OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.06.2019 - 16 W 36/18
Fundstelle
openJur 2020, 44729
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 5. Juni 2018 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 50.000,-- festgesetzt.

Gründe

Die gemäß §§ 793 Abs. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist nicht begründet.

Die Beschwerdeführerin hat mit der Veröffentlichung des Bildnisses Nr. 3 in der Folgeberichterstattung vom 11. Januar 2018, ersichtlich aus Anlage G 3, gegen die einstweilige Verfügung vom 20. Juli 2017, bestätigt durch Urteil vom 14. Dezember 2017, verstoßen.

1.

Ob ein Schuldner gegen ein gerichtliches Unterlassungsgebot verstoßen hat, bestimmt sich nach dem Inhalt des Verbotstenors. Gegenstand der einstweiligen Verfügung vom 20. Juli 2017 ist das Verbot, "die Gläubigerin im Zusammenhang mit der Suche nach den G20-Verbrechern durch Bekanntgabe des - im Tenor der Verfügung wiedergegebenen Bildnisses - erkennbar zu machen und/oder machen zu lassen, wenn dies geschieht, wie in dem Textbeitrag "...", der unter http://www.(a).de/... im Internet abrufbar ist.

a) Das von dem Landgericht festgesetzte Ordnungsgeld in Höhe von EUR 50.000,- ist aufgrund der v.g. Bildberichterstattung der Beschwerdeführerin vom 11. Januar 2018 im Internet mit dem Titel "A zeigt die Fotos trotzdem - Gericht verbietet Bilder von G20-Plünderin" (Anlage G 3) verwirkt. Denn diese, von der Beschwerdegegnerin zum Gegenstand ihres Bestrafungsantrags gemachte Berichterstattung ist von dem Verbotsumfang teilweise umfasst. Jedenfalls das dort wiedergegebene Bildnis Nr. 3 auf der 2. Seite Mitte fällt unmittelbar in den Schutzbereich der Verbotsverfügung. Ein Vergleich beider Bilder ergibt ohne weiteres, dass es sich bei Bild Nr. 3 der Anlage G3 um dasjenige Bild handelt, dem der vergrößerte Bildausschnitt des Ausgangsberichts entnommen ist. Dies ergibt sich zum einen aus dem links neben dem geneigten Kopf der Beschwerdegegnerin sichtbaren angeschnitten hellen Armstück, das nach der Neigungsrichtung aber auch nach dem noch gut sichtbaren Faltenwurf des Ärmels und dem etwas dunkleren, entlang des Ärmels von oben nach unten verlaufenden Strichmusters mit dem Arm der im Großbild von hinten mit Kopfvermummung gezeigten Person identisch ist. Auch der charakteristische Scheitelverlauf des Haaransatzes der Beschwerdegegnerin und die übrigen, sie kennzeichnenden Merkmale und die Kopfhaltung, stimmen mit dem betreffenden Ausschnitt in dem Großbild von Bild Nr. 3 in Anlage G3 überein. Auch die Beschwerdeführerin stellt im Ergebnis in ihrer Beschwerde nicht in Abrede, dass der Ausschnitt dem Negativ des jetzt gezeigten Bildnisses Nr. 3 entnommen ist.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin macht es für die Identität der Bilder keinen Unterschied, dass der in dem Ausgangsbericht gezeigte Teilausschnitt des Fotos den Fokus auf den Bereich von Kopf und Oberkörper der Beschwerdegegnerin legt, der auf dem Foto herangezoomt und vergrößert dargestellt wurde, während durch die Beschwerdeführerin nunmehr das komplette Foto gezeigt wird. Denn der Beschwerdeführerin ist durch die Verbotsverfügung die Wiedergabe des konkreten Bildes verboten. Dieses wird in der beanstandeten Berichterstattung erneut gezeigt, nur eben zusammen mit dem räumlichen Umfeld, dem es entnommen ist. Die Wiedergabe eines verbotenen Bildausschnitts, eingebettet in das Ursprungsbild, ändert aber nichts an dem Umstand, dass dabei der verbotene Bildausschnitt auch gezeigt wird.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, durch den anderen Inhalt der textlichen Einkleidung ergebe sich für die Folgebildberichterstattung ein ganz anderer Aussagegehalt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn es wird mit der Bildfolge der Anlage G3 der Aussagegehalt des Bildausschnitts der Verbotsverfügung lediglich vertieft. Es geht nach dem die Bildfolge begleitenden Bildunterschriften auch mit dieser Berichterstattung weiterhin darum, die Beschwerdegegnerin in der Öffentlichkeit als Täterin einer bei Plünderung des Drogeriemarktes begangenen Straftat abzubilden. Bereits der einführende Text bezieht sich erneut konkret auf "eine Frau im pinkfarbenen T-Shirt", die bereits Gegenstand der untersagten Ausgangsberichterstattung war. Im Folgenden wird lediglich ein längerer Bewegungsablauf innerhalb der die Plünderung der Drogerie dokumentierenden Filmsequenz nachvollzogen und zwar mit den Wendungen bei Bild Nr. 2, "...bückt sich am Eingang", bei Bild Nr. 3 "...sie dreht sich um" und schließlich bei Bild Nr. 4 "...und geht mit vollen Händen weg." Dabei knüpft die Beschwerdeführerin ersichtlich und bewusst an die Aussage der Ausgangsberichterstattung an, der auf "die Frau im pinkfarbenen T-Shirt im geplünderten Drogeriemarkt" hinweist, und zwar beim "Wochenend-Einklau?"

Auch die über den Bildausschnitt hinausführenden gezeigten Einzelheiten im Großbild geben dem Rezipienten keine Informationen in Bezug auf die Beschwerdegegnerin, die über Bildausschnitt und Unterschrift in dem Ausgangsbeitrag hinausgehen. Vielmehr soll das Foto in beiden Berichterstattungen der Beschwerdeführerin erkennbar als Beleg für ihre Behauptung dienen, dass die Beschwerdegegnerin an der Plünderung des Drogeriemarkts X anlässlich des G20-Gipfels in Stadt1 beteiligt war.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das vergrößerte Kopfbildnis der Beschwerdegegnerin in der Verbotsverfügung in eine andere Teilsequenz aus dem Film eingeschnitten ist, die in der Bildfolge der Anlage G3 so nicht enthalten ist. Denn die Teilsequenzen aus der Bildfolge der die Plünderung des Drogeriemarktes dokumentierenden Filmsequenz sind als Einzelbilder ihrem Aussagegehalt nach ohne weiteres austauschbar. Es ergibt sich durch Wechsel des Einzelbildes für den Durchschnittsrezipienten kein anderer Informationswert.

b) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin erweist sich die erneute Veröffentlichung des Bildnisses der Beschwerdegegnerin im Bild Nr. 3 in der Folgeberichterstattung auch nach Abwägung des Grundrechts auf Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beschwerdegegnerin mit der grundgesetzlich geschützten Pressefreiheit der Beschwerdeführerin nicht als zulässig. Denn es ist zwar richtig, dass die Folgeberichterstattung auch den Inhalt der Entscheidung des Landgerichts zum Gegenstand hat, die dort als falsch und die Pressefreiheit der Beschwerdeführerin verletzende Ansicht kritisiert wird. Darauf beschränkt sich der Bericht aber nicht. Vielmehr wird dabei der ursprüngliche Angriff der Ausgangsberichterstattung ausdrücklich und vollständig wiederholt und es wird die Beschwerdegegnerin erneut - wie oben ausgeführt - als Täterin einer Plünderung des Drogeriemarkts im Zusammenhang mit erheblichen Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Stadt1 an den Pranger gestellt. Hierauf weist die Folgeberichterstattung im Übrigen im Textteil mit der Wendung "A zeigt die Fotos dennoch, ohne die Personen zu verfremden - weil die Abbildung von Straftaten, gerade im Zusammenhang mit schweren Krawallen, Plünderungen und Landfriedensbruch bei einem so wichtigen Ereignis wie dem G20 -Gipfel, zum Auftrag der Presse gehört" selbst ausdrücklich hin. Diesen schwerwiegenden Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte muss die Beschwerdegegnerin aber nicht hinnehmen, selbst wenn sie - wie dies die Beschwerdeführerin meint - Täterin einer Straftat wäre und bei dieser gefilmt worden ist. Schließlich zeigt die Bildsequenz nicht, unter welchen Umständen die Beschwerdegegnerin herumliegende Sachen aufgehoben und mitgenommen hat. Insbesondere steht nicht fest, dass diese selbst Teilnehmerin an "Krawallen" und "schwerem Landfriedensbruch" gewesen ist, wie dies die Beschwerdeführerin aber mit dem Wort-Bildbericht behauptet. Dass bereits eine Straftat von besonders schwerem Gewicht vorliegt, ist allein aufgrund dieser Bilder nicht erwiesen. Zumindest legt die Gesamtbildfolge der Anlage G3 es eher nahe, dass die Beschwerdegegnerin bereits ein völlig verwüstetes Geschäft betreten hat und dort Sachen mitnimmt. Dass diese sich dabei auch an dessen Zerstörung beteiligt haben mag, liegt dabei eher nicht nahe, zumal die Beschwerdegegnerin auch die einzige nicht vermummte Person auf diesen Bildern ist. Zwar ist auch der Senat nicht der Ansicht, dass die Mitnahme von Sachen aus durch Plünderung zerstörten Geschäften ein billigenswertes Verhalten darstellt, da hierdurch der Schaden bei dem Inhaber des schon zerstörten Geschäfts noch erheblich vertieft wird und die Mitnahme fremder herumliegender Sachen in der Regel als Diebstahl strafbar ist. Es ist aber Sache der Staatsanwaltschaft und der Polizei, derartige Straftaten aufzuklären, und nicht Aufgabe der Medien, die Strafverfolgung durch öffentliche Anprangerungen einzelner im Wege der Selbsthilfe durchzusetzen.

2.

Soweit die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde außerdem noch rügt, dass jedenfalls die Bilder Nr. 1 (Seite 1 Anlage G3), Nr. 2 und Nr. 4 (Seite 2 Anlage G3) nicht von dem Tenor der Verbotsverfügung umfasst sind, weil diese andere Bildnisse der Beschwerdegegnerin zeigen, ist dies im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend. Denn es kann, wie der Senat bereits mit Beschluss vom 29. Januar 2019, Az.: 16 W 4/19, in einem gleich gelagerten Rechtsstreit zwischen den Beteiligten entschieden hat, zur Begründung für den Erlass eines Ordnungsgeldes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einer Bildberichterstattung nicht auf die im Wettbewerbsrecht zur sog. "Kerntheorie" entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Vielmehr ist der Verbotsumfang auf die im Beschluss bzw. Urteil beschriebene konkrete Verletzungsform begrenzt; nicht umfasst sind über die konkrete Verletzungsform hinaus ähnliche oder im Kern gleichartige Bildnisse der Beschwerdegegnerin (vgl. Urt. v. 13.11.2007 - VI ZR 265/06 und IV ZR 269/06 - Rn. 11; Urt. v. 1.7.2008 - VI ZR 243/06 - Rn. 7; Urt. v. 6.10.2009 - VI ZR 314/08 und IV ZR 315/08 - Rn. 7; OLG Frankfurt, aaO). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Zwar ist es richtig, dass durch die Bildnebenschriften und den weitergehenden Text die Gesamtbotschaft des Beitrages den Angriff gegen die Persönlichkeitsrechte der Beschwerdegegnerin wiederholt. Gleichwohl handelt es sich, da jeweils tatsächlich andere Bilder der Beschwerdegegnerin wiedergegeben werden, dabei um eigenständige Verletzungshandlungen, die nicht ohne weiteres in der Verbotsverfügung enthalten sind. Nichts anderes folgt aus den von dem Landgericht in Bezug genommenen Ausführungen in der Entscheidung des Bundesgerichtshof im Urteil vom 23. Juni 2009 (Az.: VI ZR 232/08 - Rn. 11, juris). Wie die Beschwerde zutreffend ausführt, gelten diese nur für den Fall, dass das beanstandete, also das konkrete Bildnis, im Zusammenhang mit einer weiteren Berichterstattung erneut veröffentlich wird. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall. Gleichwohl führt dies die Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn dies hebt den Verstoß gegen die Verbotsverfügung wegen des Bildnisses Nr. 3 nicht auf.

3.

Die Höhe des von dem Landgericht festgesetzten Ordnungsgeldes steht nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des Verstoßes. Die Festlegung liegt im Ermessen des Gerichts und richtet sich nach dem Unwertgehalt der Verletzungshandlung, insbesondere der Schwere und dem Ausmaß der Zuwiderhandlung, der Dauer des Verstoßes, den Folgen für den Gläubiger, aber auch dem Grad des Verschuldens sowie dem Umstand, dass dem Schuldner erkennbar werden soll, dass Titelverletzungen wirtschaftlich nicht lohnend sind. Schließlich soll der Schuldner davon abgehalten werden, erneut gegen das Verbot zu verstoßen (BGH NJW-RR 2017, 382, Rz 16 ff.; Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 890 Rz 18). Vorliegend handelt es sich bei der Beschwerdeführerin um eine der auflagenstärksten Tageszeitungen in Deutschland, die auch im Internet hohe Reichweiten hat. Die unverpixelte Abbildung der Beschwerdegegnerin und ihre erneute Anprangerung als Straftäterin in diesem Medium verletzt dabei die Persönlichkeitsrechte der Beschwerdegegnerin erheblich, selbst wenn sie sich bei dem abgebildeten Verhalten wegen Diebstahls oder anderen Vorschriften strafbar gemacht haben sollte. Weniger bedeutend für die Festlegung der Höhe der Strafe ist dagegen, ob die Beschwerdeführerin nur mit einem der Bildnisse oder mit allen Bildnissen des Berichts gegen die Verbotsverfügung verstoßen hat. Denn für die Identifizierung der Beschwerdegegnerin genügt bereits die Abbildung eines diese unverpixelt zeigenden Bildnisses. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin vorsätzlich gehandelt hat. Denn in der beanstandeten Folgeberichterstattung teilt sie ausdrücklich mit, dass sie sich bewusst über die Verurteilung durch das Landgericht Frankfurt hinweggesetzt hat und - statt den Rechtsweg zu beschreiten - sich der Medien zur Auseinandersetzung in der Sache bedient. Auch dient der Folgebericht letztlich jedenfalls auch der Auflagensteigerung und damit auch zugleich den kommerziellen Interessen der Beschwerdeführerin. Dies rechtfertigt im Ergebnis jedenfalls ein Ordnungsgeld in der von der Kammer des Landgerichts verhängten Höhe.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 891 Satz 3 ZPO. Der Streitwert bemisst sich nach der Höhe des gegen die Beschwerdeführerin festgesetzten Ordnungsgelds (OLG Celle Beschl. v. 4.4.2014 - 4 W 55/14 Rn. 10 m.w.N.).