Bayerischer VGH, Beschluss vom 18.06.2018 - 15 ZB 17.635
Fundstelle
openJur 2020, 53221
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich als Nachbarin gegen eine der Beigeladenen mit Bescheid des Beklagten erteilte isolierte Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans.

Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. ... der Gemarkung W* ... (Baugrundstück), das östlich an das ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück der Klägerin FlNr. ... (Nachbargrundstück) angrenzt. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines ein allgemeines Wohngebiet festsetzenden Bebauungsplans, der über festgesetzte Baugrenzen die überbaubare Grundstücksfläche regelt. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans heißt bei "§ 10 Garagen und Nebengebäuden" unter Nr. 10.1:

"Garagen und sonstige Nebengebäude dürfen nur innerhalb der überbaubaren Flächen errichtet werden."

sowie unter Nr. 10.4:

"Garagen und Nebengebäude dürfen an der Grundstücksgrenze nicht länger als 8,00 m ausgeführt werden."

Unter dem 16. Dezember 2015 erließ der Beklagte auf vorherigen Antrag der Beigeladenen einen Bescheid für einen Carport auf dem Baugrundstück an der Grenze zum Nachbargrundstück (außerhalb festgesetzter Baugrenzen), in dem es unter Nr. 1 heißt:

"Von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 2 ‚B* ...‘ 1. Änderung des Marktes W* ... wird folgende Befreiung erteilt:

Die erforderliche Befreiung für die Errichtung eines Carports außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze sowie die Überschreitung der Bebauung an der Grundstücksgrenze um 40 cm (insgesamt 8,40 m statt vorgeschriebenen 8 m) werden befürwortet."

Mit Urteil vom 9. Februar 2017 wies das Verwaltungsgericht die von der Klägerin gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2015 gerichtete Anfechtungsklage ab. Das Verwaltungsgericht verneinte eine Nachbarrechtsverletzung zulasten der Klägerin. § 10.1 und § 10.4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans, von denen befreit worden sei, seien nicht nachbarschützend. Darüber hinaus sei die Befreiung nicht unter Verletzung des drittschützenden Gebots der Rücksichtnahme erteilt worden. Selbst wenn von einer Befreiung von einer drittschützenden Festsetzung ausgegangen werden würde, sei diese rechtmäßig und deswegen ohne Verletzung von Rechten der Klägerin erfolgt.

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Es ist auf Basis des klägerischen Vortrags im Zulassungsverfahren nicht ersichtlich, dass die streitgegenständliche isolierte Befreiung die Klägerin in subjektiven Rechten verletzen könnte, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Bei Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, richtet sich der Nachbarschutz hingegen nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots (§ 31 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird. Dieser dogmatische Ausgangspunkt (vgl. jeweils m.w.N.: BayVGH, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 22; B.v. 5.4.2018 – 1 ZB 16.2598 – juris Rn. 4; B.v. 10.4 2018 – 1 ZB 17.3 – juris Rn. 4) ist zwischen den Parteien nicht umstritten.

a) Die Klägerin hat in der Zulassungsbegründung nicht hinreichend dargelegt, dass die Richtigkeit der Ansicht des Verwaltungsgerichts, Nrn. 10.1 und 10.4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans seien nicht drittschützend, ernstlich zweifelhaft ist.

aa) Mit dem Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, wonach bei seitlichen Baugrenzen in der Regel von einer nachbarschützenden Festsetzung auszugehen sei, vermag die Klägerin ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht am Maßstab des Darlegungsgebots (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO; vgl. BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 ZB 16.1365 – juris Rn. 8 m.w.N.) ausreichend zu begründen.

Eine nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen des Bebauungsplans ist regelmäßig nur bei Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung anzunehmen (sog. Gebietserhaltungsanspruch, grundlegend BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91BVerwGE 94, 151 ff.; vgl. auch BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3 f.; BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 9 m.w.N.). Denn nur durch diese Festsetzungen wird schon kraft Gesetzes ein auf jeweils wechselseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen beruhendes Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis zwischen den Eigentümerinnen und Eigentümern der Grundstücke im Plangebiet begründet. Im Übrigen gilt: Ob eine bauplanerische Festsetzung jedenfalls auch dem Schutz Dritter dient, darf die Gemeinde als Plangeber regelmäßig selbst entscheiden. Anders als bei Gebietsartfestsetzungen sind Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche durch Baulinien oder Baugrenzen (§ 23 BauNVO) ebenso wie etwa auch Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung nicht generell drittschützend. Ob eine solche Festsetzung auch darauf gerichtet ist, dem Schutz eines Nachbarn zu dienen, hängt vielmehr vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (vgl. BVerwG B.v. 19.10.1995 – 4 B 215.95NVwZ 1996, 888 = juris Rn. 3; zuletzt BVerwG, B.v. 13.12.2016 – 4 B 19.16 – juris Rn. 5). Maßgebend ist, ob die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, wobei sich ein entsprechender Wille unmittelbar aus dem Bebauungsplan selbst (etwa kraft ausdrücklicher Regelung von Drittschutz), aus seiner Begründung, aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung oder aus einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs ergeben kann (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2014 – 9 CS 14.1171 – juris Rn. 15; B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 24 ff.; B.v. 18.12.2017 – 9 CS 17.345 – juris Rn. 16; B.v. 5.4.2018 – 1 ZB 16.2598 – juris Rn. 4; B.v. 10.4 2018 – 1 ZB 17.3 – juris Rn. 4; OVG Bremen, B.v. 19.7.2011 – 1 B 128/11 – juris Rn. 7). Eine nachbarschützende Festsetzung über die überbaubare Grundstücksfläche kann etwa angenommen werden, wenn der Plangeber über einzuhaltende Grenzabstände explizit denselben nachbarschützenden Zweck verfolgt wie die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen des Art. 6 BayBO (vgl. BayVGH, B.v. 29.8.2014 a.a.O.; OVG NRW, B.v. 27.1.2014 – 2 A 1674/13BauR 2014, 969 = juris Rn. 16).

Das Verwaltungsgericht ist in Anwendung dieser Maßstäbe zu dem Ergebnis gekommen, dass Nr. 10.1 der textlichen Festsetzung als Sonderregelung im Zusammenhang mit den festgesetzten Baugrenzen hier keinen Nachbarschutz vermittelt, weil sich ein entsprechender Planungswille weder dem Bebauungsplan noch dessen Begründung oder sonstigen Umständen entnehmen lässt. Für eine nachbarschützende Funktion der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen nennt die Zulassungsbegründung demgegenüber keine konkreten Anhaltspunkte. Insbesondere unterlässt es die Zulassungsbegründung einzelfallbezogen – d.h. ausgerichtet auf die konkrete Festsetzung des Bebauungsplans, auf die Begründung des einschlägigen Bebauungsplans sowie auf sonstige Unterlagen aus dem Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans – näher darzulegen, warum es sich hierbei nicht nur um eine die Struktur und die Ordnung des Baugebiets bestimmende Festsetzung aus städtebaulichen Gründen handeln soll.

Es trifft zwar zu, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, auf dessen Rechtsprechung sich die Klägerin beruft, im Vergleich zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sowie zu anderen Oberverwaltungsgerichten tendenziell großzügiger Nachbarschutz aus (seitlichen und hinteren) Baugrenzen zuerkennt. Allerdings nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg keinen Automatismus dergestalt an, dass Festsetzungen seitlicher Baugrenzen – wie Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung – kraft Gesetzes bzw. immer nachbarschützend sind. Er kehrt allerdings bei der Beurteilung, ob Festsetzungen über seitliche und hintere Baugrenzen nachbarschützend sind, das Regel-Ausnahme-Verhältnis um, indem er für den Regelfall – also soweit keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es dem Ortsgesetzgeber bei der Festsetzung dieser Baugrenzen ausschließlich um die Wahrung städtebaulicher Belange ging – davon ausgeht, dass sich in diesen Fällen regelmäßig Anhaltpunkte für eine nachbarschützende Wirkung ergeben werden und dass der Plangeber zwischen Grenznachbarn der betroffenen Grundstücksseite dann ein nachbarrechtliches Austauschverhältnis begründen wollte, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zur wechselseitigen Beachtung der festgesetzten Baugrenzen verpflichtet (vgl. VGH BW, B.v. 20.1.2005 – 8 S 3003/04NVwZ-RR 2005, 397 = Rn. 7; B.v. 14.6.2007 – 8 S 967/07VBlBW 2007, 387 = juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 30.6.2015 – 3 S 901/15NVwZ-RR 2015, 807 = juris Rn. 11). In seiner jüngeren Rechtsprechung hebt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg unter Zitierung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich hervor, dass auch bei bauplanerischen Festsetzungen zur überbaubaren Grundstückfläche ein nachbarliches wechselseitiges Austauschverhältnis nicht schon kraft Bundesrechts begründet werde, sondern dass bei diesen Festsetzungen die Annahme einer auch nachbarschützenden Wirkung vielmehr davon abhänge, welchen Zweck der Plangeber mit der jeweiligen Festsetzung im Einzelfall verfolgt. Der Zweck derartiger bauplanerischer Festsetzungen sei daher durch Auslegung des Bebauungsplans im Einzelfall zu ermitteln; maßgebliche Anhaltspunkte für diese Auslegung ließen sich dem Bebauungsplan, seiner Begründung oder den Materialien des Planaufstellungsverfahrens entnehmen (vgl. VGH BW, B.v. 30.6.2015 a.a.O. juris Rn. 10). Insofern geht mithin auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg von denselben dogmatischen Grundsätzen aus wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht. Lediglich hinsichtlich der Herangehensweise bei der Auslegung des jeweiligen Ortsrechts, also bei der Art und Weise der Ermittlung des Willens des Plangebers, nimmt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eine gewisse Sonderstellung gegenüber anderen Obergerichten der Länder ein (vgl. auch BVerwG, B.v. 13.12.2016 – 4 B 19.16 – juris Rn. 5).

Auch nach der von der Klägerin in Bezug genommenen baden-württembergischen Rechtsprechung bleibt daher die Frage, ob der Plangeber eine Festsetzung im Sinne der Begründung eines nachbarlichen Austauschverhältnisses nachbarschützend ausgestalten wollte, einzelfallbezogen relevant. Daher dürfte schon allgemein zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO zu fordern sein, dass sich der Rechtsmittelführer in der Zulassungsbegründung hinsichtlich der Frage der nachbarschützenden Wirkung der Festsetzung mit dem auszulegenden Willen des Plangebers substantiiert einzelfallbezogen auseinandersetzt und sich nicht damit begnügt, auf eine Rechtsprechung in einem anderen Bundesland zu verweisen, die tendenziell "großzügiger" mit der Anerkennung von Nachbarschutz aus Festsetzungen über die überbaubare Grundstücksfläche operiert. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass der Widerspruch zum einschlägigen Bebauungsplan bzgl. Nr. 10.1 der textlichen Festsetzungen nicht bloß die allgemeine Regelung über Baugrenzen, sondern speziell die – § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO abbedingende – Regelung betrifft, wonach auch Garagen und sonstige Nebengebäude nur innerhalb der überbaubaren Flächen errichtet werden dürfen. Insofern hat es das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Auslegung, diese Festsetzung sei nicht nachbarschützend, nicht dabei belassen, dass sich aus den Festsetzungen des Bebauungsplans und seiner Begründung kein Anhaltspunkt hierfür ergebe. Vielmehr hat es sein Auslegungsergebnis in der Sache auch darauf gestützt, dass die zeichnerischen Festsetzungen Garagen und sonstige Nebengebäude auf den einzelnen Grundstücken im Geltungsbereich des Bebauungsplans in ganz unterschiedlicher Situierung zuließen, sodass auch die planerische Gestaltung des Baugebiets nicht für einen Nachbarschutz spräche, vgl. Rn. 27 des angefochtenen Urteils:

"(...) Aus der planerischen Gestaltung des Baugebiets ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Satzungsgeber im Sinn hatte, Garagen und anderweitige Nebengebäude nur an das jeweilige Hauptgebäude anschließend zuzulassen, um die Grundstücksgrenzen nachbarschützend von Bebauung freizuhalten. Vielmehr finden sich in den zeichnerischen Festsetzungen unterschiedliche Gestaltungen im Hinblick auf die Nebengebäude. Dabei finden sich festgesetzte Garagen und Nebengebäude sowohl unmittelbar anschließend an Hauptgebäude als auch davon losgelöst, teilweise auch an seitlichen Grundstücksgrenzen. (...)."

Mit dieser auf den Einzelfall zugeschnittenen Erwägung setzt sich die Zulassungsbegründung aber überhaupt nicht auseinander, sodass zumindest aus diesem Grund die Zulassungsbegründung hinsichtlich der Argumentation, dass die textliche Festsetzung Nr. 10.1 nach dem Willen des Plangebers nachbarschützend sei und das Verwaltungsgerichts deshalb die Festsetzung falsch ausgelegt habe, nicht hinreichend substantiiert ist. Jedenfalls deshalb sind die Darlegungsanforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO hinsichtlich des geltend gemachten Zulassungsgrunds (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht erfüllt.

bb) Auch soweit die Klägerin Nr. 10.4 der textlichen Regelung als nachbarschützend bewertet, vermag sie mit ihren Einwendungen nicht die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zu bewirken.

Zur Begründung seines Auslegungsergebnisses, wonach § 10.4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans kein Drittschutz zukomme, führte das Verwaltungsgericht aus, dass sich aus der Begründung des Bebauungsplans in Ziffer 5.0 ergebe, dass die Längenbegrenzung für Garagen und Nebengebäude an der Grundstücksgrenze auf 8 m allein eine Anpassung an die zum Erlasszeitpunkt geltende Fassung der Bayerischen Bauordnung von 1994 dargestellt habe, die in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 BayBO a.F. vormals eine Längenbegrenzung von 8 m statt der heute geltenden 9 m vorgesehen habe. Daraus sei erkennbar, dass der Satzungsgeber mit der Festsetzung keinen weitergehenden Schutz für den Nachbarn beabsichtigt habe, sondern vielmehr ohne weitere planerische Absicht die geltende gesetzliche Regelung habe übernehmen wollen.

Die Klägerin trägt hierzu im Zulassungsverfahren gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts vor, die Aussage, wonach der Satzungsgeber keinen weitergehenden Schutz für den Nachbarn habe erreichen wollen, habe nichts mit der Frage zu tun, ob die Festsetzung nachbarschützend sei. Entscheidend sei nicht, ob der Satzungsgeber gegenüber der Regelung der BayBO keinen weitergehenden Schutz für die Nachbarn habe erreichen wollen, sondern vielmehr, ob eine konkrete Festsetzung überhaupt zum Nachbarschutz erfolgt sei. Eine Regelung, die unmittelbar an der Grundstücksgrenze die Länge der Bebauung regele, sei nicht aus städtebaulichen Gründen erlassen worden, sondern könne einzig nur dem Nachbarschutz dienen, denn auch dem heutigen Art. 6 Abs. 9 BayBO komme bauordnungsrechtlich unzweifelhaft Nachbarschutz zu. Wenn sich der Satzungsgeber nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften zu Eigen mache und in sein Satzungsrecht übernehme, dann könne nur der Schluss gezogen werden, dass auch die Festsetzung in der Satzung dem Nachbarschutz diene. Insofern komme auch der Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil aus dem Jahr 1989 zu dem Ergebnis, dass Festsetzungen nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO nachbarschützend seien.

Diese Einwendungen der Klägerin vermögen nicht substantiiert die Richtigkeit der Auslegung der textlichen Festsetzung durch das Verwaltungsgericht infrage zu stellen. Die von ihr aufgestellte These, die Festsetzung Nr. 10.4 sei nicht aus städtebaulichen Gründen erlassen worden, sondern könne einzig nur dem Nachbarschutz dienen, weil auch Regelungen wie der heutige Art. 6 Abs. 9 BayBO nachbarschützend seien, geht über eine zirkelschlussartige Behauptung nicht hinaus. Denn tatsächlich nennt die Klägerin keine objektiven Anhaltpunkte, warum es der Festsetzung Nr. 10.4 nicht lediglich um die städtebauliche Ordnung geht, sondern von dem Willen des Antragsgegners als Plangeber getragen sein soll, diese nachbarschützend auszugestalten. Allein aus dem Umstand, dass der Satzungsgeber nach der Begründung des Bebauungsplans eine Anpassung an derzeit geltende materiell-gesetzliche Regelungen verfolgen wollte, folgt nicht per se, dass der Gesetzgeber hiermit einen von diesen – anderweitigen – gesetzlichen Regelungen (hier des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts) unabhängigen Nachbarschutz hat schaffen wollen.

Es trifft auch nicht zu, dass die textliche Festsetzung Nr. 10.4 automatisch nachbarschützend sei, weil der Satzungsgeber sich mit ihr die nachbarschützende Regelung des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO zu Eigen gemacht habe. Bei der von der Klägerin in Bezug genommenen Kommentarstelle Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, Stand: Dezember 2017, Art. 6 Rn. 493 wird unter Rekurs auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ausgeführt, dass der gesetzlichen Regelung des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO in entsprechender Anwendung von § 15 Abs. 1 BauNVO (partiell) nachbarschützende Wirkung zukomme, als auf nachbarliche Interessen Rücksicht zu nehmen sei. Das bedeutet, dass im Einzelfall die (insbesondere über eine Baugenehmigung umgesetzte) Zulassung einer Anlage, die nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig ist oder zugelassen werden kann, außerhalb festgesetzter überbaubarer Grundstücksflächen auch bei Berufung auf § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO nicht gegen das auch nachbarschützende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen darf. Entgegen dem Vorbringen in der Zulassungsbegründung ist aber weder der zitierten Kommentarstelle noch der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, U.v. 29.9.1989 – 20 B 88.01629 und 20 B 89.2083 – nicht veröffentlicht) zu entnehmen, dass "Festsetzungen nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO", also Festsetzungen im Bebauungsplan mit Regelungsbezug auf § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO, grundsätzlich nachbarschützend sein sollen.

Tatsächlich ist weder von der Klägerin substantiiert dargelegt worden noch sonst ersichtlich, dass aus dem vorliegenden, laut Verfahrensvermerk am 20. Juni 1997 bekannt gemachten Bebauungsplan "1. Änderung Bebauungsplan Nr. 2 B* ..." selbst, aus seiner Begründung, aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung oder aus einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs folgt, dass der Beklagte durch die Regelung selbständig neben der nachbarschützenden Abstandsflächenregelung des Bauordnungsrechts (Art. 6 BayBO) einen eigenständigen, hiervon unabhängigen Nachbarschutz implementieren wollte.

b) Soweit sich die Klägerin für den Fall nicht nachbarschützender Festsetzungen ersatzweise auf die Verletzung des Rücksichtnahmegebots beruft, hat sie den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils ebenfalls nichts Entscheidungserhebliches entgegenzusetzen, was die Richtigkeit der Rechtsfindung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis in Frage stellen könnte. Die Klägerin wendet ein, dass der Carport eine eigene Abstandsfläche benötige, weil sich die Beigeladene nicht auf die Privilegierung gem. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO berufen könne. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass bei einer Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots indiziell ausgeschlossen sei, könne dann nicht aufrechterhalten werden.

Hiermit können keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung begründet werden. Auf die Frage, ob der Carport, für den die streitgegenständlichen Befreiungen erteilt worden sind, die Abstandsflächenregelungen des Art. 6 BayBO einhält bzw. ob er gem. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BayBO auch ohne Abstandsflächen bauordnungsrechtlich zulässig ist, kommt es im Ergebnis für die Frage der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen isolierten Befreiung nicht streitentscheidend an.

Ähnlich wie im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (Art. 59 BauGB) ist das Prüfprogramm im isolierten Abweichungs- bzw. Befreiungsverfahren nach Art. 63 BayBO begrenzt. Es wird lediglich am Maßstab des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 oder des § 31 und § 34 Abs. 2 Halbs. 2 BauGB geprüft, ob der Widerspruch zu den materiellen Anforderungen durch die b e a n t r a g t e Abweichung / Befreiung aufgehoben werden kann. Ob das Vorhaben ansonsten mit den materiellen Anforderungen im Einklang steht, ist wegen der angeordneten Genehmigungsfreiheit grundsätzlich unerheblich. Die Genehmigungsfreiheit bürdet insoweit dem Bauherrn das Risiko auf, dass sein Vorhaben den materiellen Anforderungen entspricht (Dhom in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: Dezember 2017, Art. 63 Rn. 51; vgl. auch Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: September 2017, Art. 63 Rn. 86; Molodovsky in: Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand: März 2018, Art. 63 Rn. 63 i.V. mit Rn. 54). Bei einem Verstoß gegen Rechtsvorschriften, die von diesem eingeschränkten Prüfprogramm nicht umfasst sind, gelten dieselben Grundsätze wie im Fall eines Verstoßes eines Bauvorhabens gegen von dem jeweiligen Prüfprogramm des bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens nicht erfasste Anforderungen (Jäde a.a.O.).

Im vorliegenden Fall hat die Beigeladene unter dem 30. November 2015 ausdrücklich nur einen "Antrag auf isolierte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans" gestellt. Die Zulassung einer Abweichung von bauordnungsrechtlichen Anforderungen (Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BayBO) war nicht Antragsgegenstand. Hierzu korrespondierend ist mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 16. Dezember 2015 ausschließlich eine (isolierte) bauplanungsrechtliche Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans – nämlich von Nrn. 10.1 und 10.4 der textlichen Festsetzungen – gem. nach Art. 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BayBO i.V. mit § 31 Abs. 2 BauGB, nicht aber auch eine Zulassung einer Abweichung von den bauordnungsrechtlichen Anforderungen des Art. 6 BayBO erteilt worden. Zu der Frage, ob der Carport, für den die bauplanungsrechtliche Befreiung erteilt wurde, mit Art. 6 BayBO übereinstimmt oder ob aufgrund eines Widerspruchs zu Art. 6 BayBO eine gesonderte Abweichung erteilt werden könnte, enthält der streitgegenständliche Bescheid keine Aussage. Auch wenn die Qualität des Art. 6 BayBO als Schutznorm zugunsten des unmittelbar angrenzenden Nachbarn außer Frage steht, kann sich die Klägerin daher zur Begründung eines nachbarlichen Abwehranspruchs gegen die streitgegenständlichen Befreiungen nicht unmittelbar auf eine Verletzung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften berufen, weil der Bescheid insofern keine Regelung trifft und daher Rechte der Klägerin aus Art. 6 BayBO von vornherein nicht verletzen kann (zur vergleichbaren Rechtslage im vereinfachten Genehmigungsverfahren gem. Art. 59 BayBO, bei dem das Abstandsflächenrecht vorbehaltlich einer ausdrücklich beantragten Abweichung nicht zum Prüfprogramm zählt, vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 13 m.w.N.; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 23 m.w.N.; B.v. 13.4.2018 – 15 ZB 17.342 – juris Rn. 9 m.w.N.; B.v. 6.4.2018 – 15 ZB 17.36 – juris Rn. 19 m.w.N.). Ob der betroffene Carport materiell Art. 6 BayBO tatsächlich verletzt, bedarf daher vorliegend keiner Entscheidung.

Soweit die Klägerin sich in der Zulassungsbegründung auf die Verletzung des in § 31 Abs. 2 BauGB ("Würdigung nachbarlicher Interessen") verankerten bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots beruft und dieses im Wesentlichen mit der Verletzung des Art. 6 BayBO zu begründen sucht, hat sie den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils nichts Substantiiertes entgegenzusetzen, was die Richtigkeit der dortigen Rechtsfindung im Ergebnis in Frage stellen könnte. Ihre Argumentation, wonach die bauplanungsrechtliche Befreiung zu ihren Lasten gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße, weil die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen nicht eingehalten würden, greift mit Blick auf § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO zu kurz.

Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12BVerwGE 148, 290 ff. = juris Rn. 21 m.w.N.). Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 4 m.w.N.).

Allein aus einer (unterstellten) Verletzung des Art. 6 BayBO und aus den speziell von diesem anvisierten Schutzzielen (Belichtung, Belüftung und – str. – Wohnfrieden) kann – auch wenn die landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften grundsätzlich für einen Interessenausgleich im Nachbarschaftsverhältnis sorgen sollen – nicht automatisch auf die Verletzung des Rücksichtnahmegebots geschlossen werden. Denn das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Grundstückseigentümer nicht das Recht, von jeder (auch ggf. rechtswidrigen) Veränderung auf dem Nachbargrundstück verschont zu bleiben. Vielmehr kommt es darauf an, inwieweit durch die Nichteinhaltung des erforderlichen Grenzabstands die Nutzung des Nachbargrundstücks tatsächlich u n z u m u t b a r beeinträchtigt wird. Insbesondere ist der Schluss nicht gerechtfertigt, dass eine – hier von der Klägerin behauptete – Verletzung der Abstandsflächenvorschriften automatisch oder regelmäßig zu einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots führt. Entscheidend sind – auch und gerade mit Blick auf typische Belastungen wie Verschattung bzw. Einschränkung der Belichtungs- und Besonnungsverhältnisse, erdrückende oder abriegelnde Wirkungen sowie neue Einsichtsmöglichkeiten vom Nachbargrundstück aus – die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17; B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 11; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 11; B.v. 24.8.2016 – 15 ZB 14.2654 – juris Rn. 15; B.v. 7.12.2016 – 9 CS 16.1822 – juris Rn. 22; B.v. 15.12.2016 – 9 ZB 15.376 – juris Rn. 13; B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 17 ff.; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 26 ff.; B.v. 6.4.2018 – 15 ZB 17.36 – juris Rn. 23 ff.; B.v. 13.4.2018 – 15 ZB 17.342 – juris Rn. 13 ff.). Insofern ist auch das Verwaltungsgericht bei der Bewertung, ob das Rücksichtnahmegebot verletzt ist, nicht bei der Feststellung, dass das – aus seiner Sicht wegen Art. 6 Abs. 9 BayBO eingehaltene – bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht nicht verletzt sei, nicht stehen geblieben. Vielmehr hat es mögliche Belastungswirkungen fallbezogen thematisiert und ausgeführt, dass eine im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu beachtende Riegelwirkung oder erdrückende Wirkung des Bauvorhabens oder anderweitige unzumutbare Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks durch das Vorhaben nicht in Betracht kämen (vgl. Rn. 34 der angegriffenen Entscheidung). Bei dem vorliegenden Carport handele es sich – so das Erstgericht weiter – um ein nicht massiv wirkendes Vorhaben mit geringer räumlicher Ausdehnung. Etwaige Einwirkungen seien zudem nach der gesetzlichen Wertung in § 12 Abs. 1 BauNVO als sozialadäquat hinzunehmen, soweit diese dem Bedarf nach § 12 Abs. 2 BauNVO entsprächen. Stellplätze und Garagen seien im Rahmen des für die Nutzung notwendigen Bedarfs grundsätzlich sozialadäquat und nachbarverträglich. Das gelte auch im vorliegenden Fall im Verhältnis zur Klägerin. Das Wohngebäude der Klägerin befinde sich ca. 27 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze entfernt. Der streitgegenständliche Carport sei zudem kaum sichtbar, da er bis auf wenige Zentimeter des schräg verlaufenden Daches von einer Hecke auf dem Nachbargrundstück, auf deren Erhalt die Klägerin Wert lege, verdeckt werde.

Die von der Klägerin für das von ihr gewollte Berufungsverfahren angemahnte Feststellung, dass die Abstandsflächenvorschriften nicht eingehalten seien (weil Art. 6 Abs. 9 BayBO nicht greife), ist – wie gesehen – kein ausschlaggebendes Argument für das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot. Ihre These, dass – weil die Verhinderung einer unzumutbaren einmauernden oder erdrückenden Wirkung auch zum Regelungszweck der landesrechtlichen Abstandsflächenbestimmungen gehöre – das Rücksichtnahmegebot zumindest aus tatsächlichen Gründen dann verletzt sei, wenn die Abstandsflächenvorschriften nicht eingehalten seien, ist so rechtlich nicht korrekt (s.o.). Das gilt insbesondere für die in der Zulassungsbegründung geäußerte Rechtsansicht, es komme auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu nicht vorliegenden Riegel-, erdrückenden oder sonstigen unzumutbaren Wirkungen (Rn. 34 des angegriffenen Urteils) nicht an, da dies nur von Bedeutung sei, wenn man die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften bejahen würde. Insgesamt hat damit die Klägerseite nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, um die Unrichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der Rechtsanwendung zum Rücksichtnahmegebots zu begründen. Denn inwiefern gerade durch den Carport, für den die streitgegenständliche Befreiung erteilt worden ist, unzumutbare Belastungen für sie folgen, hat die Klägerin gerade nicht dargelegt.

c) Da die Einwendungen der Klägerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass Nrn. 10.1 und 10.4 der textlichen Festsetzungen keine nachbar- bzw. drittschützende Wirkung zukomme, nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen (s.o.), kommt es auf die hilfsweisen Erwägungen des Verwaltungsgerichts, wonach selbst bei Annahme von Befreiungen von nachbarschützenden Festsetzungen keine Rechtsverletzung der Klägerin erkennbar sei (vgl. Rn. 35 bis 41) nicht mehr an. Damit sind die Einwendungen der Klägerin, wonach die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht vorlägen, sowie ihre Ausführungen, wonach das behördliche Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden sei (vgl. Seiten 4 f., 10 f. der Zulassungsbegründung vom 21.4.2017), nicht relevant. Zwar kann sich bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung aus einem Ermessensfehler bei der Erteilung der Befreiung ein Abwehranspruch des Nachbarn ergeben. Der durch die nachbarschützende Festsetzung vermittelte Drittschutz erstreckt sich nämlich auch darauf, dass bei einer Befreiung die nachbarlichen Belange ordnungsgemäß – und damit auch ermessensgerecht – gewürdigt werden. Anders ist es jedoch bei einer Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung. Hier ergibt sich der Nachbarschutz nicht schon aus der Festsetzung, sondern erst aus dem nachbarschützenden Gebot der Rücksichtnahme. Insoweit kommt es auf Ermessenfehler bei der Erteilung einer Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen nicht an (BayVGH, B.v. 16.8.2005 – 1 CS 05.1421 – juris Rn. 23; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 2.9.2009 – OVG 10 S 24.09 – juris Rn. 14).

2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.).

Auch wenn – wie die Klägerin vorbringt – eine Divergenz in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte der Bundesländer grundsätzlich besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache begründen kann (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 31), verlangt das Gebot der Darlegung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO auch bei diesem Berufungszulassungsgrund, dass sich der Rechtsmittelführer mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil hinreichend substanziell auseinandersetzt und deutlich macht, in welchem konkreten rechtlichen Punkt das Urteil zweifelhaft ist; auch und gerade in rechtlicher Hinsicht muss die Materie ausreichend durchdrungen werden (Happ in Eyermann a.a.O. § 124a Rn. 68 m.w.N.). Diesen Darlegungsobliegenheiten hat die Klägerin, wie sich aus den vorherigen Ausführungen zu 1. ergibt, nicht genügt. Wie oben gezeigt, geht auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg – im Einklang mit dem Bundesverwaltungsgericht, dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und den übrigen Oberverwaltungsgerichten der Länder – hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Festsetzung seitlicher Baugrenzen in einem Bebauungsplan nachbarschützende Wirkung hat, von denselben dogmatischen Grundsätzen aus. Insbesondere hängt auch nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg die nachbarschützende Qualität einer Festsetzung zur überbaubaren Grundstückfläche vom Willen des örtlichen Plangebers ab, also davon, welchen – durch Auslegung zu ermittelnden – Zweck dieser mit der Festsetzung im Einzelfall verfolgt. Allein der Umstand, dass die Verwaltungsgerichtshöfe in Baden-Württemberg einerseits und Bayern andererseits bei der Art und Weise der Ermittlung des Willens des Plangebers unterschiedlich vorgehen, rechtfertigt es – insbesondere ohne weiteres Eingehen auf die einzelfallbezogenen Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. Rn. 27 des angegriffenen Urteils vom 9. Februar 2017) – im vorliegenden Fall nicht, allein den Verweis auf diese Unterschiede für die Erfüllung der Darlegungsanforderungen an die Geltendmachung des Berufungszulassungsgrunds ausreichen zu lassen. Auf die obigen Ausführungen unter 1. a) aa) wird Bezug genommen.

