VerfG des Landes Brandenburg, Beschluss vom 21.09.2018 - 34/17
Fundstelle
openJur 2020, 40266
  • Rkr:
Tenor

1. Die kommunale Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe

Die Beschwerdeführer wenden sich mit der kommunalen Verfassungsbeschwerde gegen die Brandenburgische Bauordnung vom 19. Mai 2016 (GVBl. I/16, [Nr. 14]), insoweit diese nach Ansicht der Beschwerdeführer keine Bestimmungen über einen entsprechenden Ausgleich der finanziellen Mehrbelastungen für die Wahrnehmung der Aufgabe als untere Träger der Bauaufsicht enthält.

A.

I.

Mit dem Gesetz zur Novellierung der Brandenburgischen Bauordnung und zur Änderung des Landesimmissionsschutzgesetzes vom 19. Mai 2016 (GVBl. I/16, [Nr. 14]) wurde die Brandenburgische Bauordnung (BbgBO) vollständig neu geregelt. Das Gesetz wurde am 20. Mai 2016 verkündet und trat am 1. Juli 2016 in Kraft.

§ 57 Abs. 1 BbgBO (Aufbau und Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörden) lautet:

Die unteren Bauaufsichtsbehörden sind Sonderordnungsbehörden. Die Landkreise, die kreisfreien Städte sowie die Großen kreisangehörigen Städte, denen diese Aufgabe übertragen ist, nehmen die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde wahr. Die Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde auf eine Große kreisangehörige Stadt sowie der Widerruf der Übertragung richten sich nach den kommunalrechtlichen Vorschriften.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung führt zur Konnexitätsverpflichtung aus (LT-Ds. 6/3268, S. 5 des Entwurfs und S. 3 ff der Begründung):

Artikel 97 Absatz 3 der Landesverfassung verpflichtet das Land, im Rahmen der Novellierung der Brandenburgischen Bauordnung für eine ausreichende Deckung der Kosten, die den Kommunen bei der Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben entstehen, zu sorgen. Der Kostenausgleich wird durch eine Änderung der Brandenburgischen Baugebührenordnung geschaffen. [...]

[...]

Da es sich bei den durch die Brandenburgische Bauordnung auf die kommunalen Gebietskörperschaften übertragenen Aufgaben um Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung handelt, sind die Gebühren durch Rechtsverordnung des für den Vollzug der Brandenburgischen Bauordnung zuständigen Mitglieds der Landesregierung geregelt. Die bei den Kommunen durch die Aufgabenwahrnehmung anfallenden Kosten werden durch Gebühren nach der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen der Bauaufsicht (Brandenburgische Baugebührenordnung) ausgeglichen.

Im Juni 2016 legte das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung den Entwurf für eine Dritte Verordnung zur Änderung der Brandenburgischen Baugebührenordnung (BbgBauGebO) vor, der nach seiner Begründung eine ausreichende Deckung der durch die Novellierung der Bauordnung verursachten Kosten vorsieht. Die Verordnung wurde am 5. Oktober 2016 erlassen, am 17. Oktober 2016 verkündet (GVBl. II/16, [Nr. 53]) und trat am 18. Oktober 2016 in Kraft.

Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer am 17. Oktober 2017 eine kommunale Verfassungsbeschwerde. In diesem Verfahren begehren sie festzustellen, dass die BbgBauGebO insoweit mit Art. 97 Abs. 3 der Verfassung des Landes Brandenburg unvereinbar ist, als sie keine Bestimmungen über einen entsprechenden Ausgleich der finanziellen Mehrbelastungen enthält, die den Landkreisen und kreisfreien Städten im Land Brandenburg aus ihrer Tätigkeit als untere Träger der Bauaufsicht nach der BbgBO entstehen.

II.

Bereits am 29. Juni 2017 haben die Beschwerdeführer kommunale Verfassungsbeschwerde gegen die BbgBO vom 19. Mai 2016 (GVBl. I/16, [Nr. 14]) erhoben, mit der sie eine Verletzung ihres Rechts auf kommunale Selbstverwaltung in der Ausprägung des Konnexitätsgebots gemäß Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 Landesverfassung (LV) geltend machen.

Zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde tragen die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, sie seien von den angegriffenen Vorschriften selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Der Gesetzgeber habe im Zusammenhang mit der novellierten BbgBO die entscheidenden Weichen für die Ausgestaltung des Kostenausgleichs vorgegeben. In der Gesetzesbegründung hierzu seien bereits alle wesentlichen Kennzahlen und Eckpunkte für den Kostenausgleich genannt und fixiert, was eine vorprägende Wirkung für den Verordnungsgeber entfalte. Jedenfalls fehle es vorliegend an der nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts erforderlichen Entscheidung des Gesetzgebers zu einem entsprechenden Kostenausgleich.

Die Beschwerdeführer beantragen

festzustellen, dass die Brandenburgische Bauordnung vom 19. Mai 2016 (GVBl. I/16, [Nr. 14]) mit Art. 97 Abs. 3 der Verfassung des Landes Brandenburg insoweit unvereinbar ist, als sie keine Bestimmungen über einen entsprechenden Ausgleich der finanziellen Mehrbelastungen enthält, die den Landkreisen und kreisfreien Städten im Land Brandenburg aus ihrer Tätigkeit als untere Träger der Bauaufsicht entstehen.

III.

Der Landtag, die Landesregierung, der Landkreistag Brandenburg und der Städte- und Gemeindebund Brandenburg haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Hiervon haben der Landkreistag Brandenburg sowie die Landesregierung Gebrauch gemacht. Der Landkreistag schließt sich in der Sache den Ausführungen der Beschwerdeführer an und ergänzt diese. Die Landesregierung ist der Ansicht, die Verfassungsbeschwerde sei schon mangels Beschwerdebefugnis unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist mangels Beschwerdebefugnis unzulässig.

I.

Gemäß Art. 100 LV, § 51 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) können Gemeinden Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung erheben, dass ein Gesetz des Landes ihr Recht auf Selbstverwaltung nach der Landesverfassung verletzt. Dies setzt voraus, dass die beschwerdeführende Gemeinde von den Rechtswirkungen der angefochtenen Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist (st. Rspr., vgl. zuletzt Urteil vom 20. Oktober 2017 - VfGBbg 63/15 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Daran mangelt es hier.

1. Eine unmittelbare Betroffenheit liegt vor, wenn bereits die angegriffene Vorschrift, ohne eines weiteren Vollzugsaktes zu bedürfen, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verändert. Setzt das Gesetz demgegenüber rechtsnotwendig oder auch nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis einen besonderen, vom Willen der vollziehenden Gewalt getragenen Vollziehungsakt voraus, so kann sich die Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nur gegen diesen Vollziehungsakt als dem unmittelbaren Eingriff in die Rechte des Einzelnen richten. Dies gilt nicht nur, aber in besonderer Weise dann, wenn das Gesetz der Verwaltung einen Entscheidungsspielraum zubilligt (Beschluss vom 20.06.2014 - VfGBbg 50/13 -, www.verfassungsgericht.bran-denburg.de, m. w. N.; ausdrücklich für die Kommunalverfassungsbeschwerde vgl. BVerfGE 71, 25, 34 f).

2. Für die kommunale Verfassungsbeschwerde gilt das Erfordernis der unmittelbaren Betroffenheit jedoch nur eingeschränkt. Kommunen können unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität nicht darauf verwiesen werden, vor Erhebung einer unmittelbar gegen gesetzliche Vorschriften gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerde zunächst Rechtsschutz gegen einen auf dieser Grundlage ergangenen Einzelakt in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerfGE 71, 25, 35 f; zum Grundsatz der Subsidiarität vgl. Urteil vom 20. Oktober 2017 - VfGBbg 63/15 -, www.verfassungsgericht.bran-denburg.de, m. w. N.). Dies folgt aus der Erwägung, dass Kommunen keine Möglichkeit haben, Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Entscheidungen mit der Behauptung zu erheben, das zugrundeliegende Gesetz verletze ihr Recht auf Selbstverwaltung.

3. Nach der gefestigten bundes- und landesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung fehlt es indes auch bei der kommunalen Verfassungsbeschwerde an der unmittelbaren Betroffenheit, wenn das angegriffene Gesetz erst in Verbindung mit einer weiteren Norm auf den Rechtskreis der betroffenen Körperschaft einwirkt oder die Betroffenheit vom Ergehen einer solchen Norm abhängt. Danach ist es Gemeinden und Gemeindeverbänden verwehrt, im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde ein Gesetz anzugreifen, welches noch der Konkretisierung durch eine Rechtsverordnung bedarf, gegen welche ihrerseits unter Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes die Kommunalverfassungsbeschwerde eröffnet ist. Die Gemeinde ist deshalb darauf verwiesen, den Erlass einer solchen Rechtsverordnung abzuwarten, um im Rahmen einer hiergegen gerichteten kommunalen Verfassungsbeschwerde auch die verfassungsgerichtliche Überprüfung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zu erreichen (BVerfGE 137, 108, 136 f, Rn. 63; 76, 107, 112 f; 71, 25, 36; vgl. auch VerfG LSA, Urteil vom 20. Oktober 2015 - LVG 2/14 -, VerfG MV, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 13/11 -; HessStGH, Urteile vom 4. Mai 2004 - P.St. 1713, P.St. 1714 -; VerfGH NW, Urteil vom 10. Dezember 2002 - 10/01 -, jeweils m. W. N.).

II.

Nach diesen Maßgaben fehlt es vorliegend an der unmittelbaren Betroffenheit der Beschwerdeführer durch die in diesem Verfahren angegriffene BbgBO.

1. Ausgehend von der geltend gemachten Verletzung des Rechts auf kommunale Selbstverwaltung in der Ausprägung des Konnexitätsprinzips gemäß Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV sind die Regelungen der BbgBO nicht geeignet, die Rechtsstellung der Beschwerdeführer diesbezüglich zu beeinträchtigen.

Mit der - nach Ansicht des Gesetzgebers konnexitätsrelevanten - Übertragung von Aufgaben der unteren Bauordnungsbehörde auf die Landkreise, die kreisfreien Städte sowie die Großen kreisangehörigen Städte als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung (vgl. (§§ 57 Abs. 1 Satz 2, 58 Abs.1 BbgBO) hat der Gesetzgeber von seiner Ermächtigung nach Art. 97 Abs. 3 Satz 1 LV Gebrauch gemacht, die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Wahrnehmung von Aufgaben des Landes zu verpflichten.

Der Wortlaut von Art. 97 Abs. 3 unterscheidet zwischen dieser Aufgabenübertragung und den gemäß Art. 97 Abs. 3 Satz 2 dabei zu treffenden Bestimmungen über die Deckung der sich aus der Wahrnehmung neuer Zuständigkeiten ergebenden Kosten. Hinsichtlich der Ausgestaltung des durch das verfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip geforderten Kostenausgleichs steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2017 - VfGBbg 63/15 -, www.verfassungs-gericht.brandenburg.de). Die Bestimmungen zur Kostendeckung und die Aufgabenübertragung müssen danach grundsätzlich nicht zwingend in demselben Regelungswerk enthalten sein (vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen Urteil vom 14. Februar 2002 - VfGBbg 17/01 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

Der Gesetzgeber hat sich ausweislich der Gesetzesbegründung zur novellierten BbgBO dafür entschieden, den Ausgleich für die bei den Kommunen durch die Aufgabenübertragung anfallenden Kosten durch Gebühren nach der BbgBauGebO zu schaffen und von einer Regelung in der BbgBO abgesehen. Damit kommt eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihren Rechten gemäß Art. 97 Abs. 3 Satz 2 und 3 LV erst mit dem - von diesen als unzureichend angesehenen - Kostenausgleich durch die BbgBauGebO in Betracht.

2. Es ist vor diesem Hintergrund nicht entscheidungserheblich, ob der Gesetzgeber - wie von den Beschwerdeführern geltend gemacht - diesbezüglich seinen Gestaltungsspielraum überschritten hat, weil die Ausgleichsregelung auf Gesetzesebene habe getroffen werden müssen. Ob der geschaffene Mehrbelastungsausgleich den hierzu in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts entwickelten Anforderungen gerecht wird, wird die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg oder des Verfassungsgerichts zur BbgBauGebO ergeben. Dort wird auch die Frage der ausreichenden Ermächtigungsgrundlage für den Mehrbedarfsausgleich durch Rechtsverordnung zu behandeln sein (zu den Anforderungen diesbezüglich vgl. Urteil vom 20. Oktober 2017 - VfGBbg 63/15 -, www.verfassungs-gericht.brandenburg.de).

Auch soweit die Beschwerdeführer eine "vorprägende Wirkung" der Gesetzesbegründung für den Verordnungsgeber sehen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Eine solche Wirkung würde nicht zu einer unmittelbaren Betroffenheit führen, weil der Gesetzesbegründung keine rechtliche Außenwirkung zukommt.

3. Die kommunale Verfassungsbeschwerde gegen die BbgBauGebO ist grundsätzlich eröffnet, da der Begriff des Gesetzes i. S. v. Art. 100 LV, § 51 VerfGGBbg auch untergesetzliche Rechtsvorschriften umfasst (st. Rspr. vgl. Urteil vom 30. April 2013 - VfGBbg 49/11 -, www.verfassungsgericht.brandenburg.de, m. w. N.). Von dieser Möglichkeit haben die Beschwerdeführer in dem kommunalen Verfassungsbeschwerdeverfahren VfGBbg 76/17 auch Gebrauch gemacht, freilich ohne die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abzuwarten, wie es prozessual aus Gründen der Subsidiarität (auch) der kommunalen Verfassungsbeschwerde geboten ist.

4. Vorliegend ist auch keine Ausnahme von den unter I. dargestellten Voraussetzungen geboten. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung der Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen Rechtsnormen kann ausnahmsweise anerkannt werden, wenn sie den Betroffenen schon vor Erlass des Vollziehungsaktes zu entscheidenden Dispositionen veranlassen, welche er nach dem späteren Gesetzesvollzug nicht mehr nachholen oder korrigieren könnte (ausdrücklich für die Kommunalverfassungsbeschwerde vgl. BVerfGE 71, 25, 34 f). Die Beschwerdeführer haben indes mit der Beschwerdeschrift in keiner Weise geltend gemacht, dass sie angesichts als unzureichend erachteten Ausgleichs solche möglicherweise irreversiblen Dispositionen getätigt hätten.

C.

Das Verfassungsgericht hat eine mündliche Verhandlung einstimmig für nicht erforderlich gehalten (§ 22 Abs. 1 VerfGGBbg).

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.

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