Hessisches LAG, Urteil vom 27.08.2018 - 7 Sa 1374/16
Fundstelle
openJur 2020, 44397
  • Rkr:

1. Legt der Bewerber oder Bewerberin im Bewerbungsverfahren Studienabschlüsse und hierzu erstellte Gleichwertigkeitstestate vor, stellt der AG dann fest, dass aufgrundd er dabei genannten Studieninhalte Qualifikationsmerkmale fehlen würden, so stellt dies bei einem Bewerber oder Bewerberin mit Studienabschlüssen im Ausland im Verhältnis zu anderen Bewerbern ohne ausländische Abschlüsse eine Benachteiligung wegen der ethischen Herkunft im Sinne des AGG dar.

2. Zum Begriff der rechtsmißbräuchlichen Bewerbung bei einem Bewerber mit einer spezifischen beruflichen Qualifikation für eine Stelle als Softwareentwickler

3. Zur Ermittlung der Höhe einer Entschädigungsleistung im Sinne von § 15 Abs. 2 AGG.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt - 23 Ca 800/16 - vom 29.06.2016 abgeändert und im Tenor wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 8.958,16 als Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin und die Beklagte jeweils die Hälfte zu tragen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt - 23 Ca 800/16 - vom 29.06.2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

3. Die Revision wird für keine der Parteien zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine Entschädigung wegen einer Diskriminierung.

Die Beklagte, die A, hat im August 2015 für ihren Zentralbereich Informationstechnologie am Standort B zwei offene Stellen ausgeschrieben, für die sie zwei Software-Entwicklerinnen/ Software-Entwickler suchte. Wegen der Einzelheiten und der Gestaltung dieser Stellenanzeige wird auf die Anlage A1 zur Klageschrift (Bl.3 d.A.) Bezug genommen.

In der Stellenausschreibung wurde ausdrücklich nach "Software-Entwicklerinnen/ Software-Entwicklern mit akkreditiertem Bachelor-Abschluss oder FH-Diplom bzw. Fachinformatiker/-innen mit langjähriger Berufserfahrung gesucht". Unter der Rubrik "Ihr Profil" ist der Stellenausschreibung im wesentlichen zu entnehmen, dass Kandidaten mit akkreditiertem Bachelor-Abschluss der Informatik oder Wirtschaftsinformatik bzw. einem gleichwertigem Bildungsabschluss oder vergleichbaren Kenntnissen aus langjähriger Berufserfahrung gesucht wurden. Weiterhin wird in der Stellenausschreibung bereits eingangs erläutert, dass die Beklagte ein auf dem SAP-Standard basierendes IT-System verwendet. Außerdem nimmt die Stellenausschreibung unter der Rubrik "Ihr Profil" Bezug darauf, dass sehr gute Kenntnisse in einer objektorientierten Programmiersprache, vorzugsweise ABAP gewünscht werden. Außerdem enthält die Stellenausschreibung den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Beklagte den Frauenanteil erhöhen möchte und sich deshalb auf qualifizierte Bewerberinnen freue.

Am 29. August 2015 hat sich die Klägerin mittels eines von der Beklagten auf ihrer Website bereit gestellten Online-Bewerbungsformulars auf die ausgeschriebenen Stellen beworben. Wie unter der Rubrik "Dateianhänge" auf Seite 3 der Bewerberdateiansicht abzulesen war, hatte die Klägerin ihre Bewerbung ein Bewerbungsanschreiben als Datei beigefügt. Nachdem die Beklagte um die Einreichung von Lebenslauf, Arbeitszeugnissen und Diplom-Urkunde gebeten hatte, hat die Klägerin ihre Bewerbungsunterlagen vervollständigt. Wegen der Einzelheiten der zwischen der Klägerin und der Beklagten geführten Korrespondenz wird auf die Anlagen B2, B3 und B4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 26. Februar 2016 (Bl. 17 d.A.) verwiesen. Wegen der von der Klägerin eingereichten Bewerbungsunterlagen wie ihren Lebenslauf, Arbeitszeugnisse, ihr Arbeitsbuch, ihr Zeugnis über die deutsche Sprachprüfung, die Bescheinigung der Gleichwertigkeit des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur in C, dem Auszug aus dem Studienbuch, die beglaubigte Übersetzung der Diplom-Urkunde, den Anerkennungsvermerk der B vom 06. März 2003, des Zertifikats des Instituts für berufliche Bildung AG, des Zertifikats über die Apps Programmierung Android wird auf die Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 26. Februar 2016 (Bl. 16 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 07. Dezember 2015 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass sie die Bewerbung der Klägerin nicht in die engere Auswahl einbeziehen konnte. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf die Anlage B6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 26. Februar 2016 (Bl. 41 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die beabsichtigte Monatsbruttovergütung für die von der Klägerin angestrebte Stelle hat Euro 4.479,08 betragen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass sich eine Diskriminierung bereits daraus ergebe, dass in der Stellenausschreibung unter anderem nach dem Geburtsdatum und der Schulabgangsdatum gefragt worden sei. Bereits diese Fragen würden eine Diskriminierung indizieren. Gleiches gelte auch für die Anforderung der sehr guten Deutsch-und Englischkenntnisse, denn diese Anforderung indiziere eine Diskriminierung wegen einer ethnischen Herkunft.

Die Klägerin hat hierzu behauptet, sie sei auch wegen des Geschlechts und ihrer russischen Herkunft diskriminiert worden. Sehr gute Deutschkenntnisse seien nämlich für die Stelle nicht erforderlich. Wenn das Geburtsdatum abgefragt werde, so könne sich daraus ein Motivbündel im Hinblick auf eine Diskriminierung ergeben.

Des Weiteren hat die Klägerin behauptet, dass ihr Informatik-Studium anerkannt sei. Die objektorientierte Programmierung habe die Klägerin im Berufsumfeld und in Weiterbildungen erlernt. Die einzelnen Kenntnisse bezogen auf die einzelnen Informatik-Fächer habe sie nachgewiesen. Wegen der Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens der Klägerin hierzu wird auf ihr tatsächliches Vorbringen auf Bl.3 ff ihres Schriftsatzes vom 06. Mai 2016 (Bl. 68 ff d.A.) Bezug genommen.

Daraus hat die Klägerin gefolgert, dass ihr für die Ablehnung bezogen auf 2 ausgeschriebene Stellen jeweils zwei Bruttomonatsgehälter zustehen müssten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie Euro 20.000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Eingang ihrer Klage bei dem Gericht als Ersatz der ihr zugefügten ideellen Schäden zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie habe die Klägerin nicht diskriminiert.

Hierzu hat die Beklagte behauptet, dass die Klägerin das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stellen nicht erfüllt habe. Es fehle z.B. am akkreditierten Bachelor-Abschluss. Die Klägerin habe auch keine aktuellen Berufserfahrungen und auch keine sehr guten Kenntnisse der objektorientierten Programmiersprachen. Auch wenn ihre Sprachkenntnisse für die Stellenbesetzung ausgereicht hätten, es lägen keine Indizien für eine Benachteiligung der Klägerin vor.

Die Beklagte hat weiter behauptet, dass die Frage nach dem Geburtsdatum nicht maßgeblich für die Stellenbesetzung gewesen sei. Für die Anforderung der Sprachkenntnisse lägen allerdings sachliche Gründe vor. Die Beklagte sei nämlich an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden, und müsse den besten Bewerber oder die beste Bewerberin auswählen.

Zusammenfassend hat die Beklagte behauptet, dass die Abschlüsse in Wirtschaftsinformatik oder Informatik die Anforderungen an die ausgeschrieben Stellen besser erfüllen würden.

Das Arbeitsgericht Frankfurt - 23 Ca 800/16 - hat mit seinem am 29. Juni 2016 verkündeten Urteil der Klage teilweise stattgegeben. Das Arbeitsgericht eine Benachteiligung der Klägerin darin gesehen, dass ihr eine Chance versagt worden sei. Für die Beurteilung der objektiven Eignung für die Stellenbesetzung sei nicht nur auf das formelle und bekannt gegebene Anforderungsprofil abzustellen. Maßgeblich seien vielmehr die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Bewerber in redlicher Weise stellen dürfte. Die Klägerin erfülle aber die von der Beklagten in der Stellenanzeige aufgestellten Anforderungen. Es bestehe nämlich aufgrund der Bescheinigung der Gleichwertigkeit des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein vom 15. Februar 1999 kein Zweifel daran, dass die Klägerin über den geforderten Abschluss der Informatik verfüge. Der von der Beklagten angeführte vermeintliche Widerspruch zu dem Anerkennungsvermerk der B, Behörde für Bildung und Sport, vom 06. März 2003 sei nicht geeignet, die Zweifel an der festgestellten Gleichwertigkeit zu begründen. Da die Klägerin ferner unstreitig über Kenntnisse objektorientierter Programmiersprachen und komplexer Softwaresysteme und darüber hinaus auch über entsprechende Berufserfahrung verfüge, sei ihre objektive Eignung für die ausgeschriebenen Stellen anzunehmen. Eine Benachteiligung der Klägerin sei wegen ihrer ethnischen Herkunft erfolgt. Die Beklagte habe den in Leningrad absolvierten Studienabschluss der Klägerin trotz der amtlich bescheinigten Gleichwertigkeit als im Ergebnis nicht als gleichwertig mit einem durch die Diplomprüfung abgeschlossenem Studium der Fachrichtung Informatik erachtet und die Klägerin damit wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt. Aufgrund der Einlassung der Beklagten, Bewerbungen reiner Informatiker seien mit Blick auf die ausgeschriebenen Stellen trotz der anerkannten Gleichwertigkeit die besser passenden, liege der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung auf der Hand. Allerdings sei eine Mehrfachdiskriminierung nicht feststellbar.

Gegen dieses Urteil haben sowohl die Beklagte, als auch die Klägerin innerhalb der zu Protokoll der Berufungsverhandlung vom 27. August 2018 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt und die Klägerin hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Die Beklagte bleibt bei ihrem tatsächlichen Vorbringen, dass die Klägerin das Anforderungsprofil für die ausgeschriebene Stelle nicht erfüllt habe. So seien sehr gute Kenntnisse in den gängigen Methoden und Verfahren zur Entwicklung komplexer Softwaresysteme bei der Klägerin nicht vorhanden gewesen. Auch verfüge die Klägerin nicht über ausreichende Kenntnisse der Programmiersprache ABAP. Die Klägerin habe keine langjährige Berufserfahrung aufzuweisen, die absolvierten Studienfächer hätten keinen Bezug zur Informatik.

Die Beklagte behauptet weiter, dass sie anhand der Kenntnisse der Studieninhalte selbst über die Gleichwertigkeit der Abschlüsse hätte entscheiden können. Der Klägerin, so folgert die Beklagte, fehle damit eine formale Qualifikation. Die Klägerin habe auch keine langjährige Berufserfahrung aufzuweisen und erfülle die Qualifikationsanforderungen an die Stelle nicht.

Zusammenfassend behauptet die Beklagte, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Bewerbung einen Studienabschluss nicht habe vorweisen können, der die für die Arbeitsaufgaben erforderlichen Kenntnisse abdecke. Sie verfüge nämlich nur über gute und zudem über 12 Jahre alte Kenntnisse in einer, in dem betreffenden Bereich der Beklagten nicht zur Anwendung kommenden objektorientierten Programmiersprache (C++) sowie eine zum Teil über drei Jahre alte theoretische Weiterbildung in einer weiteren, insoweit ebenfalls nicht zur Anwendung kommenden Programmiersprache ("AVA"). Weiterhin sei die Klägerin auch über acht Jahre vollständig aus dem Berufsleben ausgeschieden. Die Klägerin habe damit die Qualifikationsanforderungen, wie sie in der Stellenausschreibung niedergelegt worden seien, nicht erfüllt. Der in der Stellenausschreibung in formaler Hinsicht geforderte Bildungsabschluss oder die alternativ anerkannte langjährige Berufserfahrung könnten nicht losgelöst von den materiellen Anforderungen der Stelle, d. h. insbesondere mit sehr guten Kenntnissen in ABAP und sekundär einer anderen objektorientierten Programmiersprache, betrachtet werden. Die Beklagte sei damit im Bewerbungsverfahren vollkommen berechtigt gewesen, das Studium und die Berufserfahrung der Klägerin selbstständig im Hinblick auf die konkret ausgeschriebenen Stellenanforderungen zu bewerten und für nicht ausreichend zu erachten.

Gleichfalls stellt die Beklagte eine Kausalität zwischen der möglichen Benachteiligung und der Nichtbesetzung der Stelle in Frage.

Des Weiteren stellt die Beklagte darauf ab, dass die Bewerbung der Klägerin rechtsmissbräuchlich sei. Schließlich sei die Klägerin auch prozessunfähig. Wegen der Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens hierzu wird auf die Ausführungen in dem Schriftsatz der Beklagten vom 09. November 2017, auf Seite 1 ff. (Bl. 359 ff. d. A.) verwiesen.

Auch die geltend gemachte Höhe der Entschädigung hält die Beklagte für übersetzt. Es sei unerheblich, dass die Beklagte zeitgleich zwei identische Stellen ausgeschrieben hatte. Eine Mehrfachdiskriminierung liege nicht vor, denn die Deutschkenntnisse der Klägerin hätten für die Stellenbesetzung ausgereicht, während die Frage nach dem Geburtsdatum nur bei einer Bewerbung für ein Beamtenverhältnis zu beantworten gewesen wäre. Außerdem habe die Klägerin in ihren Bewerbungsunterlagen, insbesondere in ihrem Lebenslauf die entsprechenden Daten offengelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juni 2016, 23 Ca 800/16 abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juni 2016 zum Az.: 23 Ca 800/16 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 15.520,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Februar 2016 zu zahlen.

Des Weiteren beantragt die Klägerin, ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist Widereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, und der Klägerin gegen die Versäumung der Frist für die Beantragung der Fristverlängerung Widereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren;

die Frist zur Begründung der Berufung der Klägerin vom 17. Januar 2017 um mindestens einem Monat zu verlängern und zwar ergänzend zu ihrem Antrag vom 07. Februar 2017.

Die Beklagte beantragt, sämtliche Anträge zurückzuweisen und die Berufung der Klägerin als unzulässig zu verwerfen bzw. zurückzuweisen.

Die Klägerin stellt weiterhin darauf ab, dass ein Bachelor-Abschluss bzw. ein gleichwertiger Bildungsabschluss oder vergleichbare Kenntnisse bei ihr vorliegen würden und sie diese auch nachgewiesen habe. Die Klägerin behauptet hierzu, sie habe zumindest das Anforderungsprofil aus der Stellenausschreibung erfüllt.

So behauptet die Klägerin, dass sehr gute Deutschkenntnisse und sehr gute Englischkenntnisse für die Stellenbesetzung nicht erforderlich seien.

Die Klägerin behauptet weiter, dass die Beklagte die Ausbildungsabschlüsse der Klägerin nicht als gleichwertig anerkannt habe. Darin liege eine Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft. Die Beklagte räume auch eine Diskriminierung der Klägerin selbst ein, wenn sie ausführt, dass eine Ablehnung der Beklagten auch nicht verwehrt gewesen sei, zwar habe die Beklagte sowohl den Anerkennungsvermerk der Stadt B als auch die Bescheinigung der Gleichwertigkeit des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein aus dem Jahre 1999 zur Kenntnis genommen. Wenn die Beklagte dann aber ausführe, dass eine gesetzliche Vorschrift, nach der die Beklagte im Falle der Klägerin in irgendeiner Form an die Bescheinigung der Gleichwertigkeit gebunden wäre, sei nicht erkennbar, werde die Benachteiligung der Klägerin nur zu deutlich.

Die Klägerin behauptet weiter, sie verfüge über eine langjährige Berufserfahrung, gleichfalls verfüge sie über, für die Stellenbesetzung ausreichende Kenntnisse der objektorientierten Programmierung.

Die Klägerin bleibt bei ihrer Auffassung, dass sie wegen ihres Alters durch die Angabe des Geburts- und Schulabgangsdatum und wegen ihrer Sprachkenntnisse diskriminiert worden sei.