3. Eine Zulassung der Berufung kommt auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Betracht. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat, wobei zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO) die Frage nicht nur auszuformulieren, sondern zudem auch substantiiert auszuführen ist, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer aufgeworfenen Rechts- oder Tatsachenfrage erfordert dabei regelmäßig eine Durchdringung der Materie und in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 33 ff. m.w.N.; BB.v. 10.4.2018 – 15 ZB 17.45 – juris Rn. 24.).

a) Hinsichtlich der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfrage,

"ob man die Bebauungsplansatzung bei seitlichen Baugrenzen grundsätzlich als objektiv-rechtlich qualifiziert und sich aus den Unterlagen ergeben muss, ob ein Nachbarschutz auch gewollt war (BayVGH) oder ob man bei seitlichen Baugrenzen zunächst den Nachbarschutz als implementiert erachtet und nur bei Anhaltspunkten für ausschließlich städtebauliche Gründe die nachbarschützende Wirkung verneint (VGH Mannheim)",

fehlt es an einer hinreichend substantiierten Durchdringung des Prozessstoffs und der tragenden Argumentation des Verwaltungsgerichts. Auf die Erwägungen oben zu 1. a) aa) und 2. wird verwiesen.

b) Die in der Zulassungsbegründung ferner formulierten Fragen:

– Ist "bei dem Begriff der Garage i.S.d. Art. 6 Abs. 9 S. 1 BayBO auf die Definition der GaStellV abzustellen" bzw. hat "der Nachbar einen Anspruch auf Einhaltung dieses Nutzungszwecks"?

– "Sind Dachüberstände in die 9m-Grenze von Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO einzubeziehen, insbesondere dann, wenn sie für die Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Nutzungszwecks einer Grenzgarage benötigt werden oder wenn sie sich grenzseitig auf das Nachbarstück auswirken, weil (...) die Dachüberstände aneinandergebaut sind und zusammen mit einem Nachbargebäude eine Verlängerung der Gebäudewand darstellen?"

– "Ist die Regelung unter Art. 6 Abs. 9 S. 2 BayBO, wonach die gesamte Grenzbebauung (...) auf allen Grundstücksgrenzen nicht mehr als 15 m betragen darf, nachbarschützend?"

sind nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig, weil zum einen die Abweichung von bauordnungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 6 BayBO nicht Regelungsgegenstand des angefochtenen Bescheids vom 16. Dezember 2015 ist, sodass dieser Bescheid von vornherein keine Rechte der Klägerin aus Art. 6 BayBO verletzen kann, und zum andern allein aus der Verletzung der Abstandsflächenvorschriften (auf deren Klärung die gestellten Fragen abzielen) nicht automatisch auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots geschlossen werden kann. Auf die Ausführungen oben zu 1. b) wird Bezug genommen.

4. Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten Abweichung von der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichthofs (BayVGH, U.v. 29.9.1989 – 20 B 88.01629, 20 B 89.02083) zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).

Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenüber gestellt werden.

Die Klägerin führt in der Zulassungsbegründung aus, der Verwaltungsgerichtshof sei in der zitierten Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, dass Festsetzungen nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO nachbarschützend seien und dass das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. Februar 2017 hiervon abweiche. Dies sei hinsichtlich der Beurteilung der Nr. 10.4 der textlichen Festsetzungen entscheidungserheblich. Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hätte sie einen Anspruch auf Einhaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB gehabt.

Tatsächlich lässt sich aber aus Sicht des Senats der (unveröffentlichten) Entscheidung BayVGH, U.v. 29.9.1989 – 20 B 88.01629, 20 B 89.02083 – kein tragender Rechtssatz entnehmen, wonach Festsetzungen nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO nachbarschützend seien, vgl. auch oben 1. a) bb). Die Zulassungsbegründung unterlässt es auch, sich in einer den Darlegungsobliegenheiten gem. § 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO genügenden Weise mit dieser Entscheidung näher inhaltlich auseinanderzusetzen und gestützt hierauf näher zu begründen, in welchem genauen Zusammenhang der in Bezug genommenen Entscheidung der Verwaltungsgerichtshof vormals einen Rechtssatz mit diesem Inhalt aufgestellt haben soll.

5. Soweit – was vom Verwaltungsgericht nicht thematisiert wurde – möglicherweise Bedenken an der Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) der streitgegenständlichen isolierten Befreiungsbescheids bestehen, weil dieser nicht auf konkrete Zeichnungen mit Grundrissen und Schnitten (vgl. § 8 BauVorlV) Bezug nimmt und auch nach den hier vorliegenden Unterlagen solche Bauzeichnungen (etwa über einen Bescheidstempel) nicht zum Gegenstand der Befreiungsentscheidung erklärt worden sind (zu Bestimmtheitsanforderungen bei einer isolierten Befreiung vgl. z.B. BayVGH, U.v. 8.12.2015 – 15 B 14.1840 – juris Rn. 21 ff.; im Zusammenhang mit einer Baugenehmigung vgl. auch Schwarzer/ König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 35; Lechner in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: Dezember 2017, Art. 68 Rn. 468) war hierauf seitens des Senats nicht näher einzugehen, § 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Denn ein Beigeladener setzt sich im Berufungszulassungsverfahren unabhängig von einer Antragstellung grundsätzlich keinem eigenen Kostenrisiko aus (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 15 ZB 16.562 – juris Rn. 18 m.w.N.). Ein Grund, der es gebieten würde, die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen, ist nicht ersichtlich, zumal sich die Beigeladene im Zulassungsverfahren nicht geäußert hat. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.

7. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).