Hessisches LAG, Urteil vom 21.02.2019 - 9 Sa 1059/16
Fundstelle
openJur 2020, 44567
  • Rkr:

Bei Errichtung einer Aufdach-Solarstromanlage ist die Montage des Photovoltaik-Generators keine Trocken- und Montagebauarbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV. Die Montage des Photovoltaik-Generators, bei der Photovoltaik-Teilgeneratoren auf die Unterkonstruktion aufgebracht und angeschlossen werden, ist als Installation eines Energiewandlungssystems anzusehen und nicht vergleichbar mit der Bekleidung einer Außenwand mit "Baufertigteilen".

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. April 2016 - 7 Ca 1014/15 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren der deutschen Bauwirtschaft.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, nimmt er - nach Verbindung von ursprünglich zwei getrennten Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung - die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Dezember 2009 bis November 2011 sowie für Angestellte für die Monate Dezember 2010 bis November 2011 in Höhe von insgesamt EUR 102.423,13 in Anspruch.

Die Beklagte wurde im Jahre 2008 gegründet. Gegenstand des Unternehmens war bis 2012 der "Handel mit Solar- und Photovoltaikanlagen jeder Art, die Projektierung und der Bau von Solar- und Photovoltaikanlagen einschließlich deren Reparatur und Wartung sowie die Beratung bei der Planung und Gründung von Solar- und Photovoltaik-Beteiligungsgesellschaften." Weiterhin ist Gegenstand auch die Ausführung sämtlicher Arbeiten des Elektrotechnikerhandwerks. Von der Beklagten angeboten und verkauft wurden Aufdach-Solarstromanlagen, auch mit deren Montage. Die Beklagte beschäftigte im streitgegenständlichen Zeitraum zwei Elektrotechnikermeister, die alle Arbeiten, insbesondere die Arbeitsschritte "Montage der Unterkonstruktion des PV-Generators" und die "Montage des PV-Generators", beaufsichtigt und überwacht haben.

Die Beklagte meldete sich erstmalig am 17. Oktober 2013 zwecks Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung beim Kläger. Aufgrund eigener Nachforschungen des Klägers eröffnete dieser am 5. Juli 2014 das Sozialkassenbeitragskonto für die Beklagte.

Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden mit dem Az. 7 Ca 1014/15 (vorher 7 Ba 2171/15) hat der Kläger die Zahlung von Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Dezember 2009 bis November 2010 in Höhe von insgesamt EUR 35.205,00 verlangt. Im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden mit dem Az. 7 Ca 1432/15 (vorher 7 Ba 4020/15) hat der Kläger Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer für die Monate Dezember 2010 bis November 2011 sowie für Angestellte für die Monate Dezember 2010 bis November 2011 in Höhe von insgesamt EUR 38.038,00 geltend gemacht. Im Verfahren mit dem Az. 7 Ca 1014/15 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 6. April 2016 die Klageforderung auf EUR 64.385,13 erweitert.

Mit Beschluss vom 20. April 2016 (Bl. 99, 100 d.A.) hat das Arbeitsgericht die Verfahren mit den Az. 7 Ca 1014/15 und 7 Ca 1432/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Az. 7 Ca 1014/15 verbunden.

Der Kläger hat für Dezember 2009 eine Bruttolohnsumme von EUR 17.776,00 und dementsprechend eine Beitragsforderung von EUR 3.519,65 (19,8%) zugrunde gelegt. Für das Kalenderjahr 2010 hat der Kläger den Beitragsforderungen mitgeteilte und gezahlte Bruttolohnsummen in Höhe von EUR 335.347,00 zugrunde gelegt, woraus er bei einem monatlichen Beitragssatz von EUR 5.533,22 (19,8%) für die Monate Januar bis November 2010 eine Beitragsforderung von insgesamt EUR 60.865,48 (11 x EUR 5.533,22) errechnet hat. Für die Monate Dezember 2010 bis November 2011 hat der Kläger sogenannte Mindestbeiträge zugrunde gelegt, wobei er davon ausgeht, dass die Beklagte monatlich mindestens fünf gewerbliche Arbeitnehmer sowie zwei Angestellte beschäftigte.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte unterhalte einen baugewerblichen Betrieb. Durch die Montage von Photovoltaikanlagen auf Gebäuden erfahre das Bauwerk eine Erweiterung der ursprünglichen Zweckbestimmung (z. B. Wohnen) um die der Stromgewinnung. Es handele sich um bauliche Leistungen, da das Gebäude seinem nutzungsbedingtem Zweck - hier auch Stromgewinnung - zugeführt werde. Dies seien Trocken- und Montagebauarbeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV. Der Betrieb sei auch nicht als Elektroinstallationsbetrieb vom Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV ausgenommen, selbst wenn die Aufsicht der Montagetätigkeiten durch einen Elektrofachmann durchgeführt würde, da die Rückausnahmeregelung in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 12 VTV greife.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 102.423,13 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, nicht zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft verpflichtet zu sein. Sie unterhalte keinen baugewerblichen Betrieb im Sinne von § 1 VTV. Die Errichtung von Aufdach-Solarstromanlagen - Photovoltaikanlagen auf Dächern - sei mangels Verbindung mit dem Erdboden selbst kein Bauwerk im Sinne des VTV. Bauwerk sei allein das Haus, die Scheune oder das sonstige Gebäude, auf deren Dach die Solaranlage montiert werde. Die von der Beklagten in dem hier streitigen Zeitraum errichteten Photovoltaikanlagen hätten nicht der Erzeugung von Wärme und Elektrizität für das Gebäude, auf dem sie angebracht gewesen seien, gedient, sondern ausschließlich der gewerblichen Einspeisung in das öffentliche Stromnetz. Die Installation, die Verkabelung und der Anschluss von Photovoltaikanlagen seien Tätigkeiten aus dem Bereich des Elektroinstallationsgewerbes. Weiter hat die Beklagte die Ansicht vertreten, die Forderungen der Beklagten seien verjährt.

Die Beklagte hat behauptet, bei der Errichtung der Aufdach-Solarstromanlage, die eine elektrische Niederspannungsanlage sei und in der Regel an ein Mittelspannungsnetz zwecks Einspeisung in das öffentliche Stromnetz angeschlossen werde, würden fachlich vor allem Elektriker benötigt. Für die Errichtung von Photovoltaikanlagen sei zunächst notwendig, auf dem Dach entsprechende Gerüste oder Aufsteller zu befestigen, an denen dann die einzelnen Solarmodule (Generatoren) befestigt würden, die dabei miteinander verkabelt und verschaltet werden müssen. Der Hauptanteil der betrieblichen Gesamtarbeitszeit sei auf die Montage der Unterkonstruktion des PV-Generators mit ca. 22 %, Montage des PV-Generators mit ca. 45 % und Gleichstromverkabelung mit ca. 9 % entfallen. Der Anteil der reinen Elektrikertätigkeiten habe bei 12,56 % gelegen; wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 29. Februar 2016 (Bl. 56ff. d.A.) verwiesen. Hinsichtlich der Anforderungen an die Montage von Solarstromanlagen hätten sich alle Anbieter von Solarstromanlagen an den Konzepten des Verbandes der Elektrotechnik-Elektronik-Informationstechnik e.V. (VDE) zu orientieren, bei dem die Beklagte auch Mitglied sei. Bereits hieraus ergebe sich, dass die Errichtung von Photovoltaikanlagen dem Bereich der Elektrotechnik zuzuordnen sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. April 2016 - Az. 7 Ca 1014/15 (Bl. 102-115 d.A.) - der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe in den streitgegenständlichen Kalenderjahren 2009, 2010 und 2011 einen baugewerblichen Betrieb im tariflichen Sinne unterhalten. Arbeitszeitlich überwiegend habe die Beklagte die Montage von Photovoltaikanlagen durchgeführt. Die Montage von Photovoltaikanlagen auf Gebäuden, nämlich auf Dächern von Gebäuden (z.B. Scheunen oder Hallen) seien baugewerbliche Leistungen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die auf einem Dach errichtete Photovoltaikanlage mangels Verbindung mit dem Erdboden kein Bauwerk sei. Entscheidend sei, dass die Montage dieser Anlage auf dem "Bauwerk" Haus, Scheune oder einem sonstigen Gebäude auf deren Dach eine bauliche Leistung sei. Dies sei von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV erfasst. Das Montieren von Photovoltaikanlagen auf Dächern der Gebäude diene der Änderung bzw. Erweiterung des Nutzungszwecks des Bauwerks und stelle eine bauliche Anlage dar. Der Nutzungszweck werde dahingehend erweitert, dass das Gebäude zukünftig auch der Stromgewinnung diene, wenn auch nicht für die eigene Nutzung, aber zumindest für die Einspeisung in das öffentliche Stromnetz. Die Beklagte sei auch nicht als Betrieb des Elektroinstallationsgewerbes vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen. Die Beklagte habe nämlich nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, dass es sich bei der Montage der Unterkonstruktion sowie der Solarmodule nicht um Montagetätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV handele.

Gegen das ihr am 18. Juli 2016 (Bl. 116 d.A.) zugestellte Urteil hat die Beklagte am 17. August 2016 (Bl. 119 d.A.) Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 18. Oktober 2016 am 17. Oktober 2016 (Bl. 127ff. d.A.) begründet.

Die Beklagte ist unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter der Ansicht, die Montage einer Photovoltaikanlage auf einem Bauwerk, einer Scheune oder einem sonstigen Gebäude auf deren Dach sei keine bauliche Leistung. Das Bauwerk selbst werde nicht allein dadurch, dass auf ihm eine stromerzeugende Photovoltaikanlage befestigt werde, geändert. Es werde auch nicht um die Stromerzeugungsmöglichkeit erweitert; das Gebäude selbst erzeuge keinen Strom. Es könne nicht der Schluss gezogen werden, dass durch die Anbringung einer Photovoltaikanlage auf dem Dach der Scheune diese plötzlich eine "Stromerzeugungsscheune" sei und so dem "Bauwerk" diene.

Weiter meint die Beklagte, sie sei nach § 1 S. 2 Abschnitt VII Nr. 12 VTV als Betrieb des Elektroinstallationsgewerbes vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen. Denn 88,19 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit würden den Ausnahmetatbestand erfüllen, da neben den "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" in nicht erheblichem Umfang Arbeiten durchgeführt werden würden, die entweder ausschließlich den betrieblichen Geltungsbereich ausgenommenen Gewerken zuzuordnen seien (12,65 %) oder lediglich "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" seien, aber von gelernten Arbeitnehmern des Elektrikerhandwerks ausgeführt würden (25,75 %) oder zwar lediglich "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" seien, die nicht von gelernten Arbeitnehmern des Elektrikerhandwerks, aber unter Aufsicht durch einen Fachmann des Gewerks erfolgen würden (49,87 %). Der Kläger könne sich nicht auf die Rückausnahme berufen, denn bei der Anbringung der Aufsteller und der Montage des PV-Generators handele es sich zwar um Montagearbeiten, nicht aber um Montagebauarbeiten.

Die Beklagte behauptet unter Bezugnahme auf die ihrem Schriftsatz vom 17. Oktober 2016 beigefügten Aufstellungen für die Jahre 2009, 2010 und 2011 - Bl. 160-162 d.A. - die "Montage der Unterkonstruktion des PV-Generators" (Position l0) bedeute, dass die Trägerkonstruktion für die einzelnen Module errichtet werde. Dazu werde eine Trägerkonstruktion für die Solaranlage auf dem Dach befestigt. Hierzu zähle auch schon die Gleichstromverkabelung (Position l2), da die Verkabelung später von den Solarmodulen überdeckt werde. Die Errichtung der Trägerkonstruktion (Position l0) müsse also zusammen mit der Gleichstromverkabelung (Position l2) erfolgen. Laien könnten diese Arbeiten nicht verrichten, weil eine Vielzahl von elektrotechnischen Vorgaben zu berücksichtigen sei. Diese seien in der DIN VDE 0100-520 und der DIN VDE 0100-712 geregelt. Es handele sich bereits hier um komplexe Montageschritte, die von Fachpersonal beaufsichtigt werden müssten. Die Stringleitungen müssten auf dem Dach ordnungsgemäß unter Beachtung der VDE 0100 verlegt werden. Es müsse darauf geachtet werden, keine großen Leiterschleifen zu legen, um Induktion zu vermeiden. Die Kabel seien mittels Kabelbinder an oder in der Unterkonstruktion sicher zu befestigen; Schlaufen oder Durchhänger seien zu vermeiden. Die Kabel dürften nicht über scharfe Kanten gelegt werden und auch sonst sind Beschädigungen der Kabel auszuschließen. Auf korrekte Bündelung der Kabel sei zu achten. Die nötigen Radien und Befestigungsabstände seien einzuhalten. Sodann würden die Enden der Leitungen abisoliert und Steckverbindungen (Stecker und Buchse) angebracht. Es müsse fachgerecht und sorgfältig gearbeitet werden, da bei Fehlkontakten Erdschlüsse bzw. Kurzschlüsse entstehen könnten, die die Anlage und das Gebäude gefährden könnten (Brandrisiko). Die "Montage des PV-Generators" (Pos. 11) sei der Anschluss und die Befestigung der PV-Module auf der errichteten Unterkonstruktion und die elektrische Anbindung an das Gleichstromverkabelungssystem. Vorgaben würden hier ebenfalls in der DIN VDE 0100 geregelt. Insbesondere handele es sich bei den Modulen nicht um reine "Bauteile", jedes Modul an sich stelle schon einen eigenen Generator dar, der Strom erzeuge, sobald es Helligkeit ausgesetzt sei. Es gebe keine Möglichkeit, das Modul "auszuschalten", was besondere Vorsicht im Umgang mit diesen Geräten notwendig mache. Bei der "Montage des PV-Generators" würden die Module einzeln auf die dafür vorgesehene Unterkonstruktion aus Aluminium montiert. Dies geschehe einzeln mittels Klemmverbindung in den dafür vorgesehenen Klemmbereichen. Es sei darauf zu achten, dass eine ausreichende Verbindung zwischen dem eloxierten Rahmen der Module und der Unterkonstruktion hergestellt werde, da ansonsten der Potentialausgleich nicht gewährleistet sei. Bei Verlegung der Module würden diese an die bereits vorher verlegten Leitungen angeschlossen. Dies müsse fachgerecht erfolgen, da schon erhebliche Spannungen von bis zu 1.000 Volt und Stromstärken von mehreren Ampere auftreten könnten und Fehlkontakte wiederum sowohl die Arbeiter als auch die Anlage und das Gebäude gefährden könnten. Eine falsche Handhabung durch sachunkundige Personen könne bei den auftretenden Spannungen zu extremen Lichtbögen führen und Lebensgefahr durch Stromschlag bedeuten, auch ohne direkten Kontakt mit der Anlage. In der Regel müssten mehrere 100 Module montiert und angeschlossen werden. Die maximale Betriebsspannung des PV-Wechselrichters bei der Verbindung mit den PV-Modulen sei zu beachten. Nach Befestigung der Module sei der Solargenerator errichtet und müsse anschließend geerdet werden. Dies erfolge über eine durchgängige, schlüssige Verbindung mittels Alukabel und spezieller Erdungsklemmen an der Unterkonstruktion. Anschließend erfolge entweder die Einbindung in den Hauptpotentialausgleich des Gebäudes oder die Erdung mittels Kreuzerder alle 20 m am Gebäude. Im letzten Schritt würden alle Leitungen im System (Stränge und Erdung) auf ihre elektrischen Werte hin geprüft.

Im Ergebnis handele es sich bei der fertigen Photovoltaik-Anlage um ein kompliziertes Niederspannungssystem, bei dem die Unterkonstruktion und die Verkabelung der einzelnen Module genau aufeinander abgestimmt sein müssten, sowohl was die Anbringung der Unterkonstruktion, die Verlegung der Kabel, wie auch die Anbringung und Zusammenschaltung der einzelnen Module in Reihe anlangt (Beweis: Sachverständigengutachten).

Die Beklagte hält schließlich das SokaSiG für verfassungswidrig.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. April 2016 - Az. 7 Ca 1014/15 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beruft sich auf das SokaSiG als weitere Anspruchsgrundlage.

Der Kläger meint unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags, die Photovoltaikanlage sei ein Bauwerk, weil es der Erweiterung des Nutzungszwecks des Bauwerks diene. Die Montage von Unterkonstruktionen und der Photovoltaikanlage würden unter Trocken- und Montagebauarbeiten fallen. Bei der Montage des PV-Generators handele es sich nicht um reine Elektrotechnikerarbeiten, sondern um "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten", die auch von Dachdeckern ausgeübt werden könnten.

Der Kläger behauptet, bei der Beklagten seien in den streitgegenständlichen Kalenderjahren weit mehr als 50 % reine Trocken- und Montagebauarbeiten durchgeführt worden. Die Beklagte habe nicht mehr als 20 % reine Ausnahmetätigkeiten erbracht.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2018 (Bl. 198 d.A.) und 20. Dezember 2018 (Bl. 298 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

A. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. April 2016 - Az. 7 Ca 1014/15 - ist nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie in ausreichendem Maß begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG; 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO.

B. In der Sache hat die Berufung der Beklagten Erfolg, denn sie ist begründet.

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in Höhe von Euro 102.423,13. Der Betrieb der Beklagten fällt nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV.

I. Bei dem Betrieb der Beklagten handelt es sich nicht um einen solchen des Trocken- und Montagebaus im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV. Im Betrieb der Beklagten wurden aber während des Streitzeitraums arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV ausgeführt. Der Betrieb ist jedoch als Betrieb des Elektroinstallationsgewerbes nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 12 VTV vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen. Mit der Errichtung von Aufdach-Solaranlagen hat die Beklagte zu mehr als 50 % ihrer betrieblichen Arbeitszeit in den streitgegenständlichen Kalenderjahren 2009, 2010 und 2011 typische Tätigkeiten des Elektroinstallationsgewerbes erbracht. Die Aufdach-Solaranlagen sind Energiewandlungssysteme zur Nutzung regenerativer Energiequellen.

II. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV hängt davon ab, ob in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Für die Beurteilung der Frage, ob in einem Betrieb überwiegend bauliche Leistungen erbracht werden, ist auf die überwiegende Arbeitszeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr abzustellen (vgl. BAG, Urteil vom 21. Oktober 2009 - 10 AZR 73/09, nach juris). Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinne erbracht, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistung notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auch handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG, Urteil vom 15. Januar 2014 - 10 AZR 669/13, nach juris).

1. Der Betrieb der Beklagten erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV. Die Beklagte erbringt nicht arbeitszeitlich überwiegend bauliche Leistungen iSd. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV. Lediglich die "Montage der Unterkonstruktionen des PV-Generators" könnte als eine bauliche Leistung iSd. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV angesehen werden. Nicht hingegen fällt unter den tariflichen Begriff der Trocken- und Montagebauarbeiten die "Montage des PV-Generators" (bei der von der Beklagten vorgelegten Aufgliederung des Prozesses einer PV-Anlage unter Position 11 auf die zuvor errichtete Unterkonstruktion des PV-Generators.

