VerfG des Landes Brandenburg, Beschluss vom 20.10.2017 - 20/16
Fundstelle
openJur 2020, 40370
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe

A.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 5. Dezember 2014, ein Urteil des Amtsgerichts Cottbus vom 3. März 2015 sowie die Beschlüsse des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. November 2015 und 23. Februar 2016 in einem Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren.

I.

Der Landkreis Spree-Neiße erließ gegen den Beschwerdeführer wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit einen Bußgeldbescheid, mit dem eine Geldbuße von 120,00 Euro nebst Gebühren und Auslagen verhängt wurde. Der Beschwerdeführer legte dagegen Einspruch ein, ohne diesen zu begründen. Nachdem die Bußgeldstelle dem Einspruch nicht abhelfen konnte, legte die Staatsanwaltschaft das Verfahren dem Amtsgericht Cottbus zur Entscheidung vor.

Das Amtsgericht hörte die Staatsanwaltschaft und den Beschwerdeführer sodann mit dem Beschwerdeführer am 26. August 2014 zugestellter Verfügung zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss ohne Hauptverhandlung nach § 72 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung. Der Beschwerdeführer teilte dem Gericht unter dem 28. August 2014 daraufhin mit, dass "einem Verfahren ohne mündliche Verhandlung nicht zugestimmt" werde und bat außerdem um Abstimmung des Termins zur Hauptverhandlung mit seiner Kanzlei. Dieses Schreiben ging dem Amtsgericht am 2. September 2014 zu.

Mit Beschluss vom 19. September 2014 setzte das Amtsgericht gegen den Beschwerdeführer eine Geldbuße von 120,00 Euro nebst Gebühren und Auslagen fest. Nach Zustellung dieses Beschlusses am 16. Oktober 2014 beantragte der Beschwerdeführer, der zu diesem Zeitpunkt wohl davon ausging, das Gericht habe sein Schreiben vom 28. August 2014 nicht erhalten, am 22. Oktober 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er sei ohne Verschulden gehindert gewesen, innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist zur Durchführung des Beschlussverfahrens Stellung zu nehmen. Er habe dem Verfahren ohne Hauptverhandlung mit Schreiben vom 28. August 2014 widersprochen.

Mit Schreiben vom gleichen Tage legte der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Amtsgerichts auch Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 1 OWiG ein. Die Staatsanwaltschaft Cottbus beantragte, dem Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben. Die Erklärung des Beschwerdeführers sei als Widerspruch auszulegen. Wiedereinsetzung sei auch demjenigen zu gewähren, der keine Frist versäumt habe, aber zu Unrecht so behandelt worden sei.

Zugleich mit der Ladung gewährte das Amtsgericht am 5. Dezember 2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und terminierte die Hauptverhandlung auf den 3. März 2015. Mit Urteil von diesem Tage wurde der Beschwerdeführer zu einer Geldbuße von 120,00 Euro nebst Gebühren und Auslagen verurteilt.

Der Beschwerdeführer beantragte hiergegen die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Gegen ihn sei bereits mit Beschluss des Amtsgerichts vom 19. September 2014 wegen derselben Tat eine Geldbuße in Höhe von 120,00 Euro festgesetzt worden. Die Wiedereinsetzung durch das Amtsgericht sei nichtig, denn sie sei objektiv willkürlich erfolgt. Er habe die vom Amtsgericht eingeräumte Frist zur Stellungnahme nicht versäumt, da der Widerspruch rechtzeitig bei Gericht eingegangen sei. Hätte er dies gewusst, so hätte er die Rechtsbeschwerde weiterbetrieben. Dadurch sei ihm der gesetzliche Richter entzogen worden.

Das Oberlandesgericht wies diesen Antrag als unbegründet zurück. Wie der Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers zu bescheiden war, sei nicht mehr entscheidungserheblich. Die Wiedereinsetzung könne nicht mehr Gegenstand der Überprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren sein, sie sei weder unwirksam noch nichtig.

Gegen diesen Beschluss erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge, die das Oberlandesgericht als unbegründet zurückwies. Ein Gehörsverstoß liege nicht vor. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 29. Februar 2016 zugestellt.

II.

Mit seiner am 29. April 2016 erhobenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Wiedereinsetzungsentscheidung vom 5. Dezember 2014 sowie die weiteren Entscheidungen des Amtsgerichts und des Brandenburgischen Oberlandesgerichts. Er rügt eine Verletzung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter und auf rechtliches Gehör sowie des Willkürverbots (Art. 52 Abs. 3 LV). Das Urteil des Amtsgerichts vom 3. März 2015 entziehe ihm den gesetzlichen Richter, da gegen die im Beschlusswege ergangene Entscheidung die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG zulässig gewesen wäre. Rechtliches Gehör habe das Amtsgericht dadurch verletzt, dass es ihn vor der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag nicht darüber informiert habe, dass seine Erklärung fristgerecht bei dem Amtsgericht eingegangen sei. In diesem Fall hätte er den Wiedereinsetzungsantrag zurückgenommen und die Rechtsbeschwerde weiterbetrieben. Weil das Amtsgericht willkürlich über seinen Wiedereinsetzungsantrag entschieden und mündlich verhandelt habe, sei der Weg zum Oberlandesgericht versperrt gewesen. Dies habe den Beschluss vom 19. September 2014 nicht überprüfen können. Schließlich sei das Oberlandesgericht auch nicht auf die Bedenken des Beschwerdeführers zu der gewährten Wiedereinsetzung eingegangen.

III.

Das Amtsgericht Cottbus und das Brandenburgische Oberlandesgericht haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.

B.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zu verwerfen. Sie ist unzulässig.

1. Sie ist wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 23. Februar 2016 richtet, mit dem die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts, dass Anhörungsrügen zurückweisende gerichtliche Entscheidungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können, weil sie keine eigenständige Beschwer schaffen. Sie lassen allenfalls mit der Ausgangsentscheidung bereits eingetretene Verletzungen des rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine Selbstkorrektur durch das Fachgericht unterbleibt. Ein schutzwürdiges Interesse an einer - zusätzlichen - verfassungsgerichtlichen Überprüfung der Gehörsrügeentscheidung besteht nicht (vgl. Beschlüsse vom 9. September 2016 - VfGBbg 24/16 -, vom 9. Oktober 2015 - VfGBbg 39/15 -, vom 12. Dezember 2014 - VfGBbg 23/14 - und vom 15. Juli 2011 - VfGBbg 10/11 -, www.verfassungs-gericht.brandenburg.de).

2. Es bedarf im Hinblick auf den angegriffenen Beschluss zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keiner Entscheidung, ob diese als Zwischenentscheidung überhaupt im Wege der Verfassungsbeschwerde separat angegriffen werden kann (vgl. Beschluss vom 20. Mai 2010 - VfGBbg 1/10 -, Beschluss vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 23/13 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de; zum Bundesrecht vgl. BVerfGE 101, 106, 120, m. w. N.) oder ob sie bereits wegen Nichteinhaltung der sich aus § 47 Verfassungsgerichtsgesetz Bandenburg (VerfGGBbg) ergebenden Beschwerdefrist unzulässig ist. Jedenfalls genügt die Beschwerdeschrift nicht den sich aus § 20 Abs. 1 Satz 2, § 46 VerfGGBbg ergebenden Begründungsanforderungen, die voraussetzen, dass der die Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird. Bei einer gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer sich mit dieser inhaltlich auseinanderzusetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (st. Rspr., vgl. Beschlüsse vom 15. April 2016 - VfGBbg 86/15 - und vom 22. Mai 2015 - VfGBbg 32/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

a. Gemessen an diesen Anforderungen hat der Beschwerdeführer eine Verletzung des Grundrechts auf Gleichheit vor Gericht in seiner Ausprägung als Willkürverbot (Art. 52 Abs. 3 Alt. 1 LV) durch die Wiedereinsetzungsentscheidung nicht mit hinreichendem Vortrag untersetzt.

Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und daher der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht grundsätzlich entzogen; ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt nur in Ausnahmefällen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot in Betracht. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt jedoch nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts gegen das Willkürverbot, sondern erst, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen u. a. dann vor, wenn sich ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Schrifttum geklärten Rechtslage setzt oder das Gericht den Inhalt einer Norm krass missdeutet, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Von einer willkürlichen Missdeutung kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn sich das Gericht eingehend mit der Rechtslage auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. Beschlüsse vom 16. Dezember 2016 - VfGBbg 33/16 -, vom 17. Juni 2016 - VfGBbg 95/15 -, vom 19. Juni 2015 - VfGBbg 24/15 -, vom 17. April 2015 - VfGBbg 51/14 -, vom 19. Juni 2013 - VfGBbg 61/12 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de, sowie vom 17. September 1998 - VfGBbg 18/98 -, LVerfGE 9, 95, 100; BVerfGE 87, 273, 278 f; E 96, 189, 203; E 108, 129, 137; E 112, 185, 215 f).

Nach der Beschwerdebegründung ist nicht erkennbar, dass das Amtsgericht durch die Entscheidung, dem Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, sich in dieser Weise außerhalb einer vertretbaren Rechtsauffassung bewegt hat. Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, die Wiedereinsetzungsentscheidung sei allein deshalb willkürlich, weil die dafür vorausgesetzte Fristversäumnis nicht vorgelegen habe, setzt er sich nicht hinreichend damit auseinander, aus welchen Gründen in seinem Fall gleichwohl eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig gewesen sein könnte.

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein in allen Verfahrensordnungen verankertes Rechtsinstitut. Sie kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn eine Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs ohne eigenes Verschulden versäumt wurde. Eine solche Fristversäumnis lag hier zwar offenkundig nicht vor, da das Gericht aufgrund der auf den 26. August 2014 ausgestellten Zustellungsurkunde ohne Weiteres erkennen konnte, dass die verfügte Zwei-Wochen-Frist erst mit diesem Tag zu laufen begann, so dass die am 2. September 2014 bei Gericht eingegangene Erklärung, mit der der Beschwerdeführer seine fehlende Zustimmung zum Verfahren ohne mündliche Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, noch innerhalb dieser Frist erfolgte. Gleichwohl kann nicht davon gesprochen werden, dass die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hätte gewährt werden dürfen. So wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass das zuständige Amtsgericht bei der irrtümlichen Verwerfung eines fristgerecht eingelegten Einspruchs der dagegen eingelegten Beschwerde selbst abhelfen kann, obwohl das Verfahrensrecht in § 70 Abs. 2 OWiG einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausdrücklich ausschließt. Die von Amts wegen zu gewährende Wiedereinsetzung sei trotz § 311 Abs. 3 Satz 1 StPO möglich, Wiedereinsetzung könne auch dem gewährt werden, der keine Frist versäumt hat, aber zu Unrecht so behandelt worden ist (BGH NStZ 1988, 210; BayObLG VRS 39, 272; OLG Oldenburg MDR 1968, 941; OLG Celle NStE Nr. 6 zu § 346; KG NStZ-RR 2011, 86; Ellbogen, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, § 70 Rn. 48; Maul, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, § 44 Rn. 6). Mit dieser Auffassung, die dem Ausgangsgericht entgegen dem Grundsatz des § 311 Abs. 3 Satz 1 StPO selbst die Möglichkeit einräumt, prozessuales Unrecht zu beseitigen (vgl. Ellbogen, a. a. O., § 72 Rn. 30), setzt sich der Beschwerdeführer überhaupt nicht auseinander. Er geht auch nicht darauf ein, dass das Gericht dem Wiedereinsetzungsantrag deshalb nachgekommen ist, weil es damit einer als fehlerhaft erkannten Behandlung des Widerspruchs gegen eine Entscheidung ohne Hauptverhandlung abgeholfen hat. Dies dürfte vorliegend jedoch bereits daraus zu schließen sein, dass das Amtsgericht in der Begründung der Wiedereinsetzungsentscheidung ausdrücklich auf die Auffassung der Staatsanwaltschaft Bezug genommen hatte. Dies zugrunde gelegt, hätte sich der Beschwerdeführer damit auseinandersetzen müssen, ob der vorliegende Fall mit den in Rechtsprechung und Literatur angenommenen Ausnahmefällen einer Wiedereinsetzung vergleichbar ist. Da das Amtsgericht zunächst auf einen vermeintlichen Mangel des Inhalts der Erklärung des Beschwerdeführers zur Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung abgestellt und einen fristgemäß eingegangenen Widerspruch als nicht erheblich angesehen hatte, spricht einiges dafür, dass der Beschwerdeführer zu Unrecht so behandelt worden ist, als habe er eine Frist versäumt. Denn eine an sich fristgemäß eingegangene Erklärung, die aus inhaltlichen Gründen fehlerhaft keine Berücksichtigung findet, kann ebenso als nicht fristgemäß eingegangen bezeichnet werden. Der Beschwerdeführer hat jedenfalls nicht dargelegt, aus welchen Gründen das Gericht einerseits bei einer vorangegangenen willkürlichen Verkennung des Inhalts einer Prozesserklärung gehindert sein soll, Wiedereinsetzung auf den eigenen Antrag des Prozessbeteiligten zu gewähren und so dem ausdrücklich geäußerten Willen des Beschwerdeführers nach Durchführung einer Hauptverhandlung Rechnung zu tragen, während andererseits die irrtümliche Annahme einer Fristversäumnis auch von Amts wegen durch das Ausgangsgericht korrigiert werden kann. Im Übrigen wird bei einer Fehlerkorrektur von Amts wegen der Beschwerdeführer nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen, sondern diesem gerade zugeführt, indem vom Gericht die vom Beschwerdeführer ausdrücklich erbetene Hauptverhandlung durchgeführt wird. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer zugleich mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung auch Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG eingelegt hatte, kann allein zur Begründung nicht herangezogen werden. Unter den oben genannten Bedingungen wird eine gleichzeitige Anbringung der Rechtsbeschwerde für entbehrlich angesehen (vgl. BT-DS 10/2652, S. 20; Ellbogen, a. a. O., § 72 Rn.30 mit Hinweis auf die dadurch überholte Rechtslage), so dass nicht davon gesprochen werden kann, die Wiedereinsetzungsentscheidung sei durch den gewährten Rechtsmittelzug grundsätzlich gesperrt.

b. Auch einen Verstoß gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV) durch einen unterbliebenen Hinweis auf die fehlenden Wiedereinsetzungsgründe, insbesondere die fehlende Fristversäumnis, hat der Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Der in Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV enthaltene Anspruch auf rechtliches Gehör ist eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgedanken für das Gebiet des gerichtlichen Verfahrens. Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des gerichtlichen Verfahrens sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. Beschluss vom 17. Februar 2017 - VfGBbg 39/16 -, www.verfassungs-gericht.brandenburg.de; BVerfGE 84, 188, 190; E 89, 28, 35). Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV gewährt den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu den für diese erheblichen Sach- und Rechtsfragen zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und rechtzeitiges, möglicherweise erhebliches Vorbringen bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, aus welchen Gründen das Amtsgericht davon ausgehen musste, ihm vor einer Entscheidung, die seinem ausdrücklich geäußerten Antrag entsprach und aus den oben genannten Gründen nicht offenkundig unvertretbar war, erneut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Da die Wiedereinsetzung durch das Amtsgericht eine Anfechtung durch Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG entbehrlich macht, kann zugleich offen gelassen werden, ob in dem nicht gegebenen Hinweis angesichts der im Verfassungsbeschwerdeverfahren geäußerten Absicht, bei Kenntnis fehlender Säumnis hätte er den Wiedereinsetzungsantrag zurückgenommen und allein das Rechtsbeschwerdeverfahren weiterbetrieben, auch ein Verstoß gegen das Grundrecht auf faires Verfahren (Art. 52 Abs. 4 Satz 1 LV) liegt. Es fehlt jedenfalls an einer entsprechenden Rüge durch den Beschwerdeführer. Es ist auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn das Gericht einen vorangegangenen Fehler korrigiert und dem entspricht, was der Beschwerdeführer von Anfang an anstrebte, nämlich in einer Hauptverhandlung die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu klären.

3. a. Der Beschwerdeführer hat auch nicht ausreichend begründet, warum das Amtsgericht durch das Urteil vom 3. März 2015 und das Oberlandesgericht durch seinen Beschluss vom 19. Februar 2015 gegen sein Grundrecht auf rechtliches Gehör verstoßen haben, indem sie eine von der Darstellung des Beschwerdeführers abweichende Beschilderung des Tatorts der Geschwindigkeitsüberschreitung angenommen haben.

Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht der Pflicht zur Berücksichtigung erheblichen Vorbringens nachkommt, und es von Verfassungs wegen nicht jedes vorgebrachte Argument ausdrücklich bescheiden muss, bedarf es besonderer Umstände für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 52 Abs. 3 Alt. 2 LV (vgl. Beschlüsse vom 9. September 2016 - VfGBbg 9/16 -, www.verfassungsgericht.bran-denburg.de, vom 10. Mai 2007 - VfGBbg 8/07 -, LVerfGE 18, 150, 157, vom 16. Juni 2005 - VfGBbg 2/05 -, LVerfGE 16, 157, 162 und vom 15. September 1994 - VfGBbg 10/93 -, LVerfGE 2, 179, 182).

Diese Umstände hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt. Das Amtsgericht hat ausgeführt, das Streckenverbot des Zeichens 274 gelte bis zu seiner Aufhebung, jedenfalls aber habe die Messung der Geschwindigkeitsüberschreitung noch "innerhalb der Gefahrenlage" stattgefunden. Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber meint, die durch die Kombination der Verkehrszeichen 131 und 274 vorgenommene Geschwindigkeitsbegrenzung gelte nur bis zur Haltelinie der durch das Zeichen 131 angekündigten Ampelkreuzung, so kann daraus eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht abgeleitet werden. Aus der Begründung des Amtsgerichts ist zu entnehmen, dass es zum einen selbst eine Gefahrenlage angenommen, die Gültigkeit der Geschwindigkeitsbegrenzung jedoch auf den gesamten Kreuzungsbereich ausgedehnt hat. Damit geht das Amtsgericht ersichtlich von einer anderen Reichweite der vom Verkehrszeichen ausgehenden Anordnung aus. Das Gehörsgrundrecht schützt die Verfahrensbeteiligten aber nicht davor, dass das Gericht ihre Rechtsauffassungen und rechtlichen Beurteilungen nicht teilt (st. Rspr., vgl. zuletzt Beschluss vom 20. Februar 2015 - VfGBbg 44/14 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Da das Oberlandesgericht in seinem Beschluss vom 19. Februar 2015 gem. § 80 Abs. 4 Satz 3 OWiG auf die Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen hat, wird auch insoweit eine Gehörsverletzung aus der Beschwerdeschrift nicht ersichtlich.

b. Da der Beschwerdeführer eine unter Verstoß gegen Verfassungsrecht zustande gekommene Entscheidung des Amtsgerichts zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hinreichend dargelegt hat, ist schließlich auch eine daraus folgende Verletzung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter durch das Urteil des Amtsgerichts Cottbus vom 3. März 2015 nicht erkennbar. Art. 52 Abs. 1 Satz 2 LV schützt den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen Richter, der sich aus dem Gerichtsverfassungsgesetz, den Prozessordnungen sowie den Geschäftsverteilungs- und Besetzungsregelungen des Gerichts ergibt. Die Entscheidung eines Gerichts, Wiedereinsetzung in eine von ihm gesetzte Frist zu gewähren und damit eine bereits verkündete Entscheidung gegenstandslos werden zu lassen, kann gegen die Gewährleistung des Rechts auf den gesetzlichen Richter verstoßen. Voraussetzung dafür ist, dass das Gericht die einschlägigen Verfahrensvorschriften nicht bloß einfachrechtlich fehlerhaft angewendet hat, sondern die Anwendung unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar und damit willkürlich ist, so dass sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. August 2010 - 2 BvR 3052/09 -, Juris, Rn. 12). Dies kann dann der Fall sein, wenn das Gericht seine Entscheidungszuständigkeit gravierend verkennt (vgl. Degenhard, in: Sachs, GG, Kommentar, Art. 101 Rn. 17 m. w. N.). Angesichts der jedenfalls nicht erkennbar unvertretbaren Wiedereinsetzungsentscheidung hat der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt, dass das Amtsgericht seine eigene Entscheidungszuständigkeit offenkundig verkannt hätte. Wegen der gleichzeitig vom Beschwerdeführer eingelegten Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 OWiG war die Wiedereinsetzungsentscheidung nach § 79 Abs. 3 Satz 2 OWiG i. V. m. § 342 Abs. 2 Satz 2 StPO auch vorrangig zu treffen und zulässig (vgl. Ellbogen, Karlsruher Kommentar zum OWiG, § 70 Rn. 30, 33).

II.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

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