LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 31.10.2016 - 5/12 KLs - 7521 Js 211504/14 (9/16)
Fundstelle
openJur 2020, 43043
  • Rkr:

Marktmanipulation in Form des Scalpings war auch im Zeitpunkt der Änderung des WpHG zum 02.07.2016 strafbar. Es genügt eine Bezugnahme der Blankettstraftatbestände der §§ 38, 39 WpHG n.F. auf die in Kraft getretene Marktmissbrauchsverordnung, wenngleich diese erst ab dem 03.07.2016 Geltung erlangte. Dem stehen auch das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot und das Analogieverbot nicht entgegen.Zum Begriff des "Erlangten" im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB bei Marktmanipulation in Form des Scalpings.

Tatbestand

Das Landgericht ordnete mit der genannten Entscheidung einen dinglichen Arrest in das Vermögen einer Nebenbeteiligten im Strafverfahren an, jedoch nicht in der von der Staatsanwaltschaft beantragten, am Gesamterlös aus den manipulierten Aktienverkäufen orientierten Höhe. Dem lag zu Grunde, dass dem in diesem Strafverfahren Angeschuldigten vorgeworfen wurde, dass er im März 2011 als vertretungsberechtigtes Organ der Nebenbeteiligten, gegen Entgelt zu Gunsten der Nebenbeteiligten über zwei zu diesem Zweck geschaffene Börsendienst-Labels börsennotierte Aktien einer Gesellschaft gegenüber einer Vielzahl von Anlegern zum Kauf angepriesen habe, ohne dabei zu offenbaren, dass diese Empfehlung den finanziellen Interessen u.a. der Nebenbeteiligten - die über entsprechende Aktien der beworbenen Gesellschaft verfügte - an der Erzielung möglichst hoher Verkaufserlöse diente.

Das Landgericht bejahte unter II.1. einen dringenden Tatverdacht wegen Marktmanipulation gemäß §§ 38 Abs. 2 Nr. 1, 39 Abs. 1 Nr. 2, 20a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 WpHG a.F. und hatte sich dabei mit der zeitlichen Geltung des Strafgesetzes gemäß § 2 StGB auseinanderzusetzen. Nach Beendigung der vorgeworfenen Taten im März 2011 war vor der Entscheidung eine Gesetzesänderung des WpHG zum 02.07.2016 erfolgt, so dass gemäß § 2 Abs. 3 StGB das mildeste Gesetz anzuwenden war. Das Landgericht verneinte im Ergebnis eine Straffreiheit, die derzeit in der Literatur als das "mildestes Gesetz" mit dem Argument diskutiert wird, es habe am 02.07.2016 deshalb keine Strafdrohung bestanden, weil zu dieser Zeit der Verweis der §§ 38, 39 WpHG n.F. auf die VO (EU) Nr. 596/2014 vom 16.04.2014 (Marktmissbrauchsverordnung - Market Abuse Regulation, nachfolgend: MAR), welche zwar bereits seit 02.07.2014 in Kraft getreten war, jedoch erst zum 03.07.2016 Geltung erlangte, ins "Leere" geführt habe, was aufgrund des Meistbegünstigungsgrundsatzes eine faktische "Generalamnestie" für alle bis dahin begangenen und noch nicht abgeurteilten Verstöße bedeute (so Rothenfußer/Jäger, NJW 2016, S. 2689 (2690)).

Darüber hinaus hatte das Landgericht im Rahmen der Arrestanordnung zu entscheiden, ob und in welchem Umfang dringende Gründe dafür streiten, dass die Nebenbeteiligte aus der Tat im Sinne der §§ 73, 73a StGB etwas erlangt hat. Dies bejahte das Landgericht mit der Maßgabe, dass nicht der gesamte von der Nebenbeteiligten vereinnahmte Erlös aus den verfahrensgegenständlichen Aktienveräußerungen, sondern (lediglich) der daraus gezogene Sondervorteil im Falle einer Verurteilung für verfallen zu erklären ist.

Auf die von der Nebenbeteiligten erhobene Beschwerde gegen die Arrestanordnung bestätigte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 12.01.2017 - 3 Ws 901/16 die Annahme eines dringenden Tatverdachts, erweiterte jedoch - abweichend zu den nachfolgend unter II.2. dargestellten Gründen des Landgerichts - die Anordnung auf eine am gesamten Erlös orientierte Arrestsumme, da keine Gründe erkennbar seien, bei den sog. "Scalping"-Fällen das Bruttoprinzip einzuschränken.

Gründe

II.1. ... Einen leerlaufenden Verweis sieht die Kammer nicht. Eine Strafbarkeit nach §§ 38, 39 WpHG n.F. i. V. m. den in Bezug genommenen Vorschriften der MAR bestand auch am 02.07.2016.

