VG Potsdam, Beschluss vom 29.08.2018 - 12 L 698/18
Fundstelle
openJur 2020, 41423
  • Rkr:
Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller zu 1) zum Schuljahr 2018/19 vorläufig in die Jahrgangsstufe 7 aufzunehmen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag der Antragsteller,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller zu 1) zum Schuljahr 2018/19 vorläufig in die Jahrgangsstufe 7 aufzunehmen,

hat Erfolg.

Nach der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Antragsteller haben sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Sie haben einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, weil ihnen ein Abwarten der Entscheidung in dem noch einzuleitenden Hauptsacheverfahren unter Beachtung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes nicht zugemutet werden kann, da ernsthaft zu befürchten ist, dass sie ihren Rechtsanspruch auf Aufnahme in die M... nicht rechtzeitig verwirklichen können. Die Antragsteller können auch nicht darauf verwiesen werden, dass der Antragsteller zu 1) an einer anderen Schule einen Platz bekommt. Sie brauchen sich im gerichtlichen Verfahren, das auf die vorläufige Aufnahme an eine ganz bestimmte Schule einer bestimmten Schulform gerichtet ist, nicht darauf verweisen lassen, dass der Antragsteller zu 1) den gewünschten Bildungsgang auch an einer anderen von ihm nicht beantragten Schule aufnehmen kann, nur weil die dortige Kapazität noch weniger erschöpft ist als an der von ihnen beantragten Schule (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. Beschluss vom 30. August 2017 - VG 12 L 915/17 -, juris Rn. 8).

Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, denn eine im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes notwendigerweise nur summarische Prüfung ergibt, dass dem Antragsteller zu 1) ein Anspruch auf Aufnahme in die M... zusteht. Es spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, ihn dort nicht aufzunehmen, rechtsfehlerhaft ist.

Bei der gewünschten Schule handelt es sich um eine Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe (Gesamtschule). Die Einzelheiten des Aufnahmeverfahrens an Gesamt-schulen sind in § 53 Abs. 3 des Brandenburgischen Schulgesetzes (BbgSchulG) i.V.m. §§ 32, 49 und 50 der Verordnung über die Bildungsgänge in der Sekundarstufe I (Sek I-V) in der bis zum 1. August 2018 geltenden Fassung vom 25. März 2013, auf den diese Vergabe gestützt wird, geregelt. Danach wird für den Fall, dass die Zahl der Anmeldungen die Aufnahmekapazität übersteigt, das Auswahlverfahren für die Schülerinnen und Schüler (im Folgenden: Schüler), die den Bildungsgang AHR gewählt haben, entsprechend § 43 Sek I-V durchgeführt (§ 32 Satz 2 Sek I-V), und für die Schüler, die den Bildungsgang zum Erwerb der Fachoberschulreife und der erweiterten Berufsbildungsreife (FOR/EBR) gewählt haben, nach § 53 Abs. 3 Sätze 4 bis 7 und Abs. 4 BbgSchulG i.V.m. §§ 32, 49 und 50 Sek I-V vorgenommen.

Das auf der Grundlage dieser Vorschriften durchgeführte Auswahlverfahren hält einer Überprüfung nur teilweise Stand.

Nicht zu beanstanden ist, dass die Antragsgegnerin für die Jahrgangsstufe 7 von 106 Plätzen ausgegangen ist. Diese Kapazität ergibt sich aus der Festlegung, dass an der Maxim-Gorki-Gesamtschule in dieser Klassenstufe vier Klassen eingerichtet werden, von denen für zwei Klassen aufgrund der Aufnahme von sieben Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Frequenz von 25 Schülern vorgesehen ist und für die weiteren zwei Klassen von 28 Schülern. Dies begegnet keinen Bedenken. Die Klassenstärke von 25 Schülern entspricht der Regelung in Nr. 11 Abs. 1 der Verwaltungsvorschriften über die Unterrichtsorganisation (VV-Unterrichtsorganisation) vom 26. Juli 2017 (Abl. MBJS/17, [Nr. 23], S.302) für neu einzurichtende Klassen mit gemeinsamem Unterricht von Kindern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf. Den sonderpädagogischen Förderbedarf hat die Antragsgegnerin im Verfahren nachgewiesen. Die für die beiden anderen Klassen bestimmte Frequenz von 28 Schülern liegt sogar über dem nach Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 VV-Unterrichtsorganisation i.V.m. der Anlage 1 für die Sekundarstufe I an Gesamtschulen maßgeblichen Richtwert von 27 Schülern.

Die Antragsgegnerin hat zu Recht von dieser Kapazität sieben Plätze gemäß § 4 Abs. 4 Sek I-V i.V.m. § 50 Abs. 2 S. 1 BbgSchulG an Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf vergeben - und zwar an zwei Kinder mit dem Bildungsgang AHR und fünf Kinder mit dem Bildungsgang FOR/EBR - sowie drei Plätze nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Sek I-V für Wiederholer freigehalten; aufgrund von Härtefällen war kein Bewerber vorrangig aufzunehmen. Von den damit im Aufnahmeverfahren zu vergebenden 96 Plätzen hat die Antragsgegnerin in der AHR-Gruppe 28 weitere Schüler aufgenommen, so dass für die FOR/EBR-Gruppe 68 Plätze zur Verfügung standen.

Weil für die FOR/EBR-Gruppe 106 Anmeldungen vorlagen, hat die Antragsgegnerin das danach notwendige Auswahlverfahren durchgeführt. Dabei hat sie für alle Schüler eine Rangliste nach der Nähe der Wohnung zur Schule erstellt und von den Kindern ohne Vorliegen eines Förderbedarfs zunächst die ersten 46 Schüler aufgenommen. In der Entfernungsliste, in die die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf eingereiht wurden, entspricht dies Platz 48. Da die drei für Wiederholer frei gehaltenen Plätze nicht benötigt wurden, hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, im Nachgang zwei Plätze entsprechend der Nachrückerliste zu vergeben und den dritten Platz an den nach Wohnortnähe ranghöchsten Widerspruchsführer auf Platz 61 der Liste. Der Antragsteller zu 1) befindet sich hier auf Platz 62. Des Weiteren hat die Antragsgegnerin 23 Kinder aus besonderem Grund nach § 50 Abs. 3 Satz 2 Sek I-V aufgenommen, und zwar ausweislich der übersandten Übersicht elf Schüler mit Blick auf das besondere Sportprofil der Schule (Nr. 1 der Vorschrift), zwei Schüler als Geschwisterkinder (Nr. 2) und zehn Schülerinnen zur Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Mädchen und Jungen (Nr. 4).

Diese Auswahl hält einer Überprüfung nicht stand, soweit insgesamt 23 Schüler über einen besonderen Grund gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 Sek I-V aufgenommen wurden.

Die Bestimmungen des Brandenburgischen Schulgesetzes genügen in Bezug auf das Auswahlkriterium der "besonderen Gründe" nicht dem Gesetzesvorbehalt. Dementsprechend stellen sie keine hinreichende Rechtsgrundlage für die dazu ergangene Regelung des § 50 Abs. 3 Sek I-V dar. Insoweit ist diese Verordnung nicht anwendbar (vgl. zu den bereits geäußerten Zweifeln der Kammer: z.B. Beschluss vom 30. August 2017 - 12 L 915/17 -, juris, Rn. 16 ff. und Beschluss vom 31. August 2017 - 12 L 923/17 -, juris, Rn. 17 ff.). Nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) bedürfen wesentliche Entscheidungen der Verwaltung einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14. Juli 1998, BVerfGE 98, 218). Dies gilt auch im Schulrecht. Sowohl das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 27 Abs. 2 sowie Art. 30 Abs. 4 der Verfassung des Landes Brandenburg (LV) als auch das durch Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte gewähren die freie Wahl zwischen unterschiedlichen Bildungswegen, die der Staat in der Schule zur Verfügung stellt, und damit auch ein Recht auf Zulassung zu einer Schule der gewählten Schulform (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 1972 - 1 BvR 230/70 und 95/71 -, BVerfGE 34, 165, 184). Zwar folgt aus den genannten Vorschriften kein einklagbarer Anspruch auf die Schaffung neuer bzw. Erweiterung vorhandener Kapazitäten; es besteht aber ein Anspruch auf den gleichen Zugang zu den vorhandenen Schulplätzen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 2. Oktober 1998 - VfGBbg 41/98 -, juris, Rn. 29). Innerhalb der bestehenden Kapazitäten darf das Wahlrecht der Eltern nicht mehr als notwendig begrenzt werden. Dies bedeutet, dass im Rahmen der vorhandenen Schulplätze der Wunsch der Erziehungsberechtigten nicht nur bei der Festlegung des Schulzweiges und der Schulform (Oberschule, Gymnasium, Gesamtschule), sondern auch hinsichtlich der konkreten Schule innerhalb des Schulzweiges grundsätzlich bestimmend ist. Die Festlegung der Kriterien für die Vergabe von Schulplätzen stellt eine relative Zulassungsbeschränkung dar. Soweit sie zur Zuweisung der Schulpflichtigen an eine andere als von den Erziehungsberechtigten ausgewählte allgemeinbildende Schule führen, greifen sie wesentlich in die genannten Grundrechte der Schüler und Eltern ein. Als für die Verwirklichung dieser Grundrechte wesentliche Entscheidungen müssen sie daher vom Gesetzgeber selbst festgelegt werden und dürfen nicht der Regelung durch die Schulverwaltung überlassen bleiben (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 7. August 1995 - 3 A 584.95 -, juris Rn. 6 f.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen genügt § 53 Abs. 3 BbgSchulG nicht dem Gesetzesvorbehalt, soweit die Vorschrift zwar das "Vorliegen besonderer Gründe" als Auswahlkriterium festlegt, diese aber nicht definiert. § 53 Abs. 3 Satz 6 BbgSchulG sieht vor, dass Schüler bei Vorliegen eines besonderen Grundes im Umfang von bis zu 50% vorrangig berücksichtigt werden können. Damit kann dem Kriterium bei der Vergabe von Plätzen an weiterführenden allgemein bildenden Schulen erhebliches Gewicht zukommen. Dies betrifft - wegen der im AHR-Bereich nach § 53 Abs. 3 Satz 4 BbgSchulG bestehenden Beschränkung auf gleich geeignete Bewerber - insbesondere die Auswahl an Oberschulen und die FOR/EBR-Gruppe an Gesamtschulen. Dort kann das Vorliegen besonderer Gründe sogar das gewichtigste Auswahlkriterium darstellen, wenn 50% der Bewerber danach aufgenommen werden, weitere 10% nach besonderen Härtefällen (§ 53 Abs. 3 Satz 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 BbgSchulG) und die übrigen 40% nach der Nähe der Wohnung zur Schule (§ 53 Abs. 3 Satz 5 Nr. 2 BbgSchulG). Welche Umstände als besonderer Grund zu einer vorrangigen Berücksichtigung führen können, ergibt sich aber - anders als bei den in § 53 Abs. 4 BbgSchulG geregelten Härtefällen und auch anders als bei den in § 106 Abs. 4 BbgSchulG geregelten wichtigen Gründen für die Gestattung des Besuchs einer anderen Schule - weder aus dem Wortlaut der Regelung noch aus anderen formalgesetzlichen Bestimmungen. Im Hinblick auf die - potentielle - Bedeutung, die der Gesetzgeber dem Auswahlkriterium nach den vorstehenden Ausführungen einräumt, hätte er dies selbst festlegen müssen.

Unabhängig von diesen grundsätzlichen Erwägungen der Kammer erweist sich das Auswahlverfahren auch insoweit als fehlerhaft, als zehn Plätze an Schülerinnen vergeben wurden, um in der Jahrgangsstufe ein "ausgewogenes Verhältnis" zwischen Mädchen und Jungen zu erreichen. Zwar bestimmt § 50 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 Sek I-V in der bis zum 1. August 2018 geltenden Fassung vom 25. März 2013, auf den diese Vergabe gestützt wird, dass besondere Gründe vorliegen, wenn durch die Aufnahme einer Schülerin oder eines Schülers in der Jahrgangsstufe ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Mädchen und Jungen hergestellt werden soll. Es ist aber nichts dafür ersichtlich, dass diese Regelung dem Willen des Gesetzgebers entspricht. In der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung zum Brandenburgischen Schulgesetz (Landtags-Drucksache 2/1675) heißt es zu § 53 Abs. 3:

"Normierte Aufnahmeverfahren sind nach Absatz 3 nur für die Schulen notwendig, für die ein Überangebot an Aufnahmeanträgen im Verhältnis zur maximal nutzbaren Kapazität vorliegt. Die Auswahl erfolgt nach besonderen Härtefällen, nach dem Vorrang der Eignung und dem Vorliegen besonderer Gründe. Bei Vorliegen besonderer Gründe ist eine Schülerin oder ein Schüler bei gleicher Eignung für den gewählten Bildungsgang im Verhältnis zu einer anderen Schülerinnen oder einem anderen Schüler vorrangig zu berücksichtigen. Besondere Gründe müssen durch die Eltern glaubhaft dargelegt werden und können z.B. folgende sein:

- Einer Schülerin oder einem Schüler mit bestimmten Fremdsprachenwünschen ist nicht zuzumuten, eine weit entfernte Schule mit einem entsprechenden Fremdsprachenangebot dann zu besuchen, wenn in der gewählten Schule die gewünschten Fremdsprachen angeboten werden.

- Je nach Prüfung des Einzelfalls kann gegebenenfalls Eltern nicht zugemutet werden, das jüngere Geschwisterkind zu einer anderen Schule zu schicken, wenn sie bereits ein älteres Geschwisterkind in die Schule ihrer Wahl bringen. Auch Gründe der Familiensozialisierung können eine Rolle spielen.

- Eine Schülerin oder ein Schüler wohnt im Gebiet des für die gewünschte Schule zuständigen Schulträgers oder zieht vor Beginn des Schuljahres dorthin um."

Aus dieser Begründung folgt nicht ansatzweise, dass der Gesetzgeber die Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Mädchen und Jungen als besonderen Grund im Sinne von § 53 Abs. 3 BbgSchulG im Blick hatte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Materialien zum Schulstrukturgesetz vom 16. Dezember 2004 (GVBl. I, 2004, Nr. 22), mit dem das Auswahlverfahren für Oberschulen teilweise neu geregelt wurde. Der damalige Minister für Bildung, Jugend und Sport äußerte sich in der 2. Lesung des Gesetzes (Landtag Brandenburg - 4. Wahlperiode - Plenarprotokoll 4/6 15. Dezember 2004, S. 304) wie folgt:

"Das Aufnahmeverfahren sichert eine wohnortnahe Beschulung für alle Schülerinnen und Schüler und eröffnet darüber hinaus für alle übernachgefragten Schulen die Möglichkeit, über besondere Gründe auch Schülerinnen und Schüler aufzunehmen, die zwar weiter entfernt wohnen, aber zum Beispiel für das schulische Angebot in besonderer Weise geeignet sind."

Auch dies lässt nicht erkennen, dass das Geschlechterverhältnis bei der Aufnahme als besonderer Grund Berücksichtigung finden soll.

Unabhängig davon ist die Vergabe von zehn Plätzen aufgrund Geschlechts selbst gemessen an § 50 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 Sek I-V zu beanstanden. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die vorrangige Aufnahme von zehn Mädchen erforderlich war, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Mädchen und Jungen herzustellen. Das Regelbeispiel nach § 50 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 Sek I-V ist im Licht der allgemeinen Regelung in Satz 1 der Vorschrift auszulegen. Danach kann eine Schülerin oder ein Schüler unabhängig von der Nähe der Wohnung zur Schule vorrangig aufgenommen werden, wenn eine Aufnahme nach der Nähe der Wohnung zur Schule nicht erfolgen kann und dadurch persönliche, pädagogische oder öffentliche Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigt würden (besondere Gründe). Die Aufnahme nach Geschlecht wäre als besonderer Grund daher nur dann und nur in dem Umfang zulässig, wenn andernfalls zumindest einer der genannten Belange unverhältnismäßig beeinträchtigt würde. Davon ist hier nach den vorliegenden Unterlagen und dem Vorbringen der Beteiligten nicht auszugehen. Die Antragsgegnerin hat dazu vorgetragen, ihre Schule werde traditionell von sehr vielen männlichen Antragstellern angewählt. Die pädagogischen Erfahrungen an der Schule hätten in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die Vorteile der koedukativen Erziehung bei einem möglichst ausgeglichenen Verhältnis von Mädchen und Jungen am optimalsten nutzbar seien. Aus diesem Grund sei von der Möglichkeit des § 50 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 Sek I-V Gebrauch gemacht worden, wenn die Quotendifferenz der Geschlechter ohne diesen Ausgleich ein bestimmtes Maß überschritten hätte. Diese Begründung trägt die Auswahl nicht. Denn ein besonderer Grund dient nach dem oben Gesagten nicht dazu, die nach Ansicht der Schule optimalen Lehr- und Lernbedingungen zu schaffen. Ein besonderer Grund soll vielmehr verhindern, dass durch eine nach der Nähe der Wohnung zur Schule nicht mögliche Aufnahme persönliche, pädagogische oder öffentliche Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Es ist nicht davon auszugehen, dass dies der Fall gewesen wäre, wenn zehn Mädchen nicht aufgenommen worden wären. Nach den von der Antragsgegnerin übersandten Listen hätte sich ein Verhältnis von 42 Mädchen zu 63 Jungen ergeben, wenn die zehn nach dem Grund "Geschlecht" vergebenen Plätze nach dem Kriterium "Nähe" vergeben worden wären. Dass bei diesem Verhältnis pädagogische Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigt worden wären, ist weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst erkennbar. Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass die größere Anzahl von Jungen im Wesentlichen darauf zurückzuführen sein dürfte, dass über den besonderen Grund "Sport" neun Jungen, aber nur zwei Mädchen vorrangig aufgenommen wurden, also im Profil der Schule begründet sein dürfte.

Aus alledem folgt, dass jedenfalls die Aufnahme von den zehn Schülerinnen, die über den besonderen Grund "Geschlecht" aufgenommen wurden, zu Unrecht erfolgt ist.

Damit ist das Aufnahmeverfahren in der FOR/EBR-Gruppe nach summarischer Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht rechtmäßig durchgeführt worden. Unklar und in diesem Verfahren nicht zu klären ist allerdings, wie die Rangliste bei einem ordnungsgemäßen Verfahren ausgesehen hätte, insbesondere ob die Antragsgegnerin ohne die Möglichkeit eines Geschlechterausgleichs an ihren sonstigen Aufnahmekriterien (z.B. besonderer Grund "Sport") festgehalten hätte. Da der Antragsteller zu 1) bei Ablehnung des Rechtsschutzbegehrens weiterhin nicht eine von ihm und seinen Eltern gewünschte Schule besuchen könnte, gebietet es Art. 19 Abs. 4 GG damit, einen Anordnungsanspruch zu unterstellen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2013, OVG 3 S 50.13, juris Rn. 6). Hieraus folgt die Pflicht der Antragsgegnerin, die Rechtsverletzung durch Aufnahme des Antragstellers zu 1) zu beheben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Oktober 2017, OVG 3 S 71.17, juris Rn. 7).

Dem Anspruch der Antragsteller steht auch eine Erschöpfung der Aufnahmekapazitäten der Maxim-Gorki-Gesamtschule nicht entgegen, weil die Antragsgegnerin wegen des verfassungsrechtlichen Gebotes effektiven Rechtsschutzes zusätzliche Plätze bis an die Grenze der Funktionsfähigkeit zur Verfügung stellen muss (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Oktober 2015, OVG 3 S 70.15, juris Rn. 6). Dass diese Grenze durch die Aufnahme eines weiteren Schülers erreicht oder sogar überschritten werden würde, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Da die bisherigen Planungen vorsehen, dass zwei der neu einzurichtenden Klassen wegen der Aufnahme von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nur mit je 25 Schülern geführt werden sollen, ist vielmehr davon auszugehen, dass eine Aufstockung auf jeweils 26 Schüler zumutbar ist, ohne die Funktionsfähigkeit des Schulbetriebs zu beeinträchtigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung aus § 52 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes.