LG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.08.2019 - 2-04 O 214/18
Fundstelle
openJur 2020, 44388
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin € 23.855,93 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.09.2018 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an den in der "Baumurkunde vom 02.09.2013 zur Vertragsnummer ....." bezeichneten Bäumen;

2. an die Klägerin € 29.103,12 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.09.2018 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an den in der "Baumurkunde vom 17.10.2013 zur Vertragsnummer ....." bezeichneten Bäumen;

3. an die Klägerin € 21.560,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.09.2018 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums an den in der "Baumurkunde vom 24.06.2014 zur Vertragsnummer ....." bezeichneten Bäumen.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von ihr aufgrund mehrerer "Baumkaufverträge" geleisteter Zahlungen nach Widerruf bzw. Anfechtung der Verträge sowie aufgrund von Schadensersatz wegen Verletzung der Pflichten eines vorgeblichen Beratungsvertrags.

Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz in Zürich. Anhand der im Internet zum Download zur Verfügung gestellten Informationsbroschüre "Das grüne Gold" (Anlage K1, Bl. 18 ff. d. A.), auf die vollumfänglich Bezug genommen wird, bietet sie Interessenten Bäume verschiedener Baumarten auf Plantagen in Brasilien als Investment zum Kauf an: "Nach Abzug der Bewirtschaftungskosten werde eine Netto-Rendite von mindestens 6 % pro Jahr (IRR) erzielt - mehr als bei vielen Finanzprodukten" (Anlage K1, Bl. 33 d. A.).

Im Jahr 2013 entschloss sich die Klägerin, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, zu einem Investment durch den Kauf von Bäumen von der Beklagten. Die Beklagte übersandte der Klägerin auf deren Anforderung das Schreiben vom 27.08.2013 (Anlage K2, Bl. 47 d. A.), eine "Vertragsbestätigung Holzinvestment vom 27.08.2013" zur Vertragsnummer ..... bezüglich des Kaufs von 316 Teakbäumen (Anlage K3, Bl. 48 f. d. A.), die "Rechnung vom 27.08.2013" (Anlage K4, Bl. 50 d. A.) in Höhe von 24.342,79 Euro bzw. von 23.855,93 Euro abzüglich 2 % Skonto, sowie einen "Rahmenvertrag Holzinvestment vom 27.08.2013" (Anlage K6, Bl. 53 ff. d. A.). Zudem wurde zu Gunsten der Beklagten eine Servicegebühr in Höhe von 6 % des Bruttoerlöses vereinbart. Die Klägerin überwies am 29.08.2013 einen Betrag von 23.855,93 Euro an die Beklagte.

Gemäß Ziffer 2 der "Vertragsbestätigung Holzinvestment vom 27.08.2013" "schließt der Käufer einen Servicevertrag bei der ...". Gemäß Ziffer 3 "bildet der vorliegende Kauf- und Servicevertrag als Einzelvertrag einen integralen Bestandteil zum Rahmenvertrag Holzinvestment".

Gemäß Ziffer 11.1 ("Mit Servicevertrag") des "Rahmenvertrags Holzinvestment vom 27.08.2013" "erteilt der Käufer ... mit Abschluss eines Servicevertrags den Auftrag, die gekauften Bäume gemäß Plantagen-Management und unter Berücksichtigung der internationalen Standards über die nachhaltige Plantagenwirtschaft zu bewirtschaften, zu verwalten, zu pflegen, zu ernten, zu verkaufen und den Netto-Holzerlös aus dem Verkauf dem Käufer auf sein angegebenes Konto zu zahlen. ... übernimmt zudem sämtliche Verpflichtungen aus der Landpacht."

Gemäß Ziffer 11.8 "sind die geplanten Ausforstungsjahre und das Jahr der Schlussernte im Einzelvertrag und in der Baumurkunde spezifiziert. Abweichungen sind möglich, wenn diese der Holzqualität und/oder der Holzquantität förderlich sind." Gemäß Ziffer 11.9 "entscheidet ... im Auftrag des Käufers unter Berücksichtigung des Plantagen-Managements, welche Bäume in welchem Jahr geerntet werden."

Gemäß Ziffer 11.13 "wird die Servicegebühr bei jeder Ernte fällig und beträgt einen im Einzelvertrag definierten Prozentsatz vom jeweiligen Brutto-Holzerlös. (...)"

