VG Cottbus, Beschluss vom 19.08.2019 - 4 L 262/19
Fundstelle
openJur 2020, 42050
  • Rkr:

Es erscheint nicht frei von Zweifeln, ob bei einem Beitritt einer Gemeinde zu einem Zweckverband für den Beginn der Höchstfrist nach § 19 Abs. 1 KAG stets auf den Zeitpunkt des Beitritts abzustellen ist. Dies gilt auch dann, wenn aus Sicht der im Beitrittsgebiet angeschlossenen Grundstücke diese nunmehr an die (neue) Anlage des Verbandes angeschlossen sind.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 3.473,28 Euro festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, mit welchem der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 29. April 2019 (VG 4 K 548/19) gegen den Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 27. November 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2019 begehrt, hat keinen Erfolg.

Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO entfällt bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Diese kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S.d. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO (analog) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abgabenbescheides bestehen erst und nur dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg, wobei die Rechtmäßigkeit in einem im Vergleich zum Hauptsacheverfahren lediglich beschränkten Umfang zu prüfen ist. Regelmäßig ist von der Gültigkeit der der Abgabenerhebung zugrunde liegenden Satzungsvorschriften auszugehen, es sei denn, diese sind offensichtlich nichtig. Das Gericht hat sich auf die (summarische) Kontrolle der äußeren Gültigkeit der Normen und sich ersichtlich aufdrängender materieller Satzungsfehler sowie auf die Prüfung substantiierter Einwände des Antragsstellers gegen das Satzungsrecht und die sonstigen Voraussetzungen der Abgabenerhebung zu beschränken, wobei die Prüfung der Einwendungen des Antragsstellers dort ihre Grenze findet, wo es um die Klärung schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen geht (vgl. nur OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. September 2005 - 9 S 33.05 -, S. 3 d.E.A.). Insoweit wird im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides - vorbehaltlich offenkundiger Fehler und näheren und substantiierten Vorbringens des Antragstellers --ausschließlich summarisch geprüft und bleibt die Klärung schwieriger Rechts- und Tatsachenfragen in jedem Fall dem Widerspruchs- oder Klageverfahren vorbehalten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 01. Juni 2006 - 9 S 1.06 -; vom 10. Februar 2006 - 9 S 31.05 -; vom 14. Februar 2006 - 9 S 26.05 -).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist ein Erfolg der Klage bei summarischer Prüfung nicht überwiegend wahrscheinlich. Rechtsgrundlage der Beitragsfestsetzung ist nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens die Schmutzwasserbeitragssatzung des M... vom 4. September 2014, die sich Rückwirkung zum 1. Januar 2013 beimisst. Die auf den §§ 1, 2, 8 Kommunalabgabengesetz Brandenburg (KAG) beruhende Satzung wurde ordnungsgemäß bekannt gemacht im Amtsblatt für den Landkreis D... vom 17. September 2014 auf S. 35 ff., im Amtsblatt für den Landkreis T... vom 10. September 2014 auf S. 29 ff. sowie im Amtsblatt für den Landkreis O... vom 20. September 2014 auf S. 19 ff. Auch im Übrigen lässt die Satzung keine offenkundigen Fehler erkennen. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 6. Kammer des VG Cottbus an, welche die Satzung bereits für gültig befand (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 27. November 2014 - 6 K 230/14 - juris Rn. 20 ff.).

Dem angegriffenen Bescheid steht ein Eintritt der Festsetzungsverjährung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i.V.m. §§ 169 f. der Abgabenordnung (AO) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht entgegen. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i. V. m. § 170 Abs. 1 AO beginnt die vierjährige Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Die sachliche Beitragspflicht konnte vorliegend nicht vor dem 1. Januar 2013 entstehen. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der - nach dem Maßstab des Eilverfahrens - maßgeblichen Fassung des 2. Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294 ff.; im Folgenden: KAG n.F.) entsteht die sachliche Beitragspflicht in Fällen, in denen es nach Schaffung der Anschlussmöglichkeit nur noch am Satzungsrecht fehlt, frühestens mit dem Inkrafttreten einer rechtswirksamen Beitragssatzung. Vorliegend ist die SWBS, welche sich Rückwirkung auf den 1. Januar 2013 beimisst, die erste wirksame Schmutzwasserbeitragssatzung des M...(vgl. dazu: VG Cottbus, Urteil vom 27. November 2014, a.a.O., Rn. 22) mit der Folge, dass die sachliche Beitragspflicht frühestens zu Beginn des Jahres 2013 entstehen konnte, so dass die Festsetzungsverjährungsfrist zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides noch nicht verstrichen war.

Die Festsetzung des Anschlussbeitrags greift auch nicht in Grundrechte des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes gem. Art. 20 Abs. 3 GG in verfassungswidrig rückwirkender Weise ein, weil die Beitragsforderung nicht mehr erhoben werden könnte, da sie im Zeitpunkt der Änderung der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG (1. Februar 2004) unter Geltung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. bereits festsetzungsverjährt gewesen wäre (vgl. dazu: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016 - OVG 9 B 1.16 - juris Rn. 30). Dabei kann unterstellt werden, dass - wie der Antragsteller vorbringt - die Anschlussmöglichkeit für das veranlagte Grundstück durch die Gemeinde S...bereits im 1993 geschaffen worden ist.

Die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n.F. verstößt zwar in Fällen, in denen Beiträge nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. nicht mehr erhoben werden könnten, gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, juris), mit der Folge, dass es insoweit bei der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. verbleibt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016, a.a.O., Rn. 30). Grundstücke, für die erst im Kalenderjahr 2000 oder später die rechtlich gesicherte tatsächliche Anschlussmöglichkeit geschaffen worden ist, unterfallen jedoch nicht dem hier in Rede stehenden Vertrauensschutz; bei ihnen kann zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung (1. Februar 2004) noch keine hypothetische Festsetzungsfrist abgelaufen gewesen sein, weil eine hypothetische Festsetzungsfrist regulär bis Ende 2004 gelaufen wäre (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016, a.a.O., Rn. 32 f.). Dabei ist auf die rechtlich gesicherte tatsächliche Anschlussmöglichkeit an die konkret in Rede stehende Einrichtung abzustellen, so dass eine etwa fehlende Identität der Einrichtung, für die der Beitrag erhoben wird, mit einer früheren (aufgegebenen) Einrichtung beachtet werden muss, auch wenn die frühere Einrichtung ein Teil der neuen Einrichtung geworden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016, a.a.O., Rn. 27). Nur in Bezug auf Grundstücke mit Anschlussmöglichkeit im beschriebenen Sinne im Jahr 1999 oder früher kann es Vertrauensschutz gegenüber der Gesetzesänderung geben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016, a.a.O., juris Rn. 32).

In Fällen, in denen die Anschlussmöglichkeit an die jeweilige konkrete Anlage erst im Kalenderjahr 2000 oder danach bis zum Inkrafttreten der neuen Fassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG gegeben war, hat die Änderung der Vorschrift hingegen lediglich zur Folge, dass eine an sich laufende, aber eben noch nicht abgelaufene (hypothetische) Festsetzungsverjährungsfrist unbeachtlich wird und durch eine Festsetzungsverjährungsfrist abgelöst wird, deren Beginn von der Wirksamkeit der Beitragssatzung abhängt. Damit wird mithin nachträglich in keinen bereits abgeschlossenen Sachverhalt (etwa eine bereits eingetretene sog. hypothetische Festsetzungsverjährung) eingegriffen, so dass nicht mehr von einer echten, sondern nur von einer unechten Rückwirkung gesprochen werden kann (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 28. April 2016 - 6 K 1376/14 - juris Rn. 37 ff.).

Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens ist vorliegend aber kein Fall gegeben, in dem der Beitrag nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. nicht mehr erhoben werden könnte, weil in Anwendung dieser Vorschrift mit dem Entstehen der Beitragspflicht (eine entsprechend weit zurückwirkende, wirksame Satzung unterstellt) zugleich die Festsetzungsverjährung einträte. Denn für das veranlagte Grundstück ist frühestens im Kalenderjahr 2005 die rechtlich gesicherte Anschlussmöglichkeit an die hier konkret in Rede stehende Abwasserentsorgungseinrichtung des M...geschaffen worden. Der M...betreibt aufgrund des Beitritts der Gemeinde S...zum 1. Januar 2005 seine Anlage auch in S.... Zwar mag sich durch den Beitritt an den technischen Gegebenheiten im Hinblick auf die Abwasserentsorgung in S...keine für die dort ansässigen Grundstückseigentümer in tatsächlicher Hinsicht erkennbare Änderung ergeben haben, hierauf kommt es aber nicht an, da Anknüpfungspunkt für die Beitragserhebung nach dem KAG nicht Anlagen im technischen, sondern öffentliche Einrichtungen und Anlagen im kommunalrechtlichen Sinne sind (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2017 - OVG 9 S 14.16 - juris Rn. 18). Bei rechtlicher Betrachtung ist in der Regel eine Zusammenführung des technischen Bestandes bislang verschiedener Anlagen in Fällen, in denen der Rechtsträger einer der "beteiligten" Anlagen ein Gebiet oder mehrere Gebiete hinzugewinnt, als bloße räumliche Erweiterung seiner Anlage unter Ausnutzung der im Erweiterungsgebiet schon vorhandenen Technik der anderen "beteiligten" Anlage(n) anzusehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 26. April 2018 - 9 N 1.17 - juris Rn. 15 und vom 28. Juni 2017, a.a.O., Rn. 20).

Insoweit ist der Anschlussbeitrag - abgesehen von dem hier nicht interessierenden Fall einer Kostenspaltung - nicht nur maßnahme- und grundstücks-, sondern auch anlagebezogen (vgl. dazu etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. April 2018 - OVG 9 N 1.17 - juris Rn. 14). Dementsprechend schützen weder der Grundsatz der Einmaligkeit des Beitrages noch der Ablauf der Festsetzungsfrist davor, zu einem - scheinbar - "zweiten" Beitrag herangezogen zu werden, wenn sich dieser "zweite" Beitrag auf eine Anlage bezieht, die rechtlich nicht mit der Anlage identisch ist, in Bezug auf die früher schon einmal ein Beitrag erhoben worden ist oder ein solcher verjährt wäre. Geht es um gleichartige Anlagen, die nacheinander dasselbe Grundstück ver- oder entsorgen, setzt das den Untergang der "ersten" Anlage voraus. Dieser tritt nur ein, wenn etwas geschehen ist, das über die Herstellung, Erweiterung, Erneuerung und Verbesserung der "ersten" Anlage noch hinausgeht (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG; vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 24. April 2018 - OVG 9 N 43.17 - juris Rn. 15 m.w.N.). Insoweit scheint wenig mehr denkbar, als dass die "Lebensgeschichte" der ersten Anlage dadurch endet, dass ihr technischer Bestand in eine rechtlich nicht mit ihr identische andere Anlage eingebracht wird, sei es im Zuge der Schaffung einer insgesamt neuen Anlage, sei es im Zuge der Erweiterung einer als solche schon vorhanden gewesenen anderen, rechtlich fortbestehenden Anlage (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06. Dezember 2018 - OVG 9 S 6.18 - juris Rn. 7). Die Einmaligkeit und auch eine (hypothetische) Verjährung des Beitrages tragen insoweit nur so lange, wie die betreffende Anlage überhaupt besteht; dies ist beitragsrechtlich schon lange anerkannt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06. Dezember 2018 - OVG 9 S 6.18 - juris Rn. 9).

Hieran gemessen konnte die sachliche Beitragspflicht im hiesigen Fall frühestens ab dem 1. Januar 2013 zur Entstehung gebracht werden. Denn erst in diesem Zeitpunkt ist die erste wirksame Schmutzwasserbeitragssatzung des M...in Kraft getreten. Insbesondere ist auch nicht § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. anzuwenden, denn die Gemeinde S...ist dem M...- wie dargelegt - erst am 1. Januar 2005 beigetreten, sodass noch nicht einmal eine unechte Rückwirkung in Betracht käme (vgl. zur Konstellation der unzulässigen Rückwirkung ausführlich: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14 -, - 1 BvR 3051/14 -, juris Rn. 39; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016 - OVG 9 B 1.16 -, juris Rn. 30 ff.).

Ohne Bedeutung ist danach für die Frage der (hypothetischen) Festsetzungsverjährung, ob der Antragsteller etwaig schon an eine Anlage der Gemeinde S...hätte angeschlossen werden können oder angeschlossen war (vgl. für die Gemeinde Schönefeld: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2018 - OVG 9 S 12.18 -). Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens spricht dann auch nichts dafür, der M...sei der Rechtsnachfolger der Gemeinde S...oder des Wasser- und Abwasserbetriebes S...(WAS) geworden und deswegen müsse er sich eine etwaige Anschlussmöglichkeit an deren Wasserversorgungs- oder Abwasserentsorgungsanlagen aus dem Jahr 1999 oder früher zurechnen lassen. Dass der M...nicht Gesamtrechtsnachfolger der Gemeinde S...sein kann, liegt auf der Hand. Vielmehr ist ausweislich der im Amtsblatt für den Landkreises D... vom 30.12.2004 (11. Jahrgang, Nummer 40, S. 101ff.) veröffentlichten 1. Änderungssatzung zur Verbandssatzung des M...vom 27.12.2004 aufgrund des Beschlusses vom 27. Dezember 2004 (Beschlussnummer: 04/37/04) die Gemeinde S...für den Ortsteil S...ab dem 01. Januar 2005 Mitglied des M...geworden. Gemäß § 22b i.V.m. § 22a Abs. 2 S. 3 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg a.F. (GKG) hätte der MAWV - hätte er den WAS eingegliedert und wäre dadurch sein Gesamtrechtsnachfolger geworden (§ 22b GKG) - der Genehmigung bedurft (vgl. zu einer solchen Genehmigung bspw. die Eingliederung des WAVAS, Amtsblatt für den Landkreises Teltow-Fläming vom 30. September 2008 (16. Jahrgang, Nummer 34, S. 16). Eine solche Genehmigung ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Soweit der Antragsteller auf die Norm des § 19 KAG verweist, ergeben sich auch hier nach dem Prüfungsmaßstab des Eilverfahrens keine ernstlichen Zweifel. Nach § 19 Abs. 1 KAG dürfen Abgaben zum Vorteilsausgleich mit Ablauf des 15. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, nicht mehr festgesetzt werden (Satz 1), wobei der Lauf der Frist aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit bis zum 3. Oktober 2000 gehemmt ist (Satz 3). Die insoweit insbesondere hinsichtlich der Frist von 15 Jahren sowie des Hemmungstatbestandes in § 19 Abs. 1 Satz 3 KAG zweifelsfrei verfassungsgemäße Regelung (vgl. statt vieler: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06. Dezember 2018 - OVG 9 S 6.18 - juris Rn. 12 ff.) - wobei sich schon nicht im Ansatz erschließt, worin der Antragstellerbevollmächtigte eine unzulässige Rückwirkung der Regelungen des § 19 Abs. 1 KAG sehen möchte - würde mithin bewirken, dass abstellend auf den Zeitpunkt des Jahres 1993, in welchem die Gemeinde S...erstmals eine Anschlussmöglichkeit geschaffen haben soll, der Beitragsbescheid gegen das absolute Festsetzungsverbot des § 19 Abs. 1 Satz 1 KAG verstieße (Ablauf der Frist mit Ende des Jahres 2015). Wird hingegen der Zeitpunkt der Schaffung der rechtlich gesicherten Anschlussmöglichkeit an die jeweils konkret in Rede stehende Abwasserentsorgungseinrichtung zum Ausgangspunkt für die Betrachtung des Eintritt der Vorteilslage im Sinne des § 19 Abs. 1 KAG und damit hier der Zeitpunkt des Beitritts der Gemeinde S..., in welchem die im Gebiet der Gemeinde gelegenen Grundstücke (erstmals) eine Anschlussmöglichkeit an die konkrete Entsorgungseinrichtung des M...erhalten haben, gemacht, wäre die absolute Festsetzungsfrist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 KAG nicht vor Ende des Jahres 2020 abgelaufen.

Maßgeblich kommt es danach darauf an, welcher Gehalt dem Begriff der "Vorteilslage" im Sinne des § 19 Abs. 1 KAG zuzumessen ist, der im Wege der Auslegung der Norm zu gewinnen ist. Danach dürfte es zwar nicht zwingend sein, den Begriff der "Vorteilslage" im Sinne des § 19 Abs. 1 KAG stets als grundstücks- und anlagebezogen zu verstehen mit der Folge, dass in den Fällen, in denen dasselbe Grundstück nacheinander durch gleichartige Anlagen ver- oder entsorgt wird und die Lebensgeschichte der ersten Anlage durch Einbringung ihres technischen Bestandes in eine andere Anlage endet, stets auch von einer neuen "Vorteilslage" auszugehen wäre. § 19 KAG stellt die Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 05. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143-163) dar. Mit ihr wird der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts entsprochen, dass das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit davor schütze, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (Beschluss vom 05. März 2013, a.a.O., Rn. 41). § 19 Abs. 1 Satz 1 KAG dürfte daher dahingehend auszulegen sein, dass hiermit eine Verjährungshöchstfrist bezogen auf den Eintritt der tatsächlichen Vorteilslage bestimmt wird. Dies dürfte indes noch nicht bedeuten, dass maßgeblicher Zeitpunkt ausnahmslos bereits derjenige des tatsächlichen Anschlusses ist. Die Bestimmung der ab dem Eintritt der Vorteilslage zu bemessenden Ausschlussfrist muss nicht nur die Erwartung des Begünstigten auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung, sondern auch das öffentliche Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Anlage berücksichtigen. Insoweit muss es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um eine beitragsrelevante Vorteilslage handeln(BVerfG, a.a.O., Rn. 40; BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 9 C 19.14 - juris Rn. 16). Es dürfte daher zwar geklärt sein, dass eine erstmalige Vorteilslage auf dem Gebiet der ehemaligen DDR erst entstehen konnte, als infolge des Einigungsvertrages Wasserversorgung und Schmutzwasserentsorgung (erstmals) wieder zu Aufgaben der neu konstituierten Kommunen geworden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 2015, a.a.O., Rn. 16; Herrmann in Becker u.a., Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg, a.a.O., § 19 Rn. 31). Indes ist bislang weder in der Rechtsprechung der Kammer (anders wohl: 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Cottbus, Urteil vom 09. Mai 2019 - 6 K 423/17 - juris Rn. 56, wonach die Vorteilslage im Grundsatz die - rechtlich - neue öffentliche Einrichtung der Kommune oder des Zweckverbandes und nicht die gegebenenfalls schon längere vorhandenen technischen Anlagen eines anderen Einrichtungsträgers beträfe) noch des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (offen gelassen in Beschluss vom 06. Dezember 2018 - OVG 9 S 6.18 - juris Rn. 14) geklärt, wie die Vorteilslage bei einem Beitritt einer Gemeinde in einem Zweckverband, ohne dass dieser als Rechtsnachfolger anzusehen wäre, zu beurteilen ist. Sie entzieht sich als schwierige Rechtsfrage einer Klärung im Eilverfahren und ist einer Beantwortung im Hauptsacheverfahren vorzubehalten. Hier wird insbesondere die Frage zu klären sein, ob im Anschlussbeitragsrecht die Vorteilslage im Sinne des § 19 KAG nicht mehr und nicht weniger als die tatsächliche Anschlussmöglichkeit an die leitungsgebundene Einrichtung eines kommunalen Einrichtungsträgers voraussetzt (vgl. Herrmann in Becker u.a., a.a.O., § 19 Rn. 31) und ob es hierbei eine Rolle spielt, dass eine einmal gegebene tatsächliche Anschlussmöglichkeit an eine kommunale leitungsgebundene Einrichtung eines Einrichtungsträgers (hier: der Gemeinde Schönefeld) nunmehr durch einen anderen Einrichtungsträger (hier: durch den MAWV), in dem die bisherige Einrichtung aufgegangen ist, (unterbrechungslos) gesichert wird.

Sind nach alledem ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht gegeben, lassen sich auch Anhaltspunkte dafür, dass die Vollziehung des Beitragsbescheides für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben könnte, seinem Vorbringen nicht entnehmen. Eine unbillige Härte liegt dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung für den Betroffenen über die eigentliche Zahlung hinausgehende Nachteile entstehen, die nicht oder nur schwer gutzumachen sind. Dass dem Antragsteller derartige Nachteile im Falle der Vollziehung des Beitragsbescheides drohen könnten, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung entspricht der Bedeutung der Sache für den Antragsteller (§ 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes). Die Kammer legt in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327, Ziff. 1.5) in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Abgabensachen regelmäßig ein Viertel des Abgabenbetrages zugrunde, dessen Beitreibung vorläufig verhindert werden soll.