höherer Beweiswert beizumessen, weil es nach russischem Recht nicht erforderlich gewesen sei, Fehlzeiten zu dokumentieren. Die Auffassung zu der im Grundsatz zweifelhaften Aussagekraft von angeblich auf Lohnzahlungslisten beruhenden Arbeitsbescheinigungen aus der ehemaligen Sowjetunion werde durch die Rechtsprechung bestätigt. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wehrdienstzeit seien nicht gegeben.

Zur Begründung seiner am 6. August 2014 vor dem Sozialgericht Marburg erhobenen Klage (Az.: S 4 R 143/14) machte der Kläger geltend, der Beklagten eine Bescheinigung vorgelegt zu haben, aus der seine Arbeits-, Urlaubs-, Krankheits- und anderen Fehltage hervorgehen würden. Für den landwirtschaftlichen Betrieb, in dem er gearbeitet habe, sei eine 5-Tage-Woche nicht von Belang gewesen. Dort hätte auch an Samstagen und Sonntagen gearbeitet werden müssen. Arbeitsdaten seien nicht nach vorgeschriebener Stundenzahl berechnet worden, sondern nach notwendigen Einsätzen. Damit erklärten sich letztlich auch die angeblich nicht stimmigen Urlaubszeiten. Teilweise habe er die angegebenen Urlaubstage nicht in Anspruch genommen. In den Jahren 1982, 1986, 1989 und 1991 sei ihm der Jahresurlaub ausgezahlt worden.

Demgegenüber erwiderte die Beklagte, die in der Archivbescheinigung angegebenen Tage könnten nicht der Realität entsprechen. Teilweise würden damit zu wenige oder zu viele Arbeitstage pro Monat bescheinigt und auch widersprüchliche Angaben gemacht. Die Erklärungsversuche des Klägers führten nicht dazu, dass die Bescheinigung als Vollbeweis angesehen werden könne. Hierbei handele es sich um ein reines Phantasieprodukt zum Schaden der Versichertengemeinschaft. Das Beurkundungs- und Personenstandswesen der Republik Kasachstan weise gravierende Mängel auf.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2016 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab 1. Mai 2016 befristet bis zum 30. April 2018 Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem monatlichen Rentenzahlbetrag von 836,77 € auf der Grundlage von 32,1332 persönlichen Entgeltpunkten (pEP) entsprechend der zuvor von ihr verbindlich festgestellten Daten. Nachdem die Beklagte am 22. Februar 2016 die zwischenzeitliche Rentengewährung im Rahmen des § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Kenntnis gebracht hatte, erklärte der Kläger, mit der Qualifikationsgruppen-Einstufung im Rentenbescheid und mit der Kürzung seiner Auslandszeiten um 40 v.H. nicht einverstanden zu sein sowie die Anrechnung seines Hochschulstudiums zu vermissen. Daraufhin erwiderte die Beklagte, dass weder die Qualifikationsgruppen-Zuordnung noch die Anrechnung des Hochschulabschlusses oder die Kürzung der Entgeltpunkte auf 60 v.H. streitgegenständlich sei, sie jedoch die Einwände des Klägers als Widerspruch ansehe. Durch Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2016 wies die Beklagte diesen Widerspruch sodann zurück, weil für die Berufstätigkeit des Klägers vor seiner Hochschulausbildung mangels Absolvierung einer Berufsausbildung von mehr als zwei Jahren keine höhere Qualifikationsgruppe zuerkannt werden könne, auch nicht im Wege der sogenannten langjährigen Berufserfahrung. Als Zimmerer habe der Kläger lediglich zehn Monate gearbeitet. Die Zeit des Hochschulstudiums vom 10. September 1974 bis 26. April 1979 sei als Anrechnungszeit wegen Hochschulausbildung anerkannt und im Rahmen der Rentenberechnung berücksichtigt worden. Die Absenkung der nach dem FRG ermittelten Entgeltpunkte auf 60 v.H. sei ebenso rechtmäßig wie die Verminderung des Zugangsfaktors für die bewilligte Erwerbsminderungsrente. Auch hiergegen erhob der Kläger am 21. Juni 2016 vor dem Sozialgericht Marburg Klage (Az.: S 4 R 104/16).

Durch Urteil vom 10. Juli 2017 wies das Sozialgericht Marburg die Klage gegen "den Bescheid vom 14. Januar 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2014" ab. Die vom Kläger in Kasachstan zurückgelegten Zeiten könnten nur als glaubhaft gemacht angesehen werden. Aufgrund der Eintragungen im Arbeitsbuch, der vorgelegten Bescheinigungen und der Zeugenaussagen sei zur Überzeugung der Kammer nicht anzunehmen, dass die dort dokumentierten Beschäftigungszeiten zu mehr als 5/6 mit Beiträgen belegt seien. Die vom Kläger vorgelegten Nachweise enthielten nur Angaben zu der maßgeblichen Gesamtbeschäftigungszeit, wobei es durchaus möglich sei, dass darin auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechungen lägen, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung im Herkunftsland habe zahlen müssen.

Durch weiteres Urteil, ebenfalls vom 10. Juli 2017, wies das Sozialgericht auch die Klage "gegen den Bescheid vom 11. Februar 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2016" ab. Die Klage sei schon aus formalen Gesichtspunkten abzuweisen, weil der Kläger keine substantiierte Klagebegründung vorgelegt habe. Dem Gericht sei es nicht möglich gewesen, den relevanten Sachverhalt umfänglich zu ermitteln. Die Klage habe aber auch aus materiell-rechtlichen Gründen keinen Erfolg haben können. Dies ergebe sich aus den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid, denen das Gericht folge.

