OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 05.07.2017 - 2 Ws 35/17
Fundstelle
openJur 2020, 43326
  • Rkr:

Für das Entstehen der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG muss die anwaltliche Mitwirkung für die Beendigung des Verfahrens ursächlich oder jedenfalls mitursächlich gewesen sein.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 05. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

Die Beschwerdeführerin ist durch Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 01. August 2016 wegen Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main mit Zuschrift vom 01. August 2016, beim Landgericht Frankfurt am Main eingegangen am 03. August 2016, Revision eingelegt. Aufgrund der Verfügung des Strafkammervorsitzenden vom 09. September 2016 ist das vollständige Urteil der Beschwerdeführerin und ihrem Verteidiger formlos übersandt worden mit dem Zusatz: "Die StA hat rechtzeitig Revision eingelegt." Zugleich ist das Urteil der Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 14. September 2016 hat der Verteidiger beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der 30. Kammer als unbegründet zu verwerfen, da das angefochtene Urteil nach umfassender Überprüfung keine Rechtsfehler enthalte. Mit Zuschrift vom 27. Oktober 2016 hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main die eingelegte Revision begründet und zur Rüge der Verletzung formellen Rechts einen Verstoß gegen § 338 Nr. 7 StPO näher ausgeführt. Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts hat sie damit begründet, dass die festgesetzte Freiheitsstrafe keinen gerechten Schuldausgleich darstelle. Die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft ist dem Verteidiger am 24. November 2016 zugestellt worden. Am 28. Dezember 2016 hat die Staatsanwaltschaft die Revision zurückgenommen. Am 03. Januar 2017 hat die 30. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main beschlossen, dass die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die der Angeklagten (vorliegend Beschwerdeführerin) dadurch entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last fallen.

Der Verteidiger hat am 20. März 2017 - unter Verzicht auf die Geltendmachung der Pflichtverteidigervergütung - beantragt, die notwendigen Auslagen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in Höhe von 1.487,50 € festzusetzen, wobei er im Wesentlichen die Verfahrensgebühr VV-Nr. 4130 und die Zusatzgebühr VV-Nr. 4141 in Höhe von jeweils 615,00 € geltend gemacht hat. Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat mit Beschluss vom 05. Mai 2017 die zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 755,65 € festgesetzt und die Zusatzgebühr Nr. 4141 VV RVG mit der Begründung abgesetzt, dass sich aus der Akte keine konkreten Anhaltspunkte ergäben, dass überhaupt ein Hauptverhandlungstermin anberaumt worden wäre.

Gegen diesen, ihrem Verteidiger am 10. Mai 2017 zugestellten Beschluss, richtet sich die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin, die am 15. Mai 2017 beim Landgericht Frankfurt am Main eingegangen ist.

II.

Die nach den §§ 464b S. 3, 304, 311 Abs. 2 StPO, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ZPO, §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RpflG zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Die Voraussetzungen für die Entstehung der sog. Erledigungs- bzw. Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG sind nicht erfüllt. Diese entsteht, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird, unter anderem in dem Fall, in dem sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme der Revision des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten - wie hier der Staatsanwaltschaft erledigt.

Zwar ist hier durch die Rücknahme der Revision die nach § 349 Abs. 5 StPO bei einer Revision der Staatsanwaltschaft stets erforderliche Revisionshauptverhandlung entbehrlich geworden. Indes fehlt es vorliegend an der erforderlichen anwaltlichen Mitwirkung, die die Hauptverhandlung entbehrlich gemacht hat.

Der Senat teilt insoweit die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, wonach die anwaltliche Mitwirkung für die Beendigung des Verfahrens ursächlich oder jedenfalls mitursächlich gewesen sein muss (vgl. KG, Beschluss vom 30. September 2011, Az. 1 Ws 66/09; OLG Braunschweig, Beschluss vom 08. März 2016, Az. 1 Ws 49116 mN; zitiert nach juris), d. h., der Anwalt auf die Rücknahme irgendwie Einfluss genommen haben muss. Das Erfordernis der (Mit-)Ursächlichkeit folgt bereits daraus, dass die Hauptverhandlung "durch" die anwaltliche Mitwirkung entbehrlich werden muss, die in Abs. 2 der Nr. 4141 VV RVG lediglich dahin konkretisiert wird, dass eine auf die Förderung des Verfahrens, d. h. konkret die Rücknahme, gerichtete Tätigkeit erforderlich ist.

Eine derartige Mitwirkungshandlung des Verteidigers der Beschwerdeführer liegt hier nicht vor. Die Annahme, der in seinem Schriftsatz vom 14. September 2016 enthaltene Antrag, die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der 30. Kammer als unbegründet zu verwerfen, da das angefochtene Urteil nach umfassender Überprüfung keine Rechtsfehler enthalte, könnte die Entschließung der Staatsanwaltschaft, die Revision am 28. Dezember 2016 zurückzunehmen, gefördert haben, ist fernliegend. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Staatsanwaltschaft sich vom Inhalt des Schriftsatzes des Verteidigers vom 14. September 2016 völlig unbeeindruckt gezeigt und ihre Revision am 27. Oktober 2016 umfassend begründet hat. Da danach eine auf die Förderung der Rücknahme der Revision der Staatsanwaltschaft gerichtete Tätigkeit des Verteidigers nicht mehr erfolgt ist, ergeben sich schon aus dem Verfahrensverlauf keine Anhaltspunkte für eine Mitwirkung des Anwalts, die die Hauptverhandlung entbehrlich gemacht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

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