Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 20.09.2019 - 9 UF 51/19
Fundstelle
openJur 2020, 39175
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Regelung des Versorgungsausgleichs in dem am 20. Dezember 2018 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Cottbus (Az. 54 F 15/18) wird zurückgewiesen.Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.Der Verfahrenswert wird auf 4.455 € festgesetzt.Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es die von den Ehegatten in der Ehezeit (1. März 2001 bis zum 31. Januar 2018, § 3 Abs. 1 VersAusglG) erworbenen Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung intern geteilt hat. Das Anrecht des Antragsgegners aus einer betrieblichen Altersversorgung bei der weiteren Beteiligten zu 3. ist ebenfalls im Wege interner Teilung ausgeglichen worden.

Diese Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich, die auf der Grundlage der erstinstanzlich ermittelten - von keinem Beteiligten beanstandeten - Ehezeitanteile getroffen worden ist, begegnet rechnerisch keinen Bedenken. Solche werden auch von dem Antragsgegner nicht behauptet. Er ist vielmehr der Auffassung, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs aus Gründen der Unbilligkeit zu begrenzen ist. Die Voraussetzungen einer groben Unbilligkeit im Sinne des § 27 VersAusglG mit der Folge eines vollständigen oder teilweisen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs liegen aber nicht vor.

Gemäß § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Eine solche grobe Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die rein schematische Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. etwa BGH, FamRZ 2015, 1004 m.w.N.). Daraus wird deutlich, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs der Regelfall ist und ein selbst teilweiser Ausschluss desselben nur in ganz besonderen Ausnahmefällen veranlasst sein kann.

Wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, kann eine lange Trennungszeit der Ehegatten Anlass sein, den Ausschluss oder die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit zu überprüfen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass jede Ehe wegen der auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft (auch) im Keim eine Versorgungsgemeinschaft ist, die der beiderseitigen Alterssicherung dienen soll. Dem Versorgungsausgleich kann die rechtfertigende Grundlage fehlen, wenn und solange die Versorgungsgemeinschaft infolge Trennung aufgehoben ist (BGH, FamRZ 2013, 106; FamRZ 2008, 1836; FamRZ 2006, 769; FamRZ 2004, 1181).

Es entspricht aber auch - wie das Amtsgericht richtig erkannt hat - ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass im Falle einer langen Trennungszeit im Rahmen der Abwägung nach § 27 VersAusglG grundsätzlich die Zeiten nicht ausgeschieden werden können, in denen der ausgleichsberechtigte Ehegatte gemeinschaftliche Kinder betreut hat (BGH, FamRZ 2008, 1836; FamRZ 2005, 2052; FamRZ 1993, 302). In diesen Fällen findet der Versorgungsausgleich seine Legitimation nicht in dem gemeinsamen Streben nach dem Aufbau einer Alterssicherung als Lebensleistung der ehelichen Gemeinschaft, sondern darin, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte mit der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder auch ohne gemeinsame Lebensführung mit dem anderen Ehegatten eine der wesentlichen aus der Ehe herrührenden Aufgaben allein übernimmt. Dies rechtfertigt schon für sich genommen das Vertrauen des die gemeinschaftlichen Kinder betreuenden Ehegatten auf Teilhabe an den in dieser Zeit von dem anderen Ehegatten erwirtschafteten Versorgungswerten im Rahmen des Versorgungsausgleichs (BGH, a.a.O.).

Vorliegend haben sich die beteiligten Ehegatten im ... 2006 getrennt. Nach der Trennung hat die Antragstellerin die beiden gemeinschaftlichen Kinder der Beteiligten allein betreut und erzogen. Es handelt sich dabei um den am ... 1993 geborenen ... und ..., geboren am ...1999. Im Jahre 2005 hatte der Antragsgegner die beiden leiblichen Kinder seiner Ehefrau (Antragstellerin) adoptiert. Durch die Adoption haben beide die Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten erlangt (§ 1754 Abs. 1 BGB). Bei Zustellung des Scheidungsantrages am 5. Februar 2018 war das jüngere Kind der Beteiligten erst wenige Monate volljährig. Die Tochter ... vollendete am ... 2017 das 18. Lebensjahr.

Bei diesen Gegebenheiten kommt eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs - wie mit der Beschwerde geltend gemacht - nicht in Betracht. Die ausgleichsberechtigte Antragstellerin hat während der Trennungszeit - bis auf wenige Monate - mit der Kinderbetreuung eine wesentliche aus der Ehe herrührende Aufgabe allein übernommen.

