Hessisches LAG, Urteil vom 10.07.2019 - 18 Sa 214/18
Fundstelle
openJur 2020, 44443
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. November 2017 - 22 Ca 8726/15 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.040,00 EUR (in Worten: Dreiundzwanzigtausendvierzig und 0/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus dem Basiszinssatz aus jeweils 480,00 EUR (in Worten: Vierhundertachtzig und 0/100 Euro) brutto seit

01. Februar 2012, 01. März 2012, 01. April 2012, 01. Mai 2012, 01. Juni 2012, 01. Juli 2012, 01. August 2012, 01. September 2012, 01. Oktober 2012, 01. November 2012, 01. Dezember 2012, 01. Januar 2013, 01. Februar 2013, 01. März 2013, 01. April 2013, 01. Mai 2013, 01. Juni 2013, 01. Juli 2013, 01. August 2013, 01. September 2013, 01. Oktober 2013, 01. November 2013, 01. Dezember 2013, 01. Januar 2014, 01. Februar 2014, 01. März 2014, 01. April 2014, 01. Mai 2014, 01. Juni 2014, 01. Juli 2014, 01. August 2014, 01. September 2014, 01. Oktober 2014, 01. November 2014, 01. Dezember 2014, 01. Januar 2015, 01. Februar 2015, 01. März 2015, 01. April 2015, 01. Mai 2015, 01. Juni 2015, 01. Juli 2015, 01. August 2015, 01. September 2015, 01. Oktober 2015, 01. November 2015, 01. Dezember 2015 und 01. Januar 2016

zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits in 1. Instanz hat die Beklagte zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte 87,5 % zu tragen, die Klägerin 12,5 % zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Bemessung des Arbeitsentgelts der Klägerin als freigestellte Betriebsrätin.

Die Beklagte betreibt eine neurologische Klinik in A.

Die 1955 geborene Klägerin ist bei der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 22. Mai/26. Juni 2000 (Anlage K1 zur Klageschrift, Bl. 4 f. d.A.) seit 01. Juni 2000 als Assistenzärztin in Teilzeit mit 20 Wochenstunden beschäftigt. In § 4 des Arbeitsvertrages wurde zur Vergütung geregelt:

"Der Dienstnehmer erhält ein monatliches Gehalt von DM 2.600,00 brutto. Einzelheiten sind in der Arbeits- und Sozialordnung (Fassung 18.08.1999) geregelt, die als wesentlicher Bestandteil des Arbeitsvertrages gilt und deren Anerkennung mit Unterzeichnung dieses Arbeitsvertrags erfolgt."

Zur Wiedergabe des Inhalts der seit 01. Januar 1999 in der neurologischen Klinik A geltenden Arbeits- und Sozialordnung (folgend: ASO) wird auf die Anlage K2 zur Klageschrift Bezug genommen (Bl. 6-23 d.A.).

Die Klägerin wurde im Mai 2004 in den bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat gewählt. Sie übt seither das Amt der Betriebsratsvorsitzenden aus und ist freigestellt. Die Beklagte zahlte der Klägerin im Mai 2004 eine Vergütung von 1.527,50 € brutto.

Zu diesem Zeitpunkt waren bei der Beklagten die Assistenzärztinnen Dr. B (seit 2002) und Dr. C (seit 2001) ebenfalls in Teilzeit beschäftigt. Frau Dr. B hatte einen Vertrag über 25 Wochenstunden, der Umfang der von Frau Dr. C geschuldeten Arbeitszeit ist nicht bekannt.

Bis Anfang 2008 benutzte die Beklagte zur Festlegung der Vergütung ihrer Ärzte/innen und des medizinischen Hilfspersonals Vergütungstabellen zur ASO mit tätigkeitsbezogenen Entgeltgruppen ("Facharzt", "Assistenzarzt", "Stationsleitung", "examinierte Krankenschwester" usw.) und jeweils zehn Stufen innerhalb jeder Entgeltgruppe, abhängig von den Jahren der Berufserfahrung (vgl. exemplarische Tabellen als Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 17. Oktober 2018, Bl. 275, 276 d.A.). Die sich aus den Tabellen ergebenden Entgelte wurden wiederkehrend angepasst. Zur Häufigkeit der Anpassungen haben die Parteien keine Angaben gemacht.

Zum 01. Februar 2008 entschied sich die Beklagte, dem Landesverband der Privatkliniken in Hessen und Rheinland-Pfalz e.V. (VdPK) beizutreten und auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Mitarbeiter/innen die zwischen dem VdPK und der Gewerkschaft DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V. geschlossenen Tarifverträge für Privatkliniken in Hessen (folgend: DHV-Tarifverträge) anzuwenden. Nicht tarifgebundenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bot die Beklagte den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages an, welcher eine Bezugnahmeklausel auf die DHV-Tarifverträge enthielt.

Die Klägerin lehnte die angebotene Änderung ihres Arbeitsvertrages ab. Auch die Assistenzärztin Dr. B änderte ihren Arbeitsvertrag nicht und wurde weiter "nach ASO" vergütet. Die Assistenzärztin Dr. C erhielt ab Februar 2008 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 des DHV-Vergütungstarifvertrags (vgl. Anlage BB2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 25. Juni 2018, Bl. 213 d.A).

