Bayerischer VGH, Beschluss vom 29.04.2019 - 13a ZB 19.31492
Fundstelle
openJur 2020, 52775
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 26. Februar 2019 hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 AsylG sind nicht gegeben.

Der Kläger trägt zur Begründung seines Zulassungsantrags vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Es stelle sich die Frage, "ob Rückkehrer nach Afghanistan bei Berücksichtigung der aktuellen Situation alleine durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer Bedrohung i.S d. § 4 Abs. 1 S.1, 2, Nr. 3 AsylG i.V.m. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU ausgesetzt zu sein, beziehungsweise ob die Versorgungs- und Sicherheitslage in Afghanistan aktuell so desolat ist, dass hieraus Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK beziehungsweise § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG abzuleiten sind." Unter Bezugnahme insbesondere auf die Schweizerische Flüchtlingshilfe, UNHCR, Amnesty International, Pro Asyl, das Auswärtige Amt, Ärzte ohne Grenzen sowie diverse Berichte in Presse und Rundfunk wird u.a. Folgendes ausgeführt: Es habe u.a. 2017 und 2018 eine Vielzahl von Anschlägen mit vielen Toten gegeben, die Sicherheitslage habe sich im ganzen Land weiter verschlechtert, vor allem aufgrund von Angriffen der Taliban und des "Islamischen Staates", die Sicherheitslage sei so schlecht wie noch nie zuvor seit dem Abzug der internationalen Militärkräfte Ende 2014. Rückkehrer seien besonders gefährdet, Opfer von Straftaten oder Verfolgungen zu sein. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Existenzbedingungen wie Nahrungsversorgung, Zugang zu medizinischer Versorgung, Arbeit und Wohnraum bestünden enorme Defizite. Die Stadt Kabul stehe wegen der enorm hohen Anzahl von Rückkehrern vor dem Problem einer adäquaten Versorgung der Bevölkerung. Eine Vielzahl von Rückkehrern sei auf ein Leben ohne gesicherte Einkommensquelle am Rande des Existenzminimums in behelfsmäßigen Flüchtlingslagern angewiesen. Hinzu komme die stetig wachsende Zahl der Bevölkerung. Pro Asyl kritisiere den letzten Lagebericht des Auswärtigen Amts als zu ungenau. In einer Gesamtschau ließen die aufgeführten Berichte nur den Schluss zu, dass mittlerweile von einem derart hohen Grad an willkürlicher Gewalt in Afghanistan auszugehen sei, dass jeder Rückkehrer einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit ausgesetzt sei.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Die Grundsatzfrage muss nach Maßgabe des Verwaltungsgerichtsurteils rechtlich aufgearbeitet sein. Dies erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2019 - 13a ZB 19.30070 - juris Rn. 5; B.v. 21.12.2018 - 13a ZB 17.31203 - juris Rn. 4; B.v. 13.8.2013 - 13a ZB 12.30470 - juris Rn. 4 m.w.N.).

Hiervon ausgehend hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

Der Kläger verfehlt insoweit die Darlegungsanforderungen aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, als er sich im Zulassungsantrag nicht mit den fundierten Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Sicherheitslage und zur humanitären Lage (UA S. 9 ff., S. 12 ff., S. 21 f.) auseinandersetzt, vielmehr lediglich auf diverse Erkenntnismittel und sonstige Unterlagen verweist, ohne konkret aufzuzeigen, welche in diesen enthaltenen Angaben im Einzelnen von welchen Annahmen im Urteil des Verwaltungsgerichts abweichen sollen. Ebenso wenig genügt der Verweis auf Erkenntnismittel und sonstige Unterlagen, ohne dass der Kläger konkret darlegt, inwieweit welche darin enthaltenen Angaben zu einer Neubewertung der Gefahrendichte nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts führen sollen (u.a. auch quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos, vgl. dazu BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 - juris Rn. 24; B.v. 27.6.2013 - 10 B 11.13 - juris Rn. 7; U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 - juris Rn. 23; U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 - NVwZ 2011, 56 - juris Rn. 33).

Unbeschadet dessen ist die klägerseitig aufgeworfene Frage auch nicht klärungsbedürftig. Es ist in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende volljährige, alleinstehende und arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer Gefahrenlage auszugehen ist, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31918 - juris Rn. 14 ff. in Fortführung der bisherigen Rechtsprechung; vgl. auch BayVGH, B.v. 21.12.2018 - 13a ZB 17.31203 - juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 6 m.w.N.).

Der Zulassungsantrag gibt insoweit keinen Anlass zu einer erneuten Überprüfung. Soweit der Kläger auf diverse Berichte von UNHCR, der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des Auswärtigen Amts etc. Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof im oben genannten Urteil vom 8. November 2018 (13a B 17.31918 - juris) explizit mit den neuesten Erkenntnismitteln wie etwa dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018, den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018, dem UNAMA-Bericht vom 10. Oktober 2018 und dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2018 auseinandergesetzt und diese bei seiner Bewertung u.a. der Sicherheitslage und der humanitären Lage berücksichtigt hat.

Auch aus den UNAMA-Berichten vom 24. Februar 2019 (UNAMA, Afghanistan Annual Report on Protection of Civilians in Armed Conflict: 2018) und 24. April 2019 (UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019) ergibt sich kein erneuter Überprüfungsbedarf: Die im Bericht vom 24. Februar 2019 ausgewiesenen zivilen Opferzahlen für das Jahr 2018 bewegen sich auf einem mit den Vorjahren vergleichbaren Niveau, das auch dem genannten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. November 2018 (13a B 17.31918 - juris Rn. 24) zugrunde lag (konfliktbedingtes Schädigungsrisiko für Afghanistan insgesamt von 1:2456 bei 10.993 zivilen Opfern und einer Einwohnerzahl von 27 Mio. Menschen). Laut dem neuesten UNAMA-Bericht vom 24. April 2019 sind die zivilen Opferzahlen im ersten Quartal 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar um 23 v.H. zurückgegangen und haben den niedrigsten Stand für ein erstes Quartal seit 2013 erreicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.