VG Potsdam, Urteil vom 05.09.2019 - 1 K 6528/17
Fundstelle
openJur 2020, 42099
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist parteiloser Einzelbewerber für die Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters in H.... Er wendet sich gegen die Wahlprüfungsentscheidung der Beklagten zu seinem Wahleinspruch vom 25. September 2017.

Der Kläger reichte am 15. Mai 2017 als Einzelbewerber einen Wahlvorschlag zu oben genannter Bürgermeisterwahl ein. Daraufhin übergab die Wahlleiterin am 16. Mai 2017 dem Bürgerbüro der Stadt H... eine Unterschriftenliste. Die Liste lag vom 16. Mai 2017 bis zum 19. Juli 2017 im Bürgerbüro aus. Die einzelnen Blätter waren nicht fest verbunden. Die Einsichtnahme in die Liste wurde dem Kläger zunächst gestattet, am 15. Juni 2017 jedoch untersagt. Der Kläger suchte daraufhin am selben Tag die Wahlleiterin auf. Diese verwies auf ein Schreiben des Kreiswahlleiters vom 7. Juni 2017, wonach auf die Sicherung der Wahlunterlagen zu achten sei. Dem Kläger wurde angeboten, eine Auskunft über die Anzahl seiner Unterstützer einzuholen.

Die Liste enthielt zum Ablauf der Unterschriftsfrist 19 Unterschriften. Zur Prüfung der eingereichten Wahlvorschläge und zur Entscheidung über ihre Zulassung trat am 24. Juli 2017 der Wahlausschuss der Stadt H... zusammen. Dieser wies den Wahlvorschlag des Klägers mit der Begründung zurück, ihm fehle es an der Mindestzahl von 64 Unterstützungsunterschriften.

Als neuer Bürgermeister wurde bei der Wahl am 24. September 2017 Herr T... G... von der SPD gewählt.

Am Tag nach der Wahl, dem 25. September 2017, erhob der Kläger Wahleinspruch gegen die Gültigkeit der Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters. Das per Fax eingereichte Schreiben ging der Stadtverwaltung gemäß dem aufgebrachten Eingangsvermerk am selben Tag zu. Zur Begründung führte er an, die Wahlleiterin sei als abhängig Beschäftigte des amtierenden Bürgermeisters befangen und daher für ihr Amt ungeeignet. Aufgrund diverser Gerichtsverfahren, die er gegen den Bürgermeister der Stadt H... vor dem hiesigen Gericht, wie auch vor dem Amtsgericht O... führe, sei nicht davon auszugehen, dass ihm gegenüber ein Vertrauensverhältnis bestehe. Es seien weit mehr Unterschriften als die letztlich festgestellten 19 zusammengekommen. Von Unterstützern sei ihm bestätigt worden, dass diese unter einer höheren Ordnungsziffer als der Nr. 19 unterzeichnet hätten. Durch die fehlende Verbindung der Blätter der Liste sei es jederzeit möglich gewesen, ein Blatt auszutauschen. Weil ihm die Einsichtnahme in die Liste ab dem 15. Juni 2017 verwehrt worden sei, habe er seine Wahlstrategie und die Stärke seiner Aktivitäten nicht planen können. Die Liste habe zudem nicht wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben ausgelegen, sondern sei in der Eingangslobby des Rathauses in ständig wechselnden Schreibtischen verborgen worden. Für Unterschriftswillige sei es zu langen Wartezeiten gekommen. Diese seien zudem von Mitarbeitern betont unfreundlich und abweisend behandelt worden. Es sei die Frage gestellt worden, ob man sich auch wirklich sicher sei, für ihn unterschreiben zu wollen.

Mit ihrer Entscheidung über die Wahlprüfung vom 6. Dezember 2017 beschloss die Beklagte, dass die Einwendungen des Klägers gegen die Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters am 24. September 2017 nicht begründet seien, wies diese zurück und erklärte die Wahl für gültig. Zur Begründung dieser Entscheidung führte sie aus, die Auswahl der Person der Wahlleiterin sei ordnungsgemäß erfolgt. Diese sei zur unparteiischen Wahrnehmung des Amtes gesetzlich verpflichtet. Eine Benachteiligungsabsicht wegen anhängiger Gerichtsverfahren sei eine pauschal vorgetragene Vermutung des Einspruchsführers. Ebenso seien die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich des Führens der Unterschriftenliste eingehalten worden. Das verwendete Formular entspreche dem vom Landeswahlleiter bereitgestellten Mustervordruck. Dieses Formular habe nicht offen ausgelegt werden können, da dies der Verpflichtung, das Wahlgeheimnis zu schützen, widerspreche. Daher sei es auch zulässig gewesen, dem Wahlbewerber die Einsicht in die Liste zu verwehren. Eine Auskunft zur Zahl der geleisteten Unterschriften habe dieser erhalten können. Unterschriftsleistungen unter weiter höheren Nummern als Nr. 19 seien nicht feststellbar.

Die Wahlprüfungsentscheidung wurde dem Kläger am 12. Dezember 2017 zugestellt.

Gegen die Wahlprüfungsentscheidung hat der Kläger mit Schreiben vom 30. Dezember 2017 unter Wiederholung seines Vortrags aus dem Wahleinspruch Klage erhoben.

Er beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2017 aufzuheben und festzustellen, dass die Wahl des hauptamtlichen Bürgermeisters vom 24. September 2017 ungültig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, eine vom Kläger unterstellte Benachteiligungsabsicht der Wahlleiterin, ein fehlendes Vertrauensverhältnis wegen anhängiger Gerichtsverfahren oder eine nicht unparteiliche Amtswahrnehmung seien pauschal vorgetragene Vermutungen und Unterstellungen des Klägers. Eine Zusammenfügung der einzelnen Blätter der Unterschriftenliste sei erst nach Abschluss der Frist für die Unterschriftensammlung verpflichtend. Eine unfreundliche Behandlung der Unterstützer des Klägers im Bürgerbüro habe es nicht gegeben. Sie seien am Empfang nach ihrem Anliegen befragt worden. Gegebenenfalls sei wegen akustischer Probleme das Anliegen erneut nachgefragt worden. Sodann hätten sie kurz in der Wartezone Platz genommen, bevor sie ihre Unterschrift leisten konnten. Die Liste habe dabei ein Mitarbeiter entweder aus dem Aktenschrank oder vom gegenüberliegenden Schreibtisch geholt, sofern dort ein anderer Unterstützer kurz zuvor unterschrieben hatte. Insgesamt handele es sich um einen gängigen Ablauf, bei dem die Mitarbeiter die Gebote der Mäßigung, politischen Zurückhaltung und Sachlichkeit beachtet hätten. Ein offenes, unkontrolliertes Auslegen der Liste widerspreche der Verpflichtung, das Wahlgeheimnis zu wahren. Durch das Verbot der Einsichtnahme sei der Ausgang der Unterschriftensammlung nicht beeinträchtigt worden. Die Behauptung, es seien Unterschriften unter weit höherer Nummer als der Nr. 19 geleistet worden, finde sich im von der Behörde parallel angelegten elektronischen Unterschriftserfassungs- und prüfungssystem nicht bestätigt. Auch hier seien nur 19 Unterschriften eingetragen.

In Reaktion hierauf trägt der Kläger vor, wenn die Liste mit Beginn der zweiten Seite geheftet und gesiegelt worden wäre, so habe er mehr als 20 Unterschriften erhalten, da die Liste doppelseitig bedruckt war und die zweite Seite (das zweite Blatt) mit Nr. 21 begann. Abgesehen davon hätten Frau M... und Herr M... D... nach eigenen Angaben unter Nr. 35 und 36 unterschrieben.

Hierauf erwidert die Beklagte, ein Heften und Siegeln sei mit Beginn der zweiten Seite (Rückseite Blatt 1) - Unterschrift Nr. 4 - erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlungen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Absatz 1 Satz 1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) eröffnet. Es handelt sich bei dem Verfahren zwischen dem Kläger als Einzelbewerber und der Stadtverordnetenversammlung (SVV), das im Wesentlichen auf Grundlage des BbgKWahlG (Brandenburgisches Kommunalwahlgesetz) zu entscheiden ist, insbesondere um eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art.

Nach § 53 Abs. 2 BbgKVerf (Kommunalverfassung des Landes Brandenburg) i.V.m. §§ 63, 58 Abs. 2 BbgKWahlG ist gegen die Wahlprüfungsentscheidung der Vertretung die Klage vor dem Verwaltungsgericht gegeben. Die vom Kläger begehrte Feststellung der Ungültigkeit der Wahl ist als Gestaltungsklage eigener Art statthaft, so dass das Gericht insbesondere nicht auf einen Verpflichtungsausspruch begrenzt ist. Die Wahlprüfungsklage zielt vielmehr neben der Anfechtung der Wahlprüfungsentscheidung der Beklagten auf die Feststellung der Ungültigkeit der Wahl durch das Gericht (OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 20. September 2001 - 1 A 15/00 -, juris Rn. 39 und Urteil vom 18. Oktober 2001 - 1 A 200/00 -, juris Rn. 36; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 7 A 10305/91 -, juris Rn. 30 f.; OVG Weimar, Urteil vom 20. Juni 1996 - 2 KO 229/96 -, juris Rn. 60 f.; VGH Kassel, Urteil vom 22. September 2005 - 8 UE 609/05 - juris Rn. 34 und Schumacher/Nobbe, in: Schumacher u.a., Kommunalverfassungsrecht Brandenburg, BbgKWahlG, Stand Juli 2017, § 58 Rn. 3.1).

