LG Aurich, Urteil vom 07.07.2004 - 5 O 367/04
Fundstelle
openJur 2012, 41722
  • Rkr:
Tenor

I) Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, Auskunft über den Bestand des Nachlasses der ......... , geborene ...., geboren am ....., verstorben am .... in , mit letztem Wohnsitz in .... zu erteilen durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses gemäß § 2314 BGB nebst Wertermittlung, welches folgende Punkte umfaßt:

- alle beim Erbfall tatsächlich vorhandenen Sachen und Forderungen

- alle Nachlassverbindlichkeiten

- alle ergänzungspflichtigen Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat sowie Mittelung des Güterstandes, in dem die Verstorbene mit dem in der Zwischenzeit ebenfalls verstorbenen gelebt hat.

II) Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

Die Klägerin macht Pflichtteilsansprüche geltend und begehrt im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft.

Die Klägerin ist die Tochter der am ...... verstorbenen ....... Der Beklagte zu 1) ist der Enkel der Verstorbenen, die Beklagte zu 2) ist die Ehefrau des Beklagten zu 1).

Die Erblasserin sowie ihr am ..... verstorbener Ehemann hatten unter dem 23.03.1999 ein gemeinschaftliches Testament errichtet und darin die Klägerin sowie ihren Bruder auf den gesetzlichen Pflichtteil gesetzt. In dem Testament ist weiter bestimmt, dass der Beklagte zu 1) den Nachlass erhält und die Beklagte zu 2) den Familienschmuck.

Nachdem die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten den Beklagten zu 1) zur Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses aufgefordert hatte, ließ dieser schließlich am 23.12.2003 ein Nachlassverzeichnis notariell beurkunden und dieses durch weitere Beurkundung vom 06.02.2004 ergänzen.

Die Klägerin hält die ihr bislang von den Beklagten erteilten Auskünfte für unvollständig, nicht ausreichend und nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend. Insbesondere sei das notariell beurkundete Verzeichnis nicht ordnungsgemäß und sie sei bei der Aufnahme des Verzeichnisses auch nicht ihrem Wunsch entsprechend hinzugezogen worden.

Die Beklagte beantragt,

den Beklagten zu 1) im Wege der Stufenklage zu verurteilen

1. wie erkannt;

2. für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet wird, an Eides statt zu versichern, dass er den Bestand des Nachlasses und die darin enthaltenen Auskünfte über Vorempfänge und deren Wert nach bestem Wissen so vollständig angegeben hat, wie er dazu in der Lage war;

3. es bleibt vorbehalten, den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin 1/4 des anhand der nach Ziff. 1 zu erteilenden Auskunft sich errechnenden Betrages nebst 5 %-Punkten seit dem 25.06.2003 zu zahlen, soweit nicht Ansprüche im Verfahren 5 O 142/04 Landgericht Aurich bereits rechtshängig gemacht wurden.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt weiter,

die Beklagte zu 2) im Wege der Stufenklage zu verurteilen,

1. Auskunft über alle ergänzungspflichtigen Schenkungen zu erteilen, die die Erblasserin ......, geborene ....., geboren am ......, verstorben am ...... in ......., mit letztem Wohnsitz in ihr zugewandter durch Vorlage eines Verzeichnisses gemäß § 2314 BGB;

2. für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet wird, an Eides statt zu versichern, dass sie die erteilten Auskünfte über Vorempfänge nach bestem Wissen so vollständig angegeben hat, wie sie dazu in der Lage war.

Die Beklagte zu 2. hat den Auskunftsantrag zu Ziffer 1. anerkannt. Insoweit wird auf das Teil-Anerkenntnisurteil vom 12.05.2004 Bezug genommen.

Die Beklagten sind der Auffassung, sie hätten hinreichend Auskünfte erteilt.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist gegenüber dem Beklagten zu 1) hinsichtlich der begehrten Auskunft begründet.

Die Klägerin hat aus § 2314 BGB Anspruch darauf, dass der Beklagte zu 1) als Erbe über den Bestand des Nachlasses Auskunft erteilt. Als Pflichtteilsberechtigte kann die Klägerin verlangen, bei der Aufnahme des Verzeichnisses der Nachlassgegenstände zugezogen zu werden und dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird (§ 2314 Abs. 1 S. 2 BGB). Sie hat außerdem Anspruch darauf, dass das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird (§ 2314 Abs. 1 S. 3 BGB).

Das bisher vom Beklagten zu 1) vorgelegte Verzeichnis erfüllt die gesetzlichen Anforderungen nicht.

Unstreitig war die Klägerin bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses nicht hinzugezogen worden. Zwar hatte man ihr den bevorstehenden Termin (23.12.2003) mitgeteilt, ersichtlich hatte sie jedoch keine Gelegenheit, sich so kurzfristig auf einen solchen Termin einzustellen. Ausweichtermine wurden nicht mitgeteilt.

Außerdem reichen die der Klägerin später vorgelegten notariellen Verzeichnisses vom 23.12.2003 und 06.02.2004 nicht aus.

Aus dem Text des Verzeichnisses ergibt sich, dass der Notar lediglich die Erklärungen des Beklagten zu 1) über den Nachlassbestand beurkundet hat.

Ein durch einen Notar aufgenommenes Verzeichnis gemäß § 2314 BGB liegt aber nicht bereits dann vor, wenn der Notar lediglich Erklärungen des Auskunftspflichtigen über den Bestand beurkundet. Ein durch einen Notar aufgenommenes Nachlassverzeichnis liegt nur dann vor, wenn der Notar den Nachlassbestand selbst ermittelt hat und durch Untersuchung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringt, dass er für dessen Inhalt verantwortlich ist (vgl. OLG R Celle 1997, 160; OLG Celle 4 W 318/01, Beschluss vom 21.01.2002).

Die Aufnahme des Verzeichnisses durch eine Amtsperson soll eine besondere Gewähr dafür bieten, dass der Schuldner die Angaben wahrheitsgemäß erteilt, weil er von dieser Amtsperson nachhaltig über die Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben belehrt wird. Die Aufnahme des Verzeichnisses durch den Notar geht somit über die bloße Beurkundungstätigkeit weit hinaus. Dabei trifft den Notar die Entscheidung, was in das Bestandsverzeichnis aufgenommen wird und was nicht. Diese Entscheidung ist nicht dem Inventarisierungspflichtigen vorbehalten, weil hierdurch der Sinn der Aufnahme des Vermögensverzeichnisses durch eine Amtsperson, die Gewährleistung der objektiven Massefeststellung, unterlaufen würde (OLG Celle a. a. O.).

Es fehlt damit bereits an einem formell ordnungsgemäßen Nachlassverzeichnis.

Das Verlangen der Klägerin nach einer erneuten Verzeichniserstellung erscheint vorliegend auch nicht rechtsmissbräuchlich, da die Klägerin gegen die Richtigkeit des vorhandenen Verzeichnisses begründete Einwendungen geltend gemacht hat.

Dem Auskunftsantrag gegenüber dem Beklagten zu 1) war daher durch Teilurteil zu entsprechen.