Ab Februar 2008 passte die Beklagte die ASO-Vergütungstabellen nicht mehr an.

Zum 01. Januar 2009 erhielt die Klägerin zum ersten Mal - gerechnet ab ihrer Freistellung im Mai 2004 - eine Erhöhung ihrer Vergütung, und zwar auf 1.867,50 € brutto. Dieser Betrag ergab sich aus der letzten von der Beklagten verwendeten ASO-Vergütungstabelle, Entgeltgruppe für Assistenzärzte/innen, bei maximal zu berücksichtigender Betriebszugehörigkeit von zehn Jahren, entsprechend dem Teilzeitfaktor der Klägerin.

Am 17. September 2010 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Bescheinigung mit folgendem Inhalt (vgl. Bl. 257 d.A.):

" ... hiermit bescheinigen und bestätigen wir Ihnen, dass wir in ihrem Fall Frau Dr. B als vergleichbare Mitarbeiterin im Rahmen des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Betriebsratsmitgliedern sehen. ..."

Als freigestelltes Betriebsratsmitglied übernahm die Klägerin keine Bereitschaftsdienste. Die Beklagte zahlte der Klägerin eine Bereitschaftsdienstpauschale, im Jahr 2016 i.H.v. 579,55 € brutto monatlich. Über die zutreffende Höhe der Bereitschaftsdienstpauschale, einer Nachzahlungspflicht der Beklagten bzw. einem Rückzahlungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin wegen Überzahlung führten die Parteien einen weiteren Rechtsstreit (Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Az. 22 Ca 8891/15). Die Klägerin hat gegen die Abweisung ihrer Klage zunächst Berufung eingelegt (Hessisches Landesarbeitsgericht, Az. 18 Sa 215/18), diese dann aber zurückgenommen. Auf die Akten dieses Rechtsstreits, welche beigezogen wurden, wird verwiesen.

Am 25. November 2011 vereinbarte die Beklagte mit Frau Dr. B, dass diese ab 01. Dezember 2011 eine monatliche außertarifliche Zulage in Höhe von insgesamt 600,00 € brutto erhielt. Wegen des vollständigen Wortlauts der Änderungsvereinbarung zum Anstellungsvertrag wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 08. August 2018 (Bl. 262 d.A.) verwiesen.

Zum 30. November 2015 schied Frau Dr. B bei der Beklagten aus.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2012, 28. März 2013, 27. Juni 2013, 12. September 2013, 30. Dezember 2013, 27. März 2014, 30. Juni 2014, 05. September 2014 und 28. September 2015 forderte die Klägerin von der Beklagten - neben der Neuberechnung eines Ausgleichs für das Bereitschaftsentgelt - die Zahlung einer Zulage entsprechend der Frau Dr. B gewährten Zulage (vgl. Anlagen K3 zur Klageschrift, Bl. 24-32 d.A.).

Mit am 14. Dezember 2015 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangener Klage verlangte die Klägerin von der Beklagten für die Zeitspanne von Januar 2012 bis November 2015 die Zahlung einer monatlichen Zulage entsprechend der Zulage, die Frau Dr. B gewährt wurde. Diese berechnete die Klägerin zunächst mit 640,00 € brutto, später mit 480,00 € brutto pro Monat.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte leiste an ihre Ärztinnen und Ärzte außertarifliche Zulagen in variabler Höhe. Auf ihre Nachfrage anlässlich eines Monatsgesprächs habe der Chefarzt Prof. Dr. D bestätigt, dass eine solche Zulage künftig an alle gezahlt werde. Die Höhe der jeweiligen Zulage werde aus dem Unterschiedsbetrag zwischen der Vergütung berechnet, welcher der Arzt/die Ärztin nach dem vereinbarten Tarifvertrag erhalte und der Vergütung, die ihm/ihr gezahlt werden müsste, wenn die Tarifverträge des Marburger Bundes gelten würden.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, Frau Dr. B sei für die Bemessung der ihr zustehenden Zulage nach § 37 Abs. 4 BetrVG als Vergleichsperson heranzuziehen, da sie auch noch nach der ASO vergütet wurde. Entsprechend der Frau Dr. B gezahlten Zulage von 600,00 € bei 25 Wochenstunden ständen ihr monatlich 480,00 € zu. Frau Dr. B habe die Zulage nicht als individuelle Bonuszahlung erhalten.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 23.040,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, jeweils aus 480,00 € brutto seit dem 01. Februar 2012, 01. März 2012, 01. April 2012, 01. Mai 2012, 01. Juni 2012, 01. Juli 2012, 01. August 2012, 01. September 2012, 01. Oktober 2012, 01. November 2012, 01. Dezember 2012, 01. Januar 2013, 01. Februar 2013, 01. März 2013, 01. April 2013, 01. Mai 2013, 01. Juni 2013, 01. Juli 2013, 01. August 2013, 01. September 2013, 01. Oktober 2013, 01. November 2013, 01. Dezember 2013, 01. Januar 2014, 01. Februar 2014, 01. März 2014, 01. April 2014, 01. Mai 2014, 01. Juni 2014, 01. Juli 2014, 01. August 2014, 01. September 2014, 01. Oktober 2014, 01. November 2014, 01. Dezember 2014, 01. Januar 2015, 01. Februar 2015, 01. März 2015, 01. April 2015, 01. Mai 2015, 01. Juni 2015, 01. Juli 2015, 01. August 2015, 01. September 2015, 01. Oktober 2015, 01. November 2015 und 01. Dezember 2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, bei der an Frau Dr. B gezahlten Zulage habe es sich nicht um eine allgemeine Zuwendung im Sinne des § 37 Abs. 4 S. 2 BetrVG gehandelt. Sie hat dazu behauptet, durch die seit 2012 gezahlte Zulage sei eine besondere Arbeitsleistung im Einzelfall bonifiziert worden. Es sei eine individuelle Zulage aufgrund hervorragender Leistungen gewesen, die sonst kein anderer Arzt erhielt. Der besondere Einsatz und das weit über dem Durchschnitt liegende Engagement von Frau Dr. B würden durch die Überstunden dokumentiert, die diese seit 2010 erbrachte. Außerdem sei Frau Dr. B nur in Bezug auf die Bereitschaftsdienste zur Vergleichsperson nach § 37 Abs. 4 BetrVG bestimmt worden.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 24. Oktober 2017 die Klage abgewiesen. Frau Dr. B sei zwar als mit der Klägerin vergleichbar anzusehen. Die Frau Dr. B gezahlte Zulage sei jedoch nicht als betriebsüblich zu bewerten. Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, dass es sich nicht um eine Bonuszahlung aus besonderem Anlass handele, sondern um eine Zulage, welche nach der zeitlich nicht zuzuordnenden Erklärung des Chefarztes alle erhalten sollten.

