FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.08.2017 - 3 K 3118/17
Fundstelle
openJur 2020, 42736
  • Rkr:

1. Pensionierte Berufssoldaten, die Reservistendienst leisten, können durch den Dienst entstehende Aufwendungen nicht als Werbungskosten abziehen.

2. Aktive Beamte und aktive Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die Reservistendienst leisten, können seit der Novellierung des Unterhaltssicherungsgesetzes zum 01.11.2015 ebenfalls keinen Werbungskostenabzug mehr geltend machen (Änderung der Rechtslage).

3. Der Unterschied beim Werbungskostenabzug zwischen aktiven Berufssoldaten und pensionierten Berufssoldaten ist verfassungsgemäß.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Abzugsfähigkeit von Werbungkosten eines Pensionärs (Versorgungsempfängers) bei der Leistung von Reservistendienst (früher: Wehrübung) im Streitjahr 2015. Der Kläger rügt primär die insoweit unterschiedliche Behandlung von aktiven Berufssoldaten einerseits und pensionierten Berufssoldaten andererseits hinsichtlich des Werbungskostenabzugs.

I.1.

Der Kläger war Berufssoldat, zuletzt mit dem Dienstgrad eines Oberstleutnants, und trat 2013 in den Ruhestand. Im Streitjahr 2015 bestand sein Einkommen wesentlich aus Versorgungsbezügen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

2.

Vom 02.11.2015 bis 04.12.2015 leitstete er Wehrdienst beim C... in B... (Polen), wo er bereits vor seiner Pensionierung tätig gewesen war. Er erhielt  eine steuerfreie Mindestleistung für Versorgungsempfänger in Höhe von 1.002,01 €, eine steuerfreie Reservistendienstleistungsprämie in Höhe von 895,95 € und einen steuerfreien Auslandzuschlag in Höhe von 538,56 €, insgesamt 2.436,52 €. Durch die Dienstleistung entstanden ihm Aufwendungen  für die Dienstantritts- und -abtrittsfahrt (120 €), für zwei Wochenendheimfahrten (120 €) sowie Verpflegungsmehraufwendungen (792 €), insgesamt 1.032 €, wovon ihm 330 € erstattet wurden, so dass er letztlich 702 € selbst zu tragen hatte (im Einzelnen ESt-Akte Bd. 5, unfoliiert, hinter Anlage N 2015). Diese machte der Kläger in seiner Steuererklärung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

3.

Im ESt-Bescheid 2015 vom 12.08.2016 versagte das beklagte Finanzamt - FA - den Werbungskostenabzug und führte in den Erläuterungen aus, die Werbungskosten hätten mit steuerfreien Einnahmen zusammengehangen.

II.1.

In den Streitkräften der Bundesrepublik Deutschland dienen - neben Berufssoldatinnen und -soldaten und Soldatinnen und Soldaten auf Zeit - nach Aussetzung der Wehrpflicht zum einen "freiwilligen Wehrdienst Leistende" bis zu 23 Monate (vergleichbar dem früheren Grundwehrdienst) sowie zum anderen als "Reservistendienst Leistende" pensionierte und frühere Berufssoldaten und frühere Soldaten auf Zeit unter bestimmten Voraussetzungen, teils auch ohne, teils nur mit ihrer Zustimmung, bis zu einem bestimmten Lebensalter und, je nach Verwendung, bis zu drei bzw. bis zu sieben Monate (vergleichbar den früheren Wehrübungen).

Die Leistungen an die beiden letztgenannten Gruppen sind im Unterhaltssicherungsgesetz - USG - geregelt, das aus dem Jahr 1957 stammt  und  mit Gesetz vom 29.06.2015, in Kraft seit 01.11.2015, grundlegend überarbeitet wurde.

Bei den Leistungen für Reservistendienst Leistende ist zu unterscheiden zum einen zwischen im Privatdienst Stehenden bzw. Selbständigen, zum anderen zwischen (aktiven) Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst und zum dritten Beamten und Berufssoldaten im Ruhestand.

2.

Nach der bis 31.10.2015 geltenden Rechtslage erhielten im Privatdienst stehende Wehrpflichtige gemäß § 13 USG Verdienstausfallentschädigung für das entfallende Arbeitsentgelt ihres gemäß § 1 Abs. 1 Arbeitsplatzschutzgesetz - ArbPlSchG - während des Wehrdienstes ruhenden Arbeitsverhältnisses, und zwar in der Höhe, die ihnen netto zugestanden hätte, jedoch mindestens eine sog. "Mindestleistung" gemäß § 13c USG, die sich nach Tagessätzen bemaß, die sich nach dem Dienstgrad des Betreffenden  richteten und - wenn auch pauschalisiert - bei ca. 40 % des Einkommens der aktiven Soldatinnen und Soldaten gleichen Dienstgrades lagen (Quelle für den Prozentsatz: Markus Grübel, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, BT-PlPr 18/100, S. 9651D). Diese Leistungen waren steuerfrei gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 USG sowie - wohl redundant - § 3 Nr. 48 EStG. Dies hatte zur Folge, dass Werbungskosten infolge der Wehrdienstleistung gemäß § 3c EStG nicht abzugsfähig waren (so jedenfalls Finanzgericht - FG - des Saarlandes, Urteil vom 28.05.1991 1 K 106/90, Juris Rn. 52).

Wehrpflichtige, die Inhaber von Gewerbetrieben oder Betrieben der Land- und Forstwirtschaft waren oder selbständige Tätigkeiten ausübten, erhielten wahlweise Aufwendungen für eine Ersatzkraft oder Entschädigung für entfallende Einkünfte, jeweils mit bestimmten Höchstsätzen (§ 13a USG). Diese Leistungen waren jedoch steuerpflichtig (§ 15 Abs. 1 Satz 2 EStG). Auch für diese Gruppe galt die vorbeschriebene Mindestleistung gemäß § 13c EStG. Wurde statt der Entschädigung die Mindestleistung gewährt, weil diese höher war, dann war die gesamte Leistung steuerfrei (§ 13c Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 USG).

Arbeitslose erhielten ebenfalls die Mindestleistung gemäß § 13c EStG (so § 13c Abs.1 Satz 2 USG), ebenfalls steuerfrei.

Aktiven Beamten und aktiven Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes wurden vom Dienstherrn, anders als bei im Privatdienst stehenden Arbeitnehmern, die Bezüge bzw. das Arbeitsentgelt während Wehrübungen weitergezahlt (§ 9 Abs. 2 ArbPlSchG für Beamte, § 1 Abs. 2 ArbPlSchG für Arbeitnehmer). An den Bruttobezügen und deren Steuerpflicht änderte sich während eines Wehrdienstes nichts. Das Niedersächsische FG (Urteil vom 23.03.2004 15 K 768/00, Juris Rn. 24), bestätigt durch den BFH (Beschluss vom 31.05.2005 VI B 93/04, BFH/NV 2005, Juris), schloss daraus, dass Werbungskosten im Zusammenhang mit einer Wehrübung abziehbar seien. Der Sonderregelung für öffentlich Bedienstete liege "offensichtlich" der Gedanke zugrunde, dass die Erfüllung der Wehrpflicht im gesamtstaatlichen Interesse liege und  deswegen im Verhältnis zu jedem öffentlichen Dienstherrn der Erfüllung der Pflichten aus dem ruhenden regelmäßigen Dienstverhältnis gleichzustellen sei. Dem eine Wehrübung Ableistenden würden daher seine regelmäßigen Dienstbezüge für die Teilnahme an der Wehrübung gewährt, so dass die durch die Wehrübung veranlassten Aufwendungen zu seinen Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit gehörten.

Auch aktive öffentlich Bedienstete hätten die Mindestleistung gemäß § 13c USG erhalten, soweit diese höher gewesen wäre als ihre fortgezahlten Nettobezüge (§ 13c Abs. 2 USG),  dann insoweit steuerfrei (§ 15 Abs. 1 Satz 1 USG). Auch ein etwaiger Auslandszuschlag gemäß § 58a Bundesbesoldungsgesetz war gemäß § 3 Nr. 64 EStG steuerfrei.

Pensionierte Beamte und pensionierte Berufssoldaten erhielten, ebenfalls "Mindestleistung" genannt, den Unterschiedsbetrag zwischen ihren tatsächlichen Netto-Versorgungsbezügen und den fiktiven Nettobezügen, die sie als aktive Berufssoldaten gleichen Dienstgrades gehabt hätten (§ 13c Abs. 3 USG), d. h. Pensionäre wurden während der Wehrübung "netto" so gestellt, als wären sie noch im aktiven Dienst. Diese Leistung war steuerfrei (§ 15 Abs. 1 Satz 1 USG).

Alle vorgenannten Gruppen erhielten außerdem einen Wehrsold gemäß § 2 Wehrsoldgesetz - WSG -, ggf. mit Zuschlägen nach §§ 8a bis 8h WSG, steuerfrei gemäß § 3 Nr. 5 Buchstabe a) EStG.

3.

Mit dem Gesetz zur Neuregelung der Unterhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften wurde das USG mit Wirkung ab 01.11.2015 neu gefasst.

An der Einteilung der Fallgruppen hat sich nichts Wesentliches geändert (jetzt: § 6 USG für im Privatdienst Stehende, § 7 USG für Selbständige, Mindestleistung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 USG für im Privatdienst Stehende, Selbständige und Arbeitslose, § 9 Abs. 2 USG neue Fassung - n. F. - seit 01.05.2017 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 2 USG alte Fassung - a. F. - bis 30.04.2017 insbesondere bei öffentlich Bediensteten, § 9 Abs. 3 USG n. F. bzw. § 9 Abs. 2 a. F. für Pensionäre). Die Steuerfreiheit ist jetzt nur noch in § 3 Nr. 48 EStG geregelt, nicht mehr auch im USG. Der bisher in einem anderen Gesetz geregelte Wehrsold wurde als "Reservistendienstleistungsprämie und Zuschläge" in § 10  USG integriert. Zugleich wurde mit Zuschlägen bei längerer Verpflichtung (§ 10  Abs. 3 USG) ein Anreizsystem geschaffen und der Auslandszuschlag in § 10 Abs. 2 USG normiert. Die Steuerfreiheit der Reservistendienstleistungsprämie  und der Zuschläge folgt nunmehr ebenfalls aus § 3 Nr. 48 EStG.

Eine wesentliche Änderung, die sich nicht an der Struktur des Gesetzes ersehen lässt, ist die gleichzeitig erfolgte Erhöhung der Mindestleistung durch die Anhebung der Sätze in der Tabelle Anlage 1 zu § 9 (Mindestleistung). Wenn auch pauschalisiert, wurde die Mindestleistung an die Nettobesoldung von Berufssoldaten gleichen Dienstgrades in der ersten Erfahrungsstufe angeglichen, d. h. von bislang ca. 40 % des Einkommens der aktiven Soldaten auf ca. 100 % angehoben (Quelle für den Prozentsatz: Markus Grübel, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, Bt-PlPr 18/100, S. 9651D). Durch die Erhöhung der Mindestleistung um bis zu 300 % entstand ein jährlicher Haushaltsmittelmehrbedarf von ca. 10,9 Mio. € (Drs 18/4632 Seite 26 unter VI.3.). Damit werden nunmehr alle Gruppen von Reservistendienst Leistenden, wie früher schon die Pensionäre, aktiven Soldaten "netto" zumindest gleichgestellt.

III.1.

Mit seinem Einspruch vom 24.08.2016 gegen den ESt-Bescheid 2015 vom 12.08.2016, machte der Kläger geltend, er habe die sog. "Mindestleistung" für Versorgungsempfänger (§ 9 Abs. 2 USG in der bei Ableistung seines Reservistendienstes geltenden Fassung), die eigentlich eine Höchstleistung sei, zwar formal steuerfrei, jedoch dem Betrag nach unter Abzug von Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer (von den fiktiven Bezügen, die er als aktiver Berufssoldat gehabt hätte) erhalten. Daher sei nicht verständlich, warum er nunmehr keine Werbungskosten mehr abziehen dürfe, anders als während seiner Zeit als aktiver Berufssoldat, während der die Abzugsfähigkeit selbstverständlich gewesen sei. Die Ungleichbehandlung von aktiven Berufssoldaten und von pensionierten Berufssoldaten, die Reservedienst leisten, sei systemwidrig. Im Übrigen habe er die Reservedienstleistung in seiner ehemaligen Verwendung auf dortiges Ersuchen absolviert, woraus ersichtlich werde, dass ein Zusammenhang zu der früheren aktiven Tätigkeit bestehe.