Gegen beide ihm am 2. Oktober 2017 zugestellten Urteile hat der Kläger jeweils gesondert am 10. Oktober 2017 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt (Az.: L 5 R 332/17 und L 5 R 333/17). Mit Bescheid vom 26. Februar 2018 gewährte die Beklagte dem Kläger sodann Rente wegen voller Erwerbsminderungsrente als Dauerrente, die sie mit weiterem Rentenbescheid vom 16. Mai 2019 für die Zeit ab 1. Juli 2019 wegen durchzuführender Rentenanpassung und Änderung der mit der Rente zusammentreffenden anderen Ansprüche neu berechnete. Da vorliegend die Rentenhöhe streitig sei, gehe sie davon aus, dass dieser Bescheid zum Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden sei. Aufgrund eines richterlichen Hinweises die Streitgegenstände beider Berufungsverfahren betreffend hat der Kläger seine auf Aufhebung des Urteils vom 10. Juli 2017 und Abänderung des Bescheides vom 11. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2016 gerichtete Berufung im Erörterungstermin am 6. Juli 2018 zurückgenommen (Az.: L 5 R 333/17).

Zur Begründung seiner Berufung Az.: L 5 R 332/17 trägt der Kläger vor, die Abschaffung der Bewertung von Hochschulzeiten sei verfassungswidrig, weil gesetzlich Versicherte im Vergleich zu Beamten schlechter gestellt würden. Ebenfalls verfassungswidrig sei es, die Entgeltpunkte nur bei Fremdrentenberechtigten auf 60 v.H. abzusenken, nicht jedoch auch bei DDR-Rentnern. Es sei unzutreffend, dass das Beurkundungs- und Personenstandswesen in Kasachstan gravierende Mängel aufweise. Die in seinem Arbeitsbuch enthaltenen Eintragungen stimmten mit den Angaben in der Archivbescheinigung überein. Die Kürzung beim Zugangsfaktor fördere Altersarmut.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 10. Juli 2017 aufzuheben, den Rentenbescheid vom 11. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, indem die von ihm im Herkunftsgebiet zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten, mindestens vom 5. September 1979 bis 31. Oktober 1993, als nachgewiesen zu 6/6 angerechnet, seine Hochschulzeiten bewertet, seine nach dem FRG ermittelten Entgeltpunkte nicht auf 60 v.H. abgesenkt und ein Zugangsfaktor von 1,0 in Ansatz gebracht werden,

hilfsweise das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, auf die beigezogene Gerichtsakte Az.: L 5 R 333/17 sowie auf die Rentenakte und Kontenklärungsakte des Klägers Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die statthafte Berufung (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG) des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1 SGG). Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Das Sozialgericht Marburg hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Rente wegen Erwerbsminderung unter Anrechnung seiner im Herkunftsgebiet zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten, mindestens vom 5. September 1979 bis 31. Oktober 1993, als nachgewiesen zu 6/6, unter Bewertung auch seiner Hochschulzeiten, ohne Absenkung seiner nach dem FRG ermittelten Entgeltpunkte auf 60 v.H. sowie unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0. Der Rentenbescheid der Beklagten vom 11. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2016 (§ 95 SGG) ist in Bezug auf die Rentenhöhe rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.

Streitgegenständlich ist allein der Rentenbescheid vom 11. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2016, mit dem die Beklagte dem Kläger ab 1. Mai 2016 befristet bis zum 30. April 2018 Rente wegen Erwerbsminderung gewährt hat. Sein Begehren auf Gewährung einer höheren Rente verfolgt der Kläger im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 4 i. V. m. § 56 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juni 2015, B 13 R 23/14 R - juris Rn. 12 m.w.N.).

Anders als das Sozialgericht angenommen hat, ist über die Rechtmäßigkeit des Überprüfungsbescheides vom 14. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 2014, mit dem die Beklagte eine Rücknahme des ursprünglichen Feststellungsbescheides vom 14. Februar 2001 und die Anerkennung der vom Kläger in der ehemaligen Sowjetunion bzw. Kasachstan zurückgelegten Zeiten als nachgewiesen zu 6/6 abgelehnt hatte, nicht mehr zu entscheiden. Dieser Überprüfungsbescheid ist durch den Rentenbescheid vom 11. Februar 2016 im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG ersetzt worden, welcher somit kraft Gesetzes zum Gegenstand bereits des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens Az.: S 4 R 143/14 geworden ist. Die im Feststellungsbescheid vom 14. Februar 2001 getroffenen und durch den ablehnenden Überprüfungsbescheid vom 14. Januar 2014 bestätigten Feststellungen zum Versicherungsverlauf des Klägers - insbesondere zur Anrechnung der von ihm in der ehemaligen Sowjetunion bzw. Kasachstan zurückgelegten Beitragszeiten - sind vollumfänglich in den Rentenbescheid vom 11. Februar 2016 übernommen worden, wodurch sie ihre Funktion der Beweissicherung für künftige Leistungsfeststellungsverfahren erfüllt und damit jegliche rechtliche Bedeutung verloren haben (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2005, B 4 RA 21/04 R - juris Rdnr. 41; Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 2012, L 5 R 323/11 - juris Rdnr. 42). Sie haben sich daher "auf andere Weise" im Sinne des § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) erledigt und dürfen durch weitere Feststellungen einzelner wertbestimmender Elemente von vornherein nicht mehr ersetzt werden. Das insofern anhängige Klageverfahren hat indessen seine Fortsetzung im Streit über dasjenige Rechtsverhältnis gefunden, dessen vorbereitender Klärung die bisher ergangenen Verwaltungsakte gerade gedient hatten. Auf eine Ersetzung in diesem Sinne findet § 96 Abs. 1 SGG unmittelbar Anwendung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt über die Rentenhöhe als unmittelbar kraft Gesetzes angegriffen gilt (vgl. BSG, Urteil vom 14. Dezember 2011, B 5 R 36/11 R = SozR 4-2600 § 248 Nr. 1). Dagegen besteht nach Erlass eines Rentenbescheides kein Rechtsschutzbedürfnis mehr zur Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens nur in Bezug auf den Vormerkungsbescheid. Ein solches Verfahren ist unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 118/08 R - juris Rdnr. 16 m.w.N.).

Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn es sich nicht um einen endgültigen Rentenbescheid, sondern um einen vorläufigen Bescheid handelt, der nur Rentenvorschüsse unter dem zumindest sinngemäßen Vorbehalt gewährt, dass für die Rentenhöhe letztlich das Ergebnis des Vormerkungsverfahrens maßgebend sei (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2007, B 5b/8 KN 2/06 R - juris Rdnr. 10 m.w.N.). Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend aber offenkundig nicht gegeben.

Ist der Rentenbescheid vom 11. Februar 2016 hinsichtlich der dort geregelten Rentenhöhe (§ 64 SGB VI) zum Gegenstand des erstinstanzlichen Klageverfahrens geworden, gilt dies gleichermaßen für den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2016. Das ergibt sich aus § 95 SGG, wonach nach stattgefundenem Vorverfahren Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Sind jene Bescheide somit kraft Gesetzes zum Gegenstand des Klageverfahrens Az.: S 4 R 143/14 geworden, sind sie im Übrigen durch die Rücknahme der Berufung Az.: L 5 R 333/17 auch nicht in Bestandskraft (§ 77 SGG) erwachsen und somit einer gerichtlichen Überprüfung im hiesigen Berufungsverfahren weiterhin zugänglich. Dass der Kläger ursprünglich lediglich die Anrechnung der von ihm im Herkunftsgebiet zurückgelegten Zeiten zu 6/6 begehrt hat, er nach Erlass des Rentenbescheides vom 11. Februar 2016 aber die Gewährung einer höheren Rente auch mit der Bewertung seiner Hochschulzeiten, dem Ansatz eines Zugangsfaktors von 1,0 sowie einer Nichtabsenkung der Entgeltpunkte auf 60 v.H. begründet, ist dabei mit Blick auf § 99 Abs. 3 Nr. 1 SGG ohne weiteres zulässig.

Nicht streitgegenständlich ist demgegenüber der weitere, während des laufenden Berufungsverfahrens ergangene Rentenbescheid der Beklagten vom 26. Februar 2018 geworden, mit welchem dem Kläger die Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer gewährt wurde. Zwar findet § 96 Abs. 1 SGG über § 153 Abs. 1 SGG auch im Berufungsverfahren Anwendung. Eine Einbeziehung des Rentenbescheides vom 26. Februar 2018 in das laufende Berufungsverfahren scheitet jedoch daran, dass jener Bescheid den streitgegenständlichen Rentenbescheid vom 11. Februar 2016 weder ändert noch ersetzt, wie es § 96 Abs. 1 SGG voraussetzt. Ein "Abändern" oder "Ersetzen" im Sinne dieser Vorschrift erfordert stets, dass der angefochtene Ausgangsbescheid und der neue Verwaltungsakt einen identischen Streitgegenstand betreffen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Beschwer des Betroffenen im Hinblick auf den Streitgegenstand bzw. das Prozessziel vermindert oder vermehrt wird (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 6. Juli 2018, L 5 R 86/17 - juris Rdnr. 19 m.w.N.). Das ist vorliegend aber nicht der Fall, weil der Rentenbescheid vom 11. Februar 2016 nur bezüglich der Rentenhöhe streitgegenständlich ist, zu der sich der Rentenbescheid vom 26. Februar 2018 aber gerade nicht verhält. Dessen Regelungsgehalt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X erschöpft sich darin, die dem Kläger bislang befristet gewährte Erwerbsminderungsrente als Dauerrente zu gewähren. Mithin fehlt es an der von § 96 Abs. 1 SGG vorausgesetzten Streitgegenstandsidentität.

Ebenso wenig ist der Rentenneuberechnungsbescheid vom 16. Mai 2019 zum Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn anders als die Beklagte meint, betrifft eine Rentenneuberechnung nicht die Rentenhöhe, die stets (neu) festgestellt wird, sondern allein den monatlichen Zahlbetrag der Rente. Auch insoweit fehlt es also an einer für § 96 Abs. 1 SGG erforderlichen Streitgegenstandsidentität. Das folgt im Übrigen auch mit Blick auf die zeitlichen Wirkungen einerseits des Rentenneuberechnungsbescheides vom 16. Mai 2019 und andererseits des Rentenbescheides vom 11. Februar 2016. Die Neuberechnung der Rente ab 1. Juli 2019 betrifft ganz offenkundig nicht den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis 30. April 2018, für den dem Kläger mit Bescheid vom 11. Februar 2016 ursprünglich befristet Erwerbsminderungsrente gewährt worden war.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung einer höheren Erwerbsminderungsrente zu.

Die Beklagte hat zu Recht die vom Kläger im Herkunftsgebiet zurückgelegten Zeiten vom 3. Dezember 1973 bis 26. September 1974, vom 5. September 1979 bis 12. September 1979, vom 14. September 1979 bis 28. September 1979 und vom 8. Oktober 1979 bis 10. November 1993 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nur zu 5/6 angerechnet.

Nach § 15 Abs. 1 FRG werden bei dem fremdrentenberechtigten Personenkreis, zu dem der Kläger als anerkannter Spätaussiedler (§ 4 BVFG) gemäß § 1 lit. a) FRG unstreitig gehört, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragszeiten so behandelt, als ob es sich um inländische Beitragszeiten handeln würde. Für die Feststellung derartiger Beitragszeiten genügt es gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 FRG, dass sie glaubhaft gemacht werden.

Während der vollständige Beweis einer Beitragszeit deren ungeschmälerte Anrechnung zur Folge hat, sieht das Fremdrentenrecht bei lediglich glaubhaft gemachten Beitragszeiten jedoch seit jeher nur eine eingeschränkte rentenrechtliche Berücksichtigung vor. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbs. FRG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden alten Fassung (a.F.) begründete die Glaubhaftmachung grundsätzlich nur das Recht auf eine zeitmäßig gekürzte Anrechnung der betreffenden Zeit zu 5/6. Nach § 22 Abs. 3 FRG in der ab 1. Januar 1992 geltenden neuen Fassung (n.F.) findet bei lediglich glaubhaft gemachten Beitrags- oder Beschäftigungszeiten demgegenüber eine wertmäßige Kürzung der zu ermittelnden Entgeltpunkte um 1/6 statt. Die Kürzung auf 5/6 beruht dabei in beiden Fällen auf der durch statistische Untersuchungen gewonnenen Erfahrung, dass auch die durchschnittliche Beitragsdichte im Bundesgebiet (nur) diesem Umfang entspricht (vgl. die Gesetzesbegründung zu der früheren Vorschrift des § 19 Abs. 2 FRG in BT-Drucks. 3/1109, S. 42; BSG, Urteil vom 31. Juli 1980, 11 RA 58/79 = SozR 5050 § 15 Nr. 16; BSG, Urteil vom 5. Februar 1976, 11 RA 48/75 = SozR 5050 § 15 Nr. 4). Um eine Besserstellung des fremdrentenberechtigten Personenkreises gegenüber den in der Bundesrepublik Deutschland rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmern zu vermeiden, muss eine höhere Beitragsdichte bezüglich etwaiger Fremdrentenzeiten deshalb jeweils im Einzelfall nachgewiesen werden.

Wie sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2 FRG ergibt, ist eine Tatsache glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Für die Glaubhaftmachung ist es demgemäß ausreichend, wenn bei Würdigung aller Gesamtumstände die gute Möglichkeit besteht, dass sich der Vorgang so, wie er behauptet wird, zugetragen hat, und wenn für das Vorliegen dieser Möglichkeit trotz verbleibender begründeter Zweifel letztlich mehr dafür spricht als dagegen. Der vollständige Beweis (Nachweis) ist demgegenüber regelmäßig erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rechtserheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 1957, 4 RJ 186/56 = BSGE 6, 144).

Ausgehend von diesen Grundsätzen können die vom Kläger im Herkunftsgebiet zurückgelegten Zeiten insgesamt nur als glaubhaft gemacht, nicht aber als bewiesen angesehen werden. Denn es steht zur Überzeugung des Senats lediglich fest, dass der Kläger in der ehemaligen Sowjetunion bzw. in Kasachstan zu bestimmten Zeiten in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hat und dass er während dieser Zeiten grundsätzlich der Beitragspflicht zur dortigen Rentenversicherung unterlag. Beitragszeiten im Sinne des § 15 FRG können jedoch nur als bewiesen angesehen werden, soweit feststeht, dass für einen bestimmten Zeitraum auch tatsächlich Beiträge entrichtet worden sind. Ausreichend ist dabei jedes irgendwie geartete Beitragsaufkommen, das auf die betreffenden Zeiten zu beziehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 31. August 1977, 1 RA 155/75 = BSGE 44, 221; BSG, Urteil vom 10. Dezember 1971, 11 RA 64/71 = SozR Nr. 16 zu § 15 FRG; BSG, Urteil vom 27. Mai 1970, 11 RA 147/67 - juris Rdnr. 12; BSG, Urteil vom 15. Januar 1958, 1 RA 136/57 = BSGE 6, 263). Nachgewiesen sind Beitragszeiten in diesem Sinne allerdings nicht bereits dann, wenn lediglich Anfang und Ende des jeweiligen Zeitraums einer beitragspflichtigen Beschäftigung genau bekannt sind. Vielmehr muss darüber hinausgehend auch feststehen, dass währenddessen keine Ausfalltatbestände (krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit usw.) eingetreten sind, die zu einer - wenn auch nur vorübergehenden - Unterbrechung der Beitragsentrichtung geführt haben (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 1980, 5 RJ 38/79 - juris Rdnr. 27 m.w.N.; BSG, Urteil vom 20. August 1974, 4 RJ 241/73 = BSGE 38, 80).