Zusammenfassend ist die Klägerin der Auffassung, dass zumindest eine Entschädigungshöhe von 4 Bruttomonatsgehältern anzusetzen wäre, weil es um zwei Stellenbesetzungen gegangen wäre. Wegen der weiteren Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens der Klägerin hierzu wird auf Seite 7 ff. ihres Schriftsatzes vom 19. April 2017 (Bl. 279 ff. d. A.) verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main - 23 Ca 800/16 - vom 29. Juni 2016 ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 u. 2 b u. c ArbGG). Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache ist die Berufung der Beklagten jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat, soweit es der Klage stattgegeben hat, dies in allen Punkten mit zutreffender Begründung getan. Das Berufungsgericht folgt dem Arbeitsgericht im Ausgangspunkt und in der Begründung.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zu. Dies ergibt sich sowohl im Hinblick auf die Gründe, und auf die Berufung der Klägerin hin auch in der geltend gemachten Höhe.

Der Klägerin steht an sich ein Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu.

Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin von der Beklagten eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft verlangt.

Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wonach sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes verboten sind. Dabei muss zwischen der benachteiligenden Behandlung und dem in § 1 AGG genannten Grund ein Kausalzusammenhang bestehen. Die Darlegungs- und Beweislast sowie das Beweismaß im Hinblick auf den haftungsbegründenden Kausalzusammenhang richten sich nach § 22 AGG.

Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet.

Die Klägerin hat sich um ein Beschäftigungsverhältnis beworben und ist damit gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 AGG Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes. Die Bewerbung ist mit dem Ziel einer Einstellung erfolgt. Allein daraus, dass die Klägerin bereits mehrere Entschädigungsprozesse an verschiedenen Arbeitsgerichten geführt hat, kann ihr die Ernsthaftigkeit der Bewerbung nicht abgesprochen werden. Dabei ist im Ausgangspunkt aber festzuhalten, dass es auf die Ernsthaftigkeit einer Bewerbung vor dem Hintergrund der neuen BAG-Rechtsprechung nicht mehr ankommt, sondern dass Kriterium der Rechtsmissbräuchlichkeit zu prüfen ist.

Die Beklagte, die um Bewerbungen für die von ihr ausgeschriebenen Stellen nachgesucht hat, ist Arbeitgeberin im Sinne des § 6 Abs. 2 S. 1 Alternative 1 AGG.

Die Klägerin hat sowohl die Ausschluss- als auch die Klagefrist gewahrt. Das Arbeitsgericht hat vor dem Hintergrund des § 15 Abs. 4 S. 2 AGG und des § 61 b ArbGG die hierzu erforderlichen Feststellungen gemacht. Keine der Parteien hat in der Berufungsinstanz anlässlich der Begründung ihrer Rechtsmittel hieran Zweifel oder Fehlerhaftigkeiten angemerkt. Das Landesarbeitsgericht kann deshalb die Entscheidungsgründe auf Seite 7 f. der angefochtenen Entscheidung so übernehmen und sich zu eigen machen.

Auch wenn die Beklagte unmittelbar an der ethnischen Herkunft der Klägerin zur Begründung ihrer Auswahlentscheidung bei der Stellenbesetzung nicht angeknüpft hat, die Beklagte hat aber Ausführungen zur Gleichwertigkeit der anerkannten Berufsabschlüsse der Klägerin gemacht, so dass von einer mittelbaren Diskriminierung bei der Stellenbesetzung gemäß § 3 Abs. 2 AGG auszugehen ist.

Die Klägerin wurde durch das Verhalten der Beklagten im Rahmen der zu treffenden Auswahl für die Stellenbesetzung mittelbar benachteiligt gemäß § 3 Abs. 2 AGG.

Es ist zwischen den Parteien im Ausgangspunkt unstreitig, dass die Klägerin ihren Bewerbungsunterlagen auch die Bescheinigung der Gleichwertigkeit des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein vom 15. Februar 1999 beigefügt hat. Aus diese Bescheinigung der Gleichwertigkeit geht textlich klar hervor, dass der Klägerin bescheinigt wird, dass ihr Studium einen an einer Fachhochschule in der Bundesrepublik Deutschland durch Diplomprüfung abgeschlossenen Studium der Fachrichtung Informatik insgesamt gesehen gleichwertig ist.

Des Weiteren hat die Klägerin einen Anerkennungsvermerk vom 06.03.2003 der B bei der Beklagten vorgelegt. Dieser Anerkennungsvermerk nimmt Bezug auf das für die Klägerin ausgestellte Russische Diplom des Leningrader Instituts für Luftfahrtgerätebau über den Abschluss eines Studiums in der Fachrichtung elektronische Maschinen der Datenverarbeitung. Diese Dokumente werden als gleichwertig anerkannt mit einem deutschen Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife.

Die Beklagte legt nunmehr in der Berufungsbegründung vom 23.01.2017 selbst dar, dass sie aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Studieninhalte über das Studienbuch selbst die Gleichwertigkeit der von den Ministerien anerkannten Abschlüsse hätte beurteilen können. Eine gesetzliche Vorschrift, so folgert die Beklagte, die in irgendeiner Form an die Bescheinigung der Gleichwertigkeit binden würde, sei nicht erkennbar. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin auch die konkreten Studieninhalte offen gelegt habe, habe sich die Beklagte selbst ein Bild machen können und entschieden, ob sie die Studieninhalte für gleichwertig oder in sonstiger Weise für ihre Zwecke brauchbar erachtet.

Hatte das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung den erforderlichen Kausalzusammenhang bejaht und darauf abgestellt, dass das geschützte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels sei, welches die Entscheidung beeinflusst habe, so stellt die Beklagte nunmehr selbst klar, dass sie aufgrund der Studieninhalte selbst eine Gleichwertigkeit nicht nur überprüft, sondern gar in Abrede gestellt hat.

Damit wird aber folgender Zusammenhang deutlich:

Es liegt zumindest eine mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft der Klägerin vor. Unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung des AGG versteht das BAG den Begriff der ethnischen Herkunft umfassend. Erfasst sind danach Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nationaler Ursprung und Volkstum, gemeinsame Herkunft, eine lange gemeinsame Geschichte, Kultur und Zusammengehörigkeitsgefühl. Wie schon Artikel 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43 EG bestimmt, liegt eine Benachteiligung wegen der Ethnie vor, wenn eine Zugehörigkeit zur Volks- und Kulturgemeinschaft für eine Benachteiligung und gar Zurückstellung tragend ist (BAG, NZA 2012, Seite 1345).

Es ist zwischen den Parteien im Ausgangspunkt nahezu unstreitig, dass die Klägerin ihre Abschlüsse und die Gleichwertigkeitstestate von deutschen Behörden bei der Beklagten im Rahmen eines Bewerbungsvorgangs vorgelegt hat. Die Beklagte ist es nun, die aufgrund der Studieninhalte andere Anforderungen an die formalen Abschlüsse stellt. Die Beklagte meint nämlich aufgrund der Studieninhalte feststellen zu können, ob die Qualifikationsmerkmale auf die ausgeschriebenen Stellen und die Anforderungsprofile passen oder nicht. Die Beklagte geht sogar soweit, festzustellen, dass der Klägerin eine formale Qualifikation, wie sie sich aus der Stellenausschreibung ergibt, fehle. Dies stellt im Verhältnis zu anderen Bewerbern eine Benachteiligung der Klägerin dar. Es kann nämlich nur auf der Grundlage der von der Klägerin vorgelegten Abschlüsse, den Gleichwertigkeitstestaten und den Studieninhalten zu der Bewertung durch die Beklagte kommen. Das Ergebnis ist dann nicht eine sachbezogene Feststellung, dass andere Bewerber oder Bewerberinnen die geforderten Qualifikationen besser erfüllen würden, sondern die Feststellung durch die Beklagte, eine formale Qualifikation würde fehlen. Dies ist aber veranlasst und bezogen auf die ausländischen Studienabschlüsse der Klägerin. Dieser Umstand ist nach der oben genannten weiten Definition einer ethnischen Herkunft als Bestandteil eines bestimmten Staates, dessen Bildungswesens, dessen Abschlüsse und der Anerkennung der Gleichwertigkeit in einen anderen Staat zu verstehen. Eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft der Klägerin, die eben russische Abschlüsse aufzuweisen hat, ist dann gegeben.

Diese zumindest mittelbare Diskriminierung ist auch nicht gemäß § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt. Das von der Beklagten durchgeführte Bewertungsverhalten und die nachfolgende Auswahl zum Zwecke der Besetzung der Stellen verfolgte Ziel war nicht rechtmäßig im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG. Rechtmäßige Ziele in diesem Sinne können nur solche sein, die nicht ihrerseits diskriminierend sind und die auch ansonsten legal sind (BAG v. 12.11.2013 - 9 AZR 484/12 -; BAG v. 20.06.2013 - 6 AZR 907/12 -; BAG v. 26.01.2017 - 8 AZR 848/13 -). Die von der Beklagten genannten Bewertungen und Ziele bei der Einstellung betreffen typischer Weise Bewerberinnen und Bewerber mit einen bestimmten Abschluss, wie auch die Beklagte selbst einräumt, dass nämlich Absolventen des Faches Wirtschaftsinformatik oder Informatik die Anforderungen der ausgeschriebenen Stellen besser erfüllen würden. Der Klägerin hingegen wurde eine formale Qualifikation aberkannt. Damit hat die Beklagte kein rechtmäßiges Ziel verfolgt, zumal ein Ministerium des Landes Schleswig-Holstein gerade die Gleichwertigkeit aufgrund seiner Erkenntnismöglichkeiten gerade festgestellt hatte. Die mittelbare Benachteiligung durch die Beklagte war nicht gerechtfertigt.

Eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung ist aber nur dann anzunehmen, wenn die Benachteiligung gerade wegen in § 1 AGG genannten Merkmal folgt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn in § 1 AGG genannte Merkmal nicht das ausschließliche Motiv für das Handeln ist. Es reicht nach Auffassung des BAG aus, wenn das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (BAG, NZA 2014, S. 258). Es reicht dann auch aus, wenn Tatsachen vorgetragen werden oder gar feststehen, die darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung zumindest auch wegen eines verpönten Merkmals erfolgt ist. Schuldhaftes handeln oder eine Benachteiligungsabsicht sind nicht erforderlich (BAG, NZA 2014, S. 258; BAG, NZA 2011, S. 153).

Auf der Grundlage des tatsächlichen Vorbringens der Beklagten ist hingegen von einer kausalen Benachteiligung im Hinblick auf die ethnische Herkunft der Klägerin auszugehen. Die Beklagte schreibt eine Stelle aus, fordert nach dem Anforderungsprofil Studienabschlüsse, Berufserfahrungen oder gleichwertige Kenntnisse. Die Klägerin legt Abschlüsse mit Gleichwertigkeitstestaten vor. Die Beklagte hingegen bewertet diese formale Qualifikation als nicht gleichwertig. Die Klägerin wird dadurch aus dem engeren Bewerberkreis ausgeschieden. Dies stellt zumindest ein ausreichendes Motivbündel im Hinblick auf die vorgenommene Benachteiligung in Ausprägung einer mittelbaren Diskriminierung gemäß § 3 Abs. 2 AGG dar.

Kein anderes Ergebnis ist über die Anwendung des § 22 AGG anzunehmen.

§ 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Person Indizien beweist, die einer Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (BAG v. 26.01.2017 - 8 AZR 848/13 -; BAG v. 18.05.2017 - 8 AZR 74/16 -).

Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung der Gleichbehandlung für beschwert hält, ihre Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, das eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhaltes zu berücksichtigen (BAG v. 18.05.2017 - 8 AZR 74/16 -).

Besteht dann die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sogenannten Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss dann Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, und aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt habe.

Die Klägerin hat dargelegt, dass ihre Studienabschlüsse nicht als gleichwertig von der Beklagten behandelt und anerkannt worden sind. Die Beklagte hat Bezug genommen in ihrem tatsächlichen Vorbringen auf die mitgeteilten Studieninhalte und ihre Bewertung der Gleichwertigkeit bezogen auf die zu besetzende Stelle. Damit hat die Beklagte eben gerade nicht dargelegt und bewiesen, dass ausschließlich andere Gründe, als die ethnische Herkunft der Klägerin, für die Stellenbesetzung entscheidend gewesen wären. Die Beklagte hat diesen Sachverhalt vor den Hintergrund der formalen Qualifikationen aufrechterhalten und auf dieser Grundlage die Stellenbesetzungen vorgenommen. Von einer Widerlegung im Hinblick auf § 22 AGG kann dann nicht ausgegangen werden.

Dem Entschädigungsbegehren der Klägerin steht auch nicht der rechtshindernde Einwand ihrer Prozessunfähigkeit entgegen. Zwar hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 09.11.2017 Ausführungen hierzu gemacht, sie sieht nämlich bei der Klägerin einen sogenannten "Querulantenwahn". Die Beklagte nimmt Bezug auf die Spruchtätigkeit des LAG Hamburg vom 09. August 2017 (3 Sa 50/16 -). Die Beklagte sieht zusätzlich Parallelen zum Bewerbungsschreiben und dem Verhalten der Klägerin in dem vorliegenden Verfahren. Außerdem habe die Klägerin mehrere hundert Rechtsmittelverfahren oder Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe geführt. Sie habe auch dem Vorsitzenden Richter eine fehlerhafte Verfahrensführung und ungenügende Sorgfalt vorgeworfen, des Weiteren der Beklagten "eindeutige Lügen" vorgehalten und schließlich der Beklagten unterstellt, offensichtlich vom Hass gegen ihre russische Herkunft geblendet zu sein.

Grundsätzlich ist die Feststellung der Prozessfähigkeit an ein bestimmtes Verfahren in einem bestimmten Rechtsstreit gebunden. Die entsprechenden Feststellungen sind vom Gericht vorzunehmen, wenn auch unter Mitwirkung der Verfahrensbeteiligten. Es scheint sich so zugetragen zu haben, dass in der Entscheidung des LAG Hamburg vom 09. August 2017 die Klägerin zur Mitwirkung bei der Feststellung ihrer Prozessfähigkeit aufgefordert wurde. Dies ist unterblieben. Aus einer solchen Situation kann allerdings keine verfahrensübergreifende Wirkung erwachsen. Es wäre an der Beklagten gewesen, für den vorliegenden Rechtsstreit konkret die Anhaltspunkte aufzuführen, warum die Klägerin in diesem Rechtsstreit prozessunfähig sein müsste. Die Beklagte nimmt zum einen Bezug auf von ihr ermittelte Stereotypen der Klägerin und auf Äußerungen der Klägerin, die sich gegen die Beklagte richten. Allein daraus kann aber in vorliegenden Fall keine Prozessunfähigkeit angenommen werden. Ob nämlich die von der Beklagten wiederholt auftretenden Verfahrenshandlungen der Klägerin rechtmäßig sind oder nicht, hat ein Gericht jeweils in der konkreten Verfahrenssituation unter Beachtung der zivilprozessualen Regeln zu ermitteln und festzustellen. Dies ist nachfolgend in diesem Rechtsstreit geschehen. Tatsachenvortrag der Parteien stehen immer unter dem Vorbehalt der Wahrnehmung berechtigter Interessen. Sollte die Klägerin diese Grenzen überschritten haben, so hätte die Beklagte andere Möglichkeiten der Gegenwehr ergreifen müssen. Des Weiteren kommt es auf der Grundlage des von beiden Parteien abgeleisteten Tatsachenvortrags auf die von der Beklagten in Bezug genommenen Äußerungen der Klägerin für den Ausgang des Rechtsstreits nicht an. Das erkennende Gericht kann deswegen wegen der fehlenden verfahrensübergreifenden Wirkung und der in diesem Rechtsstreit vorgenommenen Verfahrenshandlungen nicht von einer Prozessunfähigkeit der Klägerin bezogen auf diesen Rechtsstreit ausgehen.

Das Entschädigungsverlangen der Klägerin ist auch nicht im Einwand des Rechtsmissbrauchs im Sinne des § 242 BGB ausgesetzt, mit der Folge, dass der geltend gemachte Anspruch nicht bestehen würde.

Rechtsmissbrauch im vorliegenden Zusammenhang durch die Klägerin wäre dann anzunehmen, sofern sie sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung/- oder Schadensersatz geltend zu machen (BAG v. 11.08.2016 - 8 AZR 406/16 -; BAG v. 19.05.2016 - 8 AZR 470/14; BAG v. 26.01.2017 - 8 AZR 848/13 -). Dabei führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten der hierdurch erlangten Rechtstellung zum Einwand des Rechtsmißbrauchs. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB vor.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen die den rechtshindernden Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (BAG v. 18.06.2015 - 8 AZR 848/13 -; BAG v. 23.08.2012 - 8 AZR 285/11 -; BAG v. 13.10.2011 - 8 AZR 608/10 -; BAG v. 26.01.2017 - vorzitiert -). Unter diesen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken (EUGH v. 28.07.2016 - C 423/15 -).