2.

Mit Einspruchsentscheidung vom 19.05.2017 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Es führte aus: Gemäß § 3c EStG könnten die Werbungskosten nicht abgezogen werden. § 3c EStG diene der Vermeidung einer doppelten Begünstigung durch die Steuerfreistellung von Bezügen einerseits und der Möglichkeit des Abzugs von Werbungskosten andererseits. Die Mindestleistung für Reservedienst leistende Versorgungsempfänger werde zwar nach dem fiktiven Nettobetrag berechnet, aber steuerfrei ausgezahlt. Die beim Reservedienst entstandenen Aufwendungen stünden im unmittelbaren Zusammenhang mit diesen steuerfreien Leistungen, nicht mit den steuerpflichtigen, dem Kläger auch ohne die Reservedienstleistung ohnehin zustehenden Versorgungsbezügen.

IV.

Mit seiner am 13.06.2017 eingegangen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Würde ihm der begehrte Werbungskostenabzug gewährt, würde er gegenüber aktiven Berufssoldaten nicht bessergestellt, sondern lediglich gleichgestellt. Bisher sei er schlechter gestellt. Er bekomme im Ergebnis zwar die gleichen Auszahlungsbeträge wie die aktiven Kollegen, könne jedoch im Gegensatz zu diesen seine Aufwendungen nicht als Werbungskosten geltend machen. Ziel der Neufassung des USG sei es aber gerade gewesen, die Leistungen an Reservedienst Leistende an die Besoldung von aktiven Soldaten gleichen Dienstgrades anzugleichen. Dieses gesetzgeberische Ziel werde aber nur erreicht, wenn auch beim Werbungskostenabzug eine Gleichstellung erfolge.

Der Kläger beantragt,den Einkommensteuerbescheid 2015 vom 12.08.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.05.2017 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Versorgungsbezüge) weitere Werbungskosten in Höhe von 702 € berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Das FA bezieht sich auf seine Einspruchsentscheidung.

V.1.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (Kläger: FG-A Bl. 9; FA: FG-A Bl. 18).

2.

Die Einkommensteuerakte Bd. 5, angelegt 2009, lag vor.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2015 ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

I.

Sie stehen nicht im Veranlassungszusammenhang mit seinen Versorgungsbezügen als pensionierter Berufssoldat, denn diese würde er in genau gleicher Höhe auch erhalten, wenn er die Reservistendienstleistung nicht erbracht hätte, sondern allein mit den anlässlich der Dienstleistung zusätzlich erhaltenen Beträgen aufgrund des USG (Mindestleistung für Versorgungsempfänger, Reservistendienstleistungsprämie und  Auslandzuschlag), die gemäß § 3 Nr. 48 EStG jedoch steuerfrei gewährt werden.

An dem Umstand, dass diese Bezüge (formal) steuerfrei sind, ändert sich nichts dadurch, dass bei ihrer Berechnung (betragsmäßigen Bestimmung) von einem fiktiven Brutto fiktive Lohnsteuer nebst Nebenleistungen abgezogen werden. Zwar wäre es denkbar gewesen, dass der Gesetzgeber, statt einen Betrag fiktiv netto zu errechnen und steuerfrei zu gewähren, auch einen (höheren) Betrag entsprechend einem fiktiven Brutto hätte gewähren und diesen nicht steuerfrei hätte stellen können. Der Gesetzgeber hat sich aber für eine fiktive Nettoberechnung und Steuerfreistellung entschieden.

Hintergrund dessen dürfte, zumindest u. a., sein, dass der Gesetzgeber zwar der Höhe nach ein Niveau in Höhe der Nettobesoldung von Soldatinnen und Soldaten gleichen Dienstgrades angestrebt hat, gleichwohl der Entschädigungsgedanke noch zugrunde liegt. Die Dienstleistung eines Reservistendienst Leistenden wird nicht einfach angemessen entlohnt bzw. besoldet, sondern stattdessen wird auf seinen Antrag (§ 25 USG) eine Entschädigung gewährt (vgl. Rede Abg. Felgentreu bei Gesetzeseinbringung, BT-PlPr 18/100, S. 9650(D)), was im Rahmen der Novellierung des USG aus Kreisen der Reserve in Zweifel gezogen, jedoch vom Gesetzgeber gleichwohl beibehalten wurde. Steuerfreiheit und damit einhergehend fehlender Werbungskostenabzug bei Entschädigungen ist aber im Regelungssystem des EStG typisch (vgl. § 3 Nr. 19 bis Nr. 26b EStG).

II.

Die einfachgesetzliche Regelung steht auch im Einklang mit dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -), sie ist nicht verfassungswidrig.

Bedenken könnten sich allerdings durch die Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen hinsichtlich des Werbungskostenabzugs ergeben, nämlich zum einen von Pensionären gegenüber aktiven Berufssoldaten, wie vom Kläger geltend gemacht, und zum anderen innerhalb der Gruppe der Reservedienst Leistenden zwischen öffentlich Bediensteten einerseits und im Privatdienst Stehenden und Pensionären andererseits.

1. a)

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, "wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt" (vgl. BVerfGE 1, 14 <52>; aus der stRspr z.B. BVerfGE 89, 132 <141>). Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz auch dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können . Dafür kommt es wesentlich auch darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Nähere Maßstäbe und Kriterien lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche präzisieren (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -).

b)

Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird für den Bereich des Steuerrechts und insbesondere für den des Einkommensteuerrechts vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen angemessen sein muss. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, jedoch muss er unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Dies alles gilt insbesondere für das Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist.

c)

Die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst der einfache Gesetzgeber nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip. Danach unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblichen/beruflichen) Erwerbsaufwendungen sowie den (privaten) existenzsichernden Aufwendungen andererseits. Deshalb sind Aufwendungen für die Erwerbstätigkeit gemäß §§ 4, 9 EStG und existenzsichernde Aufwendungen im Rahmen von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen gemäß §§ 10 ff., 33 ff. EStG grundsätzlich steuerlich abziehbar. Dagegen mindern Aufwendungen für die Lebensführung außerhalb des Rahmens von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage. Die verfassungsrechtlichen Dimensionen dieser gesetzlichen Systematik hat die neuere verfassungsgerichtliche Rechtsprechung in differenzierter Weise weiter konturiert.

Hiernach entfaltet das objektive Nettoprinzip Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen: Zu ihnen gehört die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips als Ausgangstatbestand der Einkommensteuer; Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung bedürfen eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes (zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 04.12.2002, DStR 2003, 633, Juris Rn. 50-53).

2.

Nach diesen Grundsätzen ist die Ungleichbehandlung zwischen aktiven Berufssoldaten und pensionierten früheren, jetzt Reservistendienst leistenden Soldaten kein Verstoß gegen das Prinzip der Folgerichtigkeit.

a)

Zwischen aktiven Bediensteten und pensionierten Bediensteten besteht ein struktureller Unterschied: Während aktive Bedienstete ihren Dienst leisten, um die entsprechenden Bezüge zu erhalten, erhalten Pensionäre ihre Bezüge ohne Dienstleistung. Dies führt dazu, dass bei einer etwaigen freiwilligen Dienstleistung von Pensionären, die bei diesen zu Aufwendungen führt, diese nicht als Werbungkosten abziehbar sind, obwohl die Tätigkeit die gleiche bleibt gegenüber derjenigen vor der Pensionierung.

So kann ein aktiver Pfarrer oder eine Pfarrerin die Fahrtkosten zu Kirchen zur Abhaltung von Gottesdiensten als Werbungskosten abziehen. Ein Pfarrer oder eine Pfarrerin im Ruhestand, der oder die, etwa aus empfundener moralischer Verpflichtung gegenüber seiner bzw. ihrer Kirche, weiterhin freiwillig Gottesdienste abhält, kann die Fahrtkosten nicht abziehen (FG Hamburg, Urteil vom 13.02.2013 5 K 50/11, Juris; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.09.2006 2 K 1375/05, DStRE 2007, 1147, Juris; Niedersächsisches FG, Urteil vom 08.06.1993 III 211/91, EFG 1994, 141, Juris). Ein aktiver Professor oder eine aktive Professorin kann, wenn bei der Forschungstätigkeit Aufwendungen entstehen, die von der Hochschule nicht oder nicht vollständig ersetzt werden, diese als Werbungskosten abziehen. Pensionierte Professoren können Forschungsaufwendungen nicht als Werbungskosten geltend machen (FG Hamburg, Urteil vom 19.07.2012 3 K 33/11, Juris; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.09.1996 1 K 2283/95, Juris; FG Hamburg, Urteil vom 28.02.1989, EFG 1989, 452, Juris; a. A. FG Köln, Urteil vom 10.10.1992 8 K 4276/87, EFG 1973, 373, Juris). Dies ist nicht verfassungswidrig (vgl. BFH, Beschluss vom 08.02.2013 VII B 122/12, BFH/NV 2013, 952, Juris).

Nicht anders ergeht es hier dem Kläger.

b)

Auch unter Mitberücksichtigung nicht nur steuerlicher Gesichtspunkte, sondern auch außersteuerlicher, ergibt sich keine Verfassungswidrigkeit.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass der Gesetzgeber eine vollständige Gleichstellung von Reservistendienst Leistenden mit aktiven Soldaten nicht erreicht hat. Es bleibt zumindest der Unterschied bei der Möglichkeit, Aufwendungen durch den Dienst als Werbungskosten geltend zu machen.

Allerdings war eine solche vollständige Gleichstellung auch nicht angestrebt. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich vielmehr, dass die sog. Mindestleistung (§ 9 USG) an die Nettobesoldung von Soldatinnen und Soldaten angeglichen werden sollte (Drs 18/4632 Seite 2 und Seite 31). Angleichen bedeutet anpassen, annähern, abstimmen, ähnlicher machen, aber nicht zwingend vollständige Identität.

Dass eine Gesetzesvorschrift aus systematischen oder praktischen Gründen unbefriedigend erscheint, macht sie im Übrigen noch nicht verfassungswidrig (BFH, Urteil vom 25.07.1990 X R 137/88, NJW 1991, 125, Juris Rn. 21).

3.

Bedenklicher erschiene eher die Ungleichbehandlung von öffentlich Bediensteten gegenüber im Privatdienst Stehenden und Pensionären beim Werbungskostenabzug.

a)

Für eine steuerliche Binnendifferenzierung innerhalb der Gruppe der Reservistendienst Leistenden drängen sich keine Gründe auf. Die Gerichtsentscheidungen, die den Werbungskostenabzug für öffentlich Bedienstete bejaht haben (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.03.2004 15 K 768/00, Juris Rn. 24; BFH, Beschluss vom 31.05.2005 VI B 93/04, BFH/NV 2005, Juris), haben sich zur Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieser Differenzierung, also zu ihrer Folgerichtigkeit, nicht verhalten.

b)

Die Neukonzeption des USG führt allerdings dazu, dass auch  für öffentlich Bedienstete der Werbungskostenabzug nicht mehr stattfindet.

aa)

Zum einen ist die Mindestleistung von ungefähr 40 % auf ungefähr 100 % des Einkommens aktiver Soldatinnen und Soldaten angehoben worden. Damit dürften aber auch öffentlich Bediensteten nunmehr in einer erheblichen Zahl von Fällen der Mehrbetrag als (steuerfreie) Mindestleistung (zusätzlich zu ihren weitergezahlten Bezügen aus ihrem dauernden Dienstverhältnis) zustehen, was zuvor wohl eher theoretischer Natur war, jedenfalls in der Praxis kaum vorgekommen sein dürfte.

bb)

Der frühere Wehrsold, der neben der Unterhaltssicherung von eher untergeordneter Bedeutung war, ist beim Übergang zur Reservistendienstleistungsprämie nicht nur erhöht, sondern auch zu einem Anreizsystem für mehr Reservistendienstleistung zusammengefasst worden. Insbesondere bei einer Mindestverpflichtung im Vorhinein spielt er nun eine erhebliche Rolle.

cc)

Dies führt dazu, dass die Aufwendungen, die öffentlich Bediensteten im Zusammenhang mit einer Reservedienstleistung entstehen, im Veranlassungszusammenhang nur (noch) mit den ihnen nach dem USG zustehenden Leistungen stehen, die alle steuerfrei sind, nicht (mehr) mit den (weitergewährten) Bezügen ihres Hauptamtes.

Der vom Niedersächsischen FG für die frühere Rechtslage gesehene Zusammenhang zwischen Wehrdienst und dem Hauptamt des öffentlich Bediensteten in dem Sinne, dass ein öffentlicher Bediensteter durch eine Wehrdienstleistung praktisch seiner Dienstleistungspflicht aus dem Hauptamt nachkommt, ist durch die nunmehr erhebliche Zusatzvergütung für Reservistendienst Leistende obsolet.

dd)

Der Fortzahlung der Bezüge des Hauptamtes dürfte (jedenfalls jetzt) eher die Überlegung zugrunde liegen, dass die Berechnung des Abzugs bei den Bezügen des Hauptamtes beim ständigen Dienstherrn und der entsprechenden Berechnung der Verdienstausfallentschädigung durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr (§ 24 USG) auf der anderen Seite einen erheblichen Verwaltungsaufwand erzeugen würden, der zu der bloßen Verlagerung von Ausgaben zwischen verschiedenen Fisken - letztendlich kommt so oder so der Steuerzahler dafür auf - für die meist nur wenige Wochen dauernden Reservistendienstleistungen in keinem angemessenen Verhältnis steht und deswegen aus verwaltungspraktischen Gründen unterbleibt. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang etwa die Gerichtskostenfreiheit von Bundes- und Landesbehörden gemäß § 2 Abs. 1 GKG, ohne diese würden nur wechselseitige, unnötige Buchungsvorgänge entstehen. Auch bei der Heranziehung von Arbeitnehmern als Zeugen oder als ehrenamtliche Richter verzichten viele private und nahezu alle öffentlichen Arbeitgeber aus Praktikabilitätsgründen auf die Kürzung des Verdienstes und damit die sonst gegebene gerichtliche Verdienstausfallentschädigung ihres Arbeitnehmers.

c)

Da nach dem Inkrafttreten der Neuregelung des USG nunmehr auch öffentlich Bediensteten als Reservistendienst Leistenden kein Werbungkostenabzug für Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Reservistendienst mehr zusteht, stellt sich auch die Frage der Verfassungswidrigkeit einer solchen Differenzierung nicht mehr.

III.

Offen bleiben kann, ob der Kläger den Werbungskostenabzug der Höhe nach richtig berechnet hat. Die frühere unentgeltliche Bereitstellung von Verpflegung und das frühere Verpflegungsgeld wurden in die Reservistendienstleistungsprämie integriert (Drs 18/4632 Seite 31). Es wäre daher zu prüfen, ob, soweit der Kläger Verpflegungsmehraufwand geltend macht, die Reservistendienstleistungsprämie teilweise als Erstattung durch den Arbeitgeber in Abzug gebracht werden müsste, ggf. in welcher Höhe.

IV.1.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

2.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Reservistendienst Leistende sind eine zahlenmäßig relevante Gruppe, so waren im Mai 2015 fast 33.000 Reservistendienst Leistende beordert (BT-PlPr 18/196, S. 10201(A)). Sie sind ein tragender Bestandteil der deutschen Streitkräfte. Die Frage, ob und ggf. welchen Reservistendienst Leistenden ein Werbungskostenabzug zusteht, ist daher über den Einzelfall hinaus von erheblicher Bedeutung.

3.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung aufgrund des Verzichts der Beteiligten, § 90 Abs. 2 FGO.

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