LG Frankfurt am Main, Urteil vom 07.06.2018 - 2-13 S 88/17
Fundstelle
openJur 2020, 43102
  • Rkr:

Eine Beschränkung des Rederechts von Eigentümern auf der Versammlung muss unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes so schonend wie möglich erfolgen. Zur Bestimmtheit eines Sanierungsbeschlusses.

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Friedberg (Hessen) vom 31.05.2017, Az. 2 C 1076/16 (23), unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 08.09.2016 zu Top 10 und 11 werden für ungültig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz und des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil - im Umfang der Berufungszurückweisung - sind vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten bleibt es vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn die Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird für die erste und für die zweite Instanz auf 208.505,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft ...

Mit Schreiben vom 18.08.2016 wurden die Eigentümer zu einer außerordentlichen Wohnungseigentümerversammlung am 06.09.2016 geladen. Es wurde zugleich darauf hingewiesen, dass die Wohnungseigentümerversammlung am 08.09.2017 fortgesetzt werde, sollte die Versammlung am 06.09.2016 nicht bis 22:00 Uhr beendet sein.

Die Wohnungseigentümerversammlung am 06.09.2016 wurde dann gegen 21:40 Uhr auf den 08.09.2016 vertagt. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 08.09.2017 fassten die Eigentümer eine Vielzahl von Beschlüssen, u.a. auch die streitgegenständlichen Beschlüsse zu TOP 10, 11 und 14.

Zu Top 10 fassten die Eigentümer einen Beschluss hinsichtlich des "Budgets und Vergabe" von Baumaßnahmen betreffend den Austausch von Wasserleitungen. Gegenstand der Beschlussfassung zu TOP 11 war eine "Option zur Mitfinanzierung" von Sanierungsmaßnahmen des Leitungssystems im Sondereigentum. Zu TOP 14 beschlossen die Eigentümer eine "Haftungsfreistellung" des Verwaltungsbeirates.

Bevor es zu einer Abstimmung in der Versammlung vom 08.09.2016 kam, wollte der Kläger zu 1) eine Frage stellen. Dies wurde ihm nicht ermöglicht. Ein weiterer Eigentümer stellte den Beschlussantrag, die Debatte zu beenden und zur Beschlussfassung überzugehen. Dieser Antrag wurde angenommen. Der Kläger zu 1) stellte sodann einen Beschlussantrag, der darauf zielte, eine erneute Grundsatzdiskussion zu führen. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Darauf folgte dann die Beschlussfassung.

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, dem Kläger zu 1) sei in der Wohnungseigentümerversammlung vom 08.09.2016 sein Rederecht unrechtmäßig entzogen worden.

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, zur Wohnungseigentümerversammlung am 08.09.2016 sei nicht ordnungsgemäß geladen worden. Die Versammlung am 06.09.2016 sei entgegen der Ladung schon vor 22:00 Uhr beendet worden.

Die streitgegenständlichen Beschlüsse zu TOP 10 und 11 seien wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig, zumindest aber anfechtbar. Für die Entlastung des Verwaltungsbeirates angesichts des erheblichen Volumens der beschlossenen Sanierungsarbeiten, über die der Verwaltungsbeirat mitentschieden habe, kein Anlass.

...

Das Amtsgericht (ZWE 2018, 138) hat die Klage abgewiesen. Die Beschlüsse seien weder nichtig noch widersprächen sie ordnungsmäßiger Verwaltung.

...

Mit der Berufung verfolgen die Kläger unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag ihr Begehren weiter.

...

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat weit überwiegend Erfolg.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sind die Beschlüsse zu TOP 10 und 11 für ungültig zu erklären.

Allerdings teilt die Kammer die Auffassung des Amtsgerichts hinsichtlich der Vertagung der Versammlung. Insofern kann auf die Ausführungen des Amtsgerichtes verwiesen werden. Es ist schon nicht ersichtlich, inwiefern ein Mangel, sollte überhaupt ein solcher vorliegen, eine Auswirkung auf das Beschlussergebnis gehabt haben könnte. Dies ist jedoch bei einem formellen Beschlussmangel, unabhängig von der Frage, welche Anforderungen insoweit an die Darlegung zu stellen sind, zu fordern (vgl. zum Streitstand nur Niedenführ/Vandenhouten/Kümmel WEG § 23 Rn. 93 ff.). Es war für jeden Eigentümer erkennbar, auch solche die in der Versammlung vom 06.09.2016 nicht anwesend waren, dass unter Umständen eine Fortsetzung der Versammlung am 08.09.2016 stattfinden könnte. Sie hatten insofern die Möglichkeit sich noch vor dem angesetzten Termin am 08.09.2016 darüber zu informieren, ob die zweite Versammlung tatsächlich stattfindet. Es bestand kein Teilnahmehindernis. Eine Kausalität in diesem Sinne kann ausgeschlossen werden.