Die §§ 38, 39 WpHG n.F. sind als Strafblankette ausgestaltet, die zwar die wesentlichen Strafbarkeitsund Ahndungsvoraussetzungen benennen und eine Strafdrohung enthalten, den Tatbestand aber nicht bzw. nicht vollständig selbst beschreiben, vielmehr durch Verweisung auf andere Rechtsvorschriften - hier eine EU Verordnung - Bezug nehmen (zur Abgrenzung von Verweisen als Begriffskonkretisierung/ normative Tatbestandsmerkmale s. Petzsche, NZWiSt 2015, S. 210 ff. (214) u. Bülte JuS 2015, S. 769 ff.). Da vorliegend die Verweisungsnorm und die Bezugsnorm nicht vom gleichen Normgeber stammen, handelt es sich um ein echtes Blankett bzw. um eine Außenverweisung (vgl. zur Terminologie Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts 2001, S. 216 sowie Hecker, Europäisches Strafrecht, 2. Aufl., S. 266). Eine solche Gesetzgebungstechnik ist nicht nur ökonomisch vorteilhaft (Vermeidung der Replizierung des Inhalts der Bezugsvorschrift, so bereits BVerfGE 47, 285 (312)), sondern im Bereich europarechtlicher Sachregelungskompetenz ohne gleichzeitige Ahndungskompetenz auch notwendig (vgl. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 2. Aufl., § 8, Rn. 64) und im Übrigen grundsätzlich zulässig, wobei im Falle von Strafblanketten sowohl die Verweisungs- als auch die Bezugsnorm den verfassungsrechtlichen Maßstäben des Grundgesetzes, insbesondere Art. 103 Abs. 2 GG zu genügen hat (vgl. etwa BVerfG NVwZ 2012, S. 504 ff. (505) ; für Strafblankette, die auf Gemeinschaftsrecht Bezug nehmen: Hecker, a.a.O., S. 267 und Satzger, a.a.O., § 8, Rn. 72). Verfassungsrechtlich unbedenklich sind starre bzw. statische Verweise, bei denen auf eine Norm in einer ganz bestimmten Fassung Bezug genommen wird, so dass der Gesetzgeber den Inhalt des in Bezug genommenen Rechts vor Augen hat und prüfen kann, ob er sich dies zu eigen machen will - im Gegensatz zu dynamischen Verweisen, bei denen auf die Bezugsnorm in der jeweils geltenden Fassung rekurriert wird (zur Unterscheidung und zur Verfassungsmäßigkeit statischer Verweise vgl. Ossenbühl DVBl. 1967, S. 401 ff. (401) sowie BVerfG NJW 1978, S. 1475 ; BVerfG NVwZ-RR 1992, S. 521). Um einen statischen Verweis handelt es sich hier, da in § 38 WpHG n.F. - an den § 39 WpHG n.F. anknüpft - explizit auf die MAR in der Fassung vom 16.04.2014 Bezug genommen wird (anders etwa der Verweis in § 1 Abs. 1 Nr. 6e) WpHG n.F., der auf die MAR in der jeweils geltenden Fassung abstellt.

KlöhnundBüttner, (ZIP 2016, S. 1801 ff. (1805)), knüpfen denn auch unmittelbar an diese statische Bezugnahme auf die MAR in der Fassung vom 16.04.2014 an und halten der These von der Straffreiheit entgegen, dass gerade nicht ins "Leere" verwiesen werde. Dem ist insoweit zuzustimmen, als hier im Unterschied zu den in umgekehrter Konstellation als "Leerverweis" entschiedenen Fällen (vgl. etwa BGH NStZ 1992, S. 535 (536) ; OLG Koblenz NJW 2007, S. 2344 ) die Bezugsvorschrift nicht weggefallen, aufgehoben oder ersetzt ist, vielmehr in Kraft war, allein am 02.07.2016 (noch) keine Geltung auf Gemeinschaftsebene erlangt hatte (zu Inkrafttreten und Geltung vgl. Bergmann/Vogt, wistra 2016, S. 347 ff. (348 f.)). Mithin gab es bereits am 02.07.2016 einen vollständigen Straftatbestand insoweit, als eine Verhaltensnorm und eine Sanktionsnorm vorlagen und durch entsprechende Verweisung ohne Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG (so die Problematik im umgekehrten Fall, vgl. etwa OLG Koblenz NStZ 1989, S. 188 ff.) miteinander verknüpft waren.

Eine Bezugnahme auf die MAR war auch bereits am 02.07.2016 möglich, obschon sie an diesem Tag zwar in Kraft war, aber noch nicht galt und es damit noch keinen gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsbefehl für die dem Recht der EU unterworfenen Bürger bzw. die Mitgliedstaaten gab. (Dies scheint auch mit Blick auf die o.g. Entscheidung BGH NStZ 1992, S. 535, in der der Bundesgerichtshof von der notwendigen Verknüpfung "wirksamer" Verhaltensnorm und "rechtswirksamer" Sanktionsnorm spricht, nicht selbstverständlich.)

Grundsätzlich kann eine Blankettvorschrift auch auf eine nicht geltende Vorschrift Bezug nehmen (BVerfGE 11, 203 (218) = NJW 1960, S. 1445 ff. (1447) : dort stand die Nichtigkeit des § 110 BBG der Gültigkeit seiner Regelungen durch Bezugnahme in die Gesetzgebung zu Art. 131 GG nicht entgegen); ebenso bereits BVerfGE 8, 274 (302 f.); vgl. allgemein zur Zulässigkeit eines Verweises auf nichtgeltendes Recht BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit 2008, Teil B, Rn. 249). Ob dies vom verweisenden Gesetzgeber gewollt ist oder dieser die Gültigkeit der in Bezug genommenen Vorschriften voraussetzt, ist durch Auslegung zu ermitteln (bereits OLG Köln, NJW 1988, S. 657 ff. (658) ). Hierbei ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich geltendes Recht in Bezug nehmen will (so Cornelius in NZWiSt 2014, S. 173 ff. (176) mit Verweis auf BGH NStZ 1992, S. 535 ). Insbesondere für die Fälle, in denen der nationale Gesetzgeber auf unmittelbar wirkendes Gemeinschaftsrecht (VOen) verweist, ist wegen der Umsetzungspflicht (Art. 10 EGV) und wegen der für den Regelungsbereich der Bezugsvorschrift dann bestehenden Ausführungssperre für den nationalen Gesetzgeber anzunehmen, dass er nur an geltendes Unionsrecht anknüpfen will (so m.w.N. Cornelius, a.a.O.S. 176); ebenso bereits OLG Köln, NJW 1988, S. 657 ff. (658) ).