Der Kläger ist als Einzelbewerber gemäß § 42 Absatz 2 VwGO in Verbindung mit §§ 55 Absatz 1, 63 BbgKWahlG klagebefugt. Gemäß § 58 Absatz 2, 63 BbgKWahlG ist die Klage unmittelbar gegen die Wahlprüfungsentscheidung zulässig; ein Vorverfahren ist demnach entbehrlich.

Der Kläger hat seinen Wahleinspruch innerhalb der Frist des § 55 Absatz 2, 63 BbgKWahlG und seine Klage innerhalb der Frist des § 58 Absatz 2, 63 BbgKWahlG erhoben.

Die Klage ist unbegründet. Die Wahlprüfungsentscheidung der SVV der Stadt H... vom 6. Dezember 2017 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister der Stadt H... am 24. September 2017 gültig war. Der Kläger hat somit keinen Anspruch darauf, die Wahl für ungültig erklären zu lassen (§ 80 Absatz 1 BbgKWahlG).

Nach § 80 Abs. 1 BbgKWahlG hat die Vertretung über die Gültigkeit der Wahl und über Einsprüche nach § 55 BbgKWahlG in der in § 80 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BbgKWahlG bestimmten Weise zu entscheiden. Nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 Var. 2 BbgKWahlG - der den für die Wahl der Kommunalvertretung geltenden Maßstab aus § 57 Abs. 1 Nr. 4 lit. b BbgKWahlG übernimmt - ist die Wahl nur dann (ganz oder teilweise) ungültig, wenn die den begründeten Einwendungen zugrundeliegenden Tatbestände so schwerwiegend sind, dass bei einer einwandfreien Durchführung der Wahl ein wesentlich anderes Wahlergebnis zustande gekommen oder festgestellt worden wäre.

Dabei können entsprechende Einwendungen gemäß §§ 63, 55 Abs. 1 BbgKWahlG mit der Begründung erhoben werden, dass die Wahl nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechend vorbereitet oder durchgeführt oder in anderer unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst worden ist.

Ferner dient das Wahlprüfungsverfahren nach §§ 63, 55 ff. BbgKWahlG dazu, die richtige Besetzung des Amts eines hauptamtlichen Bürgermeisters zu gewährleisten. Ein Wahlfehler kann den in der Wahl zum Ausdruck gebrachten Willen der Wähler nur dann verletzen, wenn sich ohne ihn eine andere, über die Mandatsverteilung entscheidende Mehrheit ergeben würde. Daher muss eine Unregelmäßigkeit - um zur Ungültigkeit der Wahl zu führen - von solchem Gewicht sein, dass sie unter den gegebenen Umständen nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine konkrete und nicht ganz fernliegende Möglichkeit dafür begründet, dass sie sich auf die Verteilung des Mandates ausgewirkt hat oder haben konnte (sog. Mandatsrelevanz). Allein die theoretische Möglichkeit genügt nicht. Erst die ernsthaft in Betracht zu ziehende Möglichkeit der Auswirkung eines Wahlfehlers auf den konkreten Wahlausgang kann dazu führen, eine Wahl ganz oder teilweise für ungültig zu erklären (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 21. Dezember 1955 - 1 BvC 2/54 -, juris Rn. 15; Beschluss vom 6. Oktober 1970 - 2 BvR 225/70 -, juris Rn. 28 ff.; Beschluss vom 20. Oktober 1993 - 2 BvC 2/91 -, juris Rn. 45; Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 19. August 2010 - 25/10 -, juris Rn. 3; Thüringer Verfassungsgerichtshof, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 9/15, juris Rn. 55).

Der Gegenstand des vorangegangenen Wahlprüfungsverfahrens beschränkt auch den Rahmen des gerichtlichen Verfahrens.

Die erhobenen Rügen waren an obigen Grundsätzen zu messen und können der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.

