Brandenburgisches OLG, Urteil vom 28.10.2019 - 1 U 15/19
Fundstelle
openJur 2020, 39224
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil des Landgerichts Cottbus vom 23. Januar 2019 - 3 O 238/17 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Cottbus vom 21. Februar 2018 wird aufrechterhalten, soweit der Beklagte verurteilt wurde,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, geschäftlich handelnd gegenüber Gerichten zu äußern oder als Rechtsanwalt auf Internetseiten zu veröffentlichen,

a) dass der Richter am Sozialgericht ... in seiner Arbeitszeit lieber Böller verkauft und Geld vom Jobcenter annimmt,

b) dass der Richter am Sozialgericht ... Verfügungen blanko unterschreibt, die Bearbeitung der von ihm zu erledigenden Angelegenheiten Schreibkräften überlässt und in seiner Arbeitszeit mit Justizangestellten Geschlechtsverkehr haben würde,

c) dass der Richter am Sozialgericht ... als "Dreckspack von Richter" tituliert wird und

d) dass der Richter am Sozialgericht ... vom Jobcenter ... "gekauft" worden ist,

2. an den Kläger 729,23 € zu zahlen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz haben die Parteien jeweils zur Hälfte, die Kosten der Berufungsinstanz hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist für den Kläger ohne Sicherheitsleistung, für den Beklagten hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist Richter am Sozialgericht ..., der Beklagte ist ein unter anderem im Raum ... tätiger Rechtsanwalt.

Am 18. Februar 2017 veröffentlichte der Beklagte auf seiner Facebook-Seite folgende Äußerungen über den Kläger:

"Auch nicht schlecht... Richter ... fögelt während seiner Arbeitszeit im Gerichtsgebäude

Dass der ,Richter’ ... seine richterlichen Aufgaben mit Füßen tritt und in seiner Arbeitszeit lieber Böller verkauft und Geld vom Jobcenter annimmt, hatte ich ja hier öfter mal mitgeteilt. Nun aber setzt er noch einen drauf.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte uns jetzt darüber informiert, dass der Typ seine Arbeit von seinen Schreibkräften erledigen lässt, seine richterlichen Verfügungen, blanko’ unterschreibt und die Entscheidungen darüber, was mit einer bestimmten Sache zu geschehen hat, seinen Schreibkräften überlässt, in der so eingesparten Arbeitszeit fögelt er lieber mit Praktikantinnen.

Und obwohl all dies bekannt ist, findet sich niemand von seinen Kollegen, der dem Einhalt gebietet. Wenn das der Rechtsstaat ist, auf den dieser Typ einmal geschworen hat, braucht sich Niemand wundern, wenn hier bald wieder ein Schnauzbart die Führerrolle übernimmt. Was ist das nur für ein elendes Dreckspack, was sich in den hinter der Richterrobe versteckt? Wir werden jedenfalls mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln weiter gegen diesen Typen vorgehen und hoffen, dass das BVerfG diesen Typen mal irgendwann stoppt."

Darüber hinaus führte der Beklagte in einem im Rahmen eines dort anhängigen Verfahrens an das Sozialgericht gerichteten Schriftsatz vom 15. Februar 2017 aus:

"Selbst der überaus dämliche und stinkend faule, Richter’ ..., der sich zudem vom Verfahrensgegner bezahlen lässt, hätte dann erkennen können, gegen welchen Beschluss sich die Anhörungsrüge richtet."

Der Kläger forderte den Beklagten mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 29. März 2017 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, die der Beklagte mit Schreiben vom 3. April 2017 ablehnte.

Der Kläger meint, dass es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen um unzulässige Schmähkritik handele.

Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1. es zu unterlassen, geschäftlich handelnd gegenüber Gerichten beleidigende und/oder herabsetzende Äußerungen zu tätigen und als Rechtsanwalt auf Internetseiten zu veröffentlichen,

a) dass der Richter am Sozialgericht ... seine richterlichen Aufgaben mit Füßen tritt und in seiner Arbeitszeit lieber Böller verkauft und Geld vom Jobcenter annimmt,

b) dass der "überaus dämliche und stinkend faule Richter" am Sozialgericht ... zu faul zum Arbeiten sei und Verfügungen blanko unterschreibt, die Bearbeitung der von ihm zu erledigenden Angelegenheiten Schreibkräften überlässt und in seiner Arbeitszeit mit Justizangestellten Geschlechtsverkehr haben würde,

c) den Richter am Sozialgericht ... als "Dreckspack von Richter" zu titulieren und

d) zu äußern, der Richter am Sozialgericht ... sei vom Jobcenter ... "gekauft" worden,

2. dem Beklagten anzudrohen, für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen ihn festzusetzen,

3. an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld sowie vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € zu zahlen, hilfsweise ihn von letzteren freizustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, dass die Klage wegen eines seitens der Rechtsanwaltskammer Brandenburg gegen ihn geführten Verfahrens nicht zulässig sei; jedenfalls aber handele es sich um zulässige Meinungsäußerungen bzw. wahre Tatsachenbehauptungen.

Gegen den in der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2019 nicht erschienenen Beklagten ist zunächst ein klagestattgebendes Versäumnisurteil ergangen, mit dem dem Kläger neben der begehrten Unterlassung ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 € zugesprochen worden ist. Nachdem der Beklagte gegen dieses Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und den Antrag zu 1.c) sowie die begehrte Unterlassung der Äußerung "in der so eingesparten Arbeitszeit fögelt er lieber mit Praktikantinnen" anerkannt hatte, hat das Landgericht der Klage mit Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil vom 23. Januar 2019 vollumfänglich stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen, nach denen der Kläger Böller verkaufe, Geld vom Jobcenter annehme, Verfügungen blanko unterschreibe, die Bearbeitung der von ihm zu erledigenden Arbeiten seinen Schreibkräften überlasse und vom Jobcenter gekauft sei, um Tatsachenbehauptungen handele, deren Wahrheit der Beklagte nicht habe beweisen können. Soweit es die Äußerung, der Kläger trete seine richterlichen Aufgaben mit Füßen betreffe, handele es sich um eine Meinungsäußerung, die die Grenze zur Schmähkritik überschreite. Insbesondere angesichts der streitgegenständlichen Vorwürfe, der Kläger habe im Gericht Geschlechtsverkehr mit Angestellten und nehme Geld vom Jobcenter, sei insgesamt ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 € angemessen.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte die von ihm begehrte Abweisung der Klage hinsichtlich der Äußerungen "der Richter am Sozialgericht ... trete seine richterlichen Aufgaben mit Füßen" und "der, überaus dämliche und stinkend faule Richter‘ am Sozialgericht ... sei zu faul zum Arbeiten" weiter. Darüber hinaus begehrt er die Abweisung der Klage hinsichtlich der Verpflichtung, beleidigende und/oder herabsetzende Äußerungen zu unterlassen, bezüglich des Schmerzensgeldes und der Zahlung von Rechtsanwaltskosten, soweit diese einen Betrag in Höhe von 334,75 € übersteigen.

Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist begründet.

Dem Kläger stehen die im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Ansprüche auf Unterlassung und Schmerzensgeld aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB nicht zu.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die erhobene Klage allerdings überwiegend zulässig, da dem Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis zusteht.

Zwar fehlt einer auf Unterlassung gerichteten Klage das Rechtsschutzbedürfnis, wenn sie sich auf Äußerungen bezieht, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung dienen, das nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden soll. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BVerfG, NJW-RR 2007, 840, 841; BGH, NJW 2012, 1659 Rn. 7; BGH, NJW 2005, 279, 280; BGH, NJW 1992, 1314, 1315 jeweils mwN), der der Senat in ebenfalls ständiger Rechtsprechung folgt (vgl. Beschluss vom 6. November 2013, Az.: 1 W 32/13; Beschluss vom 8. Oktober 2013, Az.: 1 W 27/13; Beschluss vom 28. März 2013, Az.: 1 W 9/13), dass Äußerungen im Rahmen eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens der Rechtspflege oder Verwaltung regelmäßig nicht zum Gegenstand eines Ehrschutzverlangens gemacht werden können. In einem schwebenden Verfahren sollen Zeugen ihre Bekundungen frei von der Befürchtung, mit einer Widerrufs-, Unterlassungs- oder Schadensersatzklage überzogen zu werden, abgeben können. Ob die Zeugenaussage richtig und die geschilderten Tatsachen erheblich sind, wird allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft. Mit der Wahrung der schutzwürdigen Belange des Betroffenen und den Erfordernissen eines sachgerechten Funktionierens der Rechtspflege wäre es unvereinbar, wenn diese Kompetenzregelung durch die Möglichkeit einer gesonderten Geltendmachung von Abwehransprüchen in einem separaten Prozess unterlaufen werden könnte. Deshalb fehlt in derartigen Fällen für eine solche Abwehrklage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis.

Im vorliegenden Fall waren die in einem anderen Zusammenhang getätigten Äußerungen allerdings (neben weiteren Vorwürfen) lediglich der Anlass für das anwaltsgerichtliche Verfahren. Sie wurden nicht geäußert, um der Rechtsverfolgung oder -verteidigung des Beklagten zu dienen. In einem solchen Fall, in dem ehrverletzende Äußerungen in einem Rundschreiben oder in Artikeln außerhalb der prozessualen Rechtsverfolgung aufgestellt werden, also der Äußernde mit einer außergerichtlichen Kampagne an die Öffentlichkeit geht, gelten die Grundsätze für den Ausschluss von Ehrschutzklagen nicht. Da diese Grundsätze sich als einschneidende Beschränkung des Ehrschutzes darstellen, die nur mit der besonderen Interessenlage anlässlich eines laufenden Rechtsstreits oder im Hinblick auf ein konkret bevorstehendes gerichtliches oder behördliches Verfahren gerechtfertigt werden kann, ist das Interesse des Äußernden daran, seine Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem anhängigen oder künftigen Verfahren führen oder vorbereiten zu können, ohne sich damit einem Ehrenschutzverfahren auszusetzen, nicht betroffen, wenn es um öffentliche Angriffe, Rundschreiben und Ähnliches geht (BGH, NJW 2005, 279, 281 mwN; Palandt/Sprau, BGB, 78. Auflage, § 823 Rn. 108). Dies ist hier jedoch der Fall, da der Beklagte die streitgegenständlichen Äußerungen im Rahmen sozialgerichtlicher Verfahren seiner Mandanten und im Internet veröffentlicht hat.

Allerdings ist der in der ersten Alternative auf Unterlassung jeder beleidigenden und/oder herabsetzenden Äußerung gerichtete Klageantrag nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und daher unzulässig. Ein derart weitgehender Anspruch würde die jeweils im Einzelfall zu entscheidende Frage, ob eine Äußerung in unzulässiger Weise beleidigend oder herabsetzend ist, in das Vollstreckungsverfahren verlagern. Der Klageantrag ist so bestimmt zu fassen, dass die zu unterlassende Beeinträchtigung so deutlich bezeichnet und damit der Streitgegenstand so klar umrissen ist, dass sich der Beklagte erschöpfend verteidigen kann und nicht dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (BGH, GRUR 2012, 407 Rn. 15; BGH, NJW 2009, 2528 Rn. 7; BGH, NJW 2003, 3406, 3408). Zwar erfasst der auf eine konkrete Verletzungsform beschränkte Tenor nach der sogenannten Kerntheorie auch kerngleiche Verstöße, also solche Verhaltensweisen, in denen das Charakteristische der ursprünglichen Zuwiderhandlung zum Ausdruck kommt (BGH, GRUR 2013, 1071 Rn. 14), die allgemeine Verpflichtung, beleidigende und/oder herabsetzende Äußerungen zu unterlassen, stellt jedoch keinen hinreichend konkreten Klageantrag dar.

Im Übrigen ist die Klage nicht begründet, da es sich bei den mit der Berufung noch angegriffenen Bekundungen um Meinungsäußerungen handelt, die vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt sind.

Für die Abgrenzung einer Meinungsäußerung von einer Tatsachenbehauptung ist zunächst der Aussagegehalt der Äußerung zu ermitteln. Ausgehend vom Wortlaut sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittenen Äußerungen stehen, und die Begleitumstände, unter denen sie fallen, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Es ist darauf abzustellen, wie eine Äußerung unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, NJW 2009, 1872 Rn. 11; BGH, NJW 2005, 279, 281; BGH, NJW 2004, 598, 599).

Während bei Meinungsäußerungen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, ist für Tatsachenbehauptungen die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch. Von einer Tatsachenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht (vgl. BVerfG, NJW-RR 2017, 1003 Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 4. August 2016, Az.: 1 BvR 2619/13, juris Rn. 13; BGH, NJW 2005, 279, 281; BGH, NJW 2002, 1192, 1193; BGH, NJW 1992, 1314, 1316). Meinungsäußerungen sind hingegen durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt und lassen sich daher nicht als wahr oder unwahr erweisen (vgl. BVerfG, a.a.O.; BGH, NJW 2009, 1872 Rn. 15; BGH, NJW 2004, 598, 599). Bei Mischtatbeständen, die sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Elemente der Meinungsäußerung oder des Werturteils enthalten, ist ein Herausgreifen einzelner Elemente nicht zulässig. Für die vorzunehmende Abgrenzung ist entscheidend, ob der Tatsachengehalt so substanzarm ist, dass die Äußerung insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt ist, oder ob die Äußerung überwiegend durch den Bericht tatsächlicher Vorgänge ihre Prägung erfährt und beim Adressaten als Darstellung in die Wertung eingekleideter Vorgänge, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind, verstanden wird (Palandt/Sprau, BGB, 78. Auflage, § 824 Rn. 4). In Fällen, in denen beide Äußerungsformen miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen, ist der Begriff der Meinung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung geschützt, und zwar insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufheben oder verfälschen würde (BVerfG, Beschluss vom 4. August 2016, Az.: 1 BvR 2619/13, juris Rn. 13). Die Wahrheit oder Unwahrheit des Tatsachenkerns ist dann im Rahmen der Abwägung der schutzwürdigen Belange der streitenden Parteien zu berücksichtigen (Palandt, a.a.O.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei den Äußerungen,

der Beklagte trete seine richterlichen Aufgaben mit Füßen undder "überaus dämliche und stinkend faule Richter" am Sozialgericht ... sei zu faul zum Arbeiten,

um die Kundgabe eines keinem Wahrheitsbeweis zugänglichen Werturteils, bei der die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht. Die Unterlassung der Äußerung der dieses Werturteil erläuternden tatsächlichen Elemente hat der Beklagte mit der Berufung nicht mehr angegriffen.

Diese Meinungsäußerungen sind vor dem Hintergrund der Meinungsfreiheit nicht rechtswidrig. Insoweit sind die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei alle wesentlichen Umstände und die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (BGH, NJW 2009, 1872 Rn. 17).

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Dabei genießen Meinungen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat eine solche Äußerung als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten. Gleiches gilt für Formalbeleidigungen und Anprangerungen. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik allerdings eng auszulegen. Danach macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen bzw. gleichsam an den Pranger stellen soll (BGH, NJW 2009, 1872 Rn. 18).

Die hier verwendeten Formulierungen haben einen herabsetzenden, beleidigenden und zweifellos unangemessenen Charakter. Sie lassen jedoch nicht nur, soweit sie in verfahrensbezogenen Schriftsätzen an das Gericht verwendet wurden, sondern angesichts der am Sozialgericht ... ausweislich der Feststellungen des Anwaltsgerichts insgesamt mehr als 5.000 anhängigen Verfahren von durch den Beklagten vertretenen Antragstellern bzw. Klägern auch, soweit sie im Internet erfolgt sind, keinen Schluss auf eine jenseits einer Auseinandersetzung in der Sache beabsichtigte Diffamierung des Klägers zu. Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist. Die Meinungsfreiheit erlaubt es insbesondere nicht, den Äußernden auf das zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken und ihm damit ein Recht auf polemische Zuspitzung abzusprechen (BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2019, Az.: 1 BvR 2433/17, Rn. 17 für einen Vergleich der richterlichen Verhandlungsführung mit "einschlägigen Gerichtsverfahren vor ehemaligen nationalsozialistischen deutschen Sondergerichten" und "einen mittelalterlichen Hexenprozess"). Im vorliegenden Fall beanstandet der Beklagte einen fehlenden Arbeitseinsatz des Klägers sowie dessen unzureichende kognitive Fähigkeiten. Die Äußerungen stehen jedoch in unmittelbarem Zusammenhang mit den seitens des Beklagten am Sozialgericht ... geführten Verfahren und lassen sich nicht sinnerhaltend aus diesem Kontext lösen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2019, Az.: 1 BvR 2433/17, Rn. 19). Im Übrigen beziehen sie sich ausschließlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers und lassen seine Privatsphäre unberührt.

Zwar ist mit Blick auf dessen Ehrschutz zu berücksichtigen, dass die Äußerung "der überaus dämliche und stinkend faule Richter", die durch den Zusatz "stinkend" eine in besonderem Maße herabwürdigende Wertung enthält, in einem an das Sozialgericht ... gerichteten Schriftsatz enthalten war, und damit nicht nur ihm gegenüber geäußert, sondern auch von anderen am Gerichtsverfahren beteiligten Personen zur Kenntnis genommen wurde. Diese weiteren Personen sind jedoch dem beruflichen Umfeld des Klägers bzw. auf Seiten der Beklagtenpartei in dem betreffenden sozialgerichtlichen Verfahren einer Behörde und gegebenenfalls deren Prozessbevollmächtigten zuzuordnen. In solchen Fällen, in denen eine Äußerung nur in einem engen Kreis von unmittelbar Beteiligten gefallen ist und diese aufgrund ihrer überlegenen Sachkunde die völlige Haltlosigkeit des Vorwurfs, den groben Unverstand und eine zum Ausdruck kommende querulatorische Tendenz zu erkennen und die Äußerung dementsprechend einzuordnen vermögen, liegt es eher fern, dem Ehrschutz den Vorrang vor dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung einzuräumen (vgl. zu Äußerungen gegenüber Mitarbeitern den Sozialamtes: OLG Koblenz, NStZ-RR 2000, 44, 45). Die im Facebook-Auftritt des Beklagten enthaltene Äußerung, dass der Kläger "seine richterlichen Aufgaben mit Füßen tritt" ist, auch wenn sie für einen deutlich größeren Personenkreis zugänglich ist, als deutlich überspitzte und von der Form her unangemessene Kritik an der Berufsausübung des Klägers hinzunehmen.

Ein Schmerzensgeldanspruch steht dem Kläger aus den dargestellten Gründen und im Übrigen auch mit Blick auf die in zweiter Instanz nicht mehr streitgegenständlichen Äußerungen nicht zu. Voraussetzung einer Schmerzensgeldentschädigung ist, dass der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht schwer wiegt und die entstandenen Nachteile nicht hinreichend auf andere Weise ausgeglichen werden können. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Maßgeblich sind vor allem die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, der Anlass und Beweggrund des Handelnden und der Grad seines Verschuldens (BGH, NJW 1996, 1131, 1134 m.w.N.). Die Gewährung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung findet ihre sachliche Rechtfertigung in dem Gedanken, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden rechtlichen Schutz bliebe. Nach diesem Sinngehalt hat der Geldersatzanspruch zurückzutreten, wenn die Verletzung auf andere Weise hinreichend ausgeglichen werden kann, wofür je nach Sachlage auch eine Unterlassungsverpflichtung von Bedeutung ist (vgl. BGH, GRUR 1971, 529, 531).

Bei der insoweit gebotenen Abwägung der Umstände des Einzelfalls ist zu berücksichtigen, dass bei dem gesamten Text die Meinungsäußerung im Vordergrund steht und nur zum Teil von der Unwahrheit der hierin enthaltenen Tatsachenanteile auszugehen ist. Da eine Schmähkritik aus den dargestellten Gründen nicht vorliegt, ist - auch soweit für einzelne Äußerungen aufgrund einer Interessenabwägung eine Persönlichkeitsrechtsverletzung anzunehmen ist - aufgrund des Kontextes der Äußerungen und des Umstands, dass der Beklagte das Urteil insoweit nicht mehr angreift, die Zahlung eines Schmerzensgeldes zum Ausgleich des erlittenen Nachteils nicht unabdingbar erforderlich.

Darüber hinaus steht dem Kläger aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten zu, soweit sich das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 29. März 2017 auf ihm zustehende Unterlassungsansprüche bezog. Da dies auf zwei der streitgegenständlichen Einzeläußerungen sowie zwei weitere Teiläußerungen zutrifft, ist insoweit ein Gegenstandswert in Höhe von 7.500,00 € zugrunde zu legen, nach dessen Maßgabe sich der Anspruch wie folgt berechnet:

1,3fache Geschäftsgebühr

2300 VV RVG

592,80 €

Auslagenpauschale

7002 VV RVG

20,00 €

Umsatzsteuer

7008 VV RVG

116,43 €

729,23 €.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709 Satz 1 und 2, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.