SG Gießen, Urteil vom 19.12.2016 - S 12 EG 8/16
Fundstelle
openJur 2020, 43581
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die endgültige Festsetzung von Elterngeld für die Lebensmonate 6 und 13 seines Sohnes und eine Rückforderung in Höhe von 1.841,76 €.

Der Kläger ist der Vater des 2014 geborenen C. A.

Auf einen Antrag vom 4. März 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 5. März 2016 zunächst unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach § 8 Abs. 3 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) Elterngeld für die Lebensmonate 6 und 13 (22. März 2015 bis 21. April 2015 und 22. Oktober 2015 bis 21. November 2015) seines Sohnes C. A. in Höhe von jeweils 1.220,88 €. In den Bezugszeiträumen war der Kläger hinsichtlich seiner abhängigen Beschäftigung in Elternzeit und erzielte dort kein Einkommen. Angaben zum Einkommen des Klägers aus seiner selbständigen Tätigkeit lagen noch nicht vor. Der Beklagte berücksichtigte daher für den Bezugszeitraum zunächst noch keinerlei Einkommen des Klägers.

In der Folge legte der Kläger die Jahresübersicht für 2015 mit den Gewinnen für die Monate März, April Oktober und November 2015 vor.

Mit Bescheid vom 7. April 2016 setzte der Beklagte die Höhe des Elterngeldes für die Lebensmonate 6 und 13 nunmehr endgültig nur noch in Höhe des Mindestbetrages von 300,00 € fest und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen nach § 328 Abs. 3 SGB III in Höhe von 1.841,76 €. Zur Begründung führte der Beklagte aus, nach Abschluss der Einkommensfeststellungen ergebe sich ein geringerer Anspruch auf Elterngeld. Berücksichtigt wurde dabei für das Kalenderjahr 2013 als Bemessungszeitraum ein Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 0,00 € sowie monatliches Brutto-Einkommen aus abhängiger Beschäftigung in Höhe von 2.606,24 €. Abzüglich Steuern und Sozialausgaben ergab dies ein monatliches Nettoeinkommen von 1.878,27 €. Dem habe im Bezugszeitraum ein Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von monatlich 2.346,40 € aus selbständiger Tätigkeit gegenübergestanden.

Hiergegen legte der Kläger am 4. Mai 2016 Widerspruch ein und trug vor, die zugrunde gelegten Zeiträume für die Ermittlung des Elterngeldes seien nicht plausibel. Es dürften nicht die 12 Bruttogehälter aus dem Jahr 2013, sondern es sollten die 10 Bruttogehälter aus dem Jahr 2015 berücksichtigt werden. Hinsichtlich der selbständigen Tätigkeit sei der Gewinn am Ende des Jahres zu ermitteln und dann auf die zwölf Monate zu verteilen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, beim Kläger lägen vor der Geburt seines Sohnes Mischeinkünfte sowohl aus abhängiger als auch aus selbständiger Tätigkeit vor. Nach § 2b Abs. 3 BEEG sei daher für die Ermittlung des Einkommens der für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt der steuerliche Veranlagungszeitraum maßgeblich, der den Gewinnermittlungszeiträumen nach § 2b Abs. 2 BEEG zugrunde liege. Dies sei vorliegend das Kalenderjahr 2013. Aus dem Einkommensteuerbescheid für 2013 gehe hervor, dass der Kläger keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Letztlich ergebe sich bei der Gegenüberstellung von Einkommen im Bemessungszeitraum und dem Einkommen im Bezugszeitraum kein Einkommensverlust. Die Überzahlung in Höhe von 1.841,76 € sei vom Kläger zu erstatten.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 3. Juni 2016 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.

Der Kläger ist im Wesentlichen der Auffassung, die Berechnung des Beklagten sei fehlerhaft. Man müsse berücksichtigen, dass er seine selbständige Tätigkeit erst Mitte 2013 aufgenommen habe, so dass seine Einkünfte daher geringer waren als in 2015. Lege man die letzten zwölf Monate vor der Geburt zugrunde, so ergebe sich ein deutlich höherer Elterngeldanspruch. Nach Berechnung des Beklagten ergebe sich eine Verkürzung seines Anspruchs um mehr als 20 %, was die verfassungsrechtlichen Grenzen der Typisierung durch den Gesetzgeber überschreite. Auch sei die Ermittlung des Gewinns in 2015 fehlerhaft, da der tatsächliche Jahresgewinn vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben lediglich 12.231,40 € betragen habe, diese jedoch noch abzuziehen seien. Hier sei nicht nur auf die Bezugsmonate, sondern wegen des schwankenden Gewinns auf die Jahresübersicht bzw. den durchschnittlichen Monatsgewinn abzustellen. Die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Bezugszeitraum seien insgesamt nicht anzurechnen, da er mit dem Elterngeld lediglich seine Einkünfte aus der abhängigen Tätigkeit ausgleiche.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 7. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2016 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für die Lebensmonate 6 und 13 seines Sohnes C. A. Elterngeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung, die Berechnung des Elterngeldes sei korrekt. Im Bemessungszeitraum sei es unerheblich, ob das Einkommen nur ab Mitte des Jahres erzielt worden sei. Sobald Gewinneinkünfte im Bemessungszeitraum vorlägen, greife die gesetzliche Regelung. Im Bezugszeitraum sei nicht das ganze Jahr 2015 zu berücksichtigen, sondern lediglich die konkreten Lebensmonate des Kindes, in denen Elterngeld bezogen wurde. Dies seien im Falle des Klägers die Monate März und April 2015 (bzgl. Lebensmonat 6) und die Monate Oktober und November 2015 (bzgl. Lebensmonat 13). Darüber hinaus werde bei der Berücksichtigung von Einkommen abgesehen von der Ermittlung des Bemessungszeitraums nicht zwischen den Einkommensarten unterschieden. Es sei das gesamte Einkommen vor der Geburt und im Bezugszeitraum gegenüberzustellen. Ein über den Mindestbetrag hinausgehender Anspruch bestehe nicht.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Beklagtenakten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 7. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen weitergehenden Anspruch auf Elterngeld als vom Beklagten bewilligt. Nach endgültiger Festsetzung hat er daher den überzahlten Betrag von 1.841,76 € zu erstatten.

Der Kläger hat nach § 1 Abs.1 BEEG dem Grunde nach einen Anspruch auf Elterngeld. Er hatte im streitgegenständlichen Zeitraum, d.h. den Lebensmonaten 6 und 13 seines Sohnes (22. März 2015 bis 21. April 2015 und 22. Oktober 2015 bis 21. November 2015) seinen Wohnsitz in Deutschland, lebte mit seinem Sohn in einem Haushalt und betreute und erzog seinen Sohn in den beantragten Lebensmonaten selbst.

Gemäß § 2 Abs. 1 BEEG wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus

1. nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG sowie

2. Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG,

die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 BEEG hat.

§ 2b BEEG enthält Regelungen zur Bestimmung des maßgeblichen Bemessungszeitraums. Nach der Grundregel des § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG sind für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von § 2c BEEG vor der Geburt die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes maßgeblich. Demgegenüber sieht § 2b Abs. 2 Satz 1 BEEG vor, dass für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit im Sinne von § 2d BEEG vor der Geburt die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich sind, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde liegen.

Nach § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG ist abweichend von Absatz 1 für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt der steuerliche Veranlagungszeitraum maßgeblich, der den Gewinnermittlungszeiträumen nach Absatz 2 zugrunde liegt, wenn die berechtigte Person in den Zeiträumen nach Absatz 1 oder Absatz 2 Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit hatte (sog. Mischeinkünfte). Letzteres ist vorliegend der Fall, da der Kläger in den letzten zwölf Monaten vor der Geburt seines Sohnes sowohl aus selbständiger Tätigkeit als auch aus einer nicht selbständigen Tätigkeit bei der Firma E. GmbH & Co. KG Einkommen erzielte.

Der Beklagte hat daher bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldes des Klägers zu Recht als Bemessungszeitraum den letzten vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt seines Sohnes, hier das Kalenderjahr 2013, zugrunde gelegt.

Zur Überzeugung der Kammer ist der Wortlaut des § 2b Abs. 3 BEEG auch nicht wegen eines möglichen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) teleologisch zu reduzieren, so dass entgegen dem Wortlaut für den Kläger die Grundregel des § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG hinsichtlich eines Bemessungszeitraums von 12 Kalendermonaten nach dem Monat der Geburt seines Kindes anwendbar bleibt.

Die Wahl der Berechnungsgrundlagen steht zunächst nicht im Ermessen des Beklagten, so dass eine Unverhältnismäßigkeit der Wahl des Bemessungszeitraums dem Beklagten vorliegend von vorherein nicht vorgeworfen werden kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 21. Juni 2016, B 10 EG 8/15 R, juris Rn. 23 ff.) ist von der gesetzlichen Regelung des § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG auch nicht in Fällen größerer Einbußen bei der Höhe des Elterngeldes durch die Verschiebung des Bemessungsrahmens abzuweichen. Zuvor hatte u.a. das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen unter Berufung auf frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angenommen, der sich aus dem Steuerbescheid des letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraums ergebende durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn aus selbstständiger Arbeit könne nur dann zugrunde gelegt werden, wenn die im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt des Kindes und die im letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum durchgängig ausgeübte selbstständige Erwerbstätigkeit ihrer Art nach übereinstimmt und deren zeitlicher Umfang in beiden Zeiträumen um weniger als 20 Prozent voneinander abweiche (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. Februar 2015, L 2 EG 4/14, juris Rn. 49).

Dem ist das Bundessozialgericht entgegengetreten. Eine ungeschriebene Ausnahme von der eindeutigen gesetzlichen Anordnung des § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG schließen Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift aus. Schon ihr Wortlaut "ist" - eröffne kein Ermessen. Vielmehr verpflichte sie die Elterngeldbehörde in gebundener Entscheidung, den Bemessungszeitraum zu verschieben, wenn der Elterngeldberechtigte Mischeinkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit bezogen habe. Der Bemessungszeitraum des § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG sei dann zwingend zugrunde zu legen. Als einzige Ausnahme von dieser Regel ermögliche § 2b Abs. 3 Satz 2 BEEG, den Bemessungszeitraum auf Antrag noch weiter in die Vergangenheit auf den vorangegangenen steuerlichen Veranlagungszeitraum zu verschieben, wenn ansonsten Erwerbsrisiken verwirklicht würden, von denen das Gesetz Elterngeldberechtigte nach Sinn und Zweck des Elterngelds ausnahmsweise freistellen wolle. Diese Ausnahmetatbestände seien nach § 2b Abs. 1 Satz 2 BEEG die Einschränkung oder der Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit während des Bezugs von Elterngeld für ein älteres Kind, eines Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 2 oder § 6 Abs. 1 Mutterschutzgesetz, des Bezugs von Mutterschaftsgeld nach dem Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V) oder nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte, der Ableistung von Wehr- bzw. Zivildienst oder wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung. Selbst in den genannten Konstellationen greife das Gesetz nicht auf den Zwölfmonatszeitraum vor dem Geburtsmonat des Kindes zurück, sondern auf den vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum. Die Aufzählung der Rechtsfolgen des Verschiebungstatbestands sei daher nach der gesetzlichen Systematik grundsätzlich abschließend. Sie lasse keinen Raum dafür, den Bemessungszeitraum für das Elterngeld bei Mischeinkünften auf den Zwölfmonatszeitraum vor dem Geburtsmonat des Kindes zu verschieben (BSG, Urteil vom 21. Juni 2016, B 10 EG 8/15 R, juris Rn. 23).

Zur Überzeugung des Bundessozialgerichts verstößt § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG mit dem Ausschluss der Verschiebung des Bemessungszeitraums auf den Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (BSG, a.a.O., juris Rn. 27 ff.).

Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist vielmehr erst dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (st.Rspr. des BVerfG seit BVerfGE 55, 72, 88; vgl. jüngst BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr. 7 Rn. 55; BVerfGE 117, 272, 300 f; Britz, NJW 2014, 346 ff m.w.N.). Umgekehrt verbietet Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem, insbesondere die Gleichbehandlung einer Gruppe von Normadressaten mit einer anderen, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die deren Gleichbehandlung als sachwidrig erscheinen lassen (vgl. Jarras in: Jarras/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 3 Rn. 8 m.w.N.). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf Übereinstimmung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfGE 84, 348, 359 m.w.N.; BVerfGE 110, 412, 436 ; st.Rspr.). Der Gesetzgeber hat dabei im Bereich des Sozialrechts, zu dem die Bestimmungen über das Elterngeld im ersten Abschnitt des BEEG gehören, einen weiten Gestaltungsspielraum. Das gilt jedenfalls uneingeschränkt für das Elterngeld als fürsorgerische Leistung der Familienförderung, die über die bloße Sicherung des Existenzminimums hinausgeht (zum Elterngeld vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 9. November 2011, 1 BvR 1853/11 - BVerfGK 19, 186 193).

Nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 21. Juni 2016, B 10 EG 8/15 R, juris Rn. 29), der sich die Kammer auch nach eigener Prüfung anschließt (so auch bereits die bisherige Rechtsprechung der Kammer, vgl. SG Gießen, Urteil vom 11. Mai 2015, S 12 EG 3/14), hat der Gesetzgeber diesen Spielraum mit der unterschiedlichen Ausgestaltung der Regelungen zum Bemessungszeitraum nicht überschritten. Zwischen Einkünften aus selbstständiger und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit bestehen hinreichend gewichtige Unterschiede, die es rechtfertigen, den Bemessungszeitraum je nach Einkunftsart auf die vom Gesetzgeber gewählte unterschiedliche Weise festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 5. April 2012, B 10 EG 10/11 R). Zum einen schwanken Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit ihrer Natur nach häufiger als solche aus nichtselbstständiger Tätigkeit und können von den Berechtigten zudem im Regelfall leichter beeinflusst werden. Damit ist der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor der Geburt, den der Bemessungszeitraum abbilden und den das Elterngeld zumindest teilweise aufrechterhalten soll (zu dieser Referenzmethode vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, B 10 EG 2/09), tendenziell ohnehin weniger stabil und zeitlich weniger präzise einzugrenzen. Die Verschiebung des Bemessungszeitraums vom Zwölfmonatszeitraum vor dem Geburtsmonat zurück auf die maßgeblichen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume muss daher nicht zwingend und noch nicht einmal regelmäßig mit einem Verlust an Aussagekraft für die Bemessung des durch das Elterngeld zu ersetzenden Einkommens einhergehen.

Vor allem aber unterscheiden sich Einkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit regelmäßig erheblich durch den Aufwand für ihre Feststellung durch Behörden und Berechtigte (BSG, Urteil vom 21. Juni 2016, B 10 EG 8/15 R, juris Rn. 30). Haben Elterngeldbehörden nur Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit zu ermitteln, so können sie dafür auf Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers für die maßgeblichen Monate zurückgreifen, für deren Richtigkeit und Vollständigkeit inzwischen eine gesetzliche Vermutung spricht, vgl. § 2c Abs. 2 Satz 2 BEEG. Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit sind dagegen Gewinneinkünfte, vgl. § 2d Abs. 1 BEEG. Sie festzustellen erfordert grundsätzlich, im Einzelfall den betriebswirtschaftlichen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu ermitteln. Diese je nach wirtschaftlicher Komplexität der selbstständigen Tätigkeit mehr oder weniger aufwändige Gewinnermittlung (vgl. § 2d Abs. 3 S 1 BEEG) wird von § 2b Abs. 3 S 1 i.V.m. § 2d Abs. 2 Satz 1 BEEG maßgeblich vereinfacht und beschleunigt. Denn nach § 2d Abs. 2 S 1 BEEG sind bei der Ermittlung der im Bemessungszeitraum zu berücksichtigenden Gewinneinkünfte die Gewinne anzusetzen, die der Einkommensteuerbescheid ausweist. Diese Übernahme der Feststellungen aus dem Steuerbescheid rationalisiert und vereinfacht den Elterngeldvollzug für Berechtigte und Elterngeldbehörden wesentlich. Mit der geänderten Festlegung des Bemessungszeitraums hat der Gesetzgeber daher ein geeignetes Mittel gewählt, um sein maßgebliches und legitimes Ziel der Verwaltungsvereinfachung zu erreichen. Die Schwierigkeiten der Gewinnermittlung ergeben sich in derselben Weise, wenn Elterngeldberechtigte nur einen Teil ihrer Einkünfte vor der Geburt aus selbstständiger Tätigkeit erzielt haben; zudem müssen die Bemessungszeiträume für beide Einkommensarten deckungsgleich sein. Dies rechtfertigt es, bei Elterngeldberechtigten mit Mischeinkünften als Bemessungszeitraum ebenfalls die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume heranzuziehen, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt zugrunde liegen.

Die Regelungen des § 2b Abs. 3 Satz 1 BEEG erweist sich schließlich auch nicht insoweit als verfassungswidrig, als sie unterschiedslos auch in besonders gelagerten Fällen gelten, hier im Falle einer erheblichen Diskrepanz des Elterngeldes zu Lasten des Leistungsberechtigten durch die gesetzliche Verschiebung des Bemessungszeitraums. Auch solche ungewöhnliche Konstellationen sind noch von der Befugnis des Gesetzgebers zur typisierenden Regelung gedeckt (BSG, a.a.O., juris Rn. 31). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dem das Bundessozialgericht gefolgt ist, darf der Gesetzgeber insbesondere im Sozialrecht bei der Ordnung von Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (BSG, Urteil vom 5. April 2012, B 10 EG 4/11 R). Dafür müssen die Vorteile einer Typisierung - insbesondere die praktischen Erfordernisse der Verwaltung (vgl. BVerfGE 9, 20, 31 f.; 63, 119, 128) - im rechten Verhältnis zu den Härten stehen, die wegen der damit verbundenen Ungleichbehandlung im Einzelfall und für die Gesamtheit der von der Norm Betroffenen verbunden sind (vgl. Huster in Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Stand Februar 2016, Art. 3 Rn. 130 ff m.w.N.). Diese Verhältnismäßigkeit setzt zunächst voraus, dass die tatsächliche Anknüpfung der Typisierung im Normzweck angelegt ist. Die dadurch bewirkten Härten dürfen sich zudem nur unter Schwierigkeiten vermeiden lassen und im Einzelfall nicht besonders schwer wiegen (BVerfGE 111, 115, 137; BVerfGE 111, 176, 188 ). Schließlich darf die Typisierung allgemein keine beachtliche Gruppe typischer Fälle, sondern nur einzelne, aus dem Rahmen fallende Sonderfälle betreffen (vgl. BVerfGE 26, 265, 275 f.; 63, 119, 128, 130).

Nach diesen Maßstäben ist die Behandlung von Mischeinkünften, auch in Fällen mit einem geringen, relativ einfach zu ermittelnden Anteil aus selbstständiger Tätigkeit, verhältnismäßig und verfassungsrechtlich unbedenklich (BSG, Urteil vom 21. Juni 2016, B 10 EG 8/15 R, juris Rn. 32). Die unterschiedliche Behandlung von Elterngeldberechtigten mit Einkünften nur aus nichtselbstständiger Tätigkeit einerseits und solchen mit Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit und mit Mischeinkünften andererseits ist im Normzweck der Rationalisierung und Verwaltungsbeschleunigung angelegt. Ihn verfolgt das Gesetz im Interesse aller Elterngeldberechtigten. Sie profitieren als Gruppe davon, wenn das Elterngeld beschleunigt berechnet und ausgezahlt wird. Die damit in atypischen Fällen verbundenen Härten ließen sich nicht vermeiden, ohne dass u.a. maßgeblich mit § 2b BEEG verfolgte Konzept der Verwaltungsvereinfachung weitgehend aufzugeben. Denn würde der Gesetzgeber die Behandlung von Mischeinkünften an die Überschreitung bestimmter Schwellenwerte knüpfen und Ausnahmen in Härtefällen zulassen, würde dies häufig aufwändige Vergleichsberechnungen der Elterngeldbehörden erfordern. Dies würde den vom Gesetz erstrebten Rationalisierungseffekt zugunsten von Verwaltung und Elterngeldberechtigten weitgehend zunichtemachen oder sogar in sein Gegenteil verkehren (BSG, a.a.O., juris Rn. 32).

Darüber hinaus ist auch die Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens des Klägers im Bezugszeitraum nicht zu beanstanden.

Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 BEEG wird für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs. 1 oder 2 BEEG maßgeblichen Prozentsatzes (hier 65 Prozent nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BEEG) des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt.

Bei der Berechnung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit ist zunächst entgegen der Ansicht des Klägers auch im Bezugszeitraum hinsichtlich der Höhe des Einkommens nicht zwischen Einkommen aus selbständiger und nicht selbständiger Tätigkeit zu unterscheiden, sondern die Höhe des Erwerbseinkommens als Ganzes zu berücksichtigen. Nach der Systematik des BEEG kann der Kläger nicht bestimmen, dass der Bezug des Elterngeldes nur eine bestimmte Einkommensvariante ersetzen soll. Das BEEG nimmt vielmehr eine vergleichende Gesamtbetrachtung des Einkommenszuflusses vor der Geburt und im Bezugszeitraum vor. Es widerspräche dem Sinn und Zweck des Elterngeldes als Sozialleistung mit einkommensersetzender Funktion (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2011, 1 BvR 2712/09, juris Rn. 8), wenn Teile des Erwerbseinkommens bei der vergleichenden Betrachtung zwischen Bemessungszeitraum und Bezugszeitraum unbeachtet bleiben würden.

Zur Überzeugung der Kammer durfte der Beklagte bei der Bestimmung des Einkommens aus der selbständigen Tätigkeit im vorliegenden Fall zudem taggenau auf das tatsächliche Einkommen des Klägers während der Bezugsmonate abstellen und war nicht gehalten, der Berechnung ein durchschnittliches monatliches Einkommen zugrunde zu legen. Das Gesetz sieht keine ausdrückliche Regelung vor, wie die Höhe des Einkommens des Elterngeldbeziehers im Bezugsmonat in Fällen von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit zu ermitteln ist. Die vom Beklagten angewendete Berechnungsmethode steht jedoch mit dem Entgeltersatzcharakter des Elterngelds mehr in Einklang als die vom Kläger gewünschte alternative Berechnung anhand eines durchschnittlichen monatlichen Gewinns auf Grundlage des Jahresergebnisses. Zumindest in Fallgestaltungen wie der Vorliegenden, in der die Bestimmung eines monatlichen Gewinns oder Verlustes durch den Elterngeldbezieher möglich ist, ist dem jeweiligen Bezugsmonat, d.h. dem jeweiligen Lebensmonat des Kindes, taggenau der anteilige Gewinn zuzuordnen. Zwar hat das Bundessozialgericht hiervon abweichend für die Ermittlung des anrechenbaren Einkommens aus der Beteiligung an einem Gewerbebetrieb im Bezugszeitraum in einer aktuellen Entscheidung ein durchschnittliches monatliches Einkommen zugrunde gelegt, bei dem das steuerrechtlich relevante Jahreseinkommen durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, geteilt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2016, B 10 EG 3/15 R, Rn. 23). Diese Entscheidung basierte jedoch auf dem Sonderfall eines Einkommens aus Gewinnanteilen an einer Personengesellschaft, bei der der einzelne Gesellschafter Gewinne gesellschaftsrechtlich regelmäßig nur am Schluss des Geschäftsjahrs verlangen kann. Eine monatliche Zuordnung des Gewinns war daher gesellschaftsrechtlich nicht möglich, so dass der Rückgriff auf eine durchschnittliche Betrachtung erforderlich war. Dieser Sachverhalt weicht vom vorliegenden Sachverhalt ab, da der Kläger in der Lage war, seine monatlichen Gewinne und Verluste darzulegen, d.h. eine Zuordnung der jeweiligen Höhe des Gewinns zu den Bezugsmonaten ist möglich.

Zur Überzeugung der Kammer steht diesem Ansatz nicht entgegen, dass der Kläger damit in der Lage wäre, durch Einflussnahme auf den monatlichen Gewinn oder Verlust im Bezugszeitraum ggfs. ein höheres Elterngeld zu erzielen. So hätte der Kläger vorliegend durch Steuerung des Material- und Wareneinkaufs Einfluss auf den jeweiligen monatlichen Gewinn nehmen können, der bei der Berechnung des Elterngeldes zugrunde gelegt wird. So ergaben sich der dem Kläger vorgelegten Jahresübersicht für das Jahr 2015 Schwankungen in diesem Bereich zwischen 1.481,02 € und 28.938,09 €, welche die Höhe des Gewinns in den jeweiligen Abrechnungsmonaten maßgeblich beeinflussten. Die Zulassung vom Gesetzgeber eröffneter Gestaltungsspielräume bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldes spricht dabei nicht gegen eine entsprechende Auslegung des BEEG. So ist anerkannt, dass auch ein Wechsel der Lohnsteuerklasse und eine damit verbundene Erhöhung des Einkommens aus nicht selbständiger Beschäftigung eine zulässige Gestaltungsmöglichkeit bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldanspruchs darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2009, B 10 EG 3/08 R). Die Berücksichtigung des dem Kläger im Bezugszeitraum tatsächlich zur Verfügung stehenden Einkommens bleibt daher vorzugswürdig. Erst bei der nach § 2 Abs. 3 BEEG vorzunehmenden vergleichenden Betrachtung zwischen dem Erwerbseinkommen im Bemessungszeitraum und dem Einkommen im Bezugszeitraum ist dann für die Zeiträume nach der Geburt ein durchschnittliches Einkommen aus sämtlichen Bezugszeiträumen zu ermitteln, welches seinerseits dem durchschnittlichen Einkommen im Bemessungszeitraum gegenüberzustellen ist.

Vor diesem Hintergrund ist die Berechnung der Höhe des Elterngeldes des Klägers im angegriffenen Bescheid durch den Beklagten nicht zu beanstanden. Der Kläger erzielte laut der vorgelegten Jahresübersicht für 2015 im Monat März einen Gewinn von 1.040,23 € sowie im Monat April einen Gewinn von 2.246,75 €. Unter Berücksichtigung des 6. Lebensmonats seines Sohnes (22. März 2015 bis 21. April 2015) ergibt dies einen anteiligen Gewinn von 335,56 € für den Zeitraum vom 22. bis 31. März 2015 sowie einen anteiligen Gewinn von 1.572,73 € für den Zeitraum vom 1. bis 21. April 2015; zusammen 1.908,29 € für den 6. Lebensmonat des Sohnes. Daneben erzielte der Kläger im Monat Oktober einen Gewinn von -8.644,01 € sowie im Monat November einen Gewinn von 10.980,20 €. Unter Berücksichtigung des 13. Lebensmonats seines Sohnes (22. Oktober 2015 bis 21. November 2015) ergibt dies einen anteiligen Gewinn von -2.788,39 € für den Zeitraum vom 22. bis 31. Oktober 2015 sowie einen anteiligen Gewinn von 7.686,14 € für den Zeitraum vom 1. bis 21. November 2015; zusammen 4.897,75 € für den 13. Lebensmonat des Sohnes. Der Durchschnitt des vom Kläger in den beiden Bezugsmonaten erzielten Einkommens betrug damit 3.402,93 €, abzüglich Steuern und Sozialabgaben 2.346,40 €. Dem stand ein durchschnittliches Einkommen im Bemessungszeitraum von monatlich 2.689,57 €, abzüglich Steuern und Sozialabgaben 1.878,27 €, gegenüber. Dem Kläger standen damit im Bezugszeitraum höhere finanzielle Mittel zur Verfügung als im Bemessungszeitraum. Ein durch die Betreuung seines Sohnes eingetretener Verlust an Erwerbseinkommen wurde nicht nachgewiesen. Der Kläger hat daher nur Anspruch auf die Gewährung von Elterngeld in Höhe des Mindestbetrages nach § 2 Abs. 4 Satz 1 BEEG in Höhe von monatlich 300,00 €.

Aufgrund der zunächst erfolgten Bewilligung von Elterngeld in Höhe von 1.220,88 € monatlich an den Kläger entstand in den Lebensmonaten 6 und 13 seines Sohnes damit eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 1.841,76 € (2 x 920,88 €). Die Pflicht zur Erstattung der überzahlten Leistung ergibt sich aus § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2015, B 10 EG 6/14 R, juris Rn. 22 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG, die Rechtsmittelbelehrung folgt aus § 143 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Höhe des streitigen Elterngeldanspruchs in Höhe von 1.841,76 € die Berufungssumme nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in Höhe von 750,00 EUR überschreitet.

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