Wenn Anfang und Ende einer Beschäftigungszeit genau bekannt sind, besteht zwar keine Vermutung dafür, dass zwischen beiden Zeitpunkten irgendwelche Ausfallzeiten bzw. Anrechnungszeiten gelegen haben. Das Fremdrentengesetz macht jedoch den Unterschied zwischen glaubhaft gemachten und nachgewiesenen Zeiten deshalb, weil es von der Erfahrung ausgeht, dass die Beschäftigungszeiten der Versicherten im Bundesgebiet im Allgemeinen nur zu 5/6 mit Beiträgen belegt sind. Die Einfügung des zweiten Halbsatzes in § 19 Abs. 2 Satz 1 FRG a.F. zum 1. Juli 1965 (Art. 1 § 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Beseitigung von Härten in der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften <Rentenversicherungs-Änderungsgesetz - RVÄndG> vom 9. Juni 1965, BGBl. I, S. 476), wonach die Zeit eines ununterbrochenen Beschäftigungsverhältnisses von mindestens zehnjähriger Dauer bei demselben Arbeitgeber in vollem Umfang angerechnet wird, hat bestätigt, dass allein durch den Nachweis des Anfangs- und Endtermins einer Beschäftigungszeit eine ununterbrochene Beitragsentrichtung zwischen beiden Zeitpunkten grundsätzlich nicht als bewiesen angesehen werden kann. Denn andernfalls wäre diese Ergänzung der Vorschrift überflüssig gewesen. Nachgewiesen können Beitragszeiten angesichts dessen nur dann sein, wenn das Gericht aufgrund konkreter und glaubhafter Angaben über den Umfang der Beschäftigungszeiten und der dazwischen liegenden Ausfallzeiten davon überzeugt ist, dass im Einzelfall eine den Anteil von 5/6 übersteigende höhere Beitragsdichte erreicht worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 20. August 1974, 4 RJ 241/73 = BSGE 38, 80). Es müssen den vorgelegten Unterlagen mithin im Einzelnen die jeweiligen Unterbrechungszeiträume genau zu entnehmen sein bzw. es muss eindeutig feststehen, dass eine bestimmte Beschäftigungszeit tatsächlich nicht unterbrochen gewesen ist. Ein dementsprechender Nachweis kann im vorliegenden Fall bei verständiger Würdigung aller Einzelumstände allerdings nicht als geführt angesehen werden.

Aufgrund der Eintragungen im sowjetischen Arbeitsbuch des Klägers kann zur Überzeugung des Senats nicht angenommen werden, dass die dort dokumentierten Beschäftigungszeiten zu mehr als 5/6 mit Beiträgen belegt sind. Das beruht darauf, dass diese Unterlagen letztlich nur verlässliche Angaben zu der nach sowjetischem Recht für die Rentenberechnung maßgeblichen Gesamtbeschäftigungszeit enthalten (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 17. Juli 2009, L 5 R 209/08 - juris Rdnr. 42). Es kann daher lediglich als bewiesen angesehen werden, dass der Kläger in den hier streitigen Zeiten in der früheren Sowjetunion bzw. in Kasachstan beschäftigt war. Eine Beweisregel, dass bei nachgewiesenem Beschäftigungsverhältnis auch die Beitragsentrichtung als nachgewiesen zu gelten habe, lässt sich insoweit allerdings nicht aufstellen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1986, 11a RA 59/85 = SozR 5745 § 1 Nr. 2). Vielmehr erscheint es durchaus denkbar, dass in die dokumentierten Beschäftigungszeiten im streitbefangenen Zeitraum auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit, einer Arbeitslosigkeit, eines unbezahlten Urlaubs oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechung gefallen sind, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur sowjetischen Rentenversicherung zahlen musste. Denn in der ehemaligen Sowjetunion wurden in die allgemeine Beschäftigungsdauer neben der sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit unter anderem auch der Militärdienst und weitere Zeiten eingerechnet, in denen ein Arbeitnehmer krankgeschrieben war und die deshalb auch im Arbeitsbuch nicht vermerkt werden mussten (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 11. November 2003, L 2 RJ 25/03 - juris Rdnr. 21 m.w.N.). Eine Bescheinigung kann den Nachweis aber nur dann erbringen, wenn in den dort dokumentierten Zeiten auch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder sonstige Arbeitsunterbrechungen ohne Beitragsentrichtung vermerkt sind (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 1982, 11 RA 64/81 = SozR 5050 § 15 Nr. 23). Diese Grundsätze besitzen auch weiterhin Gültigkeit (vgl. zuletzt: BSG, Urteil vom 19. November 2009, B 13 R 145/08 R - juris Rdnr. 21 m.w.N.).

Ausgehend hiervon ist der Nachweis einer ununterbrochenen Beitragsentrichtung in den hier streitigen Zeiten auch durch die vom Kläger vorgelegte Archivbescheinigung nicht erbracht. Diese Bescheinigung ist schon deshalb nicht zum Nachweis geeignet, weil dort lediglich die Anzahl der monatlichen Arbeits-, Urlaubs- und Krankheitstage sowie arbeitsfreien Tage aus sonstigen Gründen beziffert sind. Detaillierte Angaben für einzelne Arbeitstage im Sinne einer kalendertäglich bestimmbaren Dauer einer entgeltlichen Beschäftigung lassen sich jener Aufstellung hingegen nicht entnehmen. Eben dies wäre jedoch für einen Nachweis von Beitragszeiten im vorstehenden Sinne erforderlich.

Dessen ungeachtet sind auch einzelne Angaben in der Archivbescheinigung für den Senat nicht ohne weiteres plausibel. Das gilt zumindest für die Monate Oktober 1980, Juni 1981, Juli 1983, Oktober 1984, Oktober 1985, Juli 1987, Juni 1988, Mai 1990, Juni 1992 und Oktober 1993, für die allesamt - auf den ersten Blick erkennbar - mehr Arbeits- und Urlaubstage dokumentiert sind als diese Kalendermonate Tage zählen. Soweit sich der Kläger darauf beruft, in einem landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt gewesen zu sein und er auch samstags und sonntags habe arbeiten müssen, macht das die Angaben in der Archivbescheinigung keinesfalls nachvollziehbarer. Das Gegenteil ist der Fall, weil dies bedeutet, dass dann die dortigen Eintragungen für geleistete Arbeitstage, Urlaub, Krankheit und arbeitsfreie Tage aus sonstigen Gründen in Summe der Anzahl der Tage der jeweiligen Kalendermonate entsprechen müsste, was - selbst unter Berücksichtigung der acht gesetzlichen Feiertage in der ehemaligen Sowjetunion - nicht der Fall ist. Darüber hinaus dürften im Falle einer 7-Tage-Arbeitswoche die Summe der jährlich dokumentierten Tage nicht so erheblich voneinander abweichen wie dies in der Archivbescheinigung der Fall ist, die für das Jahr 1986 nur 269 Tage (259 Arbeitstage und 10 Krankheitstage), hingegen für das Jahr 1992 immerhin 326 Tage (297 Arbeitstage, 24 Urlaubstage und 5 Krankheitstage) ausweist. Diese Unstimmigkeiten lassen letztlich nur den Schluss darauf zu, dass die Eintragungen in der Archivbescheinigung lückenhaft sind. Eine andere einleuchtende Erklärung hierfür ist weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden. Das gilt insbesondere für seinen Einwand, die dokumentierten Arbeitsdaten seien nicht anhand einer vorgeschriebenen Stundenzahl berechnet worden, sondern nach notwendigen Einsätzen. Hierdurch wird der Beweiswert der Archivbescheinigung sogar weiter geschmälert, weil dann noch weniger ausgeschlossen werden kann, dass tatsächlich doch Arbeitsunterbrechungen vorlagen, die allerdings möglicherweise durch Mehrarbeit kompensiert und deshalb letztlich nicht dokumentiert worden waren.

In Anbetracht der aufgezeigten Unstimmigkeiten kann es zur Überzeugung des Senats bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände zumindest nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass auch die übrigen Eintragungen in der Archivbescheinigung unrichtig bzw. lückenhaft sind. Dies räumt der Kläger sogar selbst ein mit seinem Hinweis darauf, bescheinigte Urlaubstage teilweise nicht in Anspruch genommen zu haben. Insgesamt betrachtet kann die Archivbescheinigung nicht als geeignetes Beweismittel, sondern eben nur als Mittel der Glaubhaftmachung im Sinne von § 4 Abs. 1 FRG herangezogen werden, deren Beweiswert folglich nicht über denjenigen des russischen Arbeitsbuches des Klägers hinausgeht.

Zugunsten des Klägers kann außerdem nicht davon ausgegangen werden, dass die in der Archivbescheinigung enthaltenen Zeiten für die Dauer etwaiger beitragsfreier Unterbrechungen zumindest als sog. Beitragszeiten ohne Beitragsleistung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB VI anzusehen und dementsprechend nach § 15 FRG in die deutsche gesetzliche Rentenversicherung zu übernehmen sind, weil es sich insoweit ungeachtet etwaiger Beitragsausfälle um eine nach dem Recht des Herkunftslandes beim Eintritt des Versicherungsfalles ungeschmälert zu berücksichtigende Versicherungszeit gehandelt hat.

Bei der Prüfung, ob eine außerhalb der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG nach nichtdeutschem Recht zurückgelegte Zeit eine anrechnungsfähige Beitragszeit oder Beitragsleistung ist, darf zunächst nicht übersehen werden, dass "die Ansprüche und Anwartschaften, die die Vertriebenen und Flüchtlinge in den Herkunftsländern erworben haben, auf den wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten dieser Länder (beruhen) (...) und (...) naturnotwendig im Verhältnis (...) zu den Ansprüchen und Anwartschaften eines vergleichbaren einheimischen Versicherten (...) sehr stark variieren" (vgl. die Amtliche Begründung zum Regierungsentwurf des FANG, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 3/1109, S. 35). Das Fremdrentengesetz versucht zwar, diese außerordentlich starken Abweichungen, welche die Rentenansprüche und Rentenanwartschaften der Vertriebenen und Flüchtlinge aufweisen, durch das Prinzip der Eingliederung auszugleichen. Es stellt alle diese in der Bundesrepublik Deutschland zugewanderten Personen durch die in den §§ 14 ff. FRG getroffene Regelung rentenrechtlich so, als ob sie im Bundesgebiet beschäftigt gewesen wären. Die Anerkennung als gleichgestellte, quasi-bundesrechtliche Zeiten, welche die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Zeiten durch § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG erfahren, wohnt demgegenüber aber noch ein Rest des Entschädigungsgedankens inne, der das vor dem Inkrafttreten des FANG geltende Fremdrentengesetz a.F. beherrschte. Anders als die sonstigen Vorschriften des Fremdrentenrechts wird § 15 FRG noch vom Entschädigungsgedanken geprägt. Die Regelung soll vermeiden, dass durch die Umstellung des Fremdrentenrechts auf das Eingliederungsprinzip für einen Teil der Versicherten der versicherungsrechtliche Status wesentlich verschlechtert wird. Ihnen soll wenigstens die Rechtsposition erhalten bleiben, die sich aus der Anrechnung der im Herkunftsland anzurechnenden Beitragszeiten ergibt (vgl. BT-Drucks. 3/1109, S. 35 ff.).