Soweit gerügt wird, der Kläger zu 1) sei in seinem Rederecht beschränkt worden, könnte dies hingegen zu einer Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse führen. Die Kammer hat erhebliche Bedenken an der Ordnungsmäßigkeit des vorliegend praktizierten Handelns. Dem Kläger zu 1) wurde unstreitig die Möglichkeit genommen, in der Versammlung vom 08.09.2017 eine Frage zu stellen. Auch sein Beschlussantrag hinsichtlich einer erneuten Diskussion wurde abgelehnt. Zumindest in dem völligen Abschneiden seines Rederechtes dürfte ein formeller Beschlussmangel zu sehen sein, der sich auch kausal auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat.

Es ist in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Redezeit der Eigentümer mit Blick auf die ordnungsgemäße Durchführung der Eigentümerversammlung beschränkt werden kann (Bärmann/Merle WEG § 24 Rn. 113). Es handelt sich um eine Frage der Geschäftsordnung, die nicht zwingend in einer Vereinbarung geregelt werden muss (AG Koblenz NJW-RR 2010, 1526), sondern auch - zumindest im Einzelfall, bezogen auf eine konkrete Eigentümerversammlung - durch Mehrheitsbeschluss erfolgen kann (Bub, von der Osten, FD-MietR 2010, 304276; LG Frankfurt aM ZMR 2014, 1003). Jedoch herrscht weiterhin Einigkeit darüber, dass es sich bei dem Rederecht in der Versammlung um ein elementar wichtiges Recht des einzelnen Eigentümers handelt (OLG München ZWE 2008, 34; vgl. auch Müller ZWE 2018, 140). Es handelt sich um ein wesentliches Teilhaberecht, dass nach der gesetzlichen Konzeption unbeschränkt ausgeübt werden kann (Bub, von der Osten, FD-MietR 2010, 304276). Dem Eigentümer darf nicht grundlos die Möglichkeit genommen oder beschränkt werden, auf die Willensbildung der übrigen Eigentümer einzuwirken. Dies ist dann auch bei der Beschränkung des Rederechtes zu berücksichtigen. So bedarf eines sachlichen Grundes, der etwa in der effizienten Durchführung der Versammlung gesehen werden kann (LG Frankfurt aM aaO). Weiterhin muss der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Beschränkung beachtet werden (OLG Saarbrücken ZMR 2004,67). Die Beschränkung muss so schonend wie möglich erfolgen.

Vorliegend besteht die Besonderheit, dass die Versammlung an zwei Terminen stattfand, die aber im Zusammenhang zu sehen sind. Im ersten Termin wurden anstehende Sanierungsmaßnahmen erörtert und die Eigentümer hatten Gelegenheit, Fragen zu stellen und Stellung zu nehmen. In der zweiten Versammlung wurden dann nur die Beschlüsse gefasst. So könnte man annehmen, dass dem Kläger zu 1) sein Rederecht nicht entzogen, sondern nur begrenzt wurde, da er in der ersten Versammlung diese Möglichkeiten hatte und wahrgenommen hat. Die zweite Versammlung könnte als Teil dieser ersten Versammlung gesehen werden.

Jedoch wurde hier sein Fragerecht in der zweiten Versammlung vollständig ausgeschlossen. Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre eine weniger einschneidende Möglichkeit vorzugswürdig gewesen. So hätte er seine Frage mit der Anforderung stellen können, dass diese nicht an bereits besprochene Aspekte anknüpft. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es um erhebliche Sanierungsmaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von über 8 Mio EUR geht und es der Kammer jedenfalls nachvollziehbar erscheint, dass nach dem Ende des ersten Teils der Versammlung bei dem Kläger erneuter Klärungsbedarf aufgetreten ist. Gleiches gilt für seinen Beschlussantrag. Diesem ist wohl in seiner gestellten Form, also eine erneute Grundsatzdiskussion abzuhalten, nicht zu folgen gewesen. Jedoch hätte dem Kläger zu 1) die zeitlich begrenzte Möglichkeit eingeräumt werden können, abschließend Stellung zu nehmen. Dies als Minus zu dem gestellten Antrag. Nach Ansicht der Kammer wäre es vor einem Ausschluss weiterer Wortmeldungen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit wohl auch erforderlich gewesen, hierauf zuvor hinzuweisen und den Eigentümern, die sich noch zu Wort melden wollten eine - ggf. begrenzte - Redezeit einzuräumen.

Jedoch kann diese, in Rechtsprechung und Literatur bislang nicht abschließend behandelte Frage, offen bleiben. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob ein Verstoß gegen das Rede- und Fragerecht - wofür vieles spricht - auf eine kausale Auswirkung auf das Beschlussergebnis schließen lässt, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass auf die Willensbildung eingewirkt worden wäre oder hier - wie die Beklagten meinen - eine Darlegung der konkreten vom Kläger zu 1) beabsichtigten Fragen innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist hätte erfolgen müssen.

Die Beschlüsse zu TOP 10 und 11 sind nämlich bereits aus materiellen Gründen für ungültig zu erklären.

Der Beschluss zu TOP 10 ist nämlich bereits nicht ausreichend bestimmt, was die Kläger innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist ausdrücklich gerügt haben.

Ein Beschluss muss hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar sein, so dass bei objektiv-normativer Auslegung erkennbar ist, was Gegenstand der Beschlussfassung ist und vom Verwalter (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG) umzusetzen ist (vgl. nur BGH NZM 2013, 582; BGHZ 139, 288). Bei Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung - wie hier - sowie der baulichen Veränderung muss hinreichend erkennbar sein, welche konkreten Maßnahmen vorgenommen werden sollen (Bärmann/Merle WEG § 23 Rn. 56 mwN). Dies erfordert die Angabe von Umfang sowie Art und Weise der beschlossenen Maßnahme. Es muss in der Regel genau erkennbar sein, welches konkrete Angebot hinsichtlich einer Sanierungsmaßnahme angenommen werden soll (LG Hamburg Urt. v. 2.3.2011 - 318 S 193/10).

Nach diesen Grundsätzen ist der Beschluss vorliegend nicht hinreichend bestimmt und verstößt deshalb gegen den Grundsatz ordnungsmäßiger Verwaltung.

Der Beschluss ist nicht auf ein konkretes Angebot bezogen. Ein solches existiert noch gar nicht. Es werden lediglich vage Sanierungsarbeiten im Beschlusstext genannt..., die ein Volumen von 900.000 EUR haben sollen. Es ist für einen objektiven Dritten - und auch das Gericht - nicht ansatzweise erkennbar, was genau diese Erneuerung bedeuten soll. Welche Arbeiten sollen vorgenommen werden? Wie stark wird das Gemeinschaftseigentum belastet? Was ist konkret Gegenstand der Arbeiten? All dies wird aus dem Beschlusstext nicht ersichtlich. Auch die Vorgabe, dass nur im Rahmen des beschlossenen Budgets eine Vergabe erfolgen soll, kann nicht dazu führen, dass der Beschluss hinsichtlich der Kosten der Maßnahme als hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar angesehen werden kann. Der Rahmen der möglichen Kosten ist im Hinblick auf den enorm hohen Betrag völlig konturenlos. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn es sich nur um einen Grundbeschluss handeln sollte, bei dem zu der letztlich erforderlichen Umsetzung noch erhebliche weitere Schritte (des Beirats) erforderlich wären. Denn auch insoweit ist erforderlich, dass erkennbar ist, für welche konkreten Maßnahmen Angebote eingeholt und Aufträge erteilt werden sollen (vgl. LG Berlin ZMR 2017, 498). Hieran fehlt es bei der lediglich pauschalen Bezeichnung der Arbeiten, bei denen es sich zudem um Maßnahmen mit einem sehr erheblichen Finanzvolumen handelt. Im Übrigen steht einer solchen Auslegung wohl entgegen, dass der Beschluss ausweislich der bei der Auslegung heranzuziehenden Überschrift bereits die "Vergabe" von Aufträgen enthalten soll. Welchen Umfang diese haben sollen, ist jedoch offen, denn eine Ausschreibung sollte - mit einem noch zu erstellenden Leistungsverzeichnis - erst noch erfolgen. Welche konkreten Maßnahmen von dem Beschluss erfasst sind, kann demzufolge weder der einzelne Wohnungseigentümer noch ein Nachfolger im Sondereigentum anhand der verwendeten Formulierung erkennen oder ermitteln. Der Regelung mangelt es deshalb an der für die rechtliche Beachtlichkeit von Mehrheitsbeschlüssen notwendigen inhaltlichen Bestimmtheit und Klarheit, so dass er bereits aus diesem Grund für ungültig zu erklären ist.

Weiterhin ist noch bedenklich, dass die abschließende "Auftragserteilung" dem Beirat überlassen wird. Eine solche Delegation der elementaren Eigentümerbefugnisse ist zweifellos unzulässig, allerdings ist dies innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist nicht gerügt worden. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss im Rahmen der Klagebegründung der Kläger den wesentlichen Kern des tatsächlichen Lebenssachverhaltes, der die Anfechtungsklage stützen soll, beschreiben (BGH NJW 2009, 999; BGH NJW 2009, 2132; BGH NJW 2012, 1434). Die Begründungsfrist des § 46 Abs. 2 WEG soll bewirken, dass für die Wohnungseigentümer und für den zur Ausführung von Beschlüssen berufenen Verwalter zumindest im Hinblick auf Anfechtungsgründe alsbald Klarheit darüber besteht, ob, in welchem Umfang und auf Grund welcher tatsächlichen Grundlage gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden (BGH NJW 2009, 999 ; BGH NJW 2009, 2132 ; BGH NJW 2012, 1434 ). In Anlehnung an die Rechtsprechung zur aktienrechtlichen Vorschrift des § 246 AktG muss wenigstens die Angriffsrichtung innerhalb der Begründungsfrist festgelegt sein (BGH NJW 1966, 2055 ). Nach diesen Grundsätzen ist eine ausreichende Rüge nicht ersichtlich.

Ob die in dem Beschluss enthaltene Delegation von Aufgaben indes zur Nichtigkeit führt, ist fraglich. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist umstritten, welche Anforderungen an die Nichtigkeit zu stellen sind (OLG Köln NZM 2002, 1002; LG Dortmund Urteil vom 24.05.2016 1 S 445/15; 11 S 232/12 eher streng; dagegen OLG Köln NZM 2002, 1002 eher großzügig). In der Literatur wird vertreten, dass eine Nichtigkeit im Falle der Delegation dann nicht vorliege, wenn dies nur einen Einzelfall betreffe und der intendierte Schutzzweck hierdurch nicht ausgehöhlt werde (Niedenführ/Vandenhouten WEG § 21 Rn. 72). Dies sei aber nur dann anzunehmen, wenn die grundsätzliche Verantwortlichkeit den Eigentümern verbleibt und nur ein geringes finanzielles Risiko bestünde. Ob bei Anlegung dieser Maßstäbe letztlich nur von einer Anfechtbarkeit oder nicht sogar von einer Nichtigkeit angesichts der vollständigen Verlagerung der Entscheidungskompetenz auszugehen ist, erscheint der Kammer durchaus fraglich. Hinzu kommt, dass auch insoweit dem Beschluss eine Unbestimmtheit anhaftet, als völlig offen ist, nach welchen inhaltlichen Kriterien der Beirat die Aufträge vergeben soll (für Nichtigkeit bereits aus diesem Grund AG Hamburg-Blankenese ZMR 2018, 266 mwN). Letztlich kann aber auch dies hier dahinstehen, da der Beschluss bereits unbestimmt ist.

Der Beschluss zu TOP 11 teilt nach § 139 BGB das Schicksal des Beschlusses zu TOP 10. Auch insofern ist die Berufung begründet.

Nach § 139 BGB analog ist ein Beschluss dann insgesamt nichtig, wenn er zwar nur teilweise nichtig ist, aber ein abgrenzbarer Teil des Beschlussgegenstandes nach dem Willen der Eigentümer nicht ohne den nichtigen Teil beschlossen worden wäre (Bärmann/Merle WEG § 23 Rn. 166). Entsprechendes gilt auch für den Fall der Anfechtbarkeit, auch im Verhältnis zweier Beschlüsse (BGH NJW 2012, 2648; OLG Köln ZMR 2008, 70).

Der hier betroffene Beschluss setzt gerade die Durchführung der Sanierungsmaßnahme gemäß der Beschlussfassung zu TOP 10 voraus. Ohne die dort beschlossene Sanierungsmaßnahme ist der Beschlussgegenstand sinnlos. TOP 11 bezieht sich auf die in TOP 10 beschlossenen Erneuerung der Wasserleitungen im Gemeinschaftseigentum und enthält nun eine Bestimmung hinsichtlich der Wasserleitungen im Sondereigentum. Die Sanierung im Bereich des Sondereigentums soll zumindest zeitlich an die an die im Gemeinschaftseigentum angeglichen werden, um einen Anschluss an das neue Leitungssystem zu ermöglichen. Insofern sollen Nachteile, etwa durch Einspülen von Ablagerungen in das Hauptleitungssystem, vermieden werden. Weiterhin wird eine Finanzierung der Erneuerung im Sondereigentum durch den Verband ermöglicht, um durch gesammelte Ausgaben bzw. Darlehensaufnahmen eine Kostenersparung zu erreichen. Hierzu wird eine Frist zur Anzeige der vorgenommenen oder vorzunehmenden Erneuerungsarbeiten bestimmt.

All dies zeigt, dass die Erneuerung der Wasserleitungen im Gemeinschaftseigentum, wie in TOP 10 beschlossen, vom Beschlussgegenstand des TOP 11 vorausgesetzt wird. Es ist daher davon auszugehen, dass die Eigentümer keinen solchen Beschluss gefasst hätten, hätten sie die Ungültigkeit des Beschlusses zu TOP 10 erkannt, denn zumindest die dort beschlossenen Zeiten und Fristen ergäben dann keinen Sinn.

Der Beschluss zu TOP 14 entspricht dagegen ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Berufung ist insoweit zurückzuweisen.

Den Beschluss zu TOP 14 betrifft zunächst die oben ausgeführte die Rederechtbeschränkung des Klägers zu 1) nicht in kausaler Weise. Nach dem klägerseitigen Vortrag wollte der Kläger zu 1) Fragen hinsichtlich der später beschlossenen Sanierungsmaßnahmen stellen. Diese sind unabhängig von dem Beschlussgegenstand des Beschlusses zu TOP 14. Gegenstand war die Haftungsbegrenzung der Mitglieder des Verwaltungsbeirates. Diese ist unabhängig von der Beschlussfassung der streitgegenständlichen Sanierungsmaßnahmen und sollte nach dem Vortrag des Klägers nicht Teil der Ausführungen des Klägers zu 1) in der zweiten Eigentümerversammlung sein.

Inhaltlich ist der Beschluss nicht zu beanstanden.

Zutreffend führt das Amtsgericht insofern aus, dass die Eigentümer im Rahmen ihres Beurteilungsspielraumes die Haftung der Beiratsmitglieder beschränken konnten. Es handelt sich gerade nicht um eine vollumfängliche Entlastung. Vielmehr soll nur die Haftung hinsichtlich einer konkret abgrenzbaren Tätigkeit auf Fälle der groben Fahrlässigkeit und des Vorsatzes begrenzt werden. Ausgenommen sind hierbei in Anlehnung an die Einschränkungen des § 309 Nr. 7 BGB Schäden hinsichtlich des Leibes und Lebens der Eigentümer. So ist es durchaus sinnvoll eine derartige Regelung zur Haftungsbegrenzung zu treffen, um die Bereitschaft zur Übernahme einer solchen ehrenamtlichen Tätigkeit zu fördern (Bärmann/Merle/Becker WEG § 29 Rn. 113). Eine solche Regelung kann im Einzelfall auch durch Beschluss erfolgen (Bärmann/Merle/Becker WEG § 29 Rn. 115). Regelmäßig entspricht ein solcher Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung (Bärmann/Merle/Becker WEG § 29 Rn. 116; Niedenführ § 29 Rn. 34). Es gelten nicht dieselben strengen Anforderungen, wie dies bei einer vollständigen Entlastung der Fall wäre. Vorliegend ist jedoch auch nicht ersichtlich, dass Ansprüche gegen die Beiratsmitglieder in Betracht kämen.

Nach alledem war auf die Berufung das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Es handelt sich um die Entscheidung eines atypisch gelagerten Einzelfalls aufgrund der konkreten Umstände.

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