LG Frankfurt am Main, Urteil vom 19.04.2018 - 2-03 O 419/16
Fundstelle
openJur 2020, 45201
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus wettbewerblichem Leistungsschutz auf Unterlassung, Rechnungslegung und Auskunft sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der durch die Verletzungshandlung entstandenen und künftigen Schäden in Anspruch.

Die Klägerin ist ein US-amerikanisches Unternehmen mit Sitz in ..., das seit 2012 elastische Schnürsenkel herstellt und weltweit unter der Bezeichnung "..." vertreibt. Die Klägerin ist u.a. Inhaberin des Gemeinschaftsgeschmacksmusters ... (Priorität: 17.07.2012) und eines beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) angemeldeten deutschen Designrechts (Priorität: 19.03.2014, ..., Anlage B 9).

Die Beklagte ist ein auf Lederpflege und Schuhzubehör spezialisiertes Unternehmen. Sie ist die alleinige Großhändlerin für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland der elastischen "..."-Schnürsenkel (nachfolgend auch als "..." bezeichnet) der niederländischen .... Der "..."-Schnürsenkel ist Gegenstand eines Gemeinschaftsgeschmackmusters ... (Priorität: 10.09.2013) (Anlage B 6).

Bei den streitgegenständlichen Produkten handelt es sich um "Schnürsenkelersatzprodukte", nämlich um kleine, elastische "one size"-Stäbchen aus Silikon in verschiedenen Farben. Sie können anstelle von herkömmlichen Schnürsenkeln verwendet werden. Die von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Stäbchen aus Silikon (im Folgenden als "..." bezeichnet) sehen "geschnürt" wie folgt aus:

...

Die "..." werden in verschiedenen Farbausführungen üblicherweise in Verpackungseinheiten zu 14 Stück vertrieben. Neben Packungen mit nur einer Farbe werden auch Packungen mit mehreren Farben angeboten. Verpackungsbeispiele hat die Klägerin in ihrer Klageschrift abgebildet (dort S. 8, Bl. 9 d.A.):

...

Die Klägerin vertreibt ihre "..." auch als "Länderserien":

...

Die Klägerin vertreibt "..." jedenfalls seit April 2014 auch in Deutschland. Vor diesem Zeitpunkt konnten deutsche Kunden das Produkt lediglich online direkt in den USA bestellen.

Das Produkt der Klägerin war mehrfach Gegenstand von Presseberichterstattung. So wurde bereits auf ... (...) im Jahre 2014 unter dem Titel "..." als Teil einer TV-Berichterstattung über Fashion-Trends im Jahr 2014 auch über das Produkt der Klägerin berichtet. Weiter wurde in Print- und Onlinemedien, wie etwa "...", "...", "...", im "...", in der "..." und "...", einem Fachmagazin der Sportbranche, über das Produkt der Klägerin berichtet (Anlagekonvolut K 3, Bl. 42 ff. d.A., K 7, Bl. 227 ff. d.A., K 7a, Bl. 316 f.).

Auf der Modemesse "..." in Berlin war die Klägerin mit einem Stand vertreten. Im Jahr 2015 war die Klägerin mit ihren "..." erstmals auf der "Internationalen Fachmesse für Sportartikel und Sportmode" (ISPO) vertreten (Screenshot im Anlagenkonvolut K 3, Bl. 55 f. d.A.). Der Sportartikelhersteller ... beteiligte sich über eine Beteiligungsgesellschaft an der Klägerin. Hierüber berichtete die Wirtschaftswoche vom 13.03.2015 (Screenshot im Anlagenkonvolut K 3, Bl. 64 d.A.). Auf Plattformen wie facebook, twitter oder printerest ist die Klägerin vertreten und hat dort zahlreiche Follower (genaue Zahlen: siehe Klageschrift, dort S. 14, Bl. 15 d.A.). Bekannte Träger der "..." sind etwa das Model ... aus den USA sowie das Victoria`s Secret Model .... aus ..., welche "..." in ihren Turnschuhen tragen. Seit Mai 2016 tritt die Klägerin als Sponsorin des britischen Golf-Profis ... auf.

Die Klägerin vertreibt ihre Produkte über einen eigenen Online-Shop (abrufbar unter ...), über andere Internetversandhändler und Online-Marktplätze (wie eBay oder amazon) und über den stationären Schuh-Handel. Im Einzelhandel beliefert sie etwa die Händler "..." (Deichmann Gruppe, über 60 Geschäfte) sowie ... (über 40 Geschäfte). Insgesamt kann das Produkt in ca. 600 Geschäften in Deutschland erworben werden (vgl. Klageschrift, dort S. 19, Bl. 20 d.A.).

Die Beklagte vertreibt "..." auf ihrer Internetseite wie folgt:

...

Ein von der Beklagten vertriebenes Produkt ist inklusive Verpackung der Anlage K 4 der Akte beigefügt.

Die Beklagte bewirbt weitere Ausführungen der "..." auch in einem hier streitgegenständlichen Werbevideo auf der facebook-Seite .... Screenshots aus diesem Video sind der Akte beigefügt als Anlage K 5 (Bl. 65 ff. d.A.). Das streitgegenständliche Video ist beigefügt als Datei (Anlage K 1).

Die verfügbaren Farbvarianten sind auf der Produktverpackung der "..." seitlich aufgedruckt:

... ...

Im Frühjahr 2014 wurden "..." auf der Deutschen Messe für die Schuhbranche ... (kurz für "...") präsentiert und seit Juli 2014 in Deutschland vertrieben.

Die Klägerin nahm die Beklagte gestützt auf § 4 Nr. 3 lit. a) und lit. b) UWG - im Ergebnis ohne Erfolg - vor dem Landgericht ... im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung in Anspruch (Az. 31 O 257/16). Ihre Antragsschrift vom 03.08.2016 aus jenem Verfahren ist in Kopie beigefügt als Anlage B 10. Die Klägerin wandte sich in jenem Verfahren zunächst nur gegen die konkrete Produktaufmachung bzw. Verpackungsgestaltung, die auch vorliegend streitgegenständlich ist, sowie auch gegen das im hiesigen Verfahren ebenfalls angegriffene Werbevideo. Mit Schriftsatz vom 15.08.2016 erweiterte sie in jenem Verfahren ihren Antrag und wandte sich auch gegen die unverpackten elastischen Schnürsenkel in ihrer konkreten Gestaltung (Anlage B 11). Mit Beschluss vom 31.08.2016 gab das Landgericht ... dem Antrag weitgehend statt (hinsichtlich der angegriffenen Produktverpackung und des Werbevideos), wies jedoch den die unverpackten "..." betreffenden Antrag zurück (Anlage B 12). Das Landgericht ... stützte seine teilweise Zurückweisung darauf, dass es sich bei vollständiger unverpackter Ansicht des Produkts nicht um eine Nachahmung der "..." handele. Hiergegen legte die Beklagte am 05.10.2016 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schriftsatz vom 17.10.2016 (Anlage B 14).Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2016 wies die 31. Zivilkammer des Landgerichts ... darauf hin, dass sie beabsichtige, die Beschlussverfügung vom 31.08.2016 aufzuheben (Anlage B 15).Mit Urteil vom 06.12.2016 hob das Landgericht ... die einstweilige Verfügung vom 31.08.2016 auf und wies den auf ihren Erlass gerichteten Antrag vollumfänglich zurück (Anlage B 16).Über die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin fand am 07.04.2017 eine mündliche Verhandlung vor dem 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts ... statt (Az. 6 U 7/17). Die Klägerin nahm ihre Berufung ausweislich des Protokolls nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage zurück (Anlage B 17).

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch zustünde aus den § 8 Abs. 1, Abs. 3, §§ 4 Nr. 3 lit. a), lit. b) und 5 Abs. 2 UWG. Die "..." wiesen ihrer Meinung nach eine hohe wettbewerbliche Eigenart auf. Sie verfügten infolge einzigartiger Designmerkmale über einen charakteristischen Gesamteindruck, der geeignet sei, die angesprochenen Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft des Produkts und seine Besonderheiten hinzuweisen. So werde das Produkt in Packungen zu je 14 Stück vertrieben. Ein die hohe wettbewerbliche Eigenart begründendes Designmerkmal sei auch die Verbreiterung und der ovale Knopf in der Mitte, welcher dem Verbraucher unweigerlich ins Auge springe. Der markante ovale Knopf sei aus der gewöhnlichen Entfernung vom Auge des Betrachters zum getragenen Schuh gut zu sehen. Er habe einen hohen Wiedererkennungswert und hebe sich von dem Wettbewerbsumfeld deutlich ab. Hierbei handele es sich nicht etwa um ein technisches, sondern ausschließlich gestalterisches Merkmal, so dass auch eine andere Form dieses Knopfes (Quadrat, Rechteck, Stern o.ä.) denkbar wäre. Andere hierzulande erhältliche elastische Schnürsenkel, die dieses konkrete Merkmal aufweisen, seien nicht bekannt. Auch der Schließmechanismus weise wettbewerbliche Eigenart auf. Die Klägerin ist ferner der Ansicht, es liege in Form der "..." eine nahezu identische Nachahmung der originalen "..." vor. Auch die Produktverpackung sei im Wesentlichen gleich gestaltet. Die Beklagte setze "alles daran", genau das prägende Merkmal (ovaler Knopf in der Mitte) hervorheben und habe dementsprechend auch die Verpackung so gestaltet. Die Produktaufmachung lasse nur den Blick auf den Mittelteil der einzelnen Bänder durch die Öffnung der Verpackung zu.Es könne davon ausgegangen werden, dass gerade auch in der Kaufsituation der ovale prägende Knopf in der Mitte den Kaufimpuls setzten werde. Es liege zumindest eine mittelbare Herkunftstäuschung im Sinne von § 4 Nr. 3 lit. a) UWG vor.

Die Klägerin meint ferner, es liege auch eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung im Sinne von § 4 Nr. 3 b) UWG vor. Hierzu trägt sie vor, dass "..." zu den führenden alternativen Schnürsenkelsystemen zähle und die Klägerin die erste gewesen sei, die im Jahre 2012 ein solches System auf den Markt gebracht habe. "..." seien auf dem Markt sehr bekannt und in dieser Produktkategorie führend. Die Produkte der Klägerin würden intensiv beworben und seien bereits Gegenstand von Nachahmungen gewesen, gegen die erfolgreich vorgegangen worden sei. Die Klägerin betreibe einen mit hohen Kosten verbundenen Entwicklungs- und Marketingaufwand und eine kostenintensive und aufwändige Medienkampagne, aktuell - was unstreitig ist - mit dem Sponsoring des ... und ....

Die Klägerin ist schließlich der Ansicht, dass Unterlassungsansprüche auch unter dem Gesichtspunkt der Irreführung (§ 5 Abs. 2 UWG) bestünden.

Die Klägerin beantragt,

I.

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung verwirkten Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle der Wiederholung bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

1.

in der Bundesrepublik Deutschland im geschäftlichen Verkehr elastische Schnürsenkel aus Silikon anzubieten, zu bewerben und zu vertreiben und/oder anbieten, bewerben und vertreiben zu lassen, wenn dieser wie nachstehend gestaltet ist:

a)

...

und/oder

b)

...

und/oder

...

...

und/oder

...

2.

elastische Schnürsenkel aus Silikon für Schuhe in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu bewerben und/oder zu vertreiben und/oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, wenn diese wie in den Aufnahmen in dem auf der facebook-Seite der Beklagten abrufbaren Werbefilm, den die Klägerin auf einem USB-Stick als Anlage K 1 überreicht, gestaltet sind.

II.

die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der unter Ziff. I. genannten Handlungen, und zwar unter Angabe

1.

der verkauften Erzeugnisse nach Ziff. I., aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse nach Ziff. I. bestimmt waren,

2.

der einzelnen Angebote nach Ziff. I., aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

3.

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, wobei im Fall von Internetwerbung die Anzahl der Abrufe ("Klicks") der betreffenden Website anzugeben ist,

4.

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

III.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gem. Ziff. I. bereits entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die von ihr vertriebenen Produkte keine Nachahmungen der "..." seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Die Kammer hat die Produkte der Klägerin gemäß Anlage K 2 sowie das in Streit stehende Produkt der Beklagten gemäß Anlage K 4 im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.02.2018 in Augenschein genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin kann nicht verlangen, dass es die Beklagte unterlässt, die elastischen Schnürsenkel "..." zu vertreiben [Antrag zu I.1.a)], die streitgegenständlichen Produktverpackungen zu verwenden [Antrag zu I.1.b)] und das Produkt, wie im Werbevideo Anlage K 1 ersichtlich, zu bewerben [Antrag zu I.2.].

Solche Ansprüche folgen insbesondere weder aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 UWG in Verbindung mit § 4 Nr. 3 lit. a) UWG (Herkunftstäuschung) noch aus § 4 Nr. 3 lit. b) UWG (Rufausbeutung) noch aus § 5 Abs. 2 UWG (Irreführung).

1. Dem Produkt der Klägerin - so wie etwa mit Anlage K 2 zur Akte gereicht - wird man zwar eine gewisse wettbewerbliche Eigenart nicht absprechen können (so auch LG Köln, Urteil vom 06.12.2016, Az. 31 O 257/16, dort S. 8, Anlage B 16).

Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (vgl. BGH GRUR 2013, 1052 Rn. 18 - Einkaufswagen III; BGH WRP 2015, 1090 Rn. 10 - Exzenterzähne; BGH WRP 2016, 854 Rn. 16 - Hot Sox; BGH GRUR 2016, 730 Rn. 33 - Herrnhuter Stern). Der Verkehr muss den Hersteller zwar nicht namentlich kennen; er muss aber auf Grund der Ausgestaltung oder der Merkmale des Produkts annehmen, es stamme von einem bestimmten Hersteller, wie immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden (BGH GRUR 2015, 909 [Rn. 11] - Exzenterzähne; BGH GRUR 2007, 984 [Rn. 32] - Gartenliege). Die wettbewerbliche Eigenart muss sich gerade aus den übernommenen Gestaltungsmerkmalen des Erzeugnisses ergeben. Es müssen also gerade die übernommenen Gestaltungsmerkmale geeignet sein, im Verkehr auf eine bestimmte betriebliche Herkunft oder auf die Besonderheit des jeweiligen Erzeugnisses hinzuweisen (BGH GRUR 1999, 923, 927 - Tele-Info-CD; BGH GRUR 2007, 795 [Rn. 32] - Handtaschen). Das ist immer dann der Fall, wenn sich das Produkt - unabhängig von der Anzahl der Merkmale - von anderen Produkten im Marktumfeld so abhebt, dass der Verkehr es einem bestimmten Hersteller zuordnet (BGH WRP 2013, 1189 [Rn. 24] - Regalsystem).

Nach diesen Grundsätzen weist das klägerische Produkt wettbewerbliche Eigenart auf. Die von der Klägerin vertriebenen elastischen Silikonschnürsenkel heben sich von dem auf dem deutschen Markt vorbekannten Formenschatz hinreichend ab. Nach dem Gesamteindruck liegt ein in verschiedenen Farben erhältliches längliches Gummiband vor, an dessen Enden jeweils Verschlusskomponenten erkennbar sind. Auch in geschnürtem Zustand sind die ovalen Knöpfe erkennbar. Dieser dient sowohl als Verschlusskomponente als auch als Designelement. Die Klägerin hat umfangreich zu Schnürtechniken vorgetragen, von denen sich das klägerische Produkt hinreichend absetzt. Ferner spricht für die wettbewerbliche Eigenart der "...", dass elastische Schnürsenkel eine Innovation waren, die die Klägerin, beginnend in den USA, erstmals zur Marktreife geführt hat. Neuheit kann ein Indiz für wettbewerbliche Eigenart sein (Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl. 2016, § 4 Rn. 3/36; Nemeczek WRP 2012, 1025, 1026).

Soweit die Klägerin betreffend die Produktverpackung wettbewerbliche Eigenart darin sieht, dass "..." üblicherweise in Verpackungseinheiten zu 14 Stück vertrieben werden, kann dem jedoch nicht gefolgt werden. Die Zahl 14 ist - wie die Klägerin selbst einräumt (Klageschrift, dort S. 26, Bl. 27 d.A.) - willkürlich gewählt. Sie weist über die Anzahl der in der Packung enthaltenen elastischen Schnürsenkel hinaus keinen weiteren Bezug zum Produkt auf. Die auf ihrer Verpackung aufgedruckte Anzahl wird der Verbraucher dementsprechend als eine schlichte Inhaltsangabe auffassen, ohne dass diese als Herkunftshinweis verstanden wird.

2. Das angegriffene Produkt stellt sich jedoch nicht als unlautere Nachahmung nach § 4 Nr. 3 lit. a) UWG dar.

a. Unverpacktes Produkt

Eine vermeidbare Herkunftstäuschung ist beim unverpackten Produkt, so wie im Antrag zu I.1.a) abgebildet, zu verneinen.

Ob der Tatbestand des § 4 Nr. 3 UWG erfüllt ist, bedarf einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der einander widerstreitenden Interessen des Schöpfers der Leistung und des Nachahmers sowie der Interessen der Abnehmer und der Allgemeinheit (vgl. BGH GRUR 2001, 251, 253 - Messerkennzeichnung). Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Intensität der Nachahmung und den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung besteht. Die Anforderungen an ein Merkmal hängen davon ab, in welchem Maße die anderen beiden Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 22 - Handtaschen; BGH GRUR 2009, 1073 Rn. 10 - Ausbeinmesser). Je größer die wettbewerbliche Eigenart und/oder je höher der Grad der Nachahmung ist, desto geringer sind daher die Anforderungen an die besonderen Umstände, die die Unlauterkeit begründen, und umgekehrt (BGH GRUR 2015, 909 Rn. 9 - Exzenterzähne).

Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt (Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Auflage 2018, § 4 Rn. 3.43). Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 34 - Handtaschen; BGH GRUR 2010, 80 Rn. 41 - LIKEaBIKE).

Nach diesen Grundsätzen liegt keine über die betriebliche Herkunft täuschende Nachahmung vor. Beide Produkte haben - zunächst in offener, nicht geschnürter Form betrachtet - unterschiedliche Proportionen. Während ... unterschiedliche Enden (oval auslaufendes Ende mit Knopf, runde Öse) mit einem geradlinigen Mittelteil hat, ist "..." symmetrisch. Das "..."-Mittelteil weist eine leicht quadratisch bzw. eckig wirkende Auswölbung auf:

...

In geschnürtem Zustand sind die Unterschiede zwar geringer. Hier fällt jedoch auf, dass der symmetrische Gesamteindruck von "..." fortbesteht, was mit der unterschiedlichen Schnürtechnik zusammenhängt. Bei "..." müssen beide Seitenenden mittig auf der Rückseite zusammengeführt und hinter dem Knopf festgehakt werden. Sie verfügen über zwei Schlaufen. "..." hingegen verfügen nur über eine Schlaufe, die zur Befestigung über den rundlich-ovalen Knopf auf der Vorderseite des Schnürsenkels gezogen werden. Es bildet sich auf einer Seite eine Lücke:

... ...

Der ovale Knopf ist in geschnürter Form sowohl bei "..." als auch bei "..." sichtbar. Allerdings weist "..." im Gesamteindruck eine ovalere Formgebung zur Schuhmitte (bzw. Schnürung) hin auf, als dies bei "..." der Fall ist. Bei "..." ist der Knopf länglicher. Das ihn umgebende Band ist an jener Stelle - etwa auf einem Drittel - geradlinig und nicht oval und wird danach wieder dünner. Das Produkt der Beklagten erhält dadurch einen leicht eckigen Charakter, wohingegen "..." ovaler wirkt.

Angesichts dieser Unterschiede war ein höherer Grad an wettbewerblicher Eigenart bzw. sonstige besondere Umstände zu fordern, die die Unlauterkeit begründen. Solche waren vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Die Kammer hat hierbei zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass sie elastische Schnürsenkel erfunden bzw. jedenfalls erstmals zur Marktreife geführt hat und dass "..." zwischenzeitlich aufgrund werblicher Bemühungen durchaus auch auf den deutschen Markt eine gewisse Bekanntheit bei Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt haben dürfte. Andererseits hat die Klägerin ihr Produkt, nach der Produkteinführung auf dem US-Markt im Jahre 2012, erst im Jahr 2014 in etwa zeitgleich mit der Beklagten auf dem deutschen Markt gebracht. Eine gesteigerte wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Produkts kann deshalb nicht ohne weiteres bejaht werden. Diese ist auch nicht mit Blick auf den Knopf bei "..." anzunehmen. Wie die Inaugenscheinnahme der in der mündlichen Verhandlung betrachteten Modelle ergeben hat, ist der Knopf im Gesamteindruck nicht derart prägend, dass alleine seine Übernahme eine Nachahmung begründen würde (so auch LG Köln, Urteil vom 06.12.2016, Az. 31 O 257/16, dort S. 8, Anlage B 16).

Der angesprochene Verkehr kann aufgrund der Unterschiede der streitgegenständlichen Modelle auch nicht zu der unzutreffenden Einschätzung gelangen, zwischen den beteiligten Unternehmen bestünden geschäftliche (lizenzvertragliche) oder organisatorische (gesellschaftliche) Beziehungen (sog. Herkunftstäuschung im weiteren Sinne in Abgrenzung zur unmittelbaren Herkunftstäuschung, vgl. BGH GRUR 2009, 1069 Rn. 15 - Knoblauchwürste; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 3.42 ff.).

b. Verpackung

Die Verpackungen sind derart unterschiedlich, dass keine Nachahmung vorliegt. Auch steht einer Herkunftstäuschung im Sinne des § 4 Nr. 3 lit. a) UWG entgegen, dass die Beklagte den Markennamen "..." deutlich sichtbar auf ihrer Verpackung anbringt und daher auch deshalb eine Herkunftstäuschung vermeidet. Auch der Umstand, dass die Verpackung ein Loch aufweist, sodass die Knöpfe sichtbar werden, lässt die Verpackung - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht unlauter erscheinen. Denn durch das Sichtfenster erkennt der Verbraucher gerade auch die deutlichen Unterschiede auf der Unterseite des Produkts.

c. Video

Auch betreffend das angegriffene Werbevideo aus Anlage K 1 ist eine Unlauterkeit im Sinne des § 4 Nr. 3 lit. a) UWG zu verneinen. Das Werbevideo zeigt eine Abfolge unterschiedlicher Schuhe mit "..."-Schnürungen. Da keine Herkunftstäuschung betreffend das Produkt angenommen werden kann, ist dies auch bezogen auf das Werbevideo zu verneinen. Im Übrigen taucht mehrmals, deutlich erkennbar, der Markenname "..." auf.

3. Das angegriffene Produkt stellt sich auch nicht als unlautere Nachahmung nach § 4 Nr. 3 lit. b) UWG dar.

§ 4 Nr 3 lit. b) UWG setzt voraus, dass die nachgeahmten Produkte im Verkehr Wertschätzung genießen, die ausgenutzt oder beeinträchtigt wird. Das Produkt muss in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise eine gewisse Bekanntheit aufweisen und mit positiven Vorstellungen besetzt seien, die sich insbesondere auf seine Qualität, Exklusivität oder seinen Luxus- oder Prestigewert beziehen (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 28.10.2010 - 6 U 87/09 - GRUR-RR 2011, 182). Dabei stehen der Grad an Bekanntheit und Wertschätzungen und die sonstigen Tatbestandsmerkmale der unlauteren Nachahmung in einer Wechselwirkung (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 3.52). Indizien für die Bekanntheit können ein hoher Marktanteil, hohe Werbeaufwendungen oder langjährige Marktpräsenz sein (BGH WRP 2013, 1339 Rn. 25 - Einkaufswagen III).

Davon kann hinsichtlich der "..." nicht ausgegangen werden. Eine besonders hohe Bekanntheit oder Wertschätzung gerade des Produkts der Klägerin ist nicht ersichtlich. Jedenfalls liegen keine hinreichenden Indizien hierfür vor. Aus den zahlreichen klägerseits vorgelegten Berichten in einschlägigen Modemagazinen und auch mit Blick auf die Social-Media-Kampagne mag zwar das Image eines "hippen" bzw. im Trend stehenden Produkts hervorgehen und das Sponsoring des ... mag "Sportlichkeit" als Werbebotschaft transportieren. Dass diese Wertschätzung jedoch im Sinne des § 4 Nr. 3 lit b) UWG unlauter ausgenutzt wird, ist angesichts der Unterschiede zwischen den in Streit stehenden Produkten bzw. den Verpackungen zu verneinen.

4. Eine Irreführung im Zusammenhang mit der Vermarktung der "..." im Sinne des § 5 Abs. 2 UWG ist weder durch das Produkt selbst oder die Verpackung noch durch das Werbevideo begründet. Dass trotz bestehender Unterschiede beim Gesamteindruck des Produkts bzw. der Verpackungen eine Verwechslungsgefahr mit "..." hervorgerufen wird, ist nicht dargetan. Das gilt auch mit Blick auf das Werbevideo.

I. Der Klägerin steht nach vorstehenden Ausführungen auch kein Auskunftsanspruch nach den §§ 9 UWG, 242 BGB zu (Antrag zu II.). Ebenso wenig besteht der im Rahmen des Feststellungsantrages geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 9 UWG (Antrag zu III.) trotz Annahme eines entsprechenden Feststellungsinteresses nach § 256 Abs. 1 ZPO.

II. Auf den nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 14.03.2018 sowie den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 04.04.2018 war der jeweils anderen Partei nicht erneut rechtliches Gehör zu gewähren. Auch war die mündliche Verhandlung nicht nach § 156 ZPO wieder zu eröffnen. Denn die Schriftsätze enthalten keinen neuen entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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