Die Auslegung des WpHG n.F. ergibt hier, dass der Gesetzgeber die Gültigkeit der MAR auf Gemeinschaftsebene am 02.07.2016 nicht voraussetzte.

Dem Wortlaut der §§ 38, 39 WpHG n.F. kann für diese Frage über die Ambivalenz des Begriffs des "Verstoßens" bei Blanketttatbeständen hinaus (s. dazu unten) nichts entnommen werden.

Die historische Gesetzesauslegung ergibt zweierlei. Vorliegend könnte zwar nach subjektivem Ansatz mit Blick auf die Gesetzgebungsmaterialien (hierzu eingehend mit Verweisen auf die entsprechenden BT-Drucksachen Rothenfußer/ Jäger, a.a.O. S. 2690 u. Bergmann/Vogt, wistra 2016, S. 347 ff.) geschlossen werden, der Gesetzgeber sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die MAR bereits am 02.07.2016 gelte, so dass er gerade auf geltendes Recht habe Bezug nehmen wollen. Obschon nicht aus den Gesetzgebungsmaterialien ersichtlich, könnte aber nach objektivem Ansatz gerade der umgekehrte Fall vorgelegen haben, dass der Gesetzgeber die Geltung der MAR am 03.07.2016 zutreffend vor Augen hatte und bewusst an die gemeinschaftsrechtlich noch nicht geltenden Regelungen der MAR in Deutschland einen Tag zuvor anknüpfen wollte, um jedenfalls die Bestandsschutzklausel des Art. 30 MAR zu erfüllen (so Pressemitteilung der BaFin vom 08.07.2016 und zur Erläuterung vgl. dazu Klöhn/ Büttner, a.a.O. S. 1804; dagegen verstehen Rothenfußer/ Jäger, a.a.O. S. 2692, Art. 30 MAR als Wahlrecht, das nicht zur früheren Umsetzung strafrechtlicher Sanktionen in Deutschland zwingt). Die historische Auslegung ist daher zunächst nicht eindeutig.

Selbst wenn der Gesetzgeber sich aber über den Geltungsbeginn der Verordnung geirrt haben sollte, ergibt die Gesetzesauslegung nach Sinn und Zweck, dass - gleich wie im umgekehrten Fall bewusster Bezugnahme auf noch nicht geltendes Recht - mit der Neufassung des WpHG an der bestehenden Strafbarkeit der Marktmanipulation unter den Weiterungen der MAR ohne gesetzlosen Zustand festgehalten werden sollte. Dem Willen des Gesetzgebers entspricht es dann aber, dass im Falle eines irrtümlichen Versehens für eine Übergangszeit (hier einen Tag) noch nicht geltendes Recht in Bezug genommen wird, um die strafrechtliche Sanktionsandrohung für Marktmanipulation nicht auszusetzen.

Dies widerspricht auch nicht den Auslegungsergebnissen in den umgekehrten Fällen. Wenn etwa das OLG Koblenz, NJW 2007, S. 2344 ff. (ähnlich bereits OLG Köln, NJW 1988, S. 657 ff. (658) sowie OLG Hamburg NZV 2007, S. 372), nach Auslegung des Fahrpersonalgesetzes, welches auf eine VO (EWG) in einer bestimmten Fassung verwies, zur Auffassung gelangt, dass nach Aufhebung der VO (EWG) und deren Ersetzung durch eine andere VO, der Verweis nicht mehr passe und der Gesetzgeber auch nicht auf die außer Kraft befindliche VO (EWG) habe Bezug nehmen wollen, da allein aus dem Versäumnis der Anpassung des nationalen Gesetzes nicht gefolgert werden könne, dass für eine Übergangszeit die aufgehobene VO weitergelten solle, so kommt damit zum Ausdruck, dass der dortige Gesetzgeber wegen seiner Umsetzungspflicht für das neue Gemeinschaftsrecht nicht der überholten Norm vermittels der Verweisung Geltung verschaffen wollte, sondern das nationale Recht an das nunmehr geltende Gemeinschaftsrecht anzupassen beabsichtigte. Erfolgt dies verspätet, ist es nicht sein hypothetischer Wille, dass die aktuelle Verhaltensvorschrift auf Gemeinschaftsebene und jene noch in Bezug genommene veraltete Verhaltensvorschrift auf nationaler Ebene - wenn auch nur für eine kurze Übergangszeit - auseinanderfallen. Anders gewendet, bedingt die durch die Bezugnahme erreichte Akzessorietät des Strafrechts an eine außerstrafrechtliche Verhaltensvorschrift (Hecker, a.a.O. S. 266 spricht daher von gemeinschaftsrechtsakzessorischen Tatbeständen) regelmäßig, dass die Verweisungsnorm die Gültigkeit der Bezugsvorschrift voraussetzt (so Satzger, a.a.O., S. 270, wobei Satzger an anderer Stelle davon spricht, dass regelmäßig nur auf "in Kraft befindliches EG-Recht" Bezug genommen werden soll, vgl. Satzger, a.a.O., § 8, Rn. 81 (Fn. 98)). Anders liegt der Fall aber hier. Vorliegend war eine VO (EU) in Kraft, zu deren Umsetzung der nationale Gesetzgeber bis zum 03.07.2016 verpflichtet war. Den darin enthaltenen Verhaltensvorschriften wollte er jedenfalls mit Änderung und Neufassung des WpHG auf nationaler Ebene Geltung verschaffen. Ein Akzessorietätsproblem stellt sich nicht. Die (noch nicht gegenüber dem Einzelnen geltende) Verhaltensvorschrift auf Gemeinschaftsebene und diejenige auf nationaler Strafbarkeitsebene fallen inhaltlich nicht auseinander. Mithin besteht keine Rechtszersplitterungsgefahr und es wird auch inhaltlich kein nationales Ver- bzw. Gebot geschaffen (zu dieser Gefahr vgl. Satzger, a.a.O., Kap. 4 S. 231 f.). Vielmehr macht sich der nationale Gesetzgeber die gemeinschaftsrechtliche Verhaltensvorschrift früher als erforderlich zu Eigen. Ebenso wenig besteht im Falle vorzeitiger Umsetzung von Gemeinschaftsrecht eine Ausführungssperre dahin, dass zeitgleich unterschiedliche Verhaltenspflichten bestehen würden (zur europarechtlichen Zulässigkeit frühzeitigerer Umsetzung von VO s. Klöhn/ Büttner, a.a.O. S. 1806).

Als Zwischenergebnis ist somit Folgendes festzuhalten: Der Umstand, dass in den ab dem 02.07.2016 geltenden §§ 38,39 WpHG n. F. auf erst ab dem 03.07.2016 geltende Vorschriften der MAR verwiesen wird, steht einer Strafbarkeit nach den Vorschriften des WpHG n.F. ab dem 02.07.2016 jedenfalls nicht ohne Weiteres entgegen. Denn es reicht aus, dass die Vorschriften, auf die verwiesen wird, bereits in Kraft waren. Die historische Auslegung der §§ 38, 39 WpHG n.F. schließt es nicht aus, dass der Gesetzgeber auf noch nicht geltendes Recht hat Bezug nehmen wollen. Teleologisch betrachtet, ist dies beabsichtigt gewesen. Eine Geltungslücke (die zu der von der Literatur diskutierten "Generalamnestie" führen könnte) war dagegen nicht gewollt und würde den Sinn und Zweck der Vorschriften konterkarieren.

Der hier (in Übereinstimmung mit Klöhn/Büttner a. a. O.) vertretenen Auslegung der §§ 38, 39 WpHG n. F. dahingehend, dass die dort unter Zuhilfenahme eines Verweises auf die MAR umschriebenen Verhaltensweisen bereits am 02.07.2016 strafbar waren, steht auch weder das Bestimmtheitsgebot noch das Verbot einer Analogie zu Ungunsten des Täters gemäß Art. 103 Abs. 2 GG entgegen (als gemeinschaftsrechtsakzessorisches Blankett hat es zudem dem im Wesentlichen gleichlaufenden Bestimmtheitsgebot aus der Grundrechte Charta zu genügen, s. Petzsche, NZWiSt 2015, S. 210 ff. (212)).

Diese Garantien sind sowohl Ausdruck eines strengen Gesetzesvorbehalts als auch der Sicherung von Freiheitsrechten, dadurch dass jedermann vorhersehen können soll, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Das bedeutet zur Bestimmung legislativen Handelns zunächst, dass der entsprechende Rechtssatz ordnungsgemäß verkündet worden sein muss. Im Falle eines Blankettgesetzes muss zugleich der Bezugstext durch Publikation gesichert sein und jeder die Möglichkeit haben, sich von ihm Kenntnis zu verschaffen (so allgemein zur Verweisungstechnik im Falle der Bezugnahme auf nicht geltendes Recht BMJ, Handbuch der Rechtsförmlichkeit 2008, Teil B, Rn. 249). Hierbei genügt es, dass die in Bezug genommene Vorschrift dem Normadressaten durch eine frühere ordnungsgemäße Veröffentlichung zugänglich ist (BVerfGE 47, 285 (311) = NJW 1978, S. 1475 ff. ). Vorliegend sind das Änderungsgesetz zum WpHG ordnungsgemäß im Bundesgesetzblatt und die MAR ihrerseits im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften verkündet worden. Hierbei ist es unschädlich, dass die Publikation des Bezugstextes nicht in den die Verweisungsnorm verkündenden amtlichen Veröffentlichungen erfolgte, denn es genügt, dass die Publikation nach ihrer Art für amtliche Anordnungen geeignet ist (so ausführlich und mit Verweis auf BVerwG NJW 1962, S. 506, Brugger, VerwArch 1987 (78), S. 1 ff. (12 ff.). Dies ist für das Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften verfassungsgerichtlich anerkannt (vgl. ausführlich mit Hinweisen auf die entsprechende Rechtsprechung Satzger, a.a.O., Kap. 4, S. 267).

Der Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot zu Ungunsten des Täters bedeuten im Weiteren für den Strafgesetzgeber, dass er wesentliche Fragen der Strafbarkeit im demokratischparlamentarischen Willensbildungsprozess klärt und dass die Strafnorm die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Sanktion so konkret umschreibt, dass Tragweite und Anwendungsbereich erkennbar sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (so etwa BVerfGE 126, 170 (195)). Dies gilt auch für Blankettstraftatbestände (BVerfG NWwZ 2012, S. 504 ff. (505), wobei hinzukommt, dass hinreichend klar erkennbar wird, worauf sich die Verweisung bezieht (Satzger, a.a.O., § 8 Rn. 74; Petzsche, a.a.O. S. 212). Maßgebend für die Auslegung eines Gesetzes ist der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem es steht (m.w.N. BVerfG NVwZ 2012, S. 504 ff. (505) ). Mit dem Wortlaut ist zugleich die äußerste Grenze der Auslegung zur verbotenen Analogie markiert (s. Eser/Hecker in: S/S StGB, 29. Aufl. 2014, § 1 Rn. 37).

Problematisch erscheint vorliegend, ob die Auslegung dahin, dass in §§ 38, 39 WpHG n.F. am 02.07.2016 auch auf die (noch) nicht geltende MAR Bezug genommen wird, noch mit dem Wortlaut der Normen vereinbar ist. Das haben Rothenfußer/Jäger (a. a. O) zutreffend herausgearbeitet.

Die Kammer hätte an einer hinreichend bestimmten Bezugnahme der §§ 38, 39 WpHG n.F. auch auf am 02.07.2016 noch nicht geltendes Recht jedenfalls dann keinen Zweifel, wenn in § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG n. F. sinngemäß etwa wie folgt formuliert worden wäre: "Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig eine Marktmanipulation im Sinne von Art. 15 der VO (EU) Nr. 596/2014 (in der Fassung vom 02.07.2014) begeht ...". Es läge in diesem Fall, wie dargelegt, weder ein unzulässiger noch ein ins Leere gehender Verweis vor.

Aus dem vom Gesetzgeber gewählten Wortlaut ergeben sich indessen Bedenken.

Zwar bezieht sich der Verweis in § 39 WpHG n.F. nicht etwa explizit auf die "geltende" MAR. Die vom Gesetzgeber hier gewählte Formulierung in § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG n.F.: "Ordnungswidrig handelt, wer gegen die VO (EU) Nr. 596/2014verstößt, indem er vorsätzlich oder leichtfertig entgegen Artikel 15 eine Marktmanipulation begeht, ..." legt dem Wortlaut nach aber nahe, dass zunächst eine Handlungspflicht bestehen muss, deren zuwider gehandelt, mithin verstoßen werden muss. Denn ein Verstoß setzt nach dem allgemeinen Wortsinn eine Verletzung von Bestimmungen oder Anordnungen, ein Übertreten von Grenzen voraus. Ein Verstoß zeitigt eine Rechtsfolge, die sich wiederum als Reaktion auf eine Aktion nur rechtfertigt, wenn die Bestimmungen, Anordnungen oder Grenzen für die Adressaten rechtsverbindlich waren, mithin Geltungskraft hatten. Da sich auf Gemeinschaftsrechtsebene vor Geltungsbeginn der MAR ungeachtet ihres Inkrafttretens aus dieser noch keine Verhaltenspflichten für den Einzelnen ergeben konnten, kommenRothenfußerundJäger(a.a.O.) mit guten Gründen zu dem Schluss, dass mangels Möglichkeit eines Verstoßes gegen die MAR am 02.07.2016 Marktmanipulation nicht strafbar war.

Diese Betrachtung greift jedoch insoweit zu kurz, als die Besonderheiten von Blankettstraftatbeständen außen vor bleiben.

Folge eines Verweises ist nämlich, dass der Inhalt der Bezugsvorschrift in die Verweisnorm inkorporiert wird (sog. Inkorporationstheorie, vgl. m.w.N. Satzger, a.a.O., Kap. 4, S. 219).

Die ausfüllende außerstrafrechtliche Norm ist in den Blanketttatbestand hineinzulesen, so dass die außerstrafrechtliche Vorschrift an der Rechtsnatur der Strafnorm teilnimmt (m.V.a. BVerfG, vgl. Bülte, BB 2010, S. 1759 ff. (1765) sowie ders. in: JuS 2015, S. 769 ff. (770, 772); ebenso Hecker, a.a.O., S. 267). Dies bedeutet, dass erstens der Inhalt der in Bezug genommenen Vorschrift in die Verweisvorschrift transformiert und inkorporiert wird, so dass der Bezugsnorm ein neuer (zusätzlicher) Geltungsbereich erschlossen wird, zweitens dieser in Bezug genommene Inhalt nunmehr die Geltungskraft und Rangstufe der Verweisvorschrift teilt und folglich innerhalb der Verweisvorschrift mit den diesbezüglichen Rechtsschutzmöglichkeiten kontrollierbar wird (diese drei Folgen ausmachend Brugger, VerwArch 1987 (78), S. 1 ff. (4 f.)). Bereits in BVerfGE 47, 285 (312 f.) klingt an, dass "das in Bezug genommene Recht in Geltung gesetzt wird" und die Verweisung bewirkt, dass der Inhalt der Bezug genommenen Vorschrift Bestandteil der Verweisungsnorm wird und an deren Rechtscharakter teilhat (so kommen auch Bergmann/ Vogt, a.a.O. S. 349, zu dem Schluss, dass die in Bezug genommenen Artikel der MAR "durch den Verweis in Geltung gesetzt wurden"). Die Verweisung führt zwar nicht zu einer materiellen Verdopplung der außerstrafrechtlichen Verhaltenspflicht dahin, dass nunmehr eine selbständige inhaltsgleiche strafrechtliche Verhaltenspflicht begründet wird (daher Akzessorietät des Strafrechts, so Satzger, a.a.O., Kap. 4, S. 220). Die Inkorporation hat formal jedoch die Wirkung, dass die außerstrafrechtliche, gemeinschaftsrechtliche Verhaltensvorschrift "kraft Geltungsbefehl der Verweisungsnorm" gilt (so Satzger, a.a.O., § 8 Rn. 69.). Mithin besteht im Geltungsbereich der Verweisungsnorm, hier des WpHG n.F., die in Bezug genommene Verhaltenspflicht, hier aus Art. 15 MAR, gegen die verstoßen werden kann: In Deutschland konnte am 02.07.2016 gegen Art. 15 MAR "verstoßen" werden, weil der deutsche Strafgesetzgeber ein Handeln im Sinne von Art. 15 MAR bereits am 02.07.2016 unter Strafe gestellt und Art. 15 MAR in die deutsche Strafnorm inkorporiert hatte. Jedenfalls ist der Wortlaut als äußerste Grenze der Auslegung noch nicht überschritten, wenn statt von einem Verstoß gegen das zum Bestandteil des WpHG gewordenen Verbot der Marktmanipulation, verkürzend von einem "Verstoß" gegen die MAR gesprochen wird.

Es war mit Blick auf den Willen des Gesetzgebers, das WpHG in seiner Pflicht zur Umsetzung unmittelbar wirkenden Europarechts zum Zwecke der Rechtsvereinheitlichung innerhalb der EU zu ändern, für den Einzelnen auch erkennbar, dass zeitgleich mit der Änderung des WpHG Handlungen, die den in der MAR aufgestellten Verhaltenspflichten zuwiderlaufen, in Deutschland verboten und straf- bzw. bußgeldbewehrt sein sollen. Der Einzelne hatte Zugang zu den in Bezug genommenen Rechtssätzen und konnte sein Verhalten darauf einstellen. Wenngleich klarere Gesetzgebungstechniken für eine Bezugnahme auf die am 02.07.2016 noch nicht geltende MAR denkbar und vom Gesetzgeber andernorts auch angewandt worden sind (vgl. Rothenfußer/ Jäger, a.a.O. S. 2691 und auch Klöhn/ Büttner, a.a.O. S. 1806 f.), genügt der hier gewählte Verweis vor dem Hintergrund, dass es dem Rechtsunterworfenen klar ist, dass auf die MAR in der Fassung von 2014 Bezug genommen wird und deren Regelungen mit Neufassung des WpHG, mithin am 02.07.2016, nunmehr die Grundlagen für die Regulierung der Finanzmärkte bilden. Für Strafblankette, die auf Richtlinien lediglich in erläuternder Funktion (als normatives Tatbestandsmerkmal) Bezug nehmen, entschied der Bundesgerichtshof unlängst betreffend die Erkennbarkeit dessen, was unter Strafe gestellt ist für den Fall des Außerkrafttretens der Richtlinie, dass "der Umstand des Außerkraftseins der Richtlinie" nicht dazu führe, dass der Rechtsunterworfene das unter Strafe stehende Verhalten nicht mehr hätte erkennen könne (s. BGH NJW 2014, S. 1029 ).

Die Annahme, dass der Wortlaut "ordnungswidrig handelt, wer gegen die VO (EU) Nr. 596/2014 verstößt, indem er vorsätzlich oder leichtfertig entgegen Artikel 15 MAR eine Marktmanipulation begeht ..." der aus systematischen, historischen und teleologischen Gründen gebotenen Interpretation als "ordnungswidrig handelt, wer (gegen das WpHG dadurch verstößt, dass er) vorsätzlich oder leichtfertig eine Marktmanipulation im Sinne von Art. 15 der VO (EU) Nr. 596/2014 begeht ..." zwingend entgegen steht, vermag die Kammer daher letztlich nicht zu teilen. Hier ist die Gesetzesformulierung zwar unglücklich gewählt. Die verkürzende Formulierung ist aber keineswegs so eindeutig, dass ein Rechtsunterworfener - sei er beraten gewesen oder nicht - darauf hätte vertrauen können, dass sich aus dieser Formulierung für den 02.07.2016 die Straflosigkeit ergibt. Stattdessen ist die hier vertretene Auslegung auch mit dem Wortlaut noch ausreichend vereinbar.

Auch im Übrigen sieht die Kammer keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot.

Insbesondere sieht die Kammer anders alsBergmann/ Vogt(a.a.O. S. 350) nicht, dass die Regelungen der §§ 38 Abs. 1 Nr. 2, 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG n.F., deshalb zu unbestimmt sind, weil sie auf das Verbot der Marktmanipulation in Art. 15 MAR ("Marktmanipulation und der Versuch hierzu sind verboten.") Bezug nehmen, ohne an dieser Stelle zugleich Art. 12 MAR zu nennen, der den Begriff der Marktmanipulation erläutert. Es ergibt sich bereits hinreichend deutlich aus der Regelungssystematik, dass der Gesetzgeber auch für einen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation die begriffliche Erläuterung aus Art. 12 MAR zur Auslegung des Begriffs der Marktmanipulation in Bezug genommen hat. Systematisch vor der hiesigen Strafvorschrift wird in § 12 WpHG n.F. nämlich die Anwendung der MAR auf bestimmte Handelsgüter (die bisher nach dem nationalen Verbot der Marktmanipulation gemäß § 20a WpHG a.F. erfasst waren) erstreckt und hierbei textlich vor der Anwendbarkeitsklausel erklärt, dass Art. 15 MAR in Verbindung mit den begriffsklärenden Absätzen 1 bis 4 des Art. 12 MAR steht. Wenn die §§ 38 Nr. 1, 39 Abs. 2 Nr. 3 oder Abs. 3c WpHG Zuwiderhandlungen gegen die MAR unter Strafe stellen und dabei ausdrücklich jeweils den Verweis auf Art. 15 MAR in Verbindung mit Art. 12 MAR in dem diese Normen betreffenden Umfang enthalten, bestätigt dies zunächst die Heranziehung von Art. 12 MAR. Die dortige Benennung von Art. 12 Abs. 1 MAR - im Gegensatz zu § 39 Abs. 3 d Nr. 2 WpHG - ist jedoch entgegen Bergmann/ Vogt, (a.a.O., S. 350 f.), keine Ungenauigkeit mit der Folge, dass allein die §§ 39 Abs. 2 Nr. 3 und 39 Abs. 3c WpHG n.F. hinreichend bestimmt wären. Vielmehr verlangte es die (VO überschießende) Erstreckung der MAR auf die in § 12 WpHG n.F. bestimmten Handelsgüter, dass in abweichender Regelungstechnik eine Zuwiderhandlung gegen § 12 WpHG n.F. i.V.m. dem die Grundtatbestände einer Marktmanipulation bezeichnenden Art. 12 Abs. 1 MAR in § 39 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 c WpHG n.F. benannt ist (vgl. zum Sanktionssystem Kudlich, AG 2016, S. 459 ff. (462 f.)). Es erschließt sich auch nicht, warum zur Auslegung des Begriffs der Marktmanipulation nicht auf die in Kraft befindliche MAR oder aber auf die der MAR vorangehende und am 02.07.2016 noch geltende Marktmissbrauchsrichtlinie oder die nationale Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung abgestellt werden kann. Bislang hielt die Rechtsprechung den Marktmanipulationsstraftatbestand gerade unter Heranziehung konkretisierender Rechtsvorschriften für hinreichend bestimmt (vgl. BGH NZG 2014, S. 315 ). Auch wird Art. 15 MAR als inkorporierter Bestandteil des WpHG n.F. wegen der Akzessorietät des Strafrechts gemeinschaftsrechtskonform auszulegen sein, mithin wird auch hierüber die MAR - sei es auch lediglich als in Kraft befindliche Norm - heranzuziehen sein.

Da die §§ 38, 39 WpHG n.F. als statische Verweise ausgestaltet sind, die in Bezug genommene VO (EU) genau bezeichnen, die wesentlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit enthalten und lediglich die nähere Spezifizierung des Tatbestands dem gemeinschaftsrechtlichen Verordnungsgeber überlassen, sind weder Bestimmtheitsgrundsatz im Übrigen, noch das Demokratieprinzip oder der Parlamentsvorbehalt berührt (vgl. dazu Hecker, a.a.O., S. 268 u. Klöhn/ Büttner, a.a.O. S. 1807).

II.2. Aus der Tat erlangt sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (vgl. etwa BGH NStZ 2011, S. 83 ). Hier hat die Nebenbeteiligte aus dem Verkauf der von ihr gehaltenen (X) Aktien abzüglich der Aufwendungen für getätigte Ankäufe einen Erlös in Höhe von insgesamt XXX EUR erzielt. Entgegen der beantragten Abschöpfung dieses Betrags, ist - im Falle einer Verurteilung - im Anschluss an BGH NZG 2016, S. 751 (Bschl. v. 25.2.2016 - 3 StR 142/15) (lediglich) der Sondervorteil für verfallen zu erklären.

Die Rechtsprechung bestimmt das erlangte Etwas nicht einheitlich. Während nach der Rechtsprechung des 1. Strafsenats des BGH das Erlangte in seiner Gesamtheit ohne Berücksichtigung von Gegenleistungen dem Verfall unterliegt (Bruttoprinzip), bestimmen der 5. und 3. Strafsenat das Erlangte zunächst danach, was letztlich strafbewehrt ist und lassen erst nachfolgend wegen des Bruttoprinzips gewinnmindernde Abzüge unberücksichtigt. Die Kasuistik ist entsprechend uneinheitlich, wobei sich die Senate bemühen, im jeweiligen Einzelfall darzulegen, worin die strukturellen Unterschiede bestehen, die es rechtfertigen - ohne ein Verfahren nach § 132 GVG anzustrengen - unter Anwendung vermeintlich gleichlaufender Terminologie ("Verfall des strafrechtlich Bemakelten") den von ihnen jeweils vertretenen Abschöpfungsgedanken anzuwenden (Überblick bei Heine, NStZ 2015, S. 127 ff.).