Die Stelle der Beklagten war ausgeschrieben, die Klägerin hat sich darauf beworben. Die Klägerin ist zurzeit arbeitssuchend. Sie hat eine spezifische berufliche Qualifikation und deshalb sich auf eine hierzu passende Stelle beworben. Es ging eben um die Stelle einer Softwareentwicklerin. Die Klägerin hat hierzu die Ausbildung und die formalen Qualifikationen. Auch wenn, wie die Beklagte ausführt, die Klägerin sich seit längerer Zeit auf mehrere Stellen beworben hat, im Anschluss hieran auch Entschädigungsansprüche geltend gemacht hat, so ist nach der vorzitierten Rechtsprechung allein hieraus nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs zu entnehmen. Es ist nämlich sowohl ein objektives und ein subjektives Element für die Annahme des Rechtsmissbrauchs zu fordern. Dies ergibt sich aus der vorzitierten Rechtsprechung. Die Beklagte hat weder objektive Gesichtspunkte noch subjektive Gesichtspunkte im Einzelnen konkret auf die hier vorzunehmende Stellenbesetzung dargelegt, als das die Berufungskammer diesem Einwand und der hierzu erforderlichen Bewertungen hätten nachgehen können. Auch dieser Einwand bringt den Anspruch der Klägerin nicht zu Fall.

Bei der Bemessung der Höhe der Entschädigungsleistung ist die Kammer nach § 15 Abs. 2 AGG und die dort genannten Kriterien vorgegangen. Da die Klägerin insoweit Berufung eingelegt hat, als es um die Höhe der ausgeurteilten Entschädigung gegangen ist, sind die entsprechenden Entscheidungsbegründungen im Hinblick auf die Berufung der Klägerin vorzunehmen.

Erweist sich die Berufung der Beklagten als unbegründet, so ist sie zurückzuweisen mit der Kostenfolge des § 97 ZPO.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und teilweise begründet.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main - 23 Ca 800/16 - vom 29.06.2016 ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG). Die Berufung ist unter Berücksichtigung der jeweils gestellten Wiedereinsetzungsanträge auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm § 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Klägerin mit Beschluss vom 09.01.2017 Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Erst danach konnte die Klägerin in der Berufungsinstanz wirksam unter Berücksichtigung der geforderten Postulationsfähigkeit Prozesshandlungen durch einen Rechtsanwalt vornehmen. Dabei ist es zu folgendem Ablauf gekommen:

Mit Schriftsatz vom 07.02.2017, beim Hessischen Landesarbeitsgericht am 09.02.2017 eingegangen, hat die Klägerin die Frist zur Begründung der Berufung der Klägerin vom 17.01.2017 um einen Monat zu verlängern, beantragt. Zuvor hatte die Klägerin mit Schriftsatz vom 17.01.2017, eingegangen beim Hessischen Landesarbeitsgericht am 17.01.2017, Berufung eingelegt und beantragt, der Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.

Aus diesem Zusammenhang geht hervor, dass der Klägerin gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand sowohl bezogen auf die Einhaltung der Berufungsfrist als auch auf die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren ist, § 46 Abs.2 ArbGG iVm. § 233 ZPO, § 234 ZPO, § 236 ZPO und § 238 ZPO.

Nach Mitteilung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe bei der Klägerin am 09.01.2017, hat die Klägerin unter dem 17.01.2017 Berufung eingelegt und wegen der Versäumung der Berufungsfrist beantragt, Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Dies ist vor dem Hintergrund der vorzitierten Vorschriften rechtzeitig. Das Hindernis für die Klägerin ist mit der Mitteilung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe am 09.01.2017 weggefallen, die Prozesshandlung ist innerhalb von 2 Wochen vorgenommen worden, gleichfalls ist die Widereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt worden. Die Klägerin war bis zu diesem Zeitpunkt ohne ihr Verschulden daran gehindert, das Rechtsmittel der Berufung einzulegen. Deswegen ist unter diesem Gesichtspunkt die von der Klägerin eingelegt Berufung zulässig.

Auch die Berufungsbegründungsfrist ist rechtzeitig verlängert und von der Klägerin eingehalten worden. Vorliegend hat nämlich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erst unter dem 09.01.2017 erfahren, dass er für die Klägerin das Berufungsverfahren führen soll. Wenn dann die Klägerin mit Datum vom 07.02.2017, eingegangen beim Hessischen Landesarbeitsgericht am 09.02.2017, beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung der Klägerin um einen Monat zu verlängern so ist das vor den Hintergrund des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO und § 234 Abs. 1 ZPO rechtzeitig. Nach § 234 Abs. 1 ZPO ist es so, dass die Frist zur Wiedereinsetzung und zur Rechtsmittelbegründung einen Monat beträgt, wenn die Frist zur Begründung der Berufung unverschuldet nicht eingehalten wurde. Zwar hat die Klägerin die Berufungsbegründung nicht unter dem 09.02.2017 abgeliefert, aber jedenfalls rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gestellt. Zum damaligen Zeitpunkt waren ihr weder der Beschluss über die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bezogen auf die Berufungsfrist noch sonstige Gesichtspunkte mitgeteilt, die gegen eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sprechen könnten. Dies muss ausreichen, um im Rahmen des vom § 233 vorgesehenen Fristenregimes zu einer zulässigen Berufung zu gelangen.

Die Berufung der Klägerin ist unter Berücksichtigung ihrer Wiedereinsetzungsanträge zulässig und formgerecht begründet worden.

Die Berufung der Klägerin ist aber nur teilweise begründet.

Die Berufung der Klägerin bezieht sich ausschließlich auf die Höhe der ausgeurteilten Entschädigung. Das Arbeitsgericht Frankfurt hat bei seiner Entscheidung 1 Bruttomonatsgehalt als Entschädigungshöhe festgesetzt. Das Berufungsgericht hingegen setzt 2 Bruttomonatsgehälter für die ausgeschriebene Stelle als Höhe der Entschädigung an.

Bei der Bemessung der Höhe der Entschädigungsleistung ist die Kammer nach folgenden Kriterien vorgegangen:

Auch bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sind alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und er Beweggrund des Handelns und des Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen (BAG v. 26.01.2017 - 8 AZR 848/13 -). Danach muss die Entschädigung einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten. Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (EUGH v. 25.04.2013 - C 81/12 -; BAG v. 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 -; BAG v. 26.01.2017 - 8 AZR 848/13 -).

Die Klägerin ist zumindest mittelbar diskriminiert worden, § 3 Abs. 2 AGG. Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei auch wegen ihrer Sprachkenntnisse benachteiligt worden, so läge auch hierin eine Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft, hat die Beklagte aber in diesem Zusammenhang von der Klägerin unwidersprochen geblieben ausgeführt, dass die Sprachkenntnisse der Klägerin für die ausgeschriebene Stelle ausreichend gewesen wären. Des Weiteren sprechen viele Umstände dafür, dass die Klägerin als Softwareentwicklerin sowohl die deutsche, aber auch die englische Sprache anzuwenden gehabt hätte. Jedenfalls ist es nach dem von der Klägerin nicht bestrittenen Sachverhalt so, dass die Beklagte an diese Sprachkenntnisse keine nachteiligen Wirkungen geknüpft hat. Soweit die Klägerin darauf abhebt, dass sie wegen ihres Alters diskriminiert worden sein könnte, so hat auch die Beklagte hierzu ausgeführt, dass die Angabe des Alters schon nach dem zu verwendenden Bewerbungsformular nicht notwendig gewesen ist. Des Weiteren hätte die Beklagte auch nur in einem bestimmten Zusammenhang bei der Besetzung bestimmter Berufsgruppen auf das Alter achten müssen. Bei den von der Klägerin in Bezug genommenen Stellen, sei eine altersmäßige Angabe nicht notwendig gewesen. Des Weiteren hat die Klägerin auch keine weiteren Umstände dargelegt, warum sie im Verhältnis zu anderen Bewerberinnen und Bewerber wegen ihres Alters unterschädlich behandelt worden sein könnte. Der Kammer liegen insoweit Indizien nach § 22 AGG nicht vor.

Entscheidend ist deshalb, ob die Klägerin auf der Grundlage der mittelbaren Diskriminierung der ethnischen Herkunft der von ihr geltend gemachten 4 Bruttomonatsgehälter beanspruchen kann. Die Kammer hingegen kommt zu einer Entschädigungsleistung in Höhe von 2 Bruttomonatsgehältern. Im Hinblick auf die Dauer und Folgen der Benachteiligung und im Hinblick auf den Anlass und den Beweggrund des Handelns der Beklagten können unter objektiven Gesichtspunkten keine nachhaltigen Sanktionswirkungen abgeleitet werden. Was aber zur Sanktion unter präventiven Gesichtspunkten führen muss, ist, dass die Beklagte es selbst gewesen ist, die Anerkennung der formalen Qualifikationen der Klägerin nicht nur in Zweifel zu ziehen, sondern in Abrede zu stellen. Auch wenn die Beklagte immer den Bezug zur Stellenbesetzung gehabt haben mag, Bewerber mit einer bestimmten ethnischen Herkunft sind darauf angewiesen, dass im Bewerbungsverfahren solcher Art Gleichstellungen nicht in Zweifel gezogen werden können, mit der Folge, dass das Fehlen formaler Qualifikationen zu einem Ausscheiden aus dem engeren Bewerberkreis führen könnte. Hierin ist aber die Veranlassung zur Diskriminierung und Entschädigungszahlung zu sehen. Dies rechtfertigt nach den Überlegungen der Kammer eine präventive und nachhaltige Sanktionierung durch 2 Bruttomonatsgehälter im Hinblick auf die ausgeschriebene Stelle. Eine abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber ist dadurch gewährleistet, zugleich ist aber dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen.

Der weitere, von der Klägerin ins Spiel gebrachte Gedanken der doppelten Stellenbesetzung und damit einhergehend mit einer doppelten Diskriminierung kann vorliegend nicht zu einer weiteren Erhöhung der Entschädigungszahlung führen. Die Klägerin hat ein Bewerbungsformular an die Beklagte geschickt. Die Klägerin hat bezogen auf ein Bewerbungsverfahren ihre Bewerbungsunterlagen, insbesondere die Gleichwertigkeitstestate an die Beklagte übersandt. Die Beklagte hat einmal abgesagt. Die Beklagte hat auch einmal die Qualifikation der Klägerin angezweifelt. Deswegen kann nicht von einer Verdoppelung des Diskriminierungstatbestands und einer Verdoppelung der Sanktion ausgegangen werden.

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in den §§ 97 und 92 ZPO, da beide Parteien teilweise in der Rechtsmittelinstanz unterliegen sind.

Eine gesetzlich begründete Veranlassung zur Zulassung der Revision besteht hinsichtlich keiner der Parteien.