SG Gießen, Beschluss vom 18.12.2017 - S 18 SO 138/17 ER
Fundstelle
openJur 2020, 43593
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet.

Ein solcher Antrag ist gemäß § 86 b Abs. 3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig.

Nach § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht prüft unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache summarisch, ob ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben sind.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn ein Erfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren überwiegend wahrscheinlich ist. Ein Anordnungsgrund kann dann angenommen werden, wenn der Antragsteller Gründe glaubhaft macht, die eine Entscheidung gerade im Wege der einstweiligen Anordnung notwendig machen.

Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung. Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits Vorstellung des einstweiligen Rechtschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen hier nicht vor, weil es an den nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlichen Gegenwartsbezug und damit auch am Anordnungsgrund fehlt, nämlich der besonderen Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens. Denn die Regelungsanordnung dient zur "Abwendung" wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigung in der Vergangenheit herbeizuführen, ist deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes; eine Ausnahme ist bei der begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht. Einen derartigen Nachholbedarf konnte die Antragstellerin in dessen nicht glaubhaft machen. Im Gegenteil nach der nunmehr im laufenden Antragsverfahren erklärten Kündigung der Lebenshilfe D. vom 11.12.2017, der die Antragstellerseite offensichtlich auch nicht entgegengetreten ist, reduziert sich der Eilantrag auf die Zahlungen von Geldleistungen für die Vergangenheit worin, wie bereits ausgeführt, in der Regel eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liegt, weil nach dessen Abschluss jederzeit eine Nachzahlung erfolgen kann; eine ggf. erforderliche Schuldentilgung des Antragstellers kann auch im Nachhinein erfolgen. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass der auf laufende Sozialleistungen gerichtete vorläufige Rechtschutz von Fällen eines angemessen Nachholbedarfs abgesehen regelmäßig einen aktuellen Bedarf befrieden soll, während der Bedarf für die Vergangenheit sich regelmäßig in der Sache bereits erledigt hat. Der Antragsteller muss sich deshalb auf das Hauptsacheverfahren verweisen lassen. In diesem Zusammenhang wird zu prüfen sein, ob die Antragstellerin einen Anspruch auf Übernahme der nunmehr aufgelaufenen Kosten in Höhe von annährend 90.000 € hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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