Dem kann der Antragsgegner nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Antragstellerin spätestens seit dem 1. Januar 2011 eine Vollzeittätigkeit ausgeübt habe, sodass die Betreuungsleistung gegenüber dem jüngsten Kind der Beteiligten für die Frage der Beschränkung des Versorgungsausgleichs nicht mehr maßgeblich sein könne. Die Beschwerde verkennt in diesem Zusammenhang, dass die elterliche Sorge erst mit der Volljährigkeit des Kindes endet.

Gemäß § 1626 Abs. 1 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen. Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes und sein Vermögen. Die Personensorge umfasst dabei die tatsächliche Sorge für alle persönlichen Angelegenheiten des Kindes einschließlich seiner Vertretung in diesem Bereich (Palandt/Götz, BGB, 78. Aufl., § 1626 Rz. 8).

Während der Trennungszeit hat die Antragstellerin die gemeinsamen Kinder allein betreut und erzogen und damit weiterhin aus der Ehe herrührende Aufgaben wahrgenommen. Die Pflege und Erziehung der Kinder wäre auch Sache des Antragsgegners gewesen. Bei diesen Gegebenheiten ist es nicht unbillig, den Versorgungsausgleich trotz der fast zwölf Jahre währenden Trennung der Beteiligten ungekürzt durchzuführen. Im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 27 VersAusglG gelten Erziehungszeiten nicht als Trennungszeit (Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 6. Aufl., § 27 VersAusglG Rz. 33 m.w.N.).

Vorliegend kommt es auch nicht darauf an, ob und inwiefern die Ehefrau durch die Kindererziehung tatsächliche Nachteile beim Aufbau einer eigenen Altersversorgung hinnehmen musste. Es ist nicht streitentscheidend, ab wann die Antragstellerin vollschichtig gearbeitet hat. Der Sinn des Versorgungsausgleichs erschöpft sich nicht darin, dem ausgleichsberechtigten Ehegatten (lediglich) die Versorgungsnachteile zu ersetzen, die ihm als Folge der Erfüllung ehelicher Aufgaben entstanden sind, sodass allein das Fehlen solcher Nachteile es nicht rechtfertigt, den Ehegatten mit den wertgeringeren Versorgungsanrechten von der Teilhabe an den werthöheren Anrechten des anderen Ehegatten auszuschließen (BGH, FamRZ 2005, 2052; FamRZ 1989, 492).

Die ungekürzte Durchführung des Versorgungsausgleichs ist auch deshalb nicht unbillig, weil der Antragsgegner für die gemeinschaftlichen Kinder während der Trennungszeit keinen Unterhalt gezahlt hat. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass die Antragstellerin insoweit keine Forderungen gestellt hat. Der Antragsgegner war auch nicht gehindert, seinerseits wesentlich früher einen Scheidungsantrag zu stellen.

Auch ein persönliches Fehlverhalten der Antragstellerin rechtfertigt den Ausschluss oder die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nicht. Soweit der Antragsgegner geltend macht, die Ehefrau habe in dem Fragebogen zum Versorgungsausgleich die Versicherungsverträge bei der ...Lebensversicherung AG mit den Nummern ... und ... nicht angegeben, greift das nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob die vorgenannten - inzwischen aufgelösten - Verträge überhaupt der Altersversorgung der Ehefrau i.S.d. § 2 VersAusglG dienten. Nach ihrem (unwidersprochenen) Vorbringen handelte es sich hierbei um sogenannte fondsgebundene Kinderrentenversicherungsverträge, die jeweils erst mit dem 67. Lebensjahr der Kinder fällig geworden wären, weshalb die Einbeziehung in den Versorgungsausgleich bereits sehr zweifelhaft ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 2017, 436). In jedem Fall lässt sich ein schuldhaftes Verhalten der Antragstellerin nicht feststellen. Die Versicherungsunterlagen befanden bzw. befinden sich unstreitig im Besitz des Antragsgegners. Die Antragstellerin hat auf die in Rede stehenden Verträge während der langen Zeit der Trennung auch keine Zahlungen geleistet. Angesichts dieser Umstände ist es nur nachvollziehbar, dass ihr beim Ausfüllen des Formulars zum Versorgungsausgleich nicht mehr bewusst war, dass es diese Versicherungen noch gibt. Eine grobe Pflichtwidrigkeit liegt nicht vor. Nach alledem gibt es keinen Grund für eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs. Die Beschwerde des Antragsgegners war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 FamFG (14.850 € x 10 Prozent x 3 Anrechte).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.