Gemäß Ziffer 24.1 "unterstehen der Rahmenvertrag und jeder Einzelvertrag materiellem Schweizer Recht, unter Ausschluss (i) internationaler Übereinkommen, auch dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge für den internationalen Warenverkauf vom 11.04.1980 (CISG) und (ii) der kollisionsrechtlichen Normen. (...)"

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vertragsurkunden Bezug genommen.

Die Beklagte übersendete der Klägerin daraufhin die "Baumurkunde vom 02.09.2013 zur Vertragsnummer ....." (Anlage K5, Bl. 51 f. d. A.) und bescheinigte der Klägerin hierin das Eigentum an den dort bezeichneten Bäumen.

Kurze Zeit später erwarb die Klägerin von der Beklagten nach Maßgabe der "Vertragsbestätigung vom 11.10.2013" zur Vertragsnummer ..... (Anlage K8, Bl. 58 f. d. A.) weitere 1.110 Eukalyptusbäume sowie 225 Teakbäume zu einem Preis von 31.420,95 Euro, wobei die Klägerin der Beklagten am 14.10.2013 abzüglich 2 % Skonto 30.792,53 Euro überwies. Zudem wurde zu Gunsten der Beklagten bei Abschluss eines Servicevertrags eine Servicegebühr in Höhe von 6 % des Bruttoerlöses vereinbart.

Die Beklagte übersendete der Klägerin daraufhin die "Baumurkunde vom 17.10.2013 zur Vertragsnummer ....." (Anlage K10, Bl. 61 f. d. A.) und bescheinigte der Klägerin hierin das Eigentum an den dort bezeichneten Bäumen.

Die Klägerin und die Beklagte vereinbarten zudem den Kauf von 1.240 Balsabäumen zu einem Kaufpreis von 22.000,00 Euro gemäß "Vertragsbestätigung vom 27.05.2014" zur Vertragsnummer ..... (Anlage K12, Bl. 64 f. d. A.). Bei Abschluss eines Servicevertrags betrug die Servicegebühr 0 % des Bruttoerlöses. Die Klägerin zahlte sodann an die Beklagte (abzüglich eines Skontos von 2%) einen Betrag von 21.560,00 Euro.

Die Beklagte übersendete der Klägerin daraufhin die "Baumurkunde vom 24.06.2014 zur Vertragsnummer ....." (Anlage K14, Bl. 67 f. d. A.) und bescheinigte der Klägerin hierin das Eigentum an den dort bezeichneten Bäumen.

Im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss wurde die Klägerin von der Beklagten nicht über etwaige Widerrufsrechte belehrt.

Die Parteien standen im Folgenden im Hinblick auf die Durchführung der in den obigen Verträgen vereinbarten "Ausforstungen" und der aus dem folgenden Vermarktungsprozess zu erwartenden Erlöse des Investments in Kontakt. Die Klägerin erlangte von der Beklagten aufgrund dieser Verträge zunächst keine Zahlungen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.05.2018 (Anlage K25, Bl. 86 ff. d. A.) ließ die Klägerin gegenüber der Beklagte die Anfechtung sämtlicher mit der Beklagten abgeschlossenen Kauf- und Rahmenverträge sowie den "Widerruf der Willenserklärungen, die zum Abschluss der o. g. Kaufverträge geführt haben, gemäß §§355, 356, 312b, 312c ff. BGB" erklären. Zugleich wurde die Beklagte zur Zahlung von € 76.248,46 bis zum 25.05.2018 aufgefordert.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie nach Maßgabe des anzuwendenden deutschen materiellen Rechts zum Widerruf der Verträge als Fernabsatzverträge berechtigt sei, da sie nicht ordnungsgemäß über die Möglichkeit eines Widerrufs aufgeklärt worden sei. Auch sei die Widerrufsfrist nach Art. 229 § 32 Abs. 2, Abs. 4 S. 1 EGBGB noch nicht abgelaufen, da die Verträge solche über Finanzdienstleistungen darstellten. Der Begriff umfasse nicht nur Finanzinstrumente, sondern grundsätzlich jede Form einer Geldanlage wie das hier streitgegenständliche "Direktinvestment". So zählten hierzu etwa auch Anteile an geschlossenen oder offenen Immobilienfonds. Überdies habe die Beklagte ihr Konzept - etwa in Anlage K1 - selbst als Investition und Anlage beworben. Diese Auslegung werde auch durch § 1 Abs. 2 Nr. 7 VermAnlG gestützt.

Sie ist weiter der Ansicht, dass sie die mit der Beklagten geschlossenen Verträge wirksam angefochten habe. Sie behauptet hierzu, die Beklagte habe sie in mehrfacher Hinsicht arglistig getäuscht. Ihr sei mittels der Vertrags- und Prospektunterlagen vorgespiegelt worden, dass sie Eigentümer der von ihr gekauften Bäume werden würde. Tatsächlich habe sie zu keinem Zeitpunkt ein rechtlich wirksames Eigentum an irgendwelchen Bäumen erworben. Die Bäume seien nie hinreichend genau bezeichnet worden. Dies gelte auch mit Blick auf die Baumurkunden. Eine Markierung der Bäume mit Baumnummern sei nicht erfolgt. Die Bäume stünden im Eigentum des Grundstückseigentümers.

Die Klägerin sei zudem über die angebliche Sicherheit, Rentabilität und Laufzeit des hochspekulativen Baumkaufes getäuscht worden. Die Angaben zu Wachstumsdauer, den zu erwartenden "Holzerlösen" und den zu erzielenden Renditen, insbesondere unter Berücksichtigung der "Servicegebühr", seien nicht plausibel.

Die Beklagte und deren Geschäftsführer, ..., hätten sie auch insoweit arglistig getäuscht als ihr bei Vertragsschluss dessen Beteiligung an der Schädigung einer Vielzahl von Anlegern in Millionenhöhe mit dem ähnlichen Geschäftsmodell "..." im Jahr 2006 verschwiegen worden sei. Die Aufklärungspflicht der Beklagten folge auch aus einem mit der Klägerin geschlossenen Beratungsvertrag.

Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei ihr zum Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten verpflichtet.

Die Klägerin hat die Klage nach Zahlung der Beklagten von € 1.689,41 am 20.11.2018 in Bezug auf den Klageantrag zu I. 2. teilweise für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dieser teilweisen Erledigungserklärung angeschlossen.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte der Klägerin aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Kauf- und Rahmenvertrag Nr. ..... an die Klägerin € 23.895,93 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte der Klägerin aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Kauf- und Rahmenvertrag Nr. ..... an die Klägerin € 29.103,12 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte der Klägerin aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Kauf- und Rahmenvertrag Nr. ..... an die Klägerin € 21.560,- nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

II. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in Ziff. I genannten Abtretungen sämtlicher Rechte der Klägerin aus den Kauf- und Rahmenverträgen mit der Beklagten Nr. ..., ... und ... in (Annahme)Verzug befindet;

III. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere € 2.085,95 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit für vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Parteien wirksam die Anwendung des schweizerischen Rechts vereinbart hätten.

Auch unter Anwendung deutschen Rechts sei die Klägerin zum Widerruf der geschlossenen Kaufverträge nicht berechtigt. Ein eventuelles Widerrufsrecht wäre nach Art. 229 § 32 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB jedenfalls spätestens am 27.06.2015 erloschen, da beim Erwerb individualisierter und nummerierter Bäume nebst korrespondierender Verträge keine Finanzdienstleistungen im Sinne von § 356 Abs. 3 S. 3 vorlägen. Hierfür spreche auch die Entstehungsgeschichte der Norm auf der Grundlage der "Finanzfernabsatzrichtlinie vom 23.09.2002" (RL 2002/65/EG). Betroffen seien hiernach stets nur die Dienstleistungen von Investmentunternehmen. Soweit "Geldanlagen" umfasst seien, meine dies ausschließlich Finanzinstrumente. Die Klägerin könne die Bäume jederzeit an Dritte übertragen (Ziff. 5.1 des "Rahmenvertrags") bzw. nach Kündigung des Baumservicevertrags selbst bewirtschaften (Ziff. 4.9).

Die Beklagte behauptet, sie habe die Klägerin in keiner Hinsicht arglistig getäuscht. Die Klägerin sei nach dem insoweit anwendbaren brasilianischen Recht Eigentümerin der Bäume geworden. Die Angaben der Beklagten über Sicherheit und Rentabilität des Baumkaufs seien zutreffend gewesen. Hinsichtlich der früheren Tätigkeit ihres Geschäftsführers als Angestellter der "..." hätten ihr keine Offenbarungspflichten oblegen. Weder seien die Geschäftsmodelle vergleichbar, noch sei Herr ..... strafrechtlich verurteilt worden.