Zur Wiedergabe des vollständigen Inhalts der Entscheidung sowie des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 122-133 d.A.).

Gegen das Urteil, welches der Klägerin am 18. Januar 2018 zugestellt wurde, hat sie mit am 14. Februar 2018 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch am 24. April 2018 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem sie zuvor rechtzeitig die Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt hatte.

Die Klägerin wiederholt und ergänzt ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszug. Sie stellt klar, dass sie kein Arbeitsentgelt entsprechend eines betriebsüblichen Aufstiegs fordere, sondern nur die Teilhabe an der Gehaltsentwicklung der Assistenzärztinnen und -ärzte, da ihre Vergütung seit 01. Januar 2009 nicht mehr erhöht wurde.

Über ihren Vortrag in erster Instanz hinausgehend ist die Klägerin der Ansicht, dass sie mit allen approbierten Ärzten ohne Facharztausbildung vergleichbar sei. Sie erweitert die Klage im Berufungsverfahren, indem sie für den Zeitraum von Januar 2012 bis Dezember 2015 die Differenz fordert, welche sich monatlich aus der ihr gezahlten Vergütung und einer (auf 20 Wochenstunden umgerechneten) Vergütung berechnet, bei der das Entgelt nach dem jeweiligen DHV-Vergütungstarifvertrag (vgl. Tarifverträge im Anlagenband zum Schriftsatz der Beklagten vom 30. Juli 2018) um eine Zulage aufgestockt wird, welche sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem DHV-Vergütungstarifvertrag und dem Entgelttarifvertrag ergibt, welcher zwischen anderen Kliniken des Asklepios-Konzerns und dem Marburger Bund geschlossen wurde (vgl. "Entgelttarifverträge TV-Ärzte Entgelt Asklepios", ebenfalls Anlagenband zum Schriftsatz der Beklagten vom 30. Juli 2018).

Hilfsweise fordert die Klägerin weiterhin eine Zulage von 480,00 € monatlich, entsprechend der an Frau Dr. B gezahlten Zulage von 600,00 €.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte berechne die Zulage für die nach DHV-Vergütungstarifvertrag bezahlten Assistenzärzte/innen nach der Formel: Entgelt TV-Ärzte Asklepios der jeweiligen Stufe dividiert durch 40 Wochenstunden, multipliziert mit 39 Wochenstunden, multipliziert mit zwölf (Monatsgehältern). Dieses Jahresentgelt werde verglichen mit dem DHV-Entgelt, multipliziert mit 12,5 Monatsgehältern. Die Differenz werde durch zwölf Monate geteilt und als monatliche Zulage gezahlt. Hierzu bezieht sie sich auf eine E-Mail des damaligen Personalleiters E der Beklagten, gerichtet an den Betriebsrat, vom 19. Februar 2016 (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 17. Oktober 2018, Bl. 247 d.A.).