Auszugehen ist deshalb davon, dass § 15 Abs. 1 FRG nicht verlangt, die außerhalb der Bundesrepublik zurückgelegten Zeiten immer nur dann den Beitragszeiten nach Bundesrecht gleichzustellen, wenn sie ganz präzise den in § 55 SGB VI gestellten Anforderungen entsprechen. Vielmehr muss es nach Anlage und Konzeption der Regelung in § 15 FRG genügen, wenn die bei einem außerhalb der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegte Zeit einer bundesdeutschen Beitragszeit nach § 55 SGB VI in den wesentlichen Kriterien so weit vergleichbar ist, dass eine Entschädigung im Wege der Gleichstellung mit ihr gerechtfertigt erscheint (vgl. BSG, Beschluss vom 25. November 1987, GS 2/85 = BSGE 62, 255; BSG, Beschluss vom 4. Juni 1986, GS 1/85 = BSGE 60, 100).

Es genügt insoweit allerdings nicht, dass das ausländische System beitragslose Zeiten zur Begründung eines Rentenanspruchs wie auch zur Rentenberechnung heranzieht (vgl. BSG, Urteil vom 21. April 1982, 4 RJ 33/81 - juris; BSG, Urteil vom 18. Februar 1981, 1 RA 7/80 = SozR 5050 § 15 Nr. 21; BSG, Urteil vom 29. September 1980, 4 RJ 51/79 = SozR 5050 § 15 Nr. 18; BSG, Urteil vom 19. März 1980, 11 RA 29/79 = SozR 5050 § 15 Nr. 14). Vielmehr muss es sich insoweit auch um eine "eingliederungsfähige" fremde Rentenanwartschaft handeln, deren Entschädigung nach § 15 FRG mit der Struktur des innerstaatlichen bundesdeutschen Rentenrechts nicht schlechthin und offenkundig unvereinbar ist. Eine schrankenlose Entschädigung jeder im fremden Herkunftsgebiet entstandenen Rentenberechtigung und Rentenanwartschaft würde z.B. diejenigen Zuwanderer aus solchen fremden Rechtssystemen im Vergleich zu dem auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tätig gewesenen Versicherten bevorzugen, denen Tatbestände als Beitragszeiten angerechnet werden, die im Recht der Bundesrepublik Deutschland überhaupt nicht als Versicherungszeiten anerkannt werden. Hingegen sind solche gleichgestellte Zeiten über § 15 FRG zu berücksichtigen, denen eine Tätigkeit zugrunde liegt, die - wenn auch in anderer Weise - in unserem Rechtssystem ebenfalls sozialrechtlich als Beitragszeit oder gleichgestellte Zeit abgesichert ist (vgl. BSG, Beschluss vom 25. November 1987, GS 2/85 = BSGE 62, 255).

Die Eingliederungsfähigkeit fehlt danach bei fremden beitragslosen Beitragszeiten, wenn ihre Anrechnung der Anrechnung von Ersatz- und Ausfallzeiten nach innerstaatlichem Recht entspricht oder zumindest nahe kommt (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 1982, 11 RA 64/81 = SozR 5050 § 15 Nr. 23). Denn die deutsche Rentenversicherung kennt zwar die Einbeziehung beitragsloser Zeiten (Ersatzzeiten und Ausfallzeiten) in den Rentenanspruch, aber sie misst ihnen gleichwohl nicht den Charakter von Beitragszeiten zu. Bei einer unbesehenen Übernahme der in Archivbescheinigungen dokumentierten Beitragszeiten zur sowjetischen Sozialversicherung in das inländische Rentenrecht wäre damit keine Gleichstellung mit anderen, nicht von § 15 FRG begünstigten Personen in Bezug auf solche Zeiten gegeben, die als Ersatz- oder Ausfallzeiten Berücksichtigung finden. Damit aber wäre der dem § 15 FRG zugrundeliegende Gedanke der Entschädigung des Versicherten für die im Herkunftsland aufgrund von Beitragsleistungen erworbenen Rentenanwartschaften nicht mehr gewahrt.

Aus § 16 FRG kann der Kläger ebenfalls kein für ihn günstigeres Ergebnis ableiten. Die hier streitigen Zeiten können schon deshalb keine Beschäftigungszeiten im Sinne dieser Vorschrift sein, weil sie bereits mit Beitragszeiten belegt sind. Unerheblich ist dabei, dass diese Beitragszeiten nur glaubhaft gemacht sind. Der Kläger kann auch nicht beanspruchen, dass das fehlende Sechstel als Beschäftigungszeit im Sinne von § 16 FRG behandelt werden könnte, wenn Zeiten einer nachgewiesenen Beschäftigung vorliegen, für die Beitragsleistungen nur glaubhaft gemacht sind (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 5. Februar 1976, 11 RA 48/75 = SozR 5050 § 15 Nr. 4). Denn abgesehen davon, dass diese Rechtsprechung mit der Neufassung des § 16 Abs. 1 Satz 1 FRG zum 1. Januar 1992 - Ersetzen des Wortes "soweit" durch "wenn" - überholt ist, stellt sich die Frage der Auffüllung einer nur glaubhaft gemachten Beitragszeit durch nachgewiesene Beschäftigungszeiten im vorliegenden Fall allein schon deswegen nicht, weil Zeiten vorübergehender Arbeitsunfähigkeit und Zeiten einer sonstigen Arbeitsunterbrechung auch keine Beschäftigungszeit im Sinne des § 16 FRG darzustellen vermögen.

Insgesamt bleibt somit festzuhalten, dass die Beklagte die vom Kläger in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Zeiten zu Recht als nur glaubhaft gemachte Beitragszeiten in einem Umfang von 5/6 angerechnet hat.

