Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 08.11.2018 - 12 W 14/15
Fundstelle
openJur 2020, 39099
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 32. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 23. Februar 2015, Az.: 3b O 26/14, teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden sofortigen Beschwerde insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Antragstellerin wird für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt ..., geschäftsansässig ..., Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt, soweit sie den Antragsgegner auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,00 € in Anspruch nehmen will.

Der weitergehende Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen den Antragsgegner auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 30.000,00 € wegen einer ihrer Ansicht nach fehlerhaften Behandlung durch den Antragsgegner bei Durchführung einer dorso-ventralen Spondylodese im Bereich der Bandscheiben L4/L5 und L5/S1 am 09.06.2009 und einer Revisionsoperation am 11.06.2009 in der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des ...-Klinikum, deren Chefarzt der Antragsgegner ist. Die Parteien streiten in erster Linie über ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen des Antragsgegners sowie über eine hinreichende Aufklärung der Antragstellerin. Weiterhin besteht Streit darüber, ob die von der Antragstellerin behaupteten Beeinträchtigungen auf die operativen Eingriffe bzw. einen Behandlungsfehler zurückzuführen sind.

Die Antragstellerin stellte sich am 16.02.2009 in der Ambulanz des ... Klinikum vor, nachdem sie bereits seit etwa zehn Jahren unter wiederkehrenden Rückenschmerzen gelitten hatte, weshalb seit dem Jahre 2000 ausgedehnte konservative Therapien erfolglos durchgeführt worden waren. Ausweislich des von der Antragstellerin ausgefüllten Rückenschmerz-Fragebogens vom 16.02.2009 lagen bereits zu diesem Zeitpunkt weitgehende Einschränkungen der Beweglichkeit der Antragstellerin vor, die sie in ihrem sozialen Leben erheblich beeinträchtigten. Im Ergebnis der Vorstellung wurde die Durchführung einer dorso-ventral kombinierten Spondylodese mit Implantation von Tantal-Cages ventral vereinbart. Am 08.06.2009 wurde die Klägerin stationär aufgenommen. Am gleichen Tag fand eine Aufklärung der Klägerin über den bevorstehenden Eingriff unter Verwendung eines für Operationen an der Lendenwirbelsäule bei Verengung des Wirbelkanals (Spinalkanalstenose) und/oder der Zwischenwirbellöcher (Foraminalstenose) durch den Stationsarzt statt. Der Umfang der Aufklärung ist zwischen den Parteien streitig. Am 09.06.2009 wurde die Spondylodese durchgeführt, wobei sich ausweislich des Operationsberichtes postoperativ eine intakte Motorik, Sensibilität und Durchblutung der Extremitäten zeigte. Eine Untersuchung der Antragstellerin am 11.06.2009 gegen 15:00 Uhr durch den Antragsgegner führte - nachdem die Antragstellerin eine seit dem Mittag des Vortags zunehmende Schwäche des Zehenhebers und des Fußhebers links angegeben hatte - zur Durchführung einer CT-Untersuchung der unteren Lendenwirbelsäule und einer Röntgenuntersuchung sowie zur Durchführung einer Revisionsoperation am selben Tag. Bei der Revisionsoperation wurden aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Rückgabe der bei der ersten Operation verwendeten Spezialwerkzeuge die eingesetzten Metallstäbe mit einer hochtourigen Metallfräse durchtrennt und im Anschluss zusammen mit den Schrauben herausgedreht. Es fand dann ein Wechsel vom zuvor verwendeten Mantis-System zu einem Orthocube-Schrauben-Stab-System und einer erweiterten Fensterung im Bereich L5/S1 links statt.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Antragsgegner habe sie fehlerhaft behandelt. So sei es falsch gewesen am Ende des ersten operativen Eingriffs die korrekte Lage der Schrauben nicht mittels Bildwandler zu kontrollieren. Mangelhaft sei es auch gewesen, dass eine Knochenimplantation zwischen den fusionierten Wirbeln nicht erfolgt sei. Zudem hätten die Nervenfunktionen nach der ersten Operation umfassender überprüft werden müssen. Fehlerhaft sei auch die Verwendung einer Metallfräse bei dem zweiten operativen Eingriff gewesen. Hierdurch sei die Nervenschädigung verstärkt worden. Ebenso sei die fehlende Kontrolle des Ergebnisses des Eingriffs durch Fertigung entsprechender Aufnahmen fehlerhaft gewesen. Teilweise seien die Behandlungsfehler bereits vom Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. med. F... G... in seinem im Rahmen des zwischen den Parteien durchgeführten Schlichtungsverfahrens erstellten Gutachten vom 20.06.2013 festgestellt worden. Die Feststellungen griffen indes zu kurz, wie sich aus den Ausführungen des Dr. med. G... K... vom 22.08.2013 ergebe. Die Dokumentation der Eingriffe seitens des Antragsgegners und die Schwere des Fehlverhaltens führten zudem zu einer Beweislastumkehr auch im Hinblick auf die Kausalität der angegebenen Beeinträchtigungen. Wegen des Vortrags der Antragstellerin zu den von ihr behaupteten Beeinträchtigungen wird auf Seite 9 f der Klageschrift vom 02.10.2014 (Bl. 21 f GA) verwiesen. Die Aufklärung sei ebenfalls nicht hinreichend durchgeführt worden. So habe der verwendete Aufklärungsbogen wesentliche Details, über die bei einer Spondylodese zu informieren sei, nicht enthalten, etwa hinsichtlich der Gefahr der Fehlpositionierung von Pedickelschrauben oder bezüglich einer implantatassoziierten Nervenschädigung sowie dem hieraus resultierenden Erfordernis eines Revisionseingriffs. Zudem seien weitergehende Ausführungen zu den konkret drohenden Nervenschädigungen erforderlich. Auch vor dem zweiten Eingriff sei eine hinreichende Aufklärung, insbesondere hinsichtlich der Gefährlichkeit des Einsatzes der Metallfräse nicht erfolgt. Eine wirksame Einwilligung in die Operation sei dementsprechend nicht gegeben.

Der Antragsgegner bestreitet das Vorliegen von Behandlungsfehlern. Bei dem verwendeten Tantalum-TM 400-Cage sei eine zusätzliche Knochenimplantation nicht erforderlich. Nicht zu beanstanden sei es auch, dass für den Revisionseingriff die bei der ersten Operation verwendeten Instrumente nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten. Der Heilungsverlauf bei der Antragstellerin sei nicht so gewesen, dass die Instrumente weiter hätten vorgehalten werden müssen. Aufgrund der plötzlich einsetzenden Gefühlsstörungen und Kraftminderungen mit dringlicher OP-Indikation hätte der Eingriff dann ohne die Spezialinstrumente unter Verwendung der Metallfräse durchgeführt werden müssen. Der korrekte Sitz des eingebrachten Materials sei während des ersten Eingriffs und im Anschluss an die Operation überprüft worden. Lediglich die Lage der Kirschnerdrähte sei nicht durch den intraoperativ eingesetzten Bildverstärker überprüft worden. Dies sei jedoch nicht behandlungsfehlerhaft. Auch die zweite Operation sei indiziert gewesen und lege artis durchgeführt worden. Die Dokumentation der Eingriffe sei hinreichend. Ebenso sei die postoperative Überwachung nicht unzureichend gewesen. Ordnungsgemäß sei auch die Aufklärung der Antragstellerin gewesen. Diese sei mehrfach aufgeklärt worden, erstmals bereits am 16.02.2009. Der Stationsarzt Dr. Z... habe sie nach ihrer stationären Aufnahme auch über die operativen Risiken einschließlich der Schädigung von Nerven und Blutgefäßen informiert sowie über den Umfang des geplanten operativen Eingriffs sowie die ausgewählte technische Durchführung einschließlich etwaiger Komplikationen unterrichtet. Die bei der Antragstellerin aufgetretene Fußheberparese sei nicht auf ein Fehlverhalten seinerseits zurückzuführen, sondern schicksalhaft erfolgt. Es fehle mithin an der Kausalität. Im Hinblick auf die vorbestehenden Beeinträchtigungen der Antragstellerin sei das geforderte Schmerzensgeld auch überhöht. Die angegebenen Beeinträchtigungen seien zudem in Abrede zu stellen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 23.02.2015 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der beabsichtigten Klage fehle die erforderliche Erfolgsaussicht. Im Rahmen der im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren in eng begrenzten Rahmen zulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung sei es auf der Grundlage des im Schlichtungsverfahren eingeholten Gