OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 26.02.2020 - 6 UF 237/19
Fundstelle
openJur 2020, 45196
  • Rkr:
Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wie folgt abgeändert:

Der Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 5.12.2013 (.../13) wird zu Ziffer 2 der Beschlussformel dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer ab Juli 2019 nicht verpflichtet ist, die Kosten der privaten Krankenversicherung der Beschwerdegegnerin zu zahlen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen haben der Beschwerdeführer ein Zehntel und die Beschwerdegegnerin neun Zehntel zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 2.111,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist der Vater der Beschwerdegegnerin. Sie streiten über die Verpflichtung zur Zahlung des Beitrags für eine private Krankenversicherung.

Die am XX.XX.2003 geborene Beschwerdegegnerin lebt nach der Trennung der Eltern bei der Mutter. Beide Eltern waren und die Mutter der Beschwerdegegnerin ist auch heute noch privat krankenversichert. Für die Beschwerdegegnerin besteht ebenfalls eine private Krankenversicherung. Der Beschwerdeführer wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 5.12.2013 verpflichtet, für die Beschwerdegegnerin monatlich 160% des Mindestunterhalts und 67,07 € Krankenversicherungskosten sowie jährlich 306,- € Selbstbehalt zu zahlen. Seit Anfang 2019 beläuft sich der Beitrag zur privaten Krankenversicherung der Beschwerdegegnerin auf 120,32 € pro Monat. Sie hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12.2.2019 auffordern lassen, ihr künftig den erhöhten Beitrag zu erstatten.

Der Beschwerdeführer ist zum 1.3.2019 in eine gesetzliche Krankenversicherung gewechselt. Es besteht dort Mitversicherung für seine jetzige Ehefrau, für die aus seiner neuen Ehe hervorgegangenen zwei Kinder und für die Beschwerdegegnerin. Hierüber hat der Beschwerdeführer die Mutter der Beschwerdegegnerin am 11.3.2019 per SMS informiert. Mit an die Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdegegnerin gerichteter E-Mail vom 14.6.2019 hat der Beschwerdeführer verlangt, dass ihm die für März und April 2019 gezahlten Beiträge in Höhe von jeweils 120,23 € zurückerstattet werden.

Die Beschwerdegegnerin hat wegen der Beitragserhöhung das vorliegende Abänderungsverfahren eingeleitet und erstinstanzlich beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt, .../13, vom 5.12.2013 zu Ziffer 2) rückwirkend zum 1.2.2019 dahingehend abzuändern, dass der Beschwerdeführer verpflichtet ist, an sie Kosten der privaten Krankenversicherung bei der A a.G. in Höhe von derzeit monatlich 120,32 € zuzüglich Selbstbehalt in Höhe von derzeit 306,- € pro Kalenderjahr zu zahlen.

Der Beschwerdeführer hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Widerantragend hat der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt, .../13, vom 5.12.2013 zu Ziffer 2) dahingehend abzuändern, dass er ab dem 1.3.2019 nicht mehr verpflichtet ist, die Kosten der privaten Krankenversicherung bei der A a.G. zu bezahlen.

Die Beschwerdegegnerin hat beantragt,

den Widerantrag zurückzuweisen.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht den Unterhaltstitel unter Abweisung der (Wider-)Anträge im Übrigen dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer verpflichtet wurde, ab dem 1.5.2019 Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 120,32 € zu erstatten. Eine private Krankenversicherung zähle angesichts der guten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers zum angemessenen Unterhalt der Beschwerdegegnerin. Weil sie schon seit der Geburt privat versichert war, sei ihr ein Wechsel in die gesetzliche Versicherung nur zuzumuten, wenn der Abschluss einer privaten Zusatzversicherung angeboten werde. Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargelegt, dass das Leistungsspektrum der gesetzlichen Versicherung dem der privaten Versicherung entspreche. Das Amtsgericht hat den Beschluss vom 5.12.2013 erst zum 1.5.2019 abgeändert, weil der Beschwerdeführer die aktuellen Beiträge bis April 2019 bezahlt hatte.

Die Beschwerde gegen die dem Beschwerdeführer am 15.10.2019 zugestellte Entscheidung ist am 29.10.2019 bei dem Amtsgericht eingegangen und wurde mit am 26.11.2019 bei dem Senat eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Beschwerdeführer trägt vor, er könne zur Vergleichbarkeit der Leistungen der Versicherungen nicht vortragen, weil die Mutter der Beschwerdegegnerin ihm die Einholung von Auskünften bei der privaten Krankenversicherung verweigert hat. Wenn eine Zusatzversicherung erforderlich sei, sei er bereit, eine solche abzuschließen.

Der Beschwerdeführer beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und den Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt .../13 vom 5. Dezember 2013 hinsichtlich der Entscheidung zu Ziffer 2) dahingehend abzuändern, dass der Beschwerdeführer ab dem 1. März 2019 nicht mehr verpflichtet ist, die Kosten der privaten Krankenversicherung bei der A a.G. zu bezahlen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Es sei allgemeinkundig, dass eine private Krankenversicherung bessere Leistungen erbringe und Privatpatienten Vorteile bei der Terminvergabe hätten.

Das Beschwerdeverfahren wurde durch Beschluss des Senats vom 15.1.2020 auf den Einzelrichter übertragen.

Der Beschwerdeführer und die Mutter der Beschwerdegegnerin sind beide Mediziner. Im Verhandlungstermin im Beschwerdeverfahren haben sie angegeben, dass gesetzlich Versicherte mit einer Zusatzkrankenversicherung von niedergelassenen Ärzten bei der Terminvergabe nicht so behandelt würden wie Privatpatienten.

II.

Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zum Wegfall der Verpflichtung zur Erstattung der Beiträge zur privaten Krankenversicherung für die Beschwerdegegnerin ab dem 1. 7. 2019.

Die Beschwerde ist unbegründet, soweit der Beschwerdeführer den Wegfall der Verpflichtung zur Zahlung der Krankenversicherungskosten für Mai und Juni 2019 erstrebt. Nach § 238 Abs. 3 FamFG ist die Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung über Unterhalt erst ab Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags bzw. ab dem Ersten des auf ein Verzichtsverlangen folgenden Monats zulässig. Der Abänderungsantrag wurde erst im August 2019 gestellt. Ein vorgerichtliches Verzichtsverlangen hat der Beschwerdeführer erstmals in der E-Mail vom 14.6.2019 formuliert. Für ein Verzichtsverlangen i.S.d. § 238 Abs. 3 S. 3 FamFG ist es ausreichend, dass der Unterhaltsverpflichtete zum Ausdruck bringt, dass nur noch geringerer Unterhalt geschuldet sei, und er den Unterhaltsgläubiger auffordert, die Herabsetzung zu akzeptieren (OLG Hamburg, Beschluss vom 5.12.2012, 7 WF 117/12, Rn. 4 - juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.10.2013, 3 WF 98/13, Rn. 10 - juris; Bumiller/Harders/Schwamb, 12. Aufl., Rn 19 zu § 238 FamFG; Keidel/Meyer-Holz, 20. Aufl., Rn. 77 zu § 238 FamFG). In der e-mail hat der Beschwerdeführer zu erkennen gegeben, dass der Beschwerdegegnerin aus seiner Sicht keine Rechte aus dem Unterhaltstitel über Krankenkassenbeiträge mehr zustanden. Das Verlangen nach Rückerstattung dennoch gezahlter Beträge ist als hinreichende Aufforderung zu verstehen, die Herabsetzung zu akzeptieren.

Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit das Amtsgericht den auf die Krankenversicherung entfallenden Unterhalt für Mai und Juni 2019 von 67,07 € auf 120,23 € erhöht hat. Der Abänderungsantrag der Beschwerdegegnerin war gemäß § 238 Abs. 1 FamFG zulässig. Mit der Verdoppelung des für 2019 zu entrichtenden Beitrags gegenüber dem Beitrag im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im vorangegangenen Unterhaltsverfahren hat sie eine wesentliche Veränderung der der damaligen Entscheidung zugrundeliegenden tatsächlichen Verhältnisse angeführt. Der Abänderungsantrag war für die beiden Monate auch begründet. Die Beschwerdegegnerin hat mit dem Mahnschreiben vom 12.2.2019 die Voraussetzungen einer auf die Zeit vor der Rechtshängigkeit ihres Abänderungsantrags rückwirkenden Erhöhung des Unterhalts nach § 238 Abs. 3 S. 2 FamFG und § 1613 Abs. 1 S. 1 BGB erfüllt. In der Sache ist ihr Abänderungsbegehren begründet, weil der barunterhaltspflichtige Elternteil den Krankenkassenbeitrag in jeweils anfallender Höhe zu tragen hat. Der Anspruch auf eine angemessene Krankenversicherung zählt zum angemessenen Lebensbedarf eines Kindes. Besteht keine beitragsfreie Mitversicherung in einer gesetzlichen Krankenkasse nach § 10 SGB V, sind die Beiträge zu einer privaten Krankenversicherungsbeiträge allein vom barunterhaltspflichtigen Elternteil zu tragen sind (BGH, Beschluss von 7. 2. 2018, XII ZB 338/17, Rn. 28). Wie noch darzulegen sein wird, ist die Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers durch Eintritt der Mitversicherung zwar entfallen. Die Durchbrechung der Rechtskraft des alten Unterhaltsbeschlusses scheitert aber für den Beschwerdeführer für Mai und Juni 2019 an der Zeitschranke des § 238 Abs. 3 FamFG. Solange die Rechtskraft für den Beschwerdeführer noch wirkt, ist die Beschwerdegegnerin ihrerseits nicht gehindert, eine ihr günstige Abänderung zu verlangen.

Der Widerantrag auf Abänderung des Unterhaltstitels hinsichtlich der Krankenversicherungskosten ist für die Zeit ab Juli 2019 zulässig und auch begründet. Der Unterhaltsanspruch der Beschwerdegegnerin erstreckt sich infolge des Wechsels des Beschwerdeführers in die gesetzliche Krankenversicherung und ihre dadurch nach § 10 SGB V entstandene beitragsfreie Mitversicherung nicht mehr auf die Kosten einer privaten Krankenversicherung.

Der Unterhaltsbedarf eines Kindes umfasst Krankenversicherungsschutz. Der barunterhaltspflichtige Elternteil muss die Kosten einer privaten Krankenversicherung tragen, wenn ein Kind nicht mit einem Elternteil mitversichert ist. Ist es privat versichert und ergibt sich erst danach die Möglichkeit der beitragsfreien Mitversicherung mit einem Elternteil, kann der Barunterhaltsverpflichtete das Kind nach § 1612 Abs. 1 S. 2 BGB in der Regel auf die gesetzliche Krankenversicherung verweisen (OLG Köln, Beschluss vom 20.2.2015, 4 UF 168/14, Rn. 4 - juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.2.1993, 4 UF 208/92, Rn. 12 ff - juris). Das gilt immer, wenn der im Einzelfall vereinbarte Tarif in der privaten Versicherung keine besseren Leistungen vorsieht, als sie die gesetzliche Krankenversicherung bietet (OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.6.2016, 13 UF 1/13, Rn. 97 - juris). Die Verweisung ist aber nicht ohne weiteres möglich, wenn die nach § 1610 Abs. 1 BGB maßgebliche Lebensstellung des Kindes zu einem Unterhaltsbedarf führt, der eine private Krankenversicherung mit einem Tarif umfasst, der Leistungen über dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht. Nach bisheriger Rechtsprechung war insoweit darauf abzustellen, ob das Kind schon immer privat versichert war und ob der barunterhaltspflichtige Elternteil selbst privat versichert ist (OLG Naumburg, Urteil vom 17.8.2006, 4 UF 16/06, Rn. 25 - juris; OLG Koblenz, Urteil 19. 1. 2010, 11 UF 620/09, Rn. 12 - juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.4.2012, 3 UF 279/11 - BeckRS 2012, 14891; BeckOGK BGB Wendtland § 1610, Rn. 66). Ob im Hinblick auf die sich abzeichnende Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abhängigkeit der Lebensstellung des in Ausbildung befindlichen minderjährigen Kindes von beiden Elternteilen (BGH, Beschluss vom 15.2.2017, XII ZB 201/16, Rn. 11; vgl. auch Staudinger/ Klinkhammer (2018), Rn. 262 zu § 1610 BGB), auch künftig noch entscheidend darauf abgestellt werden kann, wie der Barunterhaltspflichtige versichert ist, erscheint als fraglich, kann im vorliegenden Fall aber dahinstehen. Umfasst der Bedarf Gesundheitsleistungen nach dem Niveau einer privaten Krankenversicherung mit gegenüber der gesetzlichen Versicherung besserem Leistungsspektrum, ist die Verweisung auf eine beitragsfreie Mitversicherung jedenfalls nur möglich, wenn deren Minderleistungen durch eine private Zusatzversicherung kompensiert werden, was im Hinblick auf die nicht eben seltene Bevorzugung von Privatpatienten bei der Terminvergabe aber kaum zu erreichen sein dürfte.

Bei Übertragung der dargelegten Maßstäbe auf den hier in Rede stehenden Fall ergibt sich, dass eine private Krankenversicherung seit dem Wechsel des Beschwerdeführers in die gesetzliche Versicherung nicht mehr zum angemessenen Unterhalt der Beschwerdegegnerin zählt. Ihre Lebensstellung ist dadurch bestimmt, dass nur ein Elternteil privat krankenversichert ist und dass die beiden Halbgeschwister sich mit einer gesetzlichen Krankenversicherung bescheiden müssen. Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin in der Vergangenheit lange als Privatpatientin behandelt wurde, hat entgegen der Auffassung des Amtsgerichts keine ausschlaggebende Bedeutung. Ihre von den Eltern abgeleitete Lebensstellung ist nicht statisch, sondern dem Wandel der Lebensverhältnisse der Eltern unterworfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG. Der Beschwerdeführer hat im Ergebnis weitgehend Erfolg und ist nur insoweit unterlegen, als er die Krankenversicherungsbeiträge in aktueller Höhe für Mai und Juni 2019 zu zahlen hat. Daher entspricht es billigem Ermessen, der Beschwerdegegnerin 90% der Kosten aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts hat ihre Grundlage in § 40 und § 51 Abs. 1 und 2 FamGKG, Für den laufenden Unterhalt waren 12 x 120,32 € zuzüglich 306,- € Selbstbehalt anzusetzen. Dazu kommen Rückstände bis zur Anhängigkeit des Widerantrags für Mai, Juni und Juli 2019 in Höhe von je 120,32 €.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte