Brandenburgisches OLG, Urteil vom 28.03.2017 - 6 Verg 5/16
Fundstelle
openJur 2020, 39318
  • Rkr:

1. Sollen die eingehenden Angebote der Bieter nach Preis und Leistung in einer Gewichtung von 40 % zu 60 % bewertet werden und wird die angebotene Leistung mit Punkten gewertet, so muss die Formel bzw. Methode, nach welcher der auf Euro lautende Angebotspreis in Wertungspunkte umgerechnet werden wird, in der Ausschreibung bekannt gemacht werden.

2. Ist im Rahmen des Wertungskriteriums "Leistung" eine praktische Teststellung der anzuschaffenden Geräte durch potentielle Anwender vorgesehen und die Wertung dem Schulnotensystem unterworfen, so bedarf es eines für die Notenvergabe maßgeblichen Zielerreichungsgrades dann nicht, wenn die in der Teststellung zu bewertenden Eigenschaften der Geräte durch eine Vielzahl von Unter-Unterkriterien detailliert und für Bieter und Anwender verständlich bezeichnet sind.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 13. Oktober 2016 - VK 17/16 - wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragstellerin zu tragen.

Gründe

I.

Mit Bekanntmachung vom 19.12.2015 schrieb die Auftraggeberin im offenen Verfahren die Beschaffung von 27 Beatmungsgeräten zu einem geschätzten Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) von 650.000 € europaweit aus. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Ausschreibungsunterlagen bzw. in der Aufforderung zur Angebotsabgabe aufgeführt sind, erteilt werden.

Die Vergabeunterlagen spezifizierten die Anforderungen an die Beatmungsgeräte und enthielten Angaben zur Wertung. Danach sollten Preis und Leistung in einem Verhältnis von 40 % zu 60 % gewichtet werden, wobei für das Wertungskriterium "Leistung" zwei Unterkriterien gebildet wurden, nämlich "technische Bewertung" (mit 20 % gewichtet) und "Bewertung Teststellung" (mit 80 % gewichtet). Im Rahmen der "technischen Bewertung" waren bei 100 wertungsrelevanten Unter-Unterkriterien maximal 1000 Punkte zu erzielen. Die "Bewertung Teststellung" bestand in einer von potentiellen Anwendern durchzuführenden praktischen Bewertung der einzelnen Geräte anhand eines Kataloges von 20 Unter-Unterkriterien, von denen 10 mit 7,92 % und die übrigen mit je 0,08 % gewichtet werden sollten. Für jeden dieser 20 Unterpunkte waren maximal 20 Punkte zu erreichen (insgesamt damit 400), wobei die Bewertung der 20 Unter-Unterkriterien jeweils wie folgt vorzunehmen war:

Keine Angabe

(0)

Sehr gut

(20)

Gut

(16)

Befriedigend

(12)

Ausreichend

(8)

Mangelhaft

(0)

Ungenügend

(0)

Nach welcher Formel der von den Bietern angebotene Preis in Wertungspunkte umgerechnet wird, wurde in den Vergabeunterlagen nicht mitgeteilt. Dies holte die Auftraggeberin während des Vergabenachprüfungsverfahrens nach.

Zum Submissionstermin am 26.01.2016 lagen vier Angebote vor, wobei nach der Wertung der Auftraggeberin das Angebot der Beigeladenen mit 84,93 Punkten das wirtschaftlich günstigste war, die Antragstellerin hatte mit 87,22 Punkten die zweitbeste Bewertung. Bei der Wertung hatte die Auftraggeberin weder die Gewichtung von 7,92 % zu 0,08 % in Zusammenhang mit der Gewichtung der Unter-Unterkriterien für das Unterkriterium "Bewertung Teststellung" nachvollzogen, noch die auf die Kriterien Preis bzw. Leistung entfallenden Punkte im Verhältnis 40 % zu 60 % gewichtet. Stattdessen wurden die Kriterien bzw. Unter-Unterkriterien gleichmäßig gewichtet. Ein das Wertungsergebnis auf allen Wertungsstufen zusammenfassender Vergabevermerk befindet sich nicht in der Vergabeakte.

Unter dem 17.08.2016 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin nach § 134 GWB darüber, dass die Beigeladene den Zuschlag erhalten sollte. Die unter dem 23./24.08.2016 vorgebrachte Rüge der Antragstellerin, mit der sie unter anderem geltend machte, das Wertungssystem und die Wertungssystematik seien intransparent, wies die Auftraggeberin unter dem 24.08.2016 zurück.

Die Antragstellerin hat daraufhin mit am 26.08.2016 bei der Vergabekammer eingegangenen Schriftsatz die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens mit dem Ziel der Wiederholung der Wertung beantragt und dazu ihr Rügevorbringen ergänzt und vertieft.

Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 14.09.2016 die Beschwerdeführerin beigeladen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 13.10.2016 hat die Vergabekammer das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen zurückversetzt sowie der Auftraggeberin aufgegeben, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht den Bietern unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer überarbeitete Vergabeunterlagen zu übersenden. Ferner ist festgestellt worden, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Vergabenachprüfungsantrag sei zulässig, insbesondere sei die Antragstellerin antragsbefugt und mit ihrer Rüge nicht nach § 107 Abs. 3 GWB präkludiert. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, denn mit der Verwendung eines Schulnotensystems im Rahmen der Bewertung der Angebote habe die Auftraggeberin gegen das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 GWB) verstoßen, weil der für die einzelnen Abstufungen notwendige Zielerreichungsgrad nicht beschrieben worden sei. Zudem seien die Wertungsentscheidungen im Zusammenhang mit der "Teststellung Bewertung" mangels Vorlage der Testprotokolle nicht nachvollziehbar. Diese Fehler seien nur durch eine Rücksetzung des Verfahrens in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen zu korrigieren. Das Verfahren leide zusätzlich unter Bewertungsfehlern, vor allem habe die Auftraggeberin fehlerhaft die angekündigte Gewichtung im Hinblick auf das Verhältnis von Preis und Leistung und im Hinblick auf die Unter-Unterkriterien innerhalb der "Bewertung Teststellung" nicht zur Anwendung gebracht.

Gegen diesen ihr am 17.10.2016 zugestellten Beschluss hat die Beigeladene die am 31.10.1016 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie die Aufhebung der Entscheidung der Vergabekammer sowie die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags begehrt.

Sie ist der Ansicht, der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, weil die von der Antragstellerin gerügte Intransparenz des Bewertungssystems in den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen und die Antragstellerin deshalb mit ihrer Rüge nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert sei. Zudem fehle es der Antragstellerin an der Antragsbefugnis, denn eine Verletzung ihrer subjektiven Rechte sei ausgeschlossen. Deren Angebot sei auszuschließen, es habe den in den Vergabeunterlagen als zwingend bezeichneten Anforderungen im Hinblick auf die Übertragung von Patientendaten und die CE-Kennzeichnung der angebotenen Geräte nicht entsprochen.

Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet, denn die Bewertung nach dem Schulnotensystem sei im vorliegenden Fall hinreichend transparent. Die Einstufung von Unter-Unterkriterien durch eine Bewertungskommission, deren Mitglieder aufgrund ihres beruflichen Horizontes mit den an die Geräte gestellten Anforderungen vertraut seien, bedürfe keiner weiteren Konkretisierung, vielmehr komme der Bewertungskommission ein Beurteilungsspielraum zu.

Die Beigeladene beantragt,

1.

den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 13.10.2016 - VK 17/16 - aufzuheben,

2.

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin kostenpflichtig zurückzuweisen,

3.

die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Beigeladene in dem Verfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den Beschluss der Vergabekammer und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Nachprüfungsverfahren. Sie führt insbesondere weiter dazu aus, dass ihr Angebot nicht aus dem Vergabeverfahren auszuschließen gewesen sei, weil das von ihr angebotene Gerät die Mindestanforderungen der Ausschreibung erfüllt habe.

Die Auftraggeberin hat keinen Antrag gestellt und sich am Beschwerdeverfahren auch nicht beteiligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den angefochtenen Beschluss der Vergabekammer sowie die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 116, 117 GWB statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die im Streitfall zu beurteilende Auftragsvergabe, das Nachprüfungsverfahren sowie das Verfahren der sofortigen Beschwerde richten sich nach den Vorschriften des 4. Teils des GWB in der bis zum 17.04.2016 geltenden Fassung (GWB a.F.). Die am 18.04.2016 in Kraft getretene Neufassung (Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts v. 17.02.2016, BGBl. I S. 203), findet nach der Übergangsvorschrift des § 186 Abs. 2 GWB n.F. auf das mit der Veröffentlichung am 19.12.2015 und damit vor dem Stichtag am 18.04.2016 begonnene Vergabeverfahren keine Anwendung.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet. Zu Recht hat die Vergabekammer dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Ausspruch der Zurücksetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen stattgegeben.

1.) Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist gem. § 102 GWB a.F. statthaft und auch sonst zulässig.

1.1.) Die Auftraggeberin ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB a.F. und bei der zu vergebenden Leistung handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1, 2 GWB a.F, dessen Volumen den Schwellenwert von 207.0000 € nach §§ 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB a.F. in Verbindung mit § 2 Abs. 1 VgV i.V.m. Art 2 VO (EU) Nr. 1336/2013 der Kommission vom 13.12.2013 übersteigt.

1.2.) Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB a.F. antragsbefugt. Ihr Interesse am Auftrag hat sie durch Einreichung eines Angebots belegt. Darüber hinaus hat sie die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften schlüssig vorgetragen, nämlich eine Verletzung des bieterschützenden Transparenzgebots in seiner Ausprägung als Gebot der Klarheit der Vergabeunterlagen (OLG Frankfurt a.M., B. v. 24.07.2012 - 11 Verg 6/12 - Rn. 69, zit. nach juris), und damit eine Verletzung ihrer Rechte geltend gemacht (§ 97 Abs. 7 GWB a.F.).

Sie hat schließlich auch dargelegt, dass ihr durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden zu entstehen droht. Insoweit sind an die Prüfung keine hohen Anforderungen zu stellen, die Antragsbefugnis erfüllt nurmehr die Funktion eines groben Filters, dem die Aufgabe zukommt, eindeutige Fälle, in denen eine Auftragsvergabe an den Antragsteller von vorneherein aussichtlos ist, auszusondern (BVerfG, B. v. 29.07.2004 - 2 BvR 2248/03 - Rn. 28, zit. nach juris; OLG Düsseldorf, B. v. 29.04.2015 - VII-Verg 35/14, Verg 35/14, Rn. 57, zit. nach juris). Für die Annahme der Antragsbefugnis ist deshalb nicht die Feststellung erforderlich, dass der behauptete Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften tatsächlich vorliegt und den behaupteten Schaden ausgelöst hat oder auszulösen droht, der Nachprüfungsantrag also in der Sache begründet ist. Einem Bieter, der auf die Ausschreibung hin ein Angebot abgegeben und damit sein Interesse an dem Auftrag bekundet hat, und im Nachprüfungsverfahren die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Auftraggebers, sein Angebot nicht als das Beste zu bewerten, zur Überprüfung stellt, kann der Zugang zum Nachprüfungsverfahren entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht mit der Begründung verwehrt werden, sein Angebot sei aus anderen als mit dem Nachprüfungsantrag zur Überprüfung gestellten Gründen auszuscheiden gewesen, so dass ihm wegen der von ihm behaupteten Rechtswidrigkeit kein Schaden erwachsen sei oder drohe (EuGH, Urt. v. 19.6.2003 - Rs C-249/01, NZBau 2003, 509 Rn. 29; BGHZ 159, 186 - Mischkalkulation, Rn. 21 zit. nach juris; Senat, B. v. 07.08.12 - Verg W 5/12 - Rn. 74, zit. nach juris). Denn wenn das Verfahren insgesamt nicht wirksam durch einen Zuschlag beendet werden kann, sondern zurückversetzt werden muss, muss dem Antragsteller die Gelegenheit eröffnet werden, sich im Sinne einer zweiten Chance an der Ausschreibung mit einem neuen Angebot zu beteiligen. Es kommt dann nicht darauf an, ob sein Angebot zwingend auszuschließen gewesen wäre (BGHZ 183, 95 Rn. 32, zit. nach juris; OLG Düsseldorf, B. v. 30.06.2011, VII-Verg 25/11 Rn. 34, zit. nach juris; Diecks in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 2. Aufl. 2013, § 107 GWB Rn. 24). Aus der von der Beschwerdeführerin angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.09.2006 (BGHZ 169, 131 - Polizeianzüge, Rn. 32, zit. nach juris) ergibt sich nichts anderes.

1.3.) Die Antragstellerin hat auch die Nichtberücksichtigung ihres Angebots rechtzeitig gerügt und nach Nichtabhilfe durch den Auftraggeber rechtzeitig den Antrag auf Nachprüfung gestellt, § 107 Abs. 3 Nr. 1 und 3 GWB a.F.

1.3.1) § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB a.F. statuiert eine Rügeobliegenheit nur für erkannte Verstöße gegen Vergabevorschriften. Das setzt positive Kenntnis aller tatsächlichen Tatumstände voraus, aus denen die Beanstandung im Nachprüfungsverfahren abgeleitet wird, sowie die zumindest laienhafte rechtliche Wertung, dass sich aus ihnen eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren ergibt (BGHZ 169, 131 - Polizeianzüge, Rn. 35, zit. nach juris). Entgegen der Ansicht der Beigeladenen kann im Streitfall nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin jedenfalls die rechtliche Wertung, dass das von der Auftraggeberin konzipierte Bewertungssystem intransparent ist, bereits zu einem Zeitpunkt nachvollzogen hatte, zu dem es einem auf unverzügliche Rüge bedachten Bieter möglich gewesen wäre, sich früher als mit dem Schreiben vom 23.08.2016 an die Auftraggeberin zu wenden.

1.3.2) Die Antragstellerin war auch nicht nach § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB a.F. mit der Rüge mangelnder Transparenz der Bewertungskriterien präkludiert, weil etwa der gerügte Verstoß aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen wäre. Als erkennbar gelten die auf allgemeinen Verstößen gegen die Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden, auftragsbezogenen Rechtsverstöße (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 19.06.2013 - VII-Verg 8/13, Verg 8/13 - Löschfahrzeuge, Rn. 18, zit. nach juris; B. v. 03.08.2011 - VII-Verg 16/11, Verg 16/11 - Planung Blockheizkraftwerk), wobei auf den durchschnittlichen, die übliche Sorgfalt anwendenden fachkundigen Bieter abzustellen ist (EuGH, Urt. v. 12.03.2015 - "eVigilio" - C-538/13, Rn. 52 ff, zit. nach juris). Die Vergaberechtswidrigkeit der Vergabeunterlagen im Hinblick auf die Intransparenz der Bewertungsmethoden war allerdings weder von einem durchschnittlichen Bieter noch von der im Vergabeverfahren anwaltlich nicht vertretenen, und auch ansonsten in Vergabeverfahren nicht erfahrenen Antragstellerin zu erkennen. Es handelt sich bei der Aufstellung der Bewertungsmatrix nach dem Schulnotensystem und der Notwendigkeit der Bekanntgabe der Bewertungsformeln um eine rechtlich schwierige Materie, die in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich bewertet und von Fall zu Fall zu beurteilen ist (OLG Düsseldorf, B. v. 29.04.2015 - VII-Verg 35/14, Verg 35/14 - Entgeltsystem, Rn. 65; B. v. 16.12.2015 - VII-Verg 25/15, Verg 25/15 - Erfüllungsgrad, Rn. 45; B. v. 09.04.2015 - VII-Verg 36/13, Verg 36/13, Rn. 47, sämtliche zit. nach juris).

Auch dass die Vergabeunterlagen die Formel, nach der die Umrechnung von Preisen in Wertungspunkte vorgenommen wird, nicht bezeichnet, stellt keinen erkennbaren Vergaberechtsverstoß im Sinne des § 107 Abs. 3 Nr. 3 GWB a.F. dar. Selbst wenn es für einen Antragsteller offenkundig sein mag, dass die Vergabeunterlagen bestimmte Informationen über die Wertungssystematik, wie etwa die Umrechnungsformel der Preisangebote in Wertungspunkte, nicht enthalten, muss ihm ohne rechtliche Beratung nicht bekannt sein, dass dies einen Verstoß gegen vergaberechtliche Grundsätze darstellt (OLG Frankfurt a.M., B. v. 23.06.2016 - 11 Verg 4/16, zit. nach VERIS).

2) Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

Das Vergabeverfahren leidet an einem Mangel, weil die Auftraggeberin keine Formel für die Umrechnung des Angebotspreises in Punkte bekanntgegeben hat. Dies verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (2.1). Zudem ist die Bewertungsmatrix intransparent, soweit für die zur Ausgestaltung des Unterkriteriums "Bewertung Teststellung" zu bewertenden Unter-Unterkriterien in drei Einstufungen die gleiche Punktzahl (0) zu vergeben war (2.2).

Hingegen ist entgegen der Ansicht der Vergabekammer die Anwendung des Schulnotensystems als solches im Zusammenhang mit der "Bewertung Teststellung" im vorliegenden Falle nicht zu beanstanden (2.3). Die genannten Fehler können nur durch eine Zurücksetzung des Verfahrens in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen behoben werden, deshalb kommt es auf die von der Vergabekammer zusätzlich festgestellten Wertungsmängel nicht an (2.4).

2.1.) Die Nichtbekanntgabe der Formel für die Umrechnung des jeweiligen Angebotspreises in Wertungspunkte stellt einen Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 GWB a.F.) dar, der die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hat. Dass die Antragstellerin die Nichtbekanntgabe der Formel nicht gerügt hat, steht der Berücksichtigung des Mangels im Beschwerdeverfahren nicht entgegen. Der Senat hat diesen Mangel von Amts wegen zu berücksichtigen. Zwar ist er nicht verpflichtet, von sich aus das Vergabeverfahren in jeder Hinsicht auf nicht geltend gemachte Verstöße zu untersuchen. Die Entscheidung muss allerdings auch nicht gerügte Vergabeverstöße dann einbeziehen, wenn ein Zuschlag wegen offensichtlicher Intransparenz nicht vergaberechtskonform erteilt werden könnte (OLG Frankfurt, B. v. 24.07.2012 - 11 Verg 6/12 Rn. 65, zit. nach juris; Wiese, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 3. Aufl., § 120 Rn. 26).

2.1.1) Abgeleitet aus dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot, dem allgemeinen Gleichheitssatz sowie dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verlangt der Transparenzgrundsatz die Vergabe öffentlicher Aufträge im Wege voraussehbarer und nachvollziehbarer Verfahren. Danach sind einerseits die Maßstäbe der Entscheidungsfindung im Vergabeverfahren vorab offenzulegen und andererseits sämtliche Entscheidungen zu dokumentieren und diese Dokumentation den Bietern zugänglich zu machen.

2.1.2) Zum Zweck der Vorhersehbarkeit der Entscheidungsfindung muss der öffentliche Auftraggeber die Bekanntmachung und die Leistungsbeschreibung unzweifelhaft und mit größtmöglicher Bestimmtheit abfassen und die erforderlichen Eignungsnachweise, die Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie die Methode zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots benennen (OLG Düsseldorf B. v. 15.07.2015 - VII Verg 11/15, Verg 11/15 - anerkannte Werkstatt, Rn. 57, zit. nach juris). Der Auftraggeber darf keine zuvor nicht bekannt gegebenen Kriterien oder Gewichtungsregeln verwenden und die Zuschlagskriterien müssen eine so große Bestimmtheit aufweisen, dass sie dem Auftraggeber keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit belassen.

Die Grenzen, ab der das Offenlassen konkreter Bewertungsmaßstäbe vergaberechtlich unzulässig ist, ist jedenfalls überschritten, wenn die aufgestellten Maßstäbe so unbestimmt sind, dass die Bieter nicht mehr angemessen über die Kriterien und Modalitäten informiert werden, anhand derer das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird und sie infolgedessen auch vor einer willkürlichen oder diskriminierenden, die Gebote der Gleichbehandlung und Transparenz verletzenden Angebotswertung nicht mehr effektiv geschützt sind (OLG München, B. v. 22.01.2016 - Verg 13/15, Rn. 123, zit. nach juris; OLG Düsseldorf, B. v. 19.06.2013 - VII-Verg 8/13, Verg 8/13, Rn. 21, zit. nach juris; OLG Frankfurt a.M., B. v. 23.06.2016 - 11 Verg 4/16, zit. nach VERIS). Hat der Auftraggeber Zuschlagskriterien, Unterkriterien, Gewichtungsregeln oder Bewertungsmatrizen aufgestellt, sind diese den Bietern vollständig offenzulegen (vgl. OLG Düsseldorf, B. v. 09.04.2014 - VII-Verg 36/13, Rn. 52, zit. nach juris; B. v. 19.06.2013 - VII-Verg 8/13, Verg 8/13 - Löschfahrzeuge, Rn. 21f., zit. nach juris). Das Transparenzgebot hat in diesem Zusammenhang den Zweck, den Bietern zu ermöglichen, ihre Angebote möglichst optimal auf die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers zuzuschneiden und somit ihre Zuschlagschancen zu erhöhen (OLG Düsseldorf. B. v. 03.03.2010 - VII-Verg 48/09, Verg 48/09, Rn. 37, zit. nach juris). Nach diesen Grundsätzen bedarf auch die von der Auftraggeberin gewählte Formel zur Umrechnung des Preises in Wertungspunkte der Bekanntgabe in den Vergabeunterlagen.

Mit dem bloßen Hinweis darauf, dass der Preis zu 40 % in die Angebotswertung eingehe, ist dem Transparenzgrundsatz nicht genügt (vgl. VK Bund, B. v. 03.03.15 - VK 1-4/15, zit. nach VERIS). Denn damit wird den Bietern nicht mitgeteilt, nach welcher Methode bzw. Formel der jeweilige auf Euro lautende Angebotspreis in Wertungspunkte umgerechnet werden soll. Für die Umrechnung sind verschiedene Methoden denkbar, die jeweils zu unterschiedlichen Bewertungen in Bezug auf die zu vergebenden Punkte führen. Gängige Umrechnungsmethoden sind u.a. die lineare Abstufung der zu vergebenden Punkte nach dem Verhältnis der angebotenen Preise oder die Bewertung in Stufen, d.h. der preisgünstigste Bieter erhält die volle Punktzahl, der Bieter mit dem teuersten Angebot null Punkte, die Bieter mit mittleren Angeboten erhalten eine reduzierte Punktzahl auf einer vorher festgelegten Stufe. Je nach Preisumrechnungsformel ergeben sich damit ein unterschiedliches Gewicht für den besten Preis und höhere oder niedrigere Punktabstände in der Preiswertung. Die Umrechnungsmethode ist damit insbesondere dann, wenn wie hier auch Punkte für qualitative Wertungskriterien in die Gesamtwertung eingehen, von grundlegender Bedeutung für die Angebotskalkulation der Bieter, weil Preisnachteile durch Qualitätsvorteile und umgekehrt ausgeglichen werden können.

Zwar können Bieter auch bei Kenntnis der eingesetzten Umrechnungsformel nicht ihre konkrete Preispunktzahl abschätzen, solange sie die Angebotspreise der anderen Bieter nicht kennen und nicht wissen können, welches Angebot mit welchem Preis das preisgünstigste sein wird. Die Kenntnis der angebotenen Formel ermöglicht es aber den Bietern, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob es Erfolg versprechender ist, ein eher preiswertes Angebot abzugeben, oder ob sie das Risiko in Kauf nehmen, nicht das preisgünstigste Angebot einzureichen, aber dafür zu einer höheren Qualität.

Die durch die Auftraggeberin im Vergabenachprüfungsverfahren nachgeholte Bekanntgabe vermag den Fehler nicht zu heilen, weil zu diesem Zeitpunkt die Angebote bereits abgegeben waren. Erforderlich ist eine Mitteilung bereits mit den Vergabeunterlagen, damit jeder Bieter bei der Ausarbeitung des Angebots abschätzen kann, inwieweit er durch das Angebot eines niedrigeren Preises oder besserer Qualität seine Zuschlagschancen erhöhen kann (OLG Düsseldorf, B. v. 19.06.2013 - VII-Verg 8/13, Verg 8/13 - Löschfahrzeuge, Rn. 35, zit. nach juris).

2.1.3) Der festgestellte Vergaberechtsverstoß wirkt sich auch zu Lasten der Antragstellerin aus und verletzt diese in ihren Rechten. Durch den Vergaberechtsverstoß sind die Zuschlagchancen der Antragstellerin feststellbar geschmälert worden, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin ein chancenreicheres Angebot eingereicht hätte, wenn den Bietern die Umrechnungsformel des Preises in Punkte vorab bekanntgegeben worden wäre. Die Antragstellerin ist in preislicher Hinsicht mit dem zweitbesten und in qualitativer Hinsicht mit dem drittbesten Punktergebnis bewertet worden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie in Kenntnis der linearen Abstufung der Preispunkte einen anderen Preis bzw. eine andere Qualität angeboten hätte.

2.2) Ein weiterer Vergaberechtsverstoß ist in der Bewertungsmatrix für die qualitative Bewertung der Angebote im Rahmen der "Bewertung Teststellung" begründet. Die insoweit mit den Vergabeunterlagen mitgeteilte Punkteverteilung verstößt gegen den Transparenzgrundsatz (§ 97 Abs. 1 GWB). Denn dadurch, dass von sieben möglichen Einstufungen drei Bewertungen mit derselben Punktzahl (0 Punkte) gewichtet sind, fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit der Bewertungsmaßstäbe. Es ist für einen Bieter nicht nachvollziehbar, dass ein Angebot sowohl bei der Einstufung als "mangelhaft", wie auch als "ungenügend" sowie dann, wenn der Testanwender "keine Auswahl" trifft, dieselbe Bewertung mit 0 Punkten erfährt. Zudem ist nicht erkennbar, unter welchen Voraussetzungen es zu der Wertung "keine Auswahl getroffen" kommen kann. Denkbar ist etwa, dass das jeweils im Test geprüfte Gerät nicht über die mit der betreffenden Fragestellung verbundene Eigenschaft verfügt oder dass sich der jeweilige Testanwender zu der Einstufung nicht in der Lage sieht. Soweit die Wertung auf Gründen beruht, die nicht im zu prüfenden Gerät angelegt sind, ist die mit der Einstufung "keine Auswahl getroffen" verbundene Bewertung mit 0 Punkten nicht nachvollziehbar. Die nicht durch Bewertungsvorgaben spezifizierte Gewichtung im Bereich "keine Auswahl getroffen" mit 0 Punkten ist deshalb intransparent und eröffnet Raum für Manipulationen.

2.3) Die "Bewertung Teststellung" nach Maßgabe eines dem Schulnotensystem angeglichenen Bewertungsschemas begegnet entgegen der Ansicht der Vergabekammer hingegen keinen Bedenken. Eine Bewertungsmethode, nach der ein Angebot in Notenabstufungen von sehr gut bis ungenügend eingeordnet wird, kann zwar dem Transparenzgebot widersprechen, wenn es den zugrundeliegenden Bewertungsmaßstab nicht erkennen lässt, wenn also für die Bieter nicht im Vorhinein zu bestimmen ist, auf welche Leistungen es dem Auftraggeber ankommt bzw. welchen Erfüllungsgrad die Angebote jeweils aufweisen müssen, um mit den festgelegten Punkten bewertet zu werden (vgl. OLG Dresden, B. v. 26.01.2016 - Verg 1/16, zit. nach VERIS; OLG Düsseldorf, B. v. 2.11.2016 - VII-Verg 25/16, NZBau 2017, 116, 117; B. 15.06.2016 - VII-Verg 49/15, Verg 49/15, Rn. 34, zit. nach juris; B. v. 16.12.2015 - VII-Verg 25/15, Verg 25/15, Rn. 40, zit. nach juris). So kann das reine, durch keine Unterkriterien konkretisierte Schulnotensystem in vergaberechtlich unzulässiger Weise die Angebotswertung in Gänze einem ungebundenen und völlig freiem Ermessen des Auftraggebers überantworten mit der Gefahr von Manipulationen (so OLG Düsseldorf, B. v. 2.11.2016, a.a.O., Rn. 44, wobei dieser Entscheidung die Vergabe von Dienstleistungen zugrunde lag).

So liegt der Fall hier nicht. Das Schulnotensystem dient der Bewertung von 20 verschiedenen Unter-Unterkriterien, die die praktische Verwendbarkeit der jeweils angebotenen Geräte erfassen sollen. Diese Unter-Unterkriterien dienen der Ausgestaltung des neben dem Unterkriterium "Technische Bewertung" in die Beurteilung des Kriteriums "Leistung" einfließenden Unterkriteriums "Bewertung Teststellung". Die in den Vergabeunterlagen für die Unter-Unterkriterien aufgenommenen konkreten Fragestellungen betreffen praktische Details des jeweils zu bewertenden Geräts und sind für fachkundige Bieterunternehmen, die den Maßstab für das Verständnis bilden, hinreichend aussagekräftig und bestimmt. Auch den die Teststellung praktizierenden Anwendern erschließt sich, welche Geräteeigenschaften sie im Einzelnen beurteilen sollen.

Die zu beantwortenden 20 Testfragen bei praktischer Anwendung der Geräte durch die Tester lauten:

1. Selbsttest Arbeitsaufwand2. Zeitaufwand bei einem Fehler des Selbsttest3. Komplexität der De- und Montage4. Anwählen der Beatmungsmodi5. Voreinstellung von Beatmungsparametern6. Alarm-Management7. Kurztrends8. Trends9. Verständlichkeit der Kurzanleitung10. Loops/Spirometrie11. Einspeisung O212. Ausfall aller Gase und Strom13. Ablesbarkeit Display14. Verarbeitung/Bedienbarkeit der Knöpfe und Regler15. Fahr- /Positionierbarkeit16. Beleuchtung17. Kabelmanagement18. Schlauchmanagement19. Flow-Sensorik20. Handhabbarkeit Zubehör

Dass den Anwendern bei der praktischen Beurteilung der Geräte ein Ermessensspielraum gegeben ist und die Vergabe der Noten auch subjektiven Gesichtspunkten unterliegt, ist nicht zu beanstanden. Die die Teststellung durchführenden Anwender repräsentieren dasjenige medizinische Personal, für deren Berufsausübung die verfahrensgegenständlichen Geräte angeschafft werden. Aufgrund der hohen Spezifizierung der Unter-Unterkriterien bzw. der Detailliertheit der zu beantwortenden Fragen sowie der hinzunehmenden subjektiven Einschätzung der Handhabbarkeit der Geräte durch die Anwender bedarf es im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der Vergabekammer keiner Vorgabe eines für die Notenvergabe maßgeblichen Zielerreichungsgrades.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Vergabestelle bei Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebots ein Beurteilungsspielraum zukommt, der nicht dadurch eingeschränkt werden darf, dass sie verpflichtet wird, im Voraus für jede aufzustellende Gewichtung aufgegliederte Bewertungskriterien aufzustellen (OLG Frankfurt a.M., B. v. 13.10.2016 - 11 Verg 4/16, zit. nach VERIS; OLG München, B. v. 22.01.2016 - Verg 13/15, Rn. 123, zit. nach juris; OLG Celle, B. v. 12.01.2012 - 13 Verg 8/11, zit. nach VERIS).

Allerdings bedarf es, um die Wertungsentscheidung der Teststellung nachvollziehbar zu machen, einer Dokumentation der von den Anwendern getroffenen Entscheidungen, woran es vorliegend fehlt.

2.4.) Die die Ausschreibung betreffenden Fehler können im laufenden Vergabeverfahren nicht korrigiert werden und erfordern eine Zurücksetzung des Verfahrens in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen. Deshalb führt das Nachprüfungsverfahren im Ergebnis zu einer weitergehenden Rücksetzung als von der Antragstellerin vor der Vergabekammer beantragt worden ist. Dies ist im Hinblick auf § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB a.F. nicht zu beanstanden.

Auf die von der Vergabekammer zusätzlich festgestellten Bewertungsmängel kommt es nicht an, weil die Bewertung, sofern eine neue Ausschreibung erfolgt, ohnehin neu vorzunehmen sein wird.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 120 Abs. 2, 78 GWB a.F. i.V.m. § 186 Abs. 2 GWB n.F.

Es entspricht der Billigkeit (§ 78 Satz 1 GWB a.F.), dass die Beigeladene als Unterlegene die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Antragstellerin, zu denen die Kosten der anwaltlichen Vertretung gehören (§ 120 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F.), trägt.