Die Klägerin behauptet, dass auch die Assistenzärztin Dr. C eine Zulage erhalte (i.H.v. 800,00 €) um - vergleichbar mit der ausgeschiedenen Ärztin Dr. B - eine Vergütung zu erreichen, die der den Tarifverträgen des Marburger Bundes entsprechen würde. Frau Dr. C sei die Zulage 2012 angeboten worden, sie habe sie nicht fordern müssen. Die Beklagte zahle nicht nur bei Neueinstellungen die Zulage, wegen der sie sich auf § 4a des DHV-Vergütungstarifvertrags berufe, sondern zumindest auch an zwei Alt-Beschäftigte, nämlich an Frau Dr. C und - bis zu deren Ausscheiden - an Frau Dr. B. Die behauptete Zweckbestimmung der Leistung an Frau Dr. B werde weiter bestritten. Frau Dr. B sei Assistenzärztin ohne besondere Aufgaben gewesen. Die Leistung von Überstunden sei keine außergewöhnliche Leistung, Frau Dr. B habe als Teilzeitbeschäftigte mehr Überstunden machen können als eine Vollzeitkraft. Der Betrag von 600,00 € sei nicht individuell ausgehandelt worden, die Beklagte habe nicht zu dem Verlauf der angeblichen Vertragsverhandlungen vorgetragen. 2011 habe die Differenz zwischen dem Tarifentgelt für Assistenzärzte ab dem 5. Beschäftigungsjahr nach dem Tarifvertrag des Marburger Bundes und der Frau Dr. B nach der ASO gezahlten Vergütung bei 25 Wochenstunden 659,33 € betragen, also nur wenig höher.

Die Klägerin behauptet schließlich, die Arbeitszeit von Frau Dr. B sei vorübergehend auf eine volle Stelle aufgestockt worden. Dabei habe man auch die bis dahin gezahlte Zulage von 600,00 € entsprechend der Differenz zwischen der DHV-Vergütung und der Vergütung nach dem Asklepios-Tarifvertrag mit dem Marburger Bund angepasst.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgericht Frankfurt am Main vom 24. Oktober 2018 - 22 Ca 8726/15 - abzuändern und

1.) die Beklagte zu verurteilen, an sie 26.332,08 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, jeweils

aus 386,41 € brutto seit dem 01. Februar 2012, 01. März 2012, 01. April 2012, 01. Mai 2012, 01. Juni 2012, 01. Juli 2012,

aus 469,18 € brutto seit dem 01. August 2012, 01. September 2012, 01. Oktober 2012, 01. November 2012, 01. Dezember 2012, 01. Januar 2013, 01. Februar 2013, 01. März 2013, 01. April 2013,

aus 530,22 € brutto seit dem 01. Mai 2013, 01. Juni 2013, 01. Juli 2013,

aus 528,84 € brutto seit dem 01. August 2013, 01. September 2013, 01. Oktober 2013, 01. November 2013, 01. Dezember 2013, 01. Januar 2014,

aus 594,65 € brutto seit dem 01. Februar 2014, 01. März 2014, 01. April 2014, 01. Mai 2014, 01. Juni 2014, 01. Juli 2014,

aus 592,65 € seit dem 01. August 2014, 01. September 2014, 01. Oktober 2014, 01. November 2014, 01. Dezember 2014, 01. Januar 2015,

aus 658,55 € brutto seit dem 01. Februar 2015, 01. März 2015, 01. April 2015, 01. Mai 2015, 01. Juni 2015, 01. Juli 2015, 01. August 2015, 01. September 2015, 01. Oktober 2015, 01. November 2015, 01. Dezember 2015 und 01. Januar 2016 zu zahlen;

2.) hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an sie 23.040,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 480,00 € brutto, seit dem 01. Februar 2012, 01. März 2012, 01. April 2012, 01. Mai 2012, 01. Juni 2012, 01. Juli 2012, 01. August 2012, 01. September 2012, 01. Oktober 2012, 01. November 2012, 01. Dezember 2012, 01. Januar 2013, 01. Februar 2013, 01. März 2013, 01. April 2013, 01. Mai 2013, 01. Juni 2013, 01. Juli 2013, 01. August 2013, 01. September 2013, 01. Oktober 2013, 01. November 2013, 01. Dezember 2013, 01. Januar 2014, 01. Februar 2014, 01. März 2014, 01. April 2014, 01. Mai 2014, 01. Juni 2014, 01. Juli 2014, 01. August 2014, 01. September 2014, 01. Oktober 2014, 01. November 2014, 01. Dezember 2014, 01. Januar 2015, 01. Februar 2015, 01. März 2015, 01. April 2015, 01. Mai 2015, 01. Juni 2015, 01. Juli 2015, 01. August 2015, 01. September 2015, 01. Oktober 2015, 01. November 2015, 01. Dezember 2015 und 01. Januar 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts unter Bezugnahme auf ihren Vortrag aus erster Instanz.

Sie macht geltend, dass die Klägerin nicht fordern könne so gestellt zu werden, als ob sich ihr Entgelt nach dem DHV-Vergütungstarifvertrag richten würde. Da die Klägerin bis 2017 (unstreitig) ablehnte, ihr Arbeitsverhältnis insgesamt den DHV-Tarifverträgen durch Vereinbarung einer Bezugnahmeklausel zu unterwerfen, sei sie von den tariflichen Vergütungserhöhungen abgekoppelt. Die ausgebliebene Dynamisierung ihrer Vergütung sei nicht auf das Betriebsratsamt zurückzuführen, sondern darauf, dass die Klägerin sich für den Verbleib in einem anderen Vergütungssystem entschieden habe. Die Klägerin würde zu Unrecht besser gestellt, wenn sie - bei Fortgeltung der ASO auf ihr Arbeitsverhältnis im Übrigen - wie eine Assistenzärztin vergütet würde, welche die Geltung der DHV-Tarifverträge einzelvertraglich vereinbarte. Die Klägerin sei wegen der fortbestehenden unterschiedlichen Vergütungssysteme im Klinikum nur mit Frau Dr. B vergleichbar, nicht mit den übrigen Assistenzärztinnen und -ärzten.

Die Beklagte bestreitet, dass sie allen Assistenzärztinnen und -ärzten, welche nach dem DHV-Vergütungstarifvertrag bezahlt werden, eine Zulage in Höhe der Differenz zu dem Entgelt zahlt, welches sie nach dem TV-Ärzte Entgelt Asklepios schulden würde. Sie entscheide jeweils bei Neueinstellungen, ob und in welcher Höhe sie eine Zulage zahle, die über den reinen Tabellenwert hinausgehe. Exemplarisch seien die Arbeitsverträge der Assistenzärzte F und G anzuführen, bei denen der Betriebsrat die Eingruppierung ohne Zahlung einer Zulage abgelehnt habe (vgl. Anlagen BB17 bis BB19 zum Schriftsatz der Beklagten vom 07. Mai 2019, Bl. 389-391 d.A.). Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass Zulagen zur tariflichen Vergütung, falls sie gezahlt werden, ebenfalls als tarifliche Leistungen nach § 4a DHV-Vergütungstarifvertrag zu bewerten seien. Die Regelung sehe zur Deckung des Personalbedarfs oder Bindung von qualifizierten Fachkräften vor, dass eine bis zu vier Entgeltstufen höherer Tabellenvergütung vorweg und bis zu 30 % der Tabellenvergütung der Entgeltstufe zusätzlich gewährt werden dürften (vgl. zum Inhalt von § 4a: Schriftsatz der Beklagten vom 07. Mai 2019, Seite 20 f., Bl. 372 f. d.A.). Eine tarifliche Leistung könne die Klägerin nicht beanspruchen.

Die Beklagte behauptet, Frau Dr. C habe mit Kündigung gedroht, falls sie keine höhere Vergütung erhalten werde. In dieser Drucksituation habe sie Frau Dr. C die Zulage von 800,00 € angeboten. Die Beklagte ist außerdem der Auffassung, dass Frau Dr. C mit der Klägerin nicht vergleichbar sei, weil deren Vergütung seit 01. Februar 2008 aus der Eingruppierung in den DHV-Vergütungstarifvertrag abgeleitet werde.

Wegen des vollständigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 08. August 2018 und 10. Juli 2019 (Bl. 259, 403 d.A.) Bezug genommen.

Im Berufungsverfahren konnte unstreitig gestellt werden, dass die Klägerin erstmals 2017 bei der Beklagten beantragte, ebenfalls nach DHV-Tarif vergütet zu werden.

Die Kammer hat die Akten des weiteren Verfahrens der Parteien mit dem Az. 18 Sa 215/18 (Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Az. 22 Ca 8891/15) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Gründe

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. November 2017 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist zulässig. Das Rechtsmittel ist gem. §§ 64 Abs. 2 b), 8 Abs. 2 ArbGG statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG.

Die Berufung hat teilweise Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG für den Zeitraum von Januar 2012 bis einschließlich Dezember 2015 480,00 € brutto monatlich, d.h. insgesamt 23.040,00 € brutto, nebst Zinsen zu zahlen. Die von der Klägerin in der Berufung vorgenommene Erweiterung ihres Anpassungsanspruchs auf Zahlung von insgesamt 26.332,08 € brutto für denselben Zeitraum ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Der zuletzt in der Verhandlung vom 10. Juli 2019 gestellt Hauptantrag der Klägerin ist zulässig. Die Voraussetzungen nach § 533 ZPO i.V.m.§ 67 Abs. 2 - 4 ArbGG waren nicht zu prüfen.

Die Klägerin macht einen Anpassungsanspruch nach § 37 Abs. 4 BetrVG geltend. Für die Ermittlung des Anpassungsanspruchs muss festgelegt werden, wer als Vergleichsperson/en heranzuziehen und welche Gehaltserhöhung/en in welchem Umfang zu berücksichtigen sind. Die Klägerin hat durch den Schriftsatz vom 17. Oktober 2018 ihre Argumentation zu den Vergleichspersonen für eine betriebsübliche Gehaltsentwicklung und entsprechend die sich daraus ergebende Ausgleichszahlung verändert. Nach § 264 Nr. 1 und 2 ZPO ist dies nicht als Klageänderung anzusehen. Der Streitgegenstand hat sich nicht geändert, da die Klägerin weiter einen Anspruch auf Gehaltsanpassung als freigestellte Betriebsrätin nach § 37 Abs. 4 BetrVG verfolgt.

II.

Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung, die der Vergütung der Assistenzärztinnen und -ärzte entspricht, welche nach dem DHV-Vergütungstarifvertrag bezahlt werden und zusätzlich eine Zulage erhalten, so dass ihre Gesamtvergütung der Höhe nach einer Leistung entspricht, die ihnen bei einer Eingruppierung in den jeweils geltenden Entgelttarifvertrag zustehen würde, den andere Kliniken des Asklepios-Konzerns mit dem Marburger Bund geschlossen haben.

1.

Die Klägerin hat dem im Hinweis vom 17. Juni 2019 (vgl. Bl. 393 d.A.) dargelegten Verständnis der Kammer nicht widersprochen, dass die Berechnung der Ausgleichsbeträge mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2018 zweistufig erfolgte. Die Klägerin hat in einem ersten Schritt ein Monatsentgelt ermittelt, welches ihr zustehen würde, wenn in ihrem Arbeitsvertrag auf den jeweiligen DHV-Vergütungstarifvertrag Bezug genommen worden wäre. In einem zweiten Schritt hat sie dann nach der mitgeteilten Formel (Differenz zwischen Vergütung "DHV" und Vergütung "Marburger Bund - Asklepios-Kliniken" unter Berücksichtigung zusätzlicher Bruttomonatseinkommen und der geschuldeten Wochenarbeitszeit) einen Ausgleichsbetrag addiert und jeweils die Gesamtdifferenz zu der ihr monatlich gezahlten Vergütung von 1.867,50 € brutto (ohne Ausgleichszahlung für Bereitschaftsdienste) berechnet.

2.

Die Klägerin macht nur einen Ausgleichsanspruch bis einschließlich Dezember 2015 geltend. Daher könnten neben der Ärztin Dr. B, die bereits 2004 zum Zeitpunkt der Freistellung für die Beklagte arbeitete, im November 2015 jedoch ausgeschieden ist, nur schon 2004 und folgend bis mindestens 2012 bei der Beklagten beschäftigte Assistenzärztinnen und -ärzte als Vergleichspersonen herangezogen werden. Für diese Personengruppe ist von den Parteien nur Frau Dr. C als weitere mögliche Vergleichsperson benannt worden.

Die Vergleichbarkeit von Frau Dr. C in Bezug auf ihre Gehaltsentwicklung ist jedoch eingeschränkt, da sie sie unter der Geltung eines anderen Vergütungssystems arbeitet als die Klägerin. Die Klägerin hat zumindest bis 2017 abgelehnt, entsprechend einer Eingruppierung in den DHV-Vergütungstarifvertrag vergütet zu werden. Damit ist unmittelbar nicht ihre Tätigkeit als freigestelltes Betriebsratsmitglied, sondern die einzelvertragliche Vereinbarung ursächlich dafür, dass die Klägerin von 2012 bis 2015 nicht entsprechend einer dynamischen tariflichen Vergütung bezahlt wurde. Maßgeblich ist auch nicht ein hypothetischer Arbeitsvertrag, den sie bei einem beruflichen Aufstieg geschlossen hätte (vgl. LAG Hamm Urteil vom 18. Oktober 2016 - 7 Sa 794/16 - veröffentlicht in juris, Rz. 35). Für die Bemessung der nach § 37 Abs. 4 BetrVG zu zahlenden Vergütung ist die seit 2004 unveränderte Tätigkeit ausschlaggebend.

Hiervon ist die nach Auffassung der Kammer abstrakt zu treffende Feststellung zu trennen, dass freigestellte Betriebsratsmitglieder gegen den Regelungszweck von § 37 Abs. 4 BetrVG benachteiligt werden, wenn ausschließlich nur noch freigestellte Amtsträger in einem Vergütungssystem arbeiten, welches nicht mehr dynamisiert wird und diese mit dem Arbeitgeber nicht erfolgreich über Gehaltserhöhungen verhandeln können, z.B. durch die Androhung den Arbeitsplatz zu wechseln.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass davon ausgegangen werden darf, dass nicht alle bei der Beklagten beschäftigten Assistenzärztinnen und -ärzte durch Gewerkschaftsmitgliedschaft originär tarifgebunden sein dürften. Vielmehr dürften sie die tarifliche Vergütung kraft einzelvertraglicher Vereinbarungen erhalten. Eine betriebsübliche Gehaltsentwicklung ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch zu bejahen, wenn tarifliche Leistungen an die Mitarbeiter (nur) wegen der vertraglichen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag erbracht werden. Dies gilt erst recht, wenn die Gewerkschaft, welche den Tarifverrag angeschlossen hat, möglicherweise nicht tariffähig ist (vgl. BAG Beschluss vom 26. Juni 2018 - 1 ABR 37/16 - NZA 2019, 188).

Die Gehaltsentwicklung der Klägerin als freigestellte Betriebsratsvorsitzende ist während der Dauer ihrer Freistellung seit 2004 in Relation zu derjenigen anderer Ärzte zurückgeblieben. Dies kann auch in Bezug auf nach 2004 eingestellte Assistenzärztinnen und -ärzte festgestellt werden, da diese seit 2008 von Tariferhöhungen der DHV-Vergütungstarifverträge profitiert haben.

a)

Gleichwohl bestehen bereits Bedenken, dass die Klägerin die Ausgleichszahlung (in einem ersten Schritt) nach dem gemäß DHV-Vergütungstarifvertrag geschuldeten Entgelt berechnet.

Die Grundvergütung eines/er Assistenzarztes/ärztin mit einer Betriebszuge-hörigkeit von sieben Jahren betrug, bezogen auf eine volle Stelle, "nach ASO" zumindest 3.390,00 € brutto (vgl. "Vergütungstabelle ASO", Stand 01. Januar 2006, Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 17. Oktober 2018, Bl. 276 d.A.), wie in der Verhandlung vom 10. Juli 2019 erörtert. Demgegenüber stand einem/er vollbeschäftigten Assistenzarzt/ärztin nach der Anlage 1 zum DHV-Vergütungstarifvertrag ab 01. Januar 2008 in der maßgeblichen Vergütungsgruppe 8 nur 3.246,44 € brutto zu, auch die Vergütung ab dem zehnten Beschäftigungsjahr hätte nur 3.343,73 € brutto betragen (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 17. Oktober 2018, Bl. 274 d.A.).

Damit sind die Ausgangswerte nicht vergleichbar. Offen ist auch, wie viele Monatsvergütungen pro Kalenderjahr in den unterschiedlichen Systemen gezahlt wurden und welche Wochenarbeitszeit (39 oder 40 Stunden) jeweils für eine Vollzeittätigkeit geschuldet wurde.

Die Klägerin hat ihrer Berechnung die seit 2012 nach den DHV-Vergütungstarifverträgen geschuldete Vergütung zu Grunde gelegt. Sie hat davon ausgehend für die Zeit ab Januar 2012 keine fiktive Berechnung regelmäßiger Gehaltserhöhungen vorgenommen. Sie hat die seit 2008 eingetretenen prozentualen Steigerungen im Entgeltsystem der DHV-Vergütungstarifverträge nicht in Relation zu der ihr 2008 geschuldeten ASO-Vergütung - ggfalls. mit Anrechnung auf einen 2008 noch höheren ASO-Vergütungsanspruch - gesetzt (vgl. BAG Urteil vom 21. Februar 2018 - 7 AZR 496/16 veröffentlicht in juris, Rz. 16, 18; BAG Urteil vom 19. Januar 2005 - 7 AZR 208/04 - veröffentlicht in juris, Rz. 16).

b)

Zumindest der zweite Schritt der Berechnung der Ausgleichsleistung durch die Klägerin wird nicht von § 37 Abs. 4 BetrVG gedeckt.

Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sich die seit 2012 gezahlte Zulage von 800,00 € an Frau Dr. C, deren Vergleichbarkeit mit der Klägerin insoweit unterstellt wird, nach der mitgeteilten Formel berechnet oder nachvollziehen lässt.

Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass die von ihr als "Ausgleichszulage" bezeichnete Zulage ebenfalls an Assistenzärztinnen und Assistenzärzte gezahlt wird, welche zunächst ohne diese Zulage eingestellt wurden. Eine betriebsübliche Gehaltsentwicklung liegt nicht vor, wenn die Zulage nur neu eingestellten Arbeitnehmern gewährt wird, nicht aber den bereits beschäftigten Mitarbeitern, die noch zu für sie ungünstigeren Konditionen eingestellt wurden (vgl. BAG Urteil vom 21. Februar 2018 - 7 AZR 496/16 veröffentlicht in juris, Rz. 18). Die Beklagte hat darüber hinaus von der Klägein unbestritten vorgetragen, dass sie neue Assistenzärztinnen und -ärzte auch Arbeitsverträge ohne Zulage zum Entgelt nach dem DHV-Vergütungstarifvertrag anbietet, wenn diese kein höheres Gehalt fordern. Eine Zuwendung i.S.d. § 37 Abs. 4 S. 2 BetrVG, berechnet nach der Differenz zwischen einem Entgelt nach DHV-Vergütungstarifvertrag und dem Entgelt gemäß dem Tarifvertrag, den die anderen Kliniken des Asklepios-Konzerns mit dem Marburger Bund geschlossen haben, kann daher nicht angenommen werden.

III.

Der Hilfsantrag der Klägerin auf Zahlung von insgesamt 23.040,00 € brutto ist nach § 37 Abs. 4 BetrVG begründet.

1.

Frau Dr. B kann für die Zeitspanne von Januar 2012 bis Dezember 2015 als vergleichbare Arbeitnehmerin herangezogen werden.

Sie ist erst zum 30. November 2015 ausgeschieden. Welche Vergleichsperson/en ab 2016 zu Bemessung der Ausgleichszahlung für die Klägerin anzusehen ist, muss in diesem Rechtsstreit nicht entschieden werden.

Frau Dr. B ist ebenso wie die Klägerin als Assistenzärztin in Teilzeit beschäftigt worden. Sie wurde "nach ASO" vergütet und war langfristig für die Beklagte tätig, sie hat bei dieser keine Facharztausbildung gemacht. Die Vergleichbarkeit eines anderen Arbeitnehmers bzw. einer anderen Arbeitnehmerin mit einem freigestellten Betriebsratsmitglied kann auf eine Person sinken. Dann ist nur deren betriebsübliche Entwicklung maßgeblich (vgl. BAG Urteil vom 21. April 1983 - 6 AZR 407/80 - DB 1983, 2253, Rz. 11, 15).

Der Einwand der Beklagten, Frau Dr. B sei nur in Bezug auf die Bereitschaftsdienste durch das Schreiben vom 17. September 2010 zur Vergleichsperson bestimmt worden, ist unbeachtlich. Jegliche Regelungen Durchführung des § 37 Abs. 4 BetrVG können wirksam nur in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Norm erfolgen, sie sind nicht abänderbar (vgl. BAG Urteil vom 18. Januar 2017 - 7 AZR 205/15 - NZA 2017, 935, Rz. 22). Da Frau Dr. B Vergleichsperson im Sinne des § 37 Abs. 4 BetrVG war, hätten die Parteien dies nicht wirksam einschränken können.

2.

Die Zulage i.H.v. 600,00 €, welche Frau Dr. B ab 01. Januar 2012 zusätzlich zu ihrer "nach ASO" berechneten Vergütung gezahlt wurde, ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ein nach § 37 Abs. 4 BetrVG zu berücksichtigendes Entgelt.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, es handele sich um eine freiwillige, individuelle und unter einem besonderen Kündigungsvorbehalt stehende Zulage. Bei der gezahlten Zulage handelte es sich um einen Entgeltbestandteil gemäß § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG. Es ist daher unbeachtlich, ob die Beklagte zu einer Teilkündigung oder einem Widerruf der Zulage befugt gewesen wäre.

Nicht erheblich ist auch, dass die Beklagte vorgetragen hat, die Zulage sei nur im Einzelfall wegen der Leistung von Frau Dr. B vereinbart worden, die mit den Leistungen anderer Arbeitnehmer nicht vergleichbar gewesen sei. Die Beklagte hat zur Begründung der besonders herausragenden Leistung nur auf die hohe Zahl von Überstunden von Frau Dr. B hingewiesen. Wäre die Klägerin nicht als Betriebsratsvorsitzende freigestellt gewesen, hätte sie als Teilzeitbeschäftigte ebenfalls in erheblichem Umfang Überstunden leisten können. Die Zulage ist zudem in der Vereinbarung vom 25. November 2011 mit Frau Dr. B (Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 08. August 2018, Bl. 262 d.A.) als "außertarifliche Zulage" bezeichnet worden. Dies spricht gegen eine individuelle Leistungsprämie. Es ist weiter davon auszugehen, dass Frau Dr. B diese Zulage zusätzlich zu der Abgeltung der Mehrarbeit durch Entgelt oder bezahlte Freizeit erhielt. Die Klägerin hat deshalb zu Recht gerügt, dass die Beklagte nicht dargelegt hat, welche Überlegungen der Bemessung der Zulage zu Grunde lagen.

Zu berücksichtigen ist auch, die Beklagte nicht zu der Behauptung der Klägerin Stellung genommen hat, die Zulage sei bei der vorübergehenden Aufstockung der Arbeitszeit von Frau Dr. B ebenfalls angepasst worden, entsprechend der Differenz zu der Vergütung, die dieser bei Geltung des zwischen anderen Asklepios-Kliniken und dem Marburger Bund vereinbarten Tarifvertrags zugestanden hätte. Dies war von der Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2018 und nicht erst in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2019 vorgetragen worden, wie die Beklagte in dieser Verhandlung gerügt hat.

Dem Beweisangebot der Beklagten auf Vernehmung ihres Personalleiters E war nicht nachzugehen. Es ist offen geblieben, was er zu den hervorragenden Leistungen von Frau Dr. B aussagen könnte, außer, dass diese immer bereit war, Überstunden zu machen.

Schließlich darf als zutreffend unterstellt werden, dass nur Frau Dr. B eine solche Zulage erhielt. Sie war Ende 2011/Anfang 2012 außer der Klägerin die einzige Assistenzärztin, welche nicht nach dem DHV-Vergütungstarifvertrag bezahlt wurde und mithin seit 2008 keine Gehaltserhöhung erhalten haben dürfte. Damit bestand objektiv ein Anpassungsbedarf. In Bezug auf Frau Dr. C hat die Beklagte vorgetragen, dass diese Ärztin mit ihrer Kündigung drohte, falls sie keine höhere Vergütung erhalten werde. Zudem wurde Frau Dr. C nach dem DHV-Vergütungstarifvertrag bezahlt, nahm also an dynamischen Gehaltsanpassungen teil.

Der Zinsanspruch der Klägerin ist der Höhe nach gemäß § 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt, dem Zeitpunkt nach gemäß § 3 Abs. 2 ASO (Stand 18. August 1999), worauf § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien Bezug nimmt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO für das Berufungsverfahren und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Hauptantrag unterlegen ist. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt nach § 91 Abs. 1 ZPO die Beklagte, da die Klägerin mit dem in dieser Instanz nur gestellten Antrag obsiegt hat.

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

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