Die Einordnung des hiesigen Falls der Marktmanipulation in Form des "Scalping" ist entsprechend schwierig. Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft zunächst darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Frage der strafrechtlichen Bemakelung Parallelitäten zur Konstellation unlauterer Werbung (1 StR 166/07) aufweist. Dort war der gesamte Erlös für verfallen erklärt worden, weil die verletzte Strafnorm den Verbraucher vor zweckverfehltem und vermögensschädigendem Mitteleinsatz bewahren wolle, weshalb - unabhängig davon, dass die Käufe an sich legal waren - auch der Mitteleinsatz selbst bemakelt sei, weil es ohne die Werbung auch die Käufe nicht gegeben hätte. Andererseits lassen sich Scalping Fälle ohne Weiteres mit den Konstellationen des Insiderhandels vergleichen, bei denen die Rechtsprechung nur den Wert der Insiderinformation als Sondervorteil abschöpfen will (vgl. BGH NJW 2010, S. 882 ff. (884) ). Danach sei beim Insiderhandel nur die Art und Weise der Ausführung des Geschäfts, nicht aber dieses an sich verboten, sodass sich der Unwert der Tat in dem vom Insider realisierten Sondervorteil (Verschonung von dem Wertverlust) darstellt. Entsprechend könnte für das Scalping argumentiert werden, dass nicht der Verkauf der Aktien an sich bemakelt sei, sondern die Art und Weise des Zustandekommens der Geschäfte, nämlich die Kaufempfehlung ohne entsprechende Offenlegung des Eigeninteresses.

Die gegenteilige Ansicht, beim Scalping sei anders als beim Insiderhandel das Geschäft als Ganzes bemakelt, geht mit Blick etwa auf die gleichlautenden Verbote des Insiderhandels und der Marktmanipulation gemäß Artt. 14, 15 MAR fehl. Auch der Verweis, darauf, dass die Einwirkung auf den Börsenpreis zum Tatbestand des Scalping gehöre, schlägt nicht durch, weil einerseits nicht nur durch Eigengeschäfte auf den Börsenpreis eingewirkt werden kann, sondern auch durch - von den abschöpfungsrelevanten Verkäufen unabhängigen - Drittgeschäfte und andererseits die Preisbildung nur der Reflex der marktwidrigen Empfehlung ohne Offenlegung des Interessenkonflikts ist. Dies ist auch der Unterschied zu den anders gelagerten Fällen der Marktmanipulation durch abgesprochene Verträge (sog. matched orders bzw. prearranged trades), bei denen das marktwidrige Verhalten und der hieraus folgende Unwert der Tat gerade in den durch kollusives Zusammenwirken erreichten, nicht genehmigungsfähigen Transaktionen liegt, so dass das Geschäfts selbst strafrechtlich bemakelt ist (vgl. BGH - 3 StR 5/13 - NZG 2014, S. 315 ff. (319) ). Im Unterschied dazu wären die hiesigen Verkaufsgeschäfte nicht bemakelt, wenn bei der Kaufempfehlung das Eigeninteresse hinreichend offengelegt worden wäre (vgl. dazu OLG München, NJW 2011, S. 3664 (3665)). Dies erinnert an die Konstellation der nicht genehmigten Waffenexporte (BGH 3 StR 343/11 Urt. v. 19.1.2012), bei dem wegen der Genehmigungsfähigkeit des Geschäftes (Einholung einer Genehmigung zur Ausfuhr) nicht der Abschluss oder die Erfüllung des Vertrages, sondern nur die Umgehung der Kontrollbefugnis bemakelt sei. Nunmehr äußerte sich der 3. Strafsenat auch zum Scalping entsprechend (BGH NZG 2016, S. 751 Bschl. v. 25.2.2016 - 3 StR 142/15), hält auch hier an seiner Linie fest und stellt für den Unwert der Tat und den spiegelbildlichen Vermögensvorteil darauf ab, dass jedenfalls die Wertsteigerung der Aktien - im Gegensatz zu dem zumeist durch außertatbestandliche Verkäufe erzielte Erlös - derjenige Vermögenszuwachs ist, der auch unmittelbar aus der Tat erlangt ist. Dem schließt sich die Kammer an. Die Kammer hält eine normative, einschränkende, dem Spannungsverhältnis aus Übermaßprinzip, Bestimmtheitsgebot und dem Schutzzweck der Norm Rechnung tragende Betrachtung des Begriffs des "Erlangten" jedenfalls für die Fälle für geboten, in denen nicht der Vertragsschluss als solcher, sondern nur dessen Anbahnung strafrechtlich bemakelt ist. Im Ergebnis ist nicht das Handelsgut (hier: Aktien) in seiner Gesamtheit abzuschöpfen, sondern nur der aus dem verbotenen, marktwidrigen Handeln generierte Vorteil (hier: Wertsteigerung der Aktien). Bei der Berechnung dieses Vorteils sind dann aber - entsprechend dem Bruttoprinzip - keine Kosten, Aufwendungen oder Wagnisse abzuziehen.

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