a) Unter Trocken- und Montagebauarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV versteht man u.a. die Montage industriell hergestellter Fertigteile, die nicht wesentlich geändert und als Bauteile aus verschiedenen Materialien zur Bekleidung von Außen- und Innenwänden und auch zur Errichtung von Leichtbauwänden verwendet werden. Mit dem Beispiel "Trocken- und Montagebauarbeiten” in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV stellen die Tarifvertragsparteien mangels eigener Begriffsbestimmung erkennbar auf das Tätigkeitsfeld des den baulichen Berufen zuzuordnenden Trockenbaumonteurs ab (BAG, Urteil vom 24. Oktober 2001 - 10 AZR 45/01, nach juris). Auch die im Klammerzusatz aufgeführten Beispiele "Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen” orientieren sich am Berufsbild des Trockenbaumonteurs, dessen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Montage von Fassaden, Unterdecken, Wand- und Deckenverkleidungen und Leichtbauwänden erbracht wird (BAG, Urteil vom 15. Februar 2006 - 10 AZR 270/05, nach juris). Hierbei sind die ausdrücklich genannten Beispiele nicht als abschließender Katalog anzusehen. Überdies können Türen und Fenster als Bestandteile der seitlichen Begrenzungen von Räumen und damit von Wänden angesehen werden (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 10 AZR 576/05, BAG, Urteil vom 23. Oktober 2002 - 10 AZR 225/02, nach juris).

b) Die "Montage der Unterkonstruktionen des PV-Generators" (Pos. 10) selbst könnte Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinne der Regelung sein. Hier wird eine Trägerkonstruktion für die einzelnen Module auf dem jeweiligen Untergrund errichtet und befestigt. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, weil bereits deren prozentualen Anteile im Jahr 2009 nur bei 27 %, im Jahr 2010 bei 20 % und im Jahr 2011 bei 18 % lag.

c) Ungeachtet dessen stellt die "Montage des PV-Generators" (Pos. 11) hingegen keine Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV dar. Die "Montage des PV-Generators", bei der PV-Teilgeneratoren auf die Unterkonstruktion aufgebracht und angeschlossen werden, ist als Installation eines Energiewandlungssystems anzusehen und nicht vergleichbar mit der Bekleidung einer Außenwand mit "Baufertigteilen".

aa) Ausweislich der Anlage 2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 13. September 2018 (Bl. 225 d.A.) ist der PV-Generator die Kombination von PV-Teilgeneratoren. Hierzu trägt die Beklagte unwidersprochen (§ 138 Abs. 3 ZPO) wie folgt vor: "Die "Montage des PV-Generators" (Pos. 11) ist der Anschluss und die Befestigung der PV-Module auf der errichteten Unterkonstruktion und die elektrische Anbindung an das Gleichstromverkabelungssystem. Vorgaben werden in der DIN VDE 0100 geregelt. Es handelt sich bei den Modulen übrigens nicht nur um reine "Bauteile". Jedes Modul an sich stellt schon einen eigenen Generator dar, der Strom erzeugt, sobald es Helligkeit ausgesetzt ist. Es gibt keine Möglichkeit, das Modul "auszuschalten", somit ist besondere Vorsicht im Umgang mit diesen Geräten notwendig. Bei der Montage des PV-Generators werden die Module einzeln auf die dafür vorgesehene Unterkonstruktion aus Aluminium montiert. Dies geschieht unbedingt einzeln mittels Klemmverbindung in den dafür vorgesehenen Klemmbereichen (Statik). Es ist darauf zu achten, dass eine ausreichende Verbindung zwischen dem eloxierten Rahmen der Module und der Unterkonstruktion hergestellt wird, da ansonsten der Potentialausgleich nicht gewährleistet ist. Bei Verlegung der Module werden diese an die bereits vorher verlegten Leitungen angeschlossen. Dies muss fachgerecht und schlüssig erfolgen, da schon jetzt erhebliche Spannungen von bis zu 1.000 Volt und Stromstärken von mehreren Ampere auftreten können und Fehlkontakte wiederum sowohl die Arbeiter als auch die Anlage und das Gebäude gefährden können. Eine falsche Handhabung durch sachunkundige Personen kann bei den auftretenden Spannungen zu extremen Lichtbögen führen und Lebensgefahr durch Stromschlag bedeuten, auch ohne direkten Kontakt mit der Anlage. In der Regel müssen mehrere 100 Module montiert und angeschlossen werden. Die maximale Betriebsspannung des PV-Wechselrichters bei der Verbindung mit den PV-Modulen ist zu beachten. Erst nach Befestigung der Module ist der Solargenerator errichtet und muss anschließend geerdet werden (Potentialausgleich)."

bb) Die PV-Teilgeneratoren sind damit keine industriell hergestellten Fertigteile, die zur Bekleidung von Außen- und Innenwänden verwendet werden.

(1) Die gesamte Anlage - der PV-Generator bestehend aus PV-Teilgeneratoren - ist ein elektrotechnisches (bereits zusammengesetztes) hochkomplexes Energiewandlungsgerät, das auf die vorgefertigte Unterkonstruktion aufgebracht wird. Ein photovoltaischer Generator - ein Solarmodul - verwandelt Strahlungsenergie des Sonnenlichts direkt in elektrische Energie. Der Einbau photovoltaischer Generatoren erfordert für die Kammer elektrotechnische Spezialkenntnisse für das Errichten elektrischer Anlagen nach DIN VDE 0100, bei deren Errichten und Nutzen als elektrischer Anlage der Schutz von Personen- und Sachschäden oberste Priorität hat.

(2) Der Einbau dieser hochkomplexen Generatoren zählt nicht zu den Arbeiten, die in das Berufsbild des Trockenbaumonteurs passen. Dessen Tätigkeit wird im Zusammenhang mit der Montage von Fassaden, Unterdecken, Wand- und Deckenverkleidungen und Leichtbauwänden erbracht. Montagebau - so das BAG - ist die auf der Montage vorgefertigter Teile beruhende Bauweise, die Bauweise mit größeren Fertigteilen. Das Beispiel "Trocken- und Montagebauarbeiten” in § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV ist nur erfüllt, wenn die vorgefertigten, industriell hergestellten Fertigteile vor ihrer Montage nicht oder nicht wesentlich verändert werden (BAG, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 10 AZR 576/05, nach juris). Der PV-Teilgenerator ist als elektrotechnisches Gerät aus energetischen Gründen in Plattenform gefertigt. Dass die Beklagte die Solarmodule nicht selbst herstellt, sondern vorgefertigt bezieht, ändert hieran ebenso wenig wie - verglichen mit anderen elektrotechnischen Geräten - die Größe aufgrund seines Zwecks zur großflächigeren Sammlung von Sonnenlicht. Das Solarmodul ist weder ein Baufertigteil noch vergleichbar mit sonstigen Materialen des Trocken- und Montagebaus und auch keine besondere Konstruktion, die dem Schutz gegen Wärme, Schall, Sicht oder Feuer dient.

(3) Hinzu kommt, dass die PV-Teilgeneratoren nicht lediglich auf der Unterkonstruktion zu befestigen sind, sondern dass zusätzlich eine komplexe Verkabelung der PV-Teilgeneratoren untereinander zu erfolgen hat. Hierbei sind die elektrischen Komponenten und die Einrichtungsbestimmungen der DIN VDE 0110 zu beachten. Die Auswahl und Verlegung von Kabeln und Leitungen auf der Gleichstrom- und Wechselstromseite hat nach den anerkannten Regeln der Technik zu erfolgen.

Die Leitungen sind entsprechend der Verlegearten nach DIN VDE 0100 zu verlegen. Eine freie Verlegung von Kabeln und Leitungen ist nicht erlaubt; Kabel und Leitungen dürfen nicht direkt auf der Dachoberfläche verlegt werden, sind speziell zu fixieren und in einem besonderen Kabelführungssystem zu verlegen. In der Normenreihe VDE 0100 werden die wesentlichen Anforderungen an das Errichten von Niederspannungsanlagen beschrieben. Dabei gelten die Anforderungen für die Errichtung derartiger Anlagen sowie für die Änderung und Erweiterungen von bestehenden Anlagen. Die Inhalte dieser Normreihe gehören zum Basiswissen jeder Elektrofachkraft (www.elektrofachkraft.de); die Normen der Normenreihe VDE 0100 gelten für verschiedene Stromkreise. Die Normenreihe VDE 0190 gliedert sich in allgemeine Anforderungen, Begriffe, Schutzmaßnahmen, Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel, Prüfung, Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art, darunter auch unter Nr. 712 die Solar-Photovoltaik (PV -) Stromversorgungssysteme.

2. Im Betrieb der Beklagten wurden aber während des Streitzeitraums arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV ausgeführt.

a) Der VTV erfasst nach § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV auch solche Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Bauliche Leistungen umfassen alle Arbeiten, die - wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet - der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder der Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderungen von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, damit diese in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können (BAG, Urteil vom 15. Juni 2011 - 10 AZR 861/09, nach juris).

b) Das Montieren und Aufstellen von Photovoltaikanlagen stellt grundsätzlich eine bauliche Tätigkeit in Form der Erstellung oder Änderung von Bauwerken gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV dar. Auch wenn zu Gunsten der Beklagten unterstellt wird, dass mit den von ihr montierten Anlagen nur Strom in das öffentliche Netz geliefert wird, ändert sich hierdurch nichts. Das bestehende Bauwerk (Haus oder Stall) wird durch die zusätzliche Montage dieser Anlage verändert. Die Änderung soll bewirken, dass das Bauwerk nicht nur der Unterbringung von Menschen oder Tieren dient, sondern auch der Erzeugung von Strom (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. Mai 2018 - 15 Sa 1517/17, nach juris; LAG Hessen, Urteil vom 27. August 2014 - 12 Sa 1082/13, nach juris; hier zu Anlagen, bei denen das Haus selbst mit Strom und Wärme versorgt wird).

3. Der Betrieb der Beklagten ist jedoch als Betrieb des Elektroinstallationsgewerbes während des streitigen Zeitraums vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 12 VTV ausgenommen.

a) Nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 12 VTV sind Betriebe des Elektroinstallationsgewerbes vom Geltungsbereich des VTV ausgenommen, soweit nicht Arbeiten der in den Abschnitt IV oder Abschnitt V aufgeführten Art ausgeführt werden. Ein Betrieb im Sinne der Ausnahmetatbestände kann aber nur dann vorliegen, wenn in ihm arbeitszeitlich zu mehr als der Hälfte der Gesamtarbeitszeit Tätigkeiten ausgeübt werden, die einem der Tatbestände des Ausnahmenkatalogs als solche zuzuordnen sind (BAG, Urteil vom 15. Juni 2011 - 10 AZR 861/09, nach juris). Eine Ausnahme vom betrieblichen Geltungsbereich liegt bereits dann vor, wenn in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten des Gewerbes des Elektroinstallationsgewerbes verrichtet werden (BAG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 10 AZR 362/09, nach juris; BAG, Urteil vom 21. Oktober 2009 - 10 AZR 73/09, nach juris). Dabei müssen nicht arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeübt werden, die das gesamte Spektrum dieses Gewerbes abbilden, um nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 12 VTV aus dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen zu sein. Ausreichend, aber erforderlich ist grundsätzlich, dass einzelne diesem Gewerbe zuzuordnende Tätigkeiten arbeitszeitlich überwiegend verrichtet werden (BAG, Urteil vom 15. Juni 2011 - 10 AZR 861/09, nach juris).

b) Beruft sich ein Arbeitgeber auf eine der Ausnahmen des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV, so trägt er insoweit die Darlegungs- und Beweislast (BAG, Urteil vom 13. Mai 2004 - 10 AZR 120/03, nach juris). Die Darlegungslast dafür, dass er im Klagezeitraum einen Betrieb des Elektroinstallationsgewerbes geführt hat und deshalb sein Betrieb nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 12 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV nicht erfasst wurde, oblag damit der Beklagten. Diese musste dazu Tatsachen vortragen, die den Schluss zulassen, dass ihre Arbeitnehmer in den jeweiligen Kalenderjahren des Klagezeitraums zu mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit Elektroinstallationsarbeiten ausgeführt haben (BAG, Urteil vom 20. April 2005 - 10 AZR 282/04, nach juris).

c) Die Beklagte hat nach alledem einen Betrieb des Elektroinstallationsgewerbes im Tarifsinne unterhalten, § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 12 VTV. Die von ihren Arbeitnehmern arbeitszeitlich errichteten Photovoltaikanlagen sind typische Leistungen des Elektroinstallationsgewerbes. Hierzu gehören mit den jeweiligen prozentualen Anteilen an der Gesamtarbeitszeit in allen streitgegenständlichen Kalenderjahren neben den Positionen 11 und 12 auch die Positionen 14, 15, 17, 19 und 20 aus den Aufstellungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 17. Oktober 2016 (Bl. 160-162 d.A.).

aa) Elektroinstallation ist die Verlegung, Instandsetzung und Instandhaltung aller Leitungen der Haustechnik für Elektrizität. Betriebe des Elektroinstallationsgewerbes verlegen elektrische Leitungen, bauen Transformatorenstationen und errichten Freileitungen und Antennenanlagen. Sie installieren alles, was elektrisch betrieben wird und tragen die Verantwortung für die Sicherheit der von ihnen errichteten Leitungen und Anschlüsse gemäß VDE-Vorschriften (BAG, Urteil vom 20. April 2005 - 10 AZR 282/04; nach juris).

bb) Es steht fest, dass die Beklagte in den streitgegenständlichen Kalenderjahren 2009, 2010 und 2011 arbeitszeitlich überwiegend Photovoltaikanlagen als Aufdach-Solarstromanlagen errichtet hat.

(1) Was Gegenstand eines Berufsbilds ist, ergibt sich grundsätzlich aus den fachlich einschlägigen Ausbildungsverordnungen. Das Installieren und Inbetriebnehmen von Energiewandlungssystemen und ihren Leiteinrichtungen ist Gegenstand der Berufsausbildung zum Elektroniker in der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechniker nach der Verordnung über die Berufsausbildung zum Elektroniker/zur Elektronikerin vom 3. Juli 2003 (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2003 Teil I Nr. 31, 1114). Nach dessen Anlage zu § 5 "Ausbildungsrahmenplan" gehören hierzu Qualifikationen, die unter Einbeziehung selbstständigen Planens, Durchführens und Kontrollierens zu vermitteln sind, so auch nach lfd. Nr. 2 e: "dezentrale Energieversorgungs- und Energiewandlungssysteme einschließlich der Nutzung regenerativer Energiequellen installieren und inbetriebnehmen".

(2) Damit stellt das Errichten von Photovoltaikanlagen nicht nur eine baugewerbliche Leistung iSd. § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV dar, sie ist auch eine Tätigkeit des Elektroinstallationsgewerbes iSd. § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 12 VTV. Diese eine sog. " Sowohl-als-auch-Tätigkeit" erfordert eine Zuordnung (BAG, Urteil vom 15. Juni 2011 - 10 AZR 861/09, nach juris; BAG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 10 AZR 351/09 ; nach juris; BAG, Urteil vom 12. Dezember 2007 - 10 AZR 995/06, nach juris). Dies gilt umso mehr, als keine Rückausnahme nach § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 37 VTV vorliegt. Die Montage von Photovoltaikanlagen erfüllt, wie dargelegt, nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV.

cc) Führt ein Betrieb sowohl baugewerbliche Tätigkeiten als auch Tätigkeiten des Elektroinstallationsgewerbes aus (sog. Sowohl-als-auch-Tätigkeiten) gilt folgendes:

Führen Arbeitnehmer Tätigkeiten aus, die sowohl baulicher Natur sind als auch einem der ausgenommenen Gewerke des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV zurechenbar sind, so kommt es entscheidend darauf an, welches Gepräge diese "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" dem Betrieb geben. Das Bundesarbeitsgericht ist in der Vergangenheit hinsichtlich der Ausnahme aus dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV davon ausgegangen, dass neben den "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" in nicht unerheblichem Umfang, mindestens zu 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit, Arbeiten ausgeführt werden, die ausschließlich dem von dem betrieblichen Geltungsbereich ausgenommenen Gewerk als typisch zuzuordnen sind, oder dass diese Arbeiten in nicht unerheblichem Umfang, ebenfalls zu mindestens 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit, von gelernten Arbeitnehmern dieses Gewerks ausgeführt werden, oder dass eine entsprechende Aufsicht durch einen Fachmann oder mehrere Fachleute dieses Gewerks unmittelbar am Arbeitsplatz besteht (BAG, Urteil vom 15. November 2006 - 10 AZR 665/05; nach juris). In neueren Entscheidungen betont das Bundesarbeitsgericht hingegen, entscheidend komme es auf den Charakter der überwiegend ausgeführten Tätigkeiten an. Die Prüfung etwaiger zusätzlicher Arbeiten könne erst Platz greifen, wenn sich nicht feststellen lasse, welches Gepräge die "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" dem Betrieb geben. Zunächst sei regelmäßig näher zu prüfen, welche Arbeitnehmer mit welcher Ausbildung und Qualifikation beschäftigt werden und von welchem Fachmann welchen Gewerks mit welcher Ausbildung und Qualifikation sie angeleitet werden (BAG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 10 AZR 351/09, nach juris).

dd) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Ausnahmetatbestand erfüllt, weil die Errichtung von Photovoltaikanlagen eine typische Tätigkeit des Elektroinstallationsgewerbes darstellt, die Montage von Photovoltaikanlagen hier primär mit spezifischen Methoden und fachkundigen Personal des Elektroinstallationsgewerbes erfolgt und unter Anleitung entsprechender Fachleute ausgeführt worden ist. Der Betrieb als solcher ist von Elektroinstallationsarbeiten geprägt.

(1) Die Beklagte hat die jeweiligen Photovoltaikanlagen geplant, konzipiert und eingebaut. Aus der Aufstellung der Beklagten "Prozess einer PV-Anlagen Lieferung" für die streitgegenständlichen Jahre (Bl. 160-161 d.A.) sind die Aufgaben der "Akquise und Vorhabenprüfung", "Planung", "Umsetzung" und "Qualitätsprüfung" genannt.

(2) Die Beklagte montiert bereits die Unterkonstruktion des PV-Generators wie auch den PV-Generator selbst primär mit spezifischen Methoden und fachkundigen Personal des Elektroinstallationsgewerbes. Hierzu sind - wie oben ausgeführt - spezifische Regelungen zu beachten.

(3) Die Arbeiten führt sie unter Anleitung entsprechender Fachleute aus. Dies gilt insbesondere auch für die Positionen 10 und 11. Zwischen den Parteien ist unstreitig (vgl. Protokoll vom 20. Dezember 2018, Bl. 298), dass alle Arbeiten - insbesondere der Positionen 10 und 11 - von den zwei Elektrotechnikermeistern der Beklagten begleitet und beaufsichtigt wurden.

(4) Darüber hinaus werden mindestens zu 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Arbeiten ausgeführt werden, die ausschließlich dem von dem betrieblichen Geltungsbereich ausgenommenen Gewerk als typisch zuzuordnen sind. Dies sind die Position 12 sowie die Positionen 15, 16, 17, 19 und 20 mit ihren jeweiligen Anteilen an der Gesamtarbeitszeit. Diese konnten ausschließlich von Elektrikern verrichtet werden.

(5) Die Beklagte beschäftigt zudem neben den Elektrikermeistern mehrere ausgebildete Elektrikergesellen, die einen Großteil der Arbeiten ausgeführt haben. Diesem Vortrag ist der Kläger nicht entgegengetreten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Er gilt damit prozessual als zugestanden.

C.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen, da die Einordnung von Photovoltaikanlagen in den VTV nicht abschließend geklärt ist.