Ein Beratungsvertrag sei mangels intensiver Verhandlungen zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Die auf den Vertragsbestätigungen enthaltenen Prognosen seien keine Berechnungsbeispiele, sondern Renditealternativen ohne individuellen Charakter.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klageschrift vom 03.07.2018 wurde der Beklagten am 12.09.2018 ("Zustellungszeugnis vom 13.09.2018", Bl. 131 d. A.) zugestellt.

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem tenorierten Maße auch begründet.

I. Die internationale bzw. die örtliche Zuständigkeit des Prozessgerichts folgt jedenfalls aus der rügelosen Einlassung der Beklagten.

I. Die Klage ist in dem tenorierten Maße auch begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Zahlung von € 23.855,93 Zug um Zug gegen Rückübertragung sämtlicher Rechte aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Kauf- und Rahmenvertrag Nr. ....., von weiteren € 29.103,12 Zug um Zug gegen Rückübertragung sämtlicher Rechte der Klägerin aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Kauf- und Rahmenvertrag Nr. ..... sowie von € 21.560,00 Zug um Zug gegen Rückübertragung sämtlicher Rechte der Klägerin aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Kauf- und Rahmenvertrag Nr. ..... gemäß §§ 357 Abs. 1, 355, 356, 312b, 312d BGB i. d. F. bis zum 13.06.2014 i. V. m. §§ 346 Abs. 1, 348 BGB.

a) Auf die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge mit den Vertragsnummern ....., ..... und ..... (Anlagen K3, K8 und K12) einschließlich des jeweils im Zusammenhang geschlossenen Servicevertrags und des Rahmenvertrags (vgl. Anlage K6) ist gemäß Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 VO (EG) 593/2008 (im Folgenden: Rom I-VO) materielles deutsches Recht anwendbar.

Die Rom I-VO ist in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht anwendbar.

Nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO unterliegt ein Vertrag (...), den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann ("Verbraucher"), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt ("Unternehmer"), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer (b) eine - wie in lit. (a) beschriebene - Tätigkeit auf irgendeiner Weise auf diesen Staat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Staates, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.

Hiernach ist deutsches materielles Recht unmittelbar anzuwenden (Art. 20 Rom I-VO). Die streitgegenständlichen Verträge betrafen auf Käuferseite die Klägerin als Verbraucherin und auf Verkäuferseite die Beklagte als Unternehmerin im Sinne der Norm. Die Beklagte hatte dabei ihre gewerbliche Tätigkeit auch auf die Bundesrepublik Deutschland, als Staat des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin, ausgerichtet, indem sie sich durch werbenden Auftritt im Internet, auf dessen Grundlage sich Interessierte die in Anlage K1 (Bl. 18 ff. d. A.) vorliegende Informationsbroschüre "Das grüne Gold" beschaffen konnten, insbesondere auch an deutschsprachige Anleger aus Deutschland wendete. In diesem Zusammenhang kam es zu den streitgegenständlichen Vertragsschlüssen mit der Klägerin.

Die Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO ist dabei auch nicht nach den Ausnahmevorschriften in Art. 6 Abs. 4 lit. a bzw. lit. c Rom I-VO ausgeschlossen. Art. 6 Abs. 4 lit. a Rom I-VO betrifft Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen, wenn die dem Verbraucher geschuldeten Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen als dem Staat erbracht werden müssen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Gemischte Verträge fallen dabei aber nur in den Anwendungsbereich der Ausnahme, wenn der wirtschaftliche Schwerpunkt des Vertrags die Dienstleistung ist (beck-OGK/ Rühl, Stand: 01.07.2019, Art. 6 Rom I-VO, Rn. 121).

Vorliegend handelt es sich um typengemischte Verträge, die sowohl die Übereignung des Eigentums an einer bestimmten Anzahl von Bäumen sowie gemäß Ziffer 11.1 des "Rahmenvertrags Holzinvestment vom 27.08.2013" (Anlage K6) "Bewirtschaftung, Verwaltung, Pflege, Ernte, Verkauf und [Auskehr] des Netto-Holzerlöses" in der in Brasilien betriebenen Plantage umfassen. Jedenfalls nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen kommt dieser "Servicekomponente" jedoch nur eine untergeordnete wirtschaftliche Funktion zu, denn die insoweit anfallende Servicegebühr soll zwischen 0 bis 6 % des Bruttoerlöses betragen. Ob sich dieser Aufwand - wie nahe liegt - tatsächlich bereits in höheren Einkaufspreisen der zu verkaufenden Bäume niederschlägt, kann aber dahinstehen.

Art. 6 Abs. 4 lit. c Rom I-VO betrifft Verträge, die ein dingliches Recht an unbeweglichen Sachen (...) zum Gegenstand haben (...). Die Ausnahme trägt insoweit dem Umstand Rechnung, dass Verträge über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen regelmäßig eine enge Verbindung zum Belegenheitsort aufweisen (beck-OGK/ Rühl, Stand: 01.07.2019, Art. 6 Rom I-VO, Rn. 138). Eine solche enge Verbindung zum Belegenheitsort der Bäume in Brasilien weisen die streitgegenständlichen Verträge aber gerade nicht auf. Denn unter Beachtung des "Servicevertrags" hat die Käuferin zu den Kaufgegenständen grundsätzlich keine Kontaktpunkte. Soweit das Vertragsstatut vielmehr die Beziehungen einer Verbraucherin mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und einem schweizerischen Unternehmen betrifft, liegt der Schwerpunkt der Vertragsabwicklung eben nicht in Brasilien. Nach dem Zweck der Vorschrift ist die Rückausnahme nicht anzuwenden.

Auch die in Ziffer 24.1 des Rahmenvertrags getroffene Klausel zur Wahl schweizerischen Rechts (unter Ausschluss der CISG bzw. der schweizerischen Kollisionsnormen) führt nicht zur Abbedingung von dem nach Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO im Hinblick auf das Vertragsstatut anzuwenden deutschen materiellen Recht.

Nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO darf die nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Art. 3 Rom I-VO erfolgte Rechtswahl nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Abs. 1 ansonsten anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. So liegt der Fall auch hier. Denn die Vereinbarung schweizerischen materiellen Rechts unter Ausschluss der dortigen Kollisionsnormen hätte zur Folge, dass die Klägerin der zu ihrem konkreten Schutz bestimmten, verbraucherschützenden Widerrufsrechte nach §§ 312 ff. BGB verlustig ginge. Diese Vorschriften schützen gerade - wie auch Zweck des Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO ist - den Verbraucher als schwächeren Vertragsteil (vgl. MüKoBGB/ Martiny, 7. Aufl., 2018, Art. 6 Rom I-VO, Rn. 55 f.). Bei den Vorschriften zum Widerrufsrecht handelt es sich insoweit auch um zwingendes Recht, das zu Lasten des Verbrauchers grundsätzlich nicht abzubedingen ist.

b) Nach der Maßgabe des deutschen materiellen Rechts konnte die Klägerin ihre im Hinblick auf die streitgegenständlichen Verträge, jeweils zum Vertragsabschluss führende Willenserklärung im Zuge des anwaltlichen Schreibens vom 16.05.2018 (Anlage K25, Bl. 86 ff. d. A.) auch wirksam widerrufen.

Der Klägerin stand gemäß §§ 355, 312b, 312d Abs. 1 S. 1 BGB 312d BGB i. d. F. bis zum 13.06.2014 aufgrund eines Fernabsatzvertrags ein Widerrufsrecht zu.

Anwendbar waren insoweit auf die auch nach Maßgabe der §§ 13, 14 BGB als Verbraucherverträge einzuordnenden streitgegenständlichen Verträge nach Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 13.06.2014 geltenden Fassung.

Hiernach lag ein Fernabsatzvertrag im Sinne von § 312b BGB a. F. vor, da der Vertragsschluss zwischen den Parteien unstreitig und ohne, dass es auf die Einzelheiten des jeweiligen Vertragsschlusses ankäme, unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln im Sinne von § 312b Abs. 2 BGB a. F. erfolgte.

Die Klägerin hat die streitgegenständlichen Verträge mit dem anwaltlichen Schreiben vom 16.05.2018 auch fristgerecht widerrufen. Der Ablauf der Widerrufsfrist hatte vorliegend nicht begonnen, da die Beklagte die Klägerin im Zusammenhang mit keinem der streitgegenständlichen Verträge über ihr Widerrufsrecht in der erforderlichen Form belehrt hatte (§§ 355 Abs. 3 S. 1, 360 Abs. 1 BGB a. F.). Zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung war das Widerrufsrecht auch nicht nach § 355 Abs. 4 S. 1 BGB erloschen, da eine Belehrung der Klägerin in Textform nie erfolgt war (§ 355 Abs. 4 S. 3 BGB a. F.).

Ferner ist das Widerrufsrecht der Klägerin auch nicht nach Art. 229 § 32 Abs. 2 EGBGB mit Ablauf des 27.06.2015 erloschen. Denn nach Art. 229 § 32 Abs. 4 S. 1 EGBGB ist diese Vorschrift nicht anwendbar auf Verträge über Finanzdienstleistungen mit der Folge, dass die Klägerin den Widerruf noch am 16.05.2018 gegenüber der Beklagten erklären konnte.

Die streitgegenständlichen Verträge stellen solche über Finanzdienstleistungen in diesem Sinne dar. Nach der heranzuziehenden Definition des § 312b Abs. 1 S. 2 BGB a. F. sind Finanzdienstleistungen "Bankdienstleistungen sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung".

Die streitgegenständliche Vereinbarung des Kaufs verschiedener Bäume auf brasilianischen Plantagen ist dabei als "Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Geldanlage" in diesem Sinne anzusehen. Soweit der auf Art. 2 lit. b der FinFARL (RL 2002/65/EG vom 23.09.2002) zurückgehende Begriff, nach einer Ansicht in der Literatur eng auszulegen und ausschließlich im Hinblick auf Finanzinstrumente wie insbesondere Wertpapiere anzuwenden sein soll (vgl. hierzu und zur Entstehung MüKoBGB/ Wendehorst, 6. Aufl., 2012, BGB § 312b Rn. 12 f., 25 f.) überzeugt dies vorliegend nicht. Denn einerseits hat die Beklagte selbst den "Baumkauf" in Verbindung mit Serviceverträgen, die jedoch nicht zwangsläufig ebenfalls abgeschlossen werden müssen bzw. separat kündbar seien, als "Investitionsmöglichkeit" für "Privatanleger" (vgl. Anlage K1, Bl. 31 d. A.) beworben und die Investitionsdauer zwischen 5 und 20 Jahren bezeichnet (Anlage K1, Bl. 20 d. A.). Insofern spricht die vom Wortlaut nach dem allgemeinen Wortverständnis ausgehende Auslegung für eine Einbeziehung der streitgegenständlichen Verträge unter den Begriff der "Geldanlage". Darüber hinaus ähnelt der "Baumkauf mit Servicevertrag" in wirtschaftlicher Betrachtung auch eher der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds als dem Kauf eines individuell gehaltenen Vermögensgegenstands wie einer Immobilie, auch für den Fall, dass diese - wie hier - durch Dritte verwaltet wird (vgl. insofern MüKoBGB/ Wendehorst, a. a. O.). Denn selbst bei wirksamer Übertragung des Eigentums an hinreichend bestimmten Bäumen der Plantage sind diese tatsächlich dem Wirtschaftsverkehr mangels eines Marktes zum Weiterverkauf entzogen und der Käufer - auch im Hinblick auf die Entfernung zur Plantage und den doch relativ geringen Wert des Investments - nicht in der Lage die Bewirtschaftung und spätere Vermarktung "seiner" Bäume selbst sicherzustellen. Vielmehr stellt sich der Baumkauf als langjährig bindende Investition in Rohstoffe (so auch die Beklagte in Anlage K1, Bl. 20 d. A.) dar. Eine Investition in Rohstoffe, die vom Anleger nicht anders als durch eine Vermarktung mittels eines Dritten zum Ende der von dem Dritten bestimmten Anlagezeit verwertbar ist, stellt insofern auch eine Geldanlage im obigen Sinne dar.

c) Nach Ausübung des Widerrufsrechts ist die Beklagte gemäß § 357 Abs. 1 a. F. i. V. m. §§ 346 Abs. 1, 348 BGB der Klägerin zur Rückzahlung der im Hinblick auf die streitgegenständlichen Verträge empfangenen Zahlungen jeweils Zug um Zug gegen Rückübertragung der der Klägerin erwachsenen Rechte, also der Rückübereignung des Eigentums an den in den jeweiligen Baumurkunden (Anlagen K5, Bl. 51 f. d. A., K10, Bl. 61 f. d. A., und K14, Bl. 67 f. d. A.) anhand der Baumnummern bezeichneten Bäume, verpflichtet.

Insoweit die Klägerin in den Anträgen zu Ziffer I die Zahlung Zug um Zug gegen "Abtretung sämtlicher Rechte der Klägerin aus dem jeweiligen mit der Beklagten abgeschlossenen Kauf- und Rahmenvertrag" begehrt, waren die Anträge der Auslegung zugänglich. Vertragsgegenstand ist hiernach die Übertragung des Eigentums an den in den Baumurkunden spezifizierten Bäumen. Das übertragene Eigentum wäre auch zurückzugewähren.

Die Klägerin hat sich auf ihren Zahlungsanspruch zudem die am 20.11.2018 auf den Vertrag Nr. ..... erfolgte Zahlung der Beklagten in Höhe von € 1.689,41 anrechnen zu lassen.

2. Der Zinsanspruch folgt jeweils aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Klage ist am 12.09.2018 ("Zustellungszeugnis vom 13.09.2018", Bl. 131 d. A.) rechtshängig geworden.

3. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

a) Insoweit im Klageantrag zu I. 1. die Zahlung von € 23.895,93 begehrt wird, war die Klage in Höhe von € 40,00 abzuweisen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte im Hinblick auf den Vertrag zur Vertragsnummer ..... keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrags, der den von ihr gezahlten Preis in Höhe von € 23.855,93 übersteigt.

b) Die Klage ist auch im Hinblick auf den Feststellungsantrag unter Ziffer II. der Anträge unbegründet. Die Klägerin trägt nicht vor, wann sie der Beklagten die Rückübertragung der aufgrund der streitgegenständlichen Verträge an sie - nach Vortrag der Beklagten - übereigneten Bäume in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hätte (§§ 293, 294 BGB). Ein solches Angebot ergibt sich weder aus dem anwaltlichen Schreiben vom 16.05.2018 (Anlage K25, Bl. 86 ff. d. A.) noch aus den klägerischen Schriftsätzen. Es bedurfte insoweit auch keines Hinweises nach § 139 Abs. 2 ZPO, da es zunächst der Partei obliegt überhaupt zu den geltend gemachten Ansprüchen vorzutragen.

c) Die Klägerin hat darüber hinaus gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 2.085,95 in Form einer 1,3 Geschäftsgebühr gem. §§ 13, 14 RVG i. V. m. Nr. 2300 VV RVG zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer. Soweit die Rechtsanwaltsgebühren spätestens mit dem anwaltlichen Schreiben vom 16.05.2018 (Anlage K25, Bl. 86 ff. d. A.) angefallen sind, befand sich die Beklagte seinerzeit weder in Verzug, noch kann sich die Klägerin auf einen anderen rechtlichen Gesichtspunkt stützen. Insbesondere sind die tatsächlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach Verletzung der Pflichten aus einem vorgeblichen Beratungsvertrag nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, da die Klägerin zu den konkreten Umständen die zum Abschluss der streitgegenständlichen Verträge mit der Beklagten geführt haben keinen hinreichenden Vortrag hält.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung der Klägerin im Hinblick auf den Klageantrag zu I. 1. war geringfügig. Die Klageanträge zu II. (Feststellungsantrag; vgl. Zöller/ Herget, 32. Aufl., 2018, § 3, Rn. 16 "Annahmeverzug" m. w. N. auf die Rspr.) und zu III. waren insofern nicht relevant.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit nach Zahlung der Beklagten von € 1.689,41 am 20.11.2018 teilweise bezüglich des Klageantrags zu II. 2. in dieser Höhe übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat die Beklagte insoweit anfallende Kosten gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO zu tragen, da die Klage insoweit ursprünglich zulässig und begründet war. Nach den obigen Ausführungen hätte die Beklagte der Klägerin diesen Betrag nach Widerruf der zum Vertragsschluss führenden Willenserklärung ohnehin zurückzahlen müssen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

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