1. Die Rüge, dass die Wahlleiterin als abhängig Beschäftigte des Bürgermeisters von Hause aus befangen und daher als Wahlleiterin nicht geeignet sei, ist nicht hinreichend dargetan. Die Wahlleiterin, Frau B..., war zum Zeitpunkt der Wahl Leiterin des Fachbereichs Service in der Stadtverwaltung der amtsfreien Gemeinde H.... Aus §§ 15 Absatz 2, 63 BbgKWahlG ergibt sich, dass auch ein Bediensteter der amtsfreien Gemeinde zum Wahlleiter berufen werden kann. Allein die Tatsache, dass Frau B... Mitarbeiterin der Stadtverwaltung war, schließt kraft Gesetzes ihre Ernennung zur Wahlleiterin nicht aus. Ferner hat die Aufsichtsbehörde ihrer Berufung auch nicht widersprochen. Dies wäre ihr gemäß §§ 15 Absatz 3 Satz 2, 63 BbgKWahlG möglich gewesen, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass Frau B... nicht in der Lage gewesen wäre, das Amt des Wahlleiters ordnungsgemäß wahrzunehmen. Auch der Vortrag des Klägers lässt solche Anhaltspunkte nicht erkennen. Insbesondere ist eine Befangenheit nicht schon deswegen anzunehmen, weil Frau B... als Mitarbeiterin der Stadtverwaltung dem Bürgermeister unterstellt war und der Kläger diverse Gerichtsverfahren gegen diesen führte. Frau B... hatte mit den Gerichtsverfahren als Leiterin des Fachbereichs Service unmittelbar nichts zu tun. Dies wird zum einen von der Beklagten bestätigt und ergibt sich zum anderen aus den vom Kläger selbst eingereichten Unterlagen zu den Gerichtsverfahren, nach denen als Justiziar für den Bürgermeister Herr R... aufgetreten ist. Im Übrigen trägt der Kläger nicht vor, aus welchem konkreten Verhalten der Wahlleiterin er ihre Befangenheit ihm gegenüber ableitet und wie sich dies auf die Wahl im Einzelnen ausgewirkt haben soll. Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass es an einer mit überprüfbaren Tatsachen belegten Darlegung möglicher Verstöße der Wahlleiterin gegen geltendes Wahlrecht fehlt. Gemäß § 2 Absatz 5 BbgKWahlVO (Brandenburgische Kommunalwahlverordnung) war Frau Benesch als Wahlleiterin zur unparteiischen Wahrnehmung ihres Amtes verpflichtet. Gegenteiliges trägt der Kläger nicht schlüssig vor.

2. Es war auch nicht erforderlich, dass - wie der Kläger meint - die aus mehreren Seiten bestehende Unterschriftenliste von Anfang an geheftet und die einzelnen Blätter somit fest verbunden werden. Im Nachhinein betrachtet war eine Heftung schon deswegen nicht erforderlich, weil auf dem zweiten Blatt der Liste keine Unterschrift mehr geleistet wurde, die ausgefüllte Liste also nur aus einem einzigen Blatt bestand. Abgesehen davon ist eine Verpflichtung zur Heftung und Siegelung der Unterschriftsliste nicht geregelt. Gemäß § 32 Absatz 4 Nr. 3 BbgKWahlVO ist die Unterschrift auf einer Unterschriftenliste entsprechend dem Mustervordruck der Anlage 6 zu leisten. Die ausgelegte Liste entsprach unstreitig dem Mustervordruck. Die Liste enthielt eine ausreichende Anzahl an Blättern, die jedenfalls durch eine Büroklammer zusammengehalten wurden. Anhaltspunkte für Manipulationen, denen mit einer festen Heftung vorgebeugt werden sollte, sind nicht ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, dass der Unterschriftsliste, die eine fortlaufende Nummerierung der Spalten enthielt, eine oder mehrere Seiten entnommen wurden, bevor diese geheftet und gesiegelt wurde. Insbesondere ist der Vortrag des Klägers, es müsste zum Austausch von Seiten gekommen sein, weil Unterzeichnende versichert hätten, unter einer weit höheren Nummer als der Nr. 19 unterschrieben zu haben, nicht hinreichend belegt. Hierzu im Einzelnen:

3. Die hier vorliegende Original-Unterschriftenliste weist 19 Unterschriften auf. Sie besteht aus drei Doppelseiten. Die letzte Spalte auf der Rückseite der ersten Seite trägt die Nr. 20 und ist leer. Der Vortrag, Herr M... und Frau M... D..., hätten unter den Nummern 35 und 36 unterschrieben, wird durch die Unterschriftenliste widerlegt. Herr M... hat unter der Nr. 9 unterschrieben, Frau M... hat gar nicht unterzeichnet. Der Kläger trägt auch nichts dazu vor, wer konkret unter Nr. 20 bis Nr. 34 unterschrieben haben könnte. Ferner ist nicht erklärbar, weshalb ein neues Listenblatt begonnen worden sein soll, obwohl das Feld Nr. 20 am Ende der Rückseite des ersten Blattes noch leer war.

4. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Unterschriftsliste nicht ordnungsgemäß - in ständig wechselnden Schreibtischen, so dass sie jedes Mal gesucht werden musste, wie der Kläger vorträgt - verwahrt worden ist. Gemäß § 98 Absatz 1 Nr. 4 BbgKWahlG sind Wahlunterlagen so zu verwahren, dass sie gegen Einsichtnahme durch unbefugte Personen geschützt sind. Das gilt insbesondere für die Formblätter mit Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge. Die Beklagte trägt glaubhaft vor, dass sich die Liste immer entweder in Schrank Nr. 15 befand oder auf einem der Schreibtische, wenn gerade eine Unterschrift geleistet worden war. Dies zugrunde gelegt entspricht es einem ganz normalen Lebenssachverhalt, dass nach der Liste zunächst kurz gesucht werden muss. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass Unterschriftswillige durch gekünstelt geschaffene Hindernisse von der Unterzeichnung abgehalten werden sollten.

5. Genauso wenig hat der Kläger mit seinem Vortrag Erfolg, die Mitarbeiter seien den Unterschriftswilligen gegenüber unfreundlich und abweisend gewesen. Dieses Verhalten wäre überhaupt nur dann relevant, wenn erkennbar wäre, dass sich konkret benannte Unterschriftswillige entschlossen hätten, nicht zu unterzeichnen oder wenn sie von der Unterzeichnung erkennbar abgehalten werden sollten. Hierzu trägt der Kläger jedoch nichts vor. Seine Angaben in der mündlichen Verhandlung, er habe bei Fahrten durch die Stadt Personen getroffen, die ihm berichtet hätten, sich nicht ins Rathaus zu trauen, bleiben zu vage. Daran ändert auch die Aussage des Herrn J... nichts, der an Eides statt versichert, Unterschriftswillige seien massiv behindert worden.

"Nach Betreten des Rathauses und der Mitteilung des Unterschriftswilligen, dass dieser unterschreiben möchte, wird sehr unfreundlich mitgeteilt: Setzen Sie sich dort hin und warten Sie. (...) Es wurde auch gefragt, ob der Unterschriftswillige sich sicher ist, auch unterschreiben zu wollen."

Herr J... gehörte mit seinem Wohnsitz in Berlin schon nicht zum Kreis der Unterschriftsberechtigten, so dass er die versicherte Beobachtung gar nicht aus eigener Wahrnehmung heraus machen konnte. Die Beklagte weist eine schikanöse Behandlung durch die Mitarbeiter des Bürgerbüros zurück. Diese beachteten das Gebot der Mäßigung, politischen Zurückhaltung und Sachlichkeit. Diesen Vortrag vermag die Schilderung des Klägers nicht zu erschüttern.

6. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, die Unterschriftenliste einzusehen. Gemäß § 89 Absatz 3 BbgKWahlVO dürfen Auskünfte über Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge nur Behörden, Gerichten und sonstigen amtlichen Stellen in der Bundesrepublik Deutschland und auch nur in begründeten Einzelfällen erteilt werden. Dies schließt eine Einsichtnahme des Einzelbewerbers aus. Die Liste steht auch nicht - wie der Kläger meint - in seinem Eigentum. Dagegen spricht schon die Regelung des § 90 Absatz 3 BbgKWahlVO, wonach Formblätter mit Unterstützungsunterschriften für Wahlvorschläge nach Ablauf von sechs Monaten seit der Wahl zu vernichten sind. Aus dem Umstand, dass der Kläger zuvor unstreitig (nach eigenen Angaben mindestens fünf Mal) Einsicht nehmen konnte, ergibt sich kein Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung. Die aus Art. 3 GG (Grundgesetz) abgeleitete Rechtsfigur setzt voraus, dass die Behörde Ermessen hat. Daran fehlt es jedoch vorliegend. Vielmehr ist die Einsichtnahme eines Einzelbewerbers - wie oben erläutert - gesetzlich gar nicht vorgesehen.

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

B e s c h l u s s :

Der Streitwert wird auf 15.000 € festgesetzt.

G r ü n d e :

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.