SG Gießen, Urteil vom 12.04.2019 - S 1 U 99/15
Fundstelle
openJur 2020, 44123
  • Rkr:
Tenor

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Der Streitwert wird auf 88.000,00 EUR festgesetzt.

3) Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten wegen der Veranlagung des klägerischen Unternehmens aufgrund des zum 01.01.2013 in Kraft getretenen 4. Gefahrtarifs der Beklagten.

Die Klägerin betreibt als eingetragener Verein mit Sitz in A-Stadt verschiedene Einrichtungen für behinderte Menschen. Dazu gehören neben mehreren Werkstätten für behinderte Menschen auch Wohneinrichtungen sowie ein integrativer Kindergarten und eine interdisziplinäre Frühförderstelle. Insgesamt ist das Unternehmen seit dem Jahr 1968 in das Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen und wird dort jeweils nach den geltenden Gefahrtarifen veranlagt. Mit Einführung des sogenannten ersten Gefahrtarifs der Beklagten zum 01.01.1996 wurde das Unternehmen als sogenanntes Gesamtunternehmen mit mehreren Bestandteilen veranlagt. Als Hauptunternehmen wurden die Werkstätten für Behinderte (heute: behinderte Menschen) angesehen und zu Gefahrklasse 7,10 veranlagt. Als Nebenunternehmen wurde ausschließlich der integrative Kindergarten zur Gefahrklasse 4,30 gesondert veranlagt. Diese Veranlagung wurde auch während der Geltungszeit des 2. und 3. Gefahrtarifs der Beklagten aufrechterhalten.

Zum 01.01.2013 trat der 4. BGW-Gefahrtarif in Kraft. Das klägerische Unternehmen wurde mit Bescheid vom 15.11.2012, zugestellt am 20.11.2012, als Gesamtunternehmen wie folgt veranlagt:

Betriebsteil

Gefahr-tarifstelle

Strukturschlüssel

Bezeichnung

Gefahr-klasse

Hauptunternehmen

17

0840

Werkstätte für behinderte Menschen

9,68

Nebenunternehmen

11

0540

Heime und Wohneinrichtungen

3,50

Nebenunternehmen

12

0600

Tageseinrichtung für Kinder

2,21

Dabei ging die Beklagte von den Angaben der Klägerin aus. Zur Feststellung der tatsächlichen Unternehmensverhältnisse beauftragte die Beklagte ihren Beratungs- und Prüfdienst mit Ermittlungen vor Ort. Dieser suchte die Klägerin am 17.10.2013 auf und führte eine umfassende Prüfung durch. Abschließend kam der Beratungs- und Prüfdienst zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:

·

Die Werkstätten für behinderte Menschen würden den Schwerpunkt des Unternehmens bilden,

·

die Wohneinrichtungen der Klägerin verfolgten keine überwiegend eigenen wirtschaftlichen Zwecke. Im Wesentlichen würden sich die Wohnangebote an die in den Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigte Personen richten,

·

die an die Werkstätten für behinderte Menschen angegliederten Tagesförderstätten würden sich an behinderte Menschen richten, die die Voraussetzungen für eine Beschäftigung in einer Werkstätte nicht erfüllten. Arbeiten von wirtschaftlichem Wert würden nicht verrichten, vielmehr würden tagesstrukturierende Maßnahmen angeboten und durchgeführt,

·

die interdisziplinäre Frühförderstelle würde Förder- und Unterstützungsangebote für Kinder umfassen, die in ihrer Entwicklung auffällig, verzögert oder behindert seien.

Diese Angaben und Feststellungen des Beratungs- und Prüfdienstes hat die Beklagte anhand der eigenen Angaben der Klägerin auf ihrer Website überprüft und sodann mit Veranlagungsbescheid vom 12.12.2013 die ursprüngliche Veranlagung des Unternehmens korrigiert. Ab 01.01.2014 hat sie das klägerische Unternehmen wie folgt veranlagt:

Betriebsteil

Gefahr-tarifstelle

Strukturschlüssel

Bezeichnung

Gefahr-klasse

Hauptunternehmen

17

0840

Werkstätte für behinderte Menschen

9,68

Hilfsunternehmen

17

Geschäfts- und Verwaltungsstellen

9,68

Hilfsunternehmen

17

Heime und Wohneinrichtungen

9,68

Nebenunternehmen

12

0600

Tageseinrichtungen für Kinder

2,21

Nebenunternehmen

14

0640

Tageseinrichtungen für behinderte Menschen

3,93

Zur Begründung führte die Beklagte ergänzend aus, dass sowohl die bisherige gesonderte Veranlagung der Wohneinrichtungen als Nebenunternehmen als auch die Veranlagung der interdisziplinären Frühförderung innerhalb der Tarifstelle 12 als Tageseinrichtung für Kinder unzutreffend seien und die Veranlagung mit Wirkung für die Zukunft nach § 160 Abs. 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) zu ändern seien. Weiterhin führt die Beklagte aus, dass seit Bekanntgabe des Veranlagungsbescheids vom 15.11.2012 noch keine zwei Jahre vergangen seien und somit eine Aufhebung des Veranlagungsbescheids rechtmäßig sei. Mit gleichem Datum korrigierte die Beklagte auch den aufgrund des Veranlagungsbescheids ergangenen Beitragsbescheid für das Jahr 2012 vom 24.04.2013; dies ist Gegenstand des Rechtsstreits mit dem Aktenzeichen S 1 U 80/99.

Gegen beide Bescheide legte die Klägerin rechtzeitig Widerspruch ein, der mit gemeinsamem Widerspruchsbescheid vom 27.05.2015 zurückgewiesen wurde. Bezüglich des Widerspruchs gegen den hier streitgegenständlichen Veranlagungsbescheid führt die Beklagte zusammengefasst aus, dieser entspreche ihrem Gefahrtarif und habe sich erst aufgrund der Ergebnisse ihres Prüfdienstes feststellen lassen. Unbestritten sei, dass die Werkstätten der Klägerin mit ca. 800 von insgesamt 1000 Versicherten den Schwerpunkt des Unternehmens bilden würden. Das klägerische Unternehmen sei auf die berufliche Integration und berufliche Teilhabe ausgerichtet. Dieser Bereich gebe dem Unternehmen der Klägerin sein Gepräge. Damit seien die unselbständigen Nebenunternehmen zur selben Gefahrklasse wie das Hauptunternehmen zu veranlagen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 29.07.2015 beim Sozialgericht Gießen eingegangenen gemeinsamen Klage gegen den Widerspruchsbescheid. Das Sozialgericht hat die Klagen bezüglich der Veranlagung (S 1 U 99/15) und bezüglich der Nachforderung von Beiträgen (S 1 U 80/15) mit Beschluss vom 29. Juli 2015 getrennt.

Die Klägerin führt zur Begründung aus, ihre Klage richte sich in erster Linie gegen die Veranlagung der Heime und Wohneinrichtungen zur selben Gefahrklasse wie die Werkstätten selbst. Zwar sei es richtig, dass der größte Teil der Heimbewohner auch in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sei. Dies sei jedoch kein Automatismus. Die Quote, wie viel Prozent der Heimbewohner auch in den Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigt seien, könne derzeit nicht genannt werden. Es sei jedoch unstreitig, dass dies über 50% der Heimbewohner seien.

Die Klägerin beantragt,

den Veranlagungsbescheid vom 12.12.2013 sowie den diesbezüglichen Verwaltungssatz des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen, über die Veranlagung neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf die ausführlichen Begründungen ihres Bescheids und insbesondere des Widerspruchsbescheids.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Klage- und Verwaltungsakten der Beklagten über das klägerische Unternehmen Bezug genommen, die Gegenstand zuletzt der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2019 gewesen sind.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, sachlich aber unbegründet.

Zu Recht hat die Beklagte das klägerische Unternehmen aufgrund ihres 4. Gefahrtarifvertrages mit Veranlagungsbescheid vom 12.12.2013 neu veranlagt.

In der gesetzlichen Unfallversicherung sind gemäß § 150 SGB VII nur die Unternehmer beitragspflichtig. Die Beiträge der Unternehmer berechnen sich gemäß § 153 Abs. 1 SGB VII nach dem Finanzbedarf der Träger (Umlagesoll), den Arbeitsentgelten der Versicherten und den Gefahrklassen. Rechtsgrundlage für die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte ist § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Danach wird die Klägerin als Mitgliedsunternehmen der Beklagten für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der der Veranlagung zugrunde liegende Gefahrtarif 2005 rechtswidrig ist.

Der Unfallversicherungsträger setzt die Gefahrklassen in einem Gefahrtarif durch seine Vertreterversammlung als autonomes Recht fest (§ 157 Abs. 1 SGB VII, § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Der Gefahrtarif ergeht als autonome Satzung (BSG vom 8.5.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr. 2; BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr. 1, jeweils RdNr. 11 ff.; Spellbrink, SR 2012, 17, 19; ders in BPuVZ 2012, 88, 89; Fenn, Verfassungsfragen der Beitragsgestaltung in der gewerblichen Unfallversicherung, 2006, 132 ff.; ders, NZS 2006, 237; Heldmann, Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung, 2006, 87 ff. mwN; vgl. bereits Papier/Möller, SGb 1998, 337), die öffentlich bekannt zu machen ist (§ 34 Abs. 2 Satz 1 SGB IV). In den Satzungsregelungen sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Der Gefahrtarif ist nach Tarifstellen zu gliedern, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden (§ 157 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Gefahrklassen werden aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten berechnet (§ 157 Abs. 3 SGB VII). Der beschlossene Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren (§ 157 Abs. 5 SGB VII). Er ist vom BVA als Aufsichtsbehörde zu genehmigen (§ 158 Abs. 1 SGB VII).

Bei der Erfüllung der Rechtspflicht, einen Gefahrtarif festzusetzen und Gefahrklassen zu bilden, steht der Vertreterversammlung als Organ der Beklagten ein autonom auszufüllendes Rechtsetzungsrecht zu. Den Unfallversicherungsträgern als ihre Angelegenheiten selbst regelnde öffentlich-rechtliche Körperschaften ist hierbei ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt, soweit sie innerhalb der ihnen erteilten gesetzlichen Ermächtigung autonomes Recht setzen (BSG vom 13.12.1960 - 2 RU 67/58 - BSGE 13, 189 = SozR Nr. 2 zu § 915 RVO; BSG vom 14.12.1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237, 240 = SozR Nr. 1 zu § 730 RVO; BSG vom 29.11.1973 - 8/2 RU 33/70 - SozR Nr. 4 zu § 725 RVO; BSG vom 22.03.1983 - 2 RU 27/81 - BSGE 55, 26, 27 = SozR 2200 § 734 Nr. 3; BSG vom 18.10.1984 - 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr. 10; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 49/84 - SozR 2200 § 734 Nr. 5; BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr. 2; BSG vom 21.08.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; grundlegend gebilligt von BVerfG vom 03.07.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr. 3; zur Satzungsautonomie und der Nichtanwendbarkeit der Kriterien des Art 80 Abs. 1 Satz 2 GG vgl. auch den sog. Facharztbeschluss vom 09.05.1972 - 1 BvR 518/62 - BVerfGE 33, 125, 155 ff.; weiterhin BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 21/02 R - BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr. 1, jeweils RdNr. 12 mwN; "weiter inhaltl. Regelungsspielraum", vgl. auch Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr. 5; Spellbrink, SR 2012, 17, 20 mwN; für das Kassenarztrecht: BSG vom 14.12.2011 - B 6 KA 6/11 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 68 RdNr. 27).

Der Gefahrtarif der Beklagten kann nur inzident, d. h. im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Veranlagungsbescheid überprüft werden (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr. 6 mwN; Ricke in KassKomm, Stand Dezember 2011, § 157 SGB VII RdNr. 5a; ein Verfahren der Normenkontrolle - wie es z. B. § 55a SGG vorsieht - steht für die Prüfung von Gefahrtarifen nicht zur Verfügung). Wie der Senat bereits betont hat, stellen der Veranlagungs- (und auch der Beitragsbescheid) belastende Verwaltungsakte dar, die nur aufgrund einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage erlassen werden dürfen (vgl. BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253, 255; dazu Spellbrink, BPuVZ 2012, 88, 90). Die Rechtmäßigkeit der Bildung anderer als der hier streitigen Gefahrtarifstellen im Gefahrtarif 2005 der Beklagten, denen das klagende Unternehmen nicht zuzuordnen ist oder die es im Rahmen der Klage gegen den Veranlagungsbescheid nicht angefochten hat, hat dabei keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der für das Unternehmen einschlägigen und angegriffenen untergesetzlichen Normen (BSG vom 21.03.2006 - B 2 U 2/05 R - HVBG-INFO 2006, Nr. 7, S. 891; Fenn, NZS 2006, 237). Der Gefahrtarif 2005 ist daher nur bezüglich der hier streitigen Gefahrtarifstelle zu überprüfen.

Prüfungsmaßstab für die zu prüfende Rechtmäßigkeit der Gefahrtarifstelle 17 des 4. BGW-Gefahrtarifs der Beklagten ist, ob das autonom gesetzte Recht mit dem SGB VII, insbesondere mit der Ermächtigungsgrundlage in § 157 SGB VII, sowie mit tragenden Grundsätzen des Unfallversicherungsrechts und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist (vgl. insbesondere zur Tarifstellenbildung: BSG vom 21.08.1991 - 2 RU 54/90 - NZA 1992, 335 = HV-INFO 1991, 2159; BSG vom 18.10.1994 - 2 RU 6/94 - SGb 1995, 253; BSG vom 18.04.2000 - B 2 U 2/99 R - HVBG-INFO 2000, 1816; BSG vom 11.11.2003 - B 2 U 55/02 R - HVBG-INFO 2004, 62; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 33/05 R - BSGE 97, 279 = SozR 4-2700 § 136 Nr. 2; BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105; BSG vom 20.03.2007 - B 2 U 9/06 R - UV-Recht Aktuell 2007, 316; BSG vom 08.05.2007 - B 2 U 14/06 R - BSGE 98, 229 = SozR 4-2700 § 153 Nr. 2; umfassend referiert die Rechtsprechung zur Tarifstellenbildung Burchardt in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Stand März 2008, § 157 RdNr. 17 f.; zuletzt auch Eckhoff, Anreizsysteme bei der Beitragsgestaltung in der gesetzlichen Unfallversicherung, 2010, S 54 ff; ähnlich zu den Anordnungen der Bundesanstalt für Arbeit: BSG vom 20.06.2001 - B 11 AL 10/01 R - BSGE 88, 172, 179; BSG vom 27.06.2012 - B 6 KA 28/11 R - BSGE 111, 114 = SozR 4-2500 § 87 Nr. 26, RdNr. 28; zur Festsetzung der Beitragsbemessungsgrundlagen in der gesetzlichen Krankenversicherung: BSG vom 29.02.2012 - B 12 KR 7/10 R - BSGE 110, 151; vgl. auch BVerfG vom 03.07.2007 - 1 BvR 1696/03 - SozR 4-2700 § 157 Nr. 3). Dagegen steht den Gerichten die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, nicht zu (BSG vom 28.11.2006 - B 2 U 10/05 R - UV-Recht Aktuell 2007, 105). Die Abwägung zwischen mehreren, für die eine oder andere Regelung bei der Ausgestaltung des Gefahrtarifs sprechenden Gesichtspunkte und die Entscheidung hierüber obliegt dem zur autonomen Rechtsetzung berufenen Organ des Unfallversicherungsträgers (vgl. BSG vom 12.12.1985 - 2 RU 40/85 - SozR 2200 § 731 Nr. 2; BSG vom 24.01.1991 - 2 RU 62/89 - BSGE 68, 111 = SozR 3-2200 § 809 Nr. 1). Welche und wie viele Tarifstellen der Gefahrtarif enthalten soll, kann der Unfallversicherungsträger im Rahmen dieser Regelungsbefugnis bestimmen (Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 157 RdNr. 9).

Von diesen Maßstäben ausgehend ist der Veranlagungsbescheid der Beklagten in der hier streitigen Gefahrtarifstelle 17 nicht zu beanstanden. Dem Erlass des Verwaltungsaktes stand keine bindende frühere Regelung entgegen. Der Bescheid war auch sonst rechtmäßig. Insbesondere ist der Gefahrtarif in Übereinstimmung mit den einfachgesetzlichen Vorgaben der §§ 157, 158 SGB VII erlassen worden

Die Beklagte durfte dem Veranlagungsbescheid die Regelung der Gefahrtarifstelle 17 des 4. Gefahrtarifs zugrunde legen, denn diese Satzungsregelung ist rechtmäßig.

Der 4. Gefahrtarif der Beklagten wurde durch deren Vertreterversammlung beschlossen und öffentlich bekannt gemacht (§ 33 Abs. 1 Satz 1, § 34 Abs. 2 Satz 1 SGB IV).

Im Kern ist zwischen den Beteiligten nur streitig, ob die Veranlagung der Gewerbezweige "Wohnheime" als unselbständige Nebenunternehmen der Werkstätten für behinderte Menschen zulässig ist.

Soweit die Beklagte hierbei das Hauptunternehmen und das Hilfsunternehmen "Heime und Wohneinrichtungen" zur selben Gefahrklasse veranlagt hat, entspricht dies ihrem Gefahrtarifvertrag, ist sachlich begründet und kann im Rahmen der Tarifautonomie vom Gericht nicht korrigiert werden. Dies gilt jedenfalls so lange, wie in den Heimen und Wohneinrichtungen die Mehrzahl der Bewohner in ihrer Haupttätigkeit in den Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigt sind. Ob dies, wie die Beklagte durch ihren Prüfdienst festgestellt hat, hier vorliegend zwischen 80% und 90% der Wohnheimbewohner sind, oder ob dies ein geringerer Prozentsatz ist, kann dahingestellt bleiben. Hierüber musste das Gericht keinen weiteren Beweis erheben. Diese Veranlagung ist nach Ansicht des Gerichts solange vorzunehmen, wie die Zahl der Heimbewohner nicht unter die 50%-Marke der in den Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigten fällt. Insoweit ist die Veranlagung rechtmäßig. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Artikel 3 Grundgesetz konnte das Gericht aufgrund der nur summarischen Angaben der Klägerin hier nicht nachvollziehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 183 SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Streitwert war gemäß § 197 a Abs. 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) nach Anhörung der Beteiligten wie geschehen festzusetzen.

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