Darüber hinaus hat der Kläger keinen Anspruch auf Bewertung auch seiner Hochschulzeiten. Dies folgt aus § 74 Satz 4 i. V. m. § 263 Abs. 3 SGB VI, wonach Zeiten der Hochschulausbildung bei der begrenzten Gesamtleistungsbewertung ab einem Rentenbeginn im Januar 2009 nicht mehr bewertet werden. Von dieser Regelung wird der Kläger, der erst seit dem 1. Mai 2016 eine Rente wegen Erwerbsminderung bezieht, zweifellos erfasst, ohne hierdurch in seinen Grundrechten verletzt zu sein. § 74 Satz 4 i. V. m. § 263 Abs. 3 SGB VI ist verfassungsgemäß. Die Nichtbewertung von Zeiten der Hochschulausbildung verstößt weder gegen Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch gegen Art. 3 Abs. 1 und auch nicht gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG oder das Sozialstaatsprinzip (vgl. BSG, Urteil vom 19. April 2011, B 13 R 27/10 R = SozR 4-2600 § 74 Nr. 3). Der Senat hat daher keine Veranlassung, das Berufungsverfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

Das gilt insbesondere auch mit Blick auf den Einwand des Klägers, der sich insoweit im Verhältnis zu Beamten diskriminiert sieht. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt schon deshalb nicht vor, weil es sich bei der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung seit jeher um getrennte Systeme handelt, die sich strukturell in so erheblicher Weise unterscheiden, dass eine Vergleichbarkeit hinsichtlich ihrer Leistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG von vorneherein nicht besteht (vgl. BSG, Urteil vom 10. Oktober 2018, B 13 R 20/16 R - juris Rdnr. 31 m.w.N.). Die Beamtenversorgung beruht auf einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten und geht deshalb vom Prinzip der amtsangemessenen Alimentation aus. Sie wird aus Steuern finanziert und vom Dienstherrn als Vollversorgung geleistet. Verfassungsrechtlich ist sie in Art. 33 Abs. 5 GG verankert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987, 2 BvR 933/82 = BVerfGE 76, 256). Dagegen ist die gesetzliche Rentenversicherung eine grundsätzlich umlagefinanzierte Zwangsversicherung, die von öffentlich-rechtlichen Körperschaften durchgeführt und - im Vergleich zur Beamtenversorgung - als zu ergänzende Grundversorgung (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. September 2005, 2 BvR 1387/02 = BVerfGE 114, 258) verstanden wird. Rentenansprüche werden durch das Beitragsaufkommen und im Bereich "versicherungsfremder" Aufgaben grundsätzlich durch Steuern gedeckt und sind vom Gedanken des sozialen Ausgleichs geprägt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987, 2 BvR 933/82 - juris Rdnr. 95; BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1998, 1 BvR 1318/86 = SozR 3-2940 § 58 Nr. 1). Diese Unterscheidung der verschiedenen Altersversorgungssysteme knüpft bereits an historische Entwicklungen an und wurde mit dem Grundgesetz nicht eingeebnet. Sie besteht im Kern bis heute fort.

Soweit sich der Kläger gegen die Absenkung der nach dem FRG ermittelten Entgeltpunkte auf 60 v.H. wendet, vermag sich dem der Senat ebenfalls nicht anzuschließen. Die Absenkung der Entgeltpunkte beruht auf § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung von Art. 3 Nr. 4 Buchst. b Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25. September 1996 (BGBl. I, S. 1461), wonach die nach den Absätzen 1 und 3 maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt werden. Zwar ist es als mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip unvereinbar angesehen worden, dass § 22 Abs. 4 FRG auf Berechtigte, die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt, ohne eine Übergangsregelung für die zum damaligen Zeitpunkt rentennahen Jahrgänge zur Anwendung kommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006, 1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04 = BVerfGE 116, 96). Zu diesem Personenkreis gehört der erst im Jahr 1993 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelte Kläger aber offenkundig nicht, zumal er im Jahr 1996 erst 39 Jahre alt war und somit damals keinesfalls als rentennaher Jahrgang bezeichnet werden konnte.

Ohne Erfolg macht der Kläger schließlich geltend, dass bei der Rentenberechnung der Zugangsfaktor von 1,0 in Ansatz gebracht werden müsse. Denn nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist unter anderem bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, für jeden Kalendermonat für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0. Allerdings ist insoweit zu beachten, dass sich der Zugangsfaktor höchstens um 0,108 (36 x 0,003) verringern kann. Das folgt aus § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, wonach bei einem Rentenbeginn vor Vollendung des 62. Lebensjahres des Versicherten für die Ermittlung des Zugangsfaktors als Rentenbeginn der Monat gilt, in dem das 62. Lebensjahr vollendet wird. Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben begegnet es somit keinen Bedenken, dass die Beklagte einen Zugangsfaktor von 0,892 in Ansatz gebracht hat. Der Kläger war im Zeitpunkt des Rentenbeginns am 1. Mai 2016 erst 59 Jahre alt, sodass der Rentenbeginn auf die Vollendung seines 62. Lebensjahres "verschoben" und der Abschlag vom Zugangsfaktor nur für den Zeitraum bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres, mithin für 36 Monate, vorzunehmen ist. Die Kürzung des Zugangsfaktors bei Renten wegen Erwerbsminderung ist ebenfalls mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2011, 1 BvR 3588/08, 1 BvR 555/09 = SozR 4-2600 § 77 Nr. 9).

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

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