VG Cottbus, Beschluss vom 17.04.2020 - 3 L 129/20
Fundstelle
openJur 2020, 42480
  • Rkr:
Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 10. März 2020 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Februar 2020 wird hinsichtlich der unter Ziffer 2 erfolgten Androhung der Ersatzvornahme angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 10. März 2020 gegen Ziffer 1 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Februar 2020 wiederherzustellen und gegen Ziffer 2 anzuordnen,

hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg.

Der zulässige Antrag ist nur teilweise begründet.

1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Pflicht zur Einholung eines Gutachtens über die Rassezugehörigkeit des Hundes "B..." genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen ist. Insoweit führt der Antragsgegner aus, es müsse unbedingt der Eindruck vermieden werden, durch eine "Ersatz-Bezeichnung" des Hundes die Verbote der Hundehalterverordnung umgehen zu können; dies laufe dem Schutzzweck der Hundehalterverordnung zuwider und mache deren Durchsetzung für die Ordnungsbehörden unmöglich. Solange die Rasse des Hundes "B..." nicht feststünde, seien Gefahren für die Öffentlichkeit, wie etwa die Gefahr gebissen und schwer verletzt zu werden, nicht auszuschließen. Die Ausführungen stellen sich als einzelfallbezogen dar und genügen. Auf die Richtigkeit der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung kommt es nicht an (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 28. Juni 2018 - 10 S 37.18 - juris Rn. 6, und vom 19. Juli 2018 - 10 S 67.17 - juris Rn. 5).

2. Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO in den Fällen, in denen die Behörde - wie vorliegend in Bezug auf die Ziffer 1 der angegriffenen Ordnungsverfügung - die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wiederherstellen und in Fällen, in denen diese - wie hier in Bezug auf die Ziffer 2 gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 16 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVGBbg) - gesetzlich ausgeschlossen ist, anordnen. Voraussetzung hierfür ist, dass sich aufgrund der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung, bei der die Erfolgsaussichten in der Hauptsache in den Blick zu nehmen sind, ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Betroffenen gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse ergibt.

a) Hinsichtlich der Anordnung zur Einholung und Vorlage eines Rassegutachtens (Ziffer 1) fällt die Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin aus, da ihr gegen die Ordnungsverfügung vom 20. Februar 2020 gerichteter Widerspruch vom 10. März 2020 insoweit voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergeben sich diesbezüglich keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung.

Rechtsgrundlage für die Anordnung, ein Gutachten über die Rassezugehörigkeit des Hundes "B..." erstellen zu lassen und bis zum 17. März 2020 beim Antragsgegner einzureichen, ist § 13 Abs. 1 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz (OBG)). Danach können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die ordnungsbehördliche Generalklausel als taugliche Ermächtigungsgrundlage für Gefahrerforschungsmaßnahmen anzusehen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2014 - OVG 5 S 28.13 - juris Rn. 5).

Die Anwendbarkeit der Generalklausel ist vorliegend nicht durch andere Vorschriften, ausgeschlossen. Auch schließt die Ordnungsbehördliche Verordnung über das Halten und Führen von Hunden (Hundehalterverordnung - HundehV) einen Rückgriff auf die allgemeinen Eingriffsmaßnahmen des Ordnungsrechts nicht aus (so zum saarländischen Landesrecht: OVG Saarland, Beschluss vom 28. Juni 2018 - 2 B 114/18 - juris Rn. 17, vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2014 - OVG 5 S 28.13 - juris Rn. 5). Diese enthält keine Ermächtigungsgrundlage zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts. Die darin enthaltene einzige Ermächtigungsgrundlage, § 5 Abs. 1 oder 2 HundehV, bietet der Behörde keine geeignete Handhabe, auch im Fall bloßer Zweifel über die Gefährlichkeit eines Hundes einzuschreiten, sondern setzt eine auf Tatsachen gestützte (konkrete) Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen und Tier voraus. Darüber hinaus böte die Vorschrift auch hinsichtlich der Rechtsfolgen nicht die Möglichkeit zur Anordnung der Einholung eines Rassezeugnisses.

Zudem ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ein Gefahrerforschungseingriff mit Blick auf die Folgen einer Gefährlichkeitsfeststellung i.S.d. § 8 Abs. 2 HundehV, nämlich das sich aus § 1 Abs. 2 S. 3 HundehV ergebende Haltungsverbot, für die Antragstellerin weniger belastend anzusehen (so auch VG Saarland, Beschluss vom 27. Februar 2018 - 6 L 30/18 - juris Rn. 27; zur Möglichkeit der Ordnungsbehörde, bei Streitigkeiten über die Gefährlichkeit eines Hundes diese durch Ordnungsverfügung festzustellen vgl. VG Aachen, Urteil vom 27. Dezember 2006 - 6 K 903/05 - juris Rn. 21).

Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 OBG liegen vor.

In Situationen, in denen auf Grund konkreter Anhaltspunkte der Verdacht besteht, dass der Zustand einer Sache oder das Verhalten einer Person zu einem Schaden an einem polizeilich geschützten Rechtsgut führen kann oder schon geführt hat, darf die Behörde auf der Grundlage der polizeilichen Generalklausel unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die erforderlichen Maßnahmen anordnen, um den Gefahrenverdacht weiter abzuklären. Insoweit stellt (schon) der Gefahrenverdacht eine Gefahr im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne dar, und zwar insbesondere dann, wenn wegen der Größe und der Folgenschwere des möglichen Schadens nur geringe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen sind. Der Gefahrerforschungseingriff ist danach die Vorstufe bzw. der erste notwendige Schritt zur Bekämpfung der Gefahr (so zu den jeweiligen landesrechtlichen Generalklauseln: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Januar 2002 - 21 A 5820/00 - juris Rn. 5 mit Nachweisen aus der Literatur; VG Saarland, Beschluss vom 27. Februar 2018 - 6 L 30/18 - juris Rn. 17 m.w.N.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Oktober 2015 - 4 ME 229/15 - juris Rn. 6).

Ein Gefahrenverdacht in diesem Sinne lag hier vor. Es ergeben sich bei verständiger Würdigung des Sachverhalts konkrete Anhaltspunkte für die Gefährlichkeit des Hundes "B..." und damit für einen Verstoß gegen das Haltungsverbot gemäß § 1 Abs. 2 S. 3 HundehV. Danach ist das Halten von Hunden i.S.d. § 8 Abs. 2 HundehV verboten.

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV gelten als gefährliche Hunde solche Hunde, bei denen aufgrund rassespezifischer Merkmale, Zucht, Ausbildung oder Abrichten von einer über das natürliche Maß hinausgehenden Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder einer anderen in ihrer Wirkung vergleichbaren, Mensch oder Tier gefährdenden Eigenschaft auszugehen ist. Nach § 8 Abs. 2 HundhV zählen hierzu u.a. Hunde der Rassen American Pitbull Terrier (Nr. 1) und American Staffordshire Terrier (Nr. 2) sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden.

Nach Aktenlage bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es sich beim Hund "B..." um einen gefährlichen Hund bzw. einer Kreuzung nach § 8 Abs. 2 HundhV handeln könnte. Ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Fotografien der Hündin "B..." weist diese Ähnlichkeiten mit den äußerlichen Merkmalen eines American Pitbull oder American Staffordshire Terrier auf, wie ein Abgleich mit Abbildungen von Hunden dieser Rassen, insbesondere hinsichtlich der Kopf- und Kieferform zeigt. Soweit die Mitarbeiterin des Antragsgegners zur Einschätzung gelangt, die Hündin "B..." sei "definitiv kein Boxer-Labrador" (vgl. Aktennotiz vom 27. Mai 2019, Bl. 3 d. VV), ist ihr darin zuzustimmen, dass das äußerliche Erscheinungsbild der "B..." eher einem American Pitbull Terrier oder einem American Staffordshire Terrier als einem Boxer-Labrador ähnelt. Soweit die Hündin "B..." eine Widerristhöhe von 54 cm (gegenüber der idealen Widerristhöhe bei einem American Staffordshire Terrier von 43-46 cm [Standard Nr. 286 der Fédération Cynologique Internationale (FCI) vom 9. Januar 1998, S. 4] bzw. von 43-51 cm bei einem [von der FCI nicht anerkannten Rasse des] American Pitbull Terrier [vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/American_Pit_Bull_Terrier]) aufweist, schließt dies eine Zugehörigkeit der Hündin zu diesen Rassen bzw. das Vorliegen einer entsprechenden Kreuzung nicht aus. Die Abweichung von den Standardmerkmalen dieser Rassen wäre im Hinblick auf die Widerristhöhe typisch für einen Mischling (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2014 - OVG 5 S 28.13 - juris Rn. 6). Auch hat der von dem Antragsgegner konsultierte Sachverständige Volkmar Hoffmann geäußert dass das Erscheinungsbild auf einen Staffordshire hinweisen (Bl. 40 VV).

Ferner bekräftigt die Tatsache, dass die Antragstellerin ihren Hund "B..." während des Verwaltungsverfahrens steuerlich abmeldete und gegenüber dem Antragsgegner behauptete, diesen an den in D... wohnhaften Herrn S... abgegeben zu haben (vgl. den Abmeldungsnachweis, Bl. 32 d. VV), den Verdacht. Es drängt sich in der Tat die Vermutung auf, dass die Antragstellerin hierdurch den Erlass einer an sie gerichteten Ordnungsverfügung entgehen wollte, die steuerliche Abmeldung des Hundes also verfahrensmotiviert war. Nach den Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens spricht viel dafür, dass die Antragstellerin nach wie vor Halterin des Hundes "B..." ist (zum Begriff der Haltereigenschaft vgl. VG Saarland, Beschluss vom 27. Februar 2018 - 6 L 30/18 - juris Rn. 46 f. m.w.N.), zumal Herr Wenzel im Oktober 2019 angab, "B..." wieder an die Antragstellerin abgegeben zu haben (vgl. die Hundesteuer-Kontrollmitteilung mit E-Mail vom 26. November 2019, Bl. 111 d. VV).

Die von der Antragstellerin eingereichten zwei Gutachten zur phänotypischen Zuordnung ihres Hundes sind nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit des angeordneten Gefahrerforschungseingriffs in Frage zu stellen; sie können die auf die Zuordnung der Hündin "B..." zum American Staffordshire Terrier oder American Pitbull Terrier deutenden Anhaltspunkte nicht erschüttern. Der Antragsgegner durfte die Gutachten zu Recht nicht anerkennen.

Zwar steht der Verwertbarkeit der von Frau C... ausgestellten "Bescheinigung über eine Rassezuordnung" vom 6. Juni 2019 nicht ohne Weiteres entgegen, dass diese ihre Berechtigungen als Zuchtschaurichterin verloren hat. Ob der Entzug auf Gründen beruht, die auch für ihre Tätigkeit als Sachverständige für Rassezuordnungen relevant sind, ist nicht bekannt. Es ist nicht erforderlich, dass ein Gutachter über die Rassezuordnung von Hunden zugleich Zuchtrichterin eines Fachverbandes ist. Denn es geht hier nicht um die Bewertung der Zuchteignung eines Tieres für eine bestimmte Rasse oder Gruppe, sondern um die Beurteilung des Vorliegens gefahrbegründender rassespezifischer Merkmale bei Hunden (vgl. VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 11. Juni 2019 - 3 K 1000/15 - juris Rn. 27).

Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Frau H... und damit an der Aussagekraft und Qualität ihres Gutachtens ergeben sich aber deshalb, weil sie im Verdacht steht, Gefälligkeitsgutachten zu erstellen (vgl. das Schreiben des Ministeriums des Innern vom 22. Oktober 2009 und Aktenvermerk vom 2. August 2019, Bl. 39 d. VV). Zwar konnte ausweislich des Aktenvermerks vom 18. September 2019 in dem gegen Frau H... geführten Strafverfahren ein diesbezüglicher Nachweis nicht erbracht werden. Allerdings stützt der Antragsgegner den Verdacht (auch) auf die Hinweise der Stadt B... (vgl. die "Wiedervorlageübersicht", Bl. 92 d. VV) und des Sachverständigen Herrn V... (vgl. den Aktenvermerk vom 2. August 2019, Bl. 39 d. VV). So habe dieser unter anderem von einem Gerichtsverfahren berichtet, dem ein Beißvorfall eines Hundes zu Grunde lag. Dieser Hund sei vor der Beißattacke von Frau H... als ungefährlich eingestuft worden, obwohl es sich nach Ansicht des Sachverständigen H... um einen gefährlichen Hund gehandelt habe. Seine in dem Aktenvermerk wiedergegebenen Schilderungen erscheinen plausibel und trotz einer etwaigen wirtschaftlichen Konkurrenzsituation zu Frau H... und sich daraus ergebender negativer Belastungstendenzen glaubhaft. Insbesondere legt er Wissenslücken offen - etwa zum ihm unbekannten Ausgang des Gerichtsverfahrens - und verweist für weitere Auskünfte auf das Ordnungsamt C.... Dieses habe ausweislich des gleichen Aktenvermerks die Schilderungen des Herrn H... bestätigt.

Durchgreifende Zweifel an der Aussagekraft des Gutachtens der Frau H... ergeben sich auch in inhaltlicher Hinsicht. So erscheint etwa fraglich, ob die "eindeutig vom Labrador und Dogo Canario" zu erkennende Fellfarbe (S. 2 d. Gutachtens) ausreichend aussagefähig ist. Denn nach dem FCI-Standard ist die Fellfarbe für beide Rassearten nicht festgelegt. Danach kann die Farbe eines Labradors "einfarbig schwarz, gelb oder leber-/schokoladenbraun" sein; "gelb reicht von hellcreme bis fuchsrot" (FCI-Standard Nr. 122 vom 20. Januar 2012, S. 5). Hinsichtlich eines Dogo Canario ist jede Farbe - "gestromt in allen Schattierungen, von einem warmen Dunkelbraun bis zu sehr blassem Grau oder Blond; alle Schattierungen von Falb- zu Sandfarben (FCI-Standard Nr. 346 vom 24. Dezember 2018, S. 6) - zulässig. Es erscheint zweifelhaft, ob die Fellfarbe der Hündin "B..." ein unverkennbares Indiz für seine Zugehörigkeit zu den Rassen Labrador und Dogo Canario bilden kann.

Schließlich ist das Gutachten nach summarischer Prüfung auch lückenhaft. Es ist nicht ersichtlich, wie Frau H... zu ihrer Beurteilung, die Hündin "B..." sei ein Mischling der Rassen Labrador und Dogo Canario, gelangt ist. Zwar hat sie das Erscheinungsbild von "B...", insbesondere ihren Kopf, ihr Gebiss sowie ihre Körperproportionen begutachtet sowie ihr Gewicht (23 kg) und ihre Schulterhöhe (54 cm) gemessen. Die auf diesen Feststellungen basierende Einschätzung ist allerdings nicht ausreichend nachvollziehbar. Insoweit ist dem Gutachten nur zu entnehmen, dass die Beurteilung auf der "Größe, Gesamterscheinung und dem Phänotyp" des Hundes "B..." basiere. Es ist völlig offen, ob die Gutachterin zur Bestimmung der Rasse der Hündin "B..." auf die Kriterien anerkannter Fachverbände, insbesondere der FCI, zurückgegriffen hat oder auf welchen sonstigen Standards ihre Beurteilung beruht. Welches Kriterium bei der Einschätzung der Gutachterin letztlich ausschlaggebend war, lässt sich nicht nachvollziehen.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der "Rassespezifischen Begutachtung" durch Herrn U... vom 27. September 2019. Es kann offen bleiben, ob es diesem aufgrund seiner Position als Vorsitzender des auch auf Hundezucht ausgerichteten American Staffordshire Terrier Club e.V. an Unparteilichkeit und Objektivität fehlt und er damit als ungeeignet anzusehen ist. Denn das Gutachten des Herrn Z... ist ebenso lückenhaft. Er hat schon nicht alle Körpermerkmale zugrunde gelegt, die für sogenannte Listenhunde gerade typisch ist, etwa der auffällige Kopf oder die ausgeprägte Kaumuskulatur. Seine knappe und wenig detaillierte Einschätzung beruht lediglich auf den Körpermerkmalen "Form des Gebäudes", "Gangwerk", Fellart und Ohren. Das Gutachten ist damit grob fehlerhaft und nicht aussagekräftig.

Auch das vorgelegte Negativgutachten des Sachverständigen W... vom 20. Oktober 2019 begründet keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der unter Ziffer 1 der Ordnungsverfügung auferlegten Pflicht zur Einholung eines Rassegutachtens. Wie der Antragsgegner zu Recht vorträgt, liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei dem Hund "B..." um einen Hund i.S.d. § 8 Abs. 2 HundehV handelt, dessen Gefährlichkeit unwiderleglich vermutet wird. Zudem trägt das Negativgutachten vielmehr zur verworrenen Sachlage bei, als hiernach die Hündin "B..." als "Mix/Mischling, Mallorquin" und damit wiederum einer anderen Kreuzung zugeordnet wird.

Nach alledem ist völlig offen, um welche Rasse bzw. Kreuzung es sich bei der Hündin "B..." handelt. So schließt die Amtstierärztin des Landkreises E... nach Sichtung der Fotos einen reinrassigen Kampfhund aus und tendiert zu einer genetischen Beteiligung eines Retro-Boxers (Bl. 109 VV). Es besteht damit eine unklare Sachlage, die ebenso gefährlich wie ungefährlich sein kann. Diese Erkenntnislücke muss geschlossen werden, um die Sachlage beurteilen zu können. Dies kann nur durch die Einholung eines (weiteren) Gutachtens geschehen (insbesondere zur Einordnung rassespezifischer Merkmale bei einer Kreuzung, vgl. hierzu Urteil der Kammer vom 21. November 2016 - VG 3 K 977/15 -, n. v.), was letztlich auch im Sinne der Antragstellerin sein dürfte. Denn soweit sie davon überzeugt ist, ihre Hündin gehöre keiner gefährlichen Rasse nach § 8 Abs. 2 HundehV an, ließe sich dies in verlässlicher Weise nur durch ein solches Rassegutachten bestätigen. Nachprüfbare Erklärungen oder Unterlagen zur Herkunft des Tieres, die gegen eine Zugehörigkeit zu einer gefährlichen Rasse sprechen könnten, hat die Antragstellerin nicht vorgelegt. Die Anordnung unter Ziffer 1 der Ordnungsverfügung ist zum Schutz der hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Menschen sowie zum Schutz von anderen Tieren insbesondere mit Blick auf die erhöhte Gefährlichkeit von gefährlichen Hunden verhältnismäßig. Die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Tier ist nur für kurze Zeit eingeschränkt und beeinträchtigt nicht die Integrität der Hündin "B...". Die gesetzte Frist ließ der Antragstellerin ausreichend Zeit, um der Anordnung nachzukommen.

Auch soweit ihr aufgegeben wird, das Gutachten über die Rassezugehörigkeit von einem beim Ordnungsamt F... anerkannten Gutachter erstellen zu lassen, ist die ebenso auf § 13 Abs. 1 OBG gestützte Regelung nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Zwar steht dem Betroffenen grundsätzlich frei, einen Sachverständigen beliebig zu wählen. Der Sachverständige muss aber über die für die Erstellung des Gutachtens notwendige Eignung und Sachkunde verfügen. Während es bei dem Merkmal der besonderen Sachkunde um rein fachliche Fähigkeiten des Sachverständigen geht, ist mit dem Merkmal der "Eignung" die uneingeschränkte persönliche Zuverlässigkeit, die Unabhängigkeit und Vertrauenswürdigkeit sowie die Persönlichkeitsstruktur und Akzeptanz des Sachverständigen bei den potentiellen Auftraggebern verbunden. Die Persönlichkeit des Sachverständigen muss eine Gewähr für die ordnungsgemäße Durchführung der Gutachtertätigkeit bieten (VG Braunschweig, Urteil vom 20. Januar 2011 - 1 A 95/10 - juris Rn. 31 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1975 - I C 23.73 - beck-online). Diese Anforderungen erfüllen die von der Antragstellerin gewählten Gutachter nicht. Es ist jedoch zu befürchten, dass sie sich erneut eines Sachverständigen ohne ausreichende Sachkunde und Eignung bedient und es in diesem Fall abermals zu Streitigkeiten über die Verwertbarkeit des Gutachtens kommt. Der Antragsgegner muss eine hierdurch eintretende weitere Verzögerung bei der Klärung der Sachlage aber nicht hinnehmen. Da die Antragstellerin ohnehin ein weiteres Gutachten über die Rassezugehörigkeit ihrer Hündin "B..." vorzulegen hat, ist die aus der Vorgabe des Sachverständigen erwachsende Beeinträchtigung allenfalls gering.

Der Antragsgegner darf die Antragstellerin auch zu Recht als Zustandsstörerin i.S.d. § 17 Abs. 1 und 2 OBG ansehen. Als Eigentümerin der Hündin "B..." hat sie die tatsächliche Gewalt über diese inne, von der der oben beschriebene Gefahrenverdacht ausgeht.

b) Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der unter Ziffer 1 der Ordnungsverfügung getroffenen Regelung besteht ein öffentliches Interesse. Das besondere öffentliche Interesse im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an einer Vollziehung stellt sich als Ergebnis einer Abwägung aller im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Interessen unter Berücksichtigung der Natur, Schwere und Dringlichkeit des Interesses an der Vollziehung bzw. an der aufschiebenden Wirkung und der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen Rückgängigmachung der getroffenen Regelung und Verfolgung dar (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 80 Rn. 90). Hiervon ausgehend wiegt das private Interesse der Antragstellerin, vorläufig bis zur Bestandskraft der angefochtenen Ordnungsverfügung die gegen sie getroffene Maßnahme nicht beachten zu müssen und ihren Hund ohne Abklärung der Gefährlichkeit weiterhin halten zu können, nicht so schwer wie das gegenläufige Interesse an der sofortigen Vollziehung der Regelung. Denn der Schutz von Leib und Leben Dritter sowie der Schutz von anderen Tieren ist ohne Weiteres höher einzuschätzen als die der Antragstellerin auferlegte Pflicht.

c) Hinsichtlich der unter Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 20. Februar 2020 getroffenen Regelung fällt die Interessenabwägung allerdings zugunsten der Antragstellerin aus, weil diese nach summarischer Prüfung rechtswidrig ist. Rechtsgrundlage für die darin getroffene Androhung der Ersatzvornahme sind die Vorschriften der §§ 3, 27 Abs. 2 Nr. 2, 28, 32 VwVGBbg. Soweit der Antragsgegner auf Seite 8 des angegriffenen Bescheids andere Normen benennt, handelt es sich hierbei um die weitgehend inhaltsgleichen Vorgängerregelungen des bereits im Mai 2013 außer Kraft getretenen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes.

Zwar liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor, insbesondere ist der Grundverwaltungsakt, nämlich die Pflicht zur Einholung und Vorlage des Rassegutachtens, sofort vollziehbar, vgl. § 3 Nr. 2 VwVGBbg. Ferner stellt diese Pflicht eine vertretbare Handlung dar, sodass die Ersatzvornahme auch das richtige Zwangsmittel ist, vgl. § 32 Abs. 1 S. 1 VwVGBbg. Allerdings ist die Regelung deshalb rechtswidrig, weil weder im Tenor noch in der Begründung der Ordnungsverfügung die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme angegeben sind. Gemäß § 28 Abs. 5 VwVGBbg "sollen" im Falle der Androhung der Ersatzvornahme die voraussichtlichen Kosten in der Androhung angegeben werden. Bei dieser "Soll"-Vorschrift handelt es sich um eine "Muss"-Bestimmung mit Ausnahmevorbehalt für atypische Fälle (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. November 2018 - OVG 11 S 56.18 - juris Rn. 6 m.w.N.). Mit ihr soll dem Pflichtigen das Kostenrisiko vor Augen geführt werden, das auf ihn zukommt, wenn er seine Pflicht nicht erfüllt und es auf die Ersatzvornahme ankommen lässt. Ohne die Angabe der vorläufig veranschlagten Kosten ist, sofern nicht im Ausnahmefall davon abgesehen werden darf, die Androhung rechtswidrig (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. März 2016 - 2 M 156/15 - juris Rn. 38). Atypische Gründe sind hier nicht ersichtlich. Soweit eine Kostentragungpflicht des vermeintlichen Störers in Fällen verneint wird, in denen sich der Gefahrenverdacht nicht zu einer konkreten Gefahr verdichtet, macht auch dies die Angabe der voraussichtlichen Kosten nicht entbehrlich. Denn der Antragsgegner hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass im Falle einer Ersatzvornahme die Antragstellerin die Kosten zu tragen habe.

Ungeachtet dessen bedurfte es einer Androhung der vorübergehenden Sicherstellung des Hundes - entgegen des im Tenor zu 2) enthaltenen Wortlauts - nicht, weil die Mitnahme von "B..." aus dem Gewahrsam der Antragstellerin Teil der Ersatzvornahme wäre. Denn die Einholung des Gutachtens beinhaltet denklogisch die Pflicht, den Hund beim Sachverständigen zunächst vorzustellen und begutachten zu lassen. Gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 VwVGBbg sind der Vollstreckungsschuldner und Personen, die Mitgewahrsam an beweglichen Sachen haben, zur Duldung der Ersatzvornahme verpflichtet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Streitwert ist gemäß § 52 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in der im Tenor benannten Höhe festzusetzen. Der Auffangwert ist heranzuziehen, da der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Punkte für eine anderweitige Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin, von der angegriffenen Ordnungsverfügung verschont zu bleiben, bietet. Aufgrund der angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache kommt eine Minderung dieses Betrages nicht in Betracht. Die Androhung der Ersatzvornahme bleibt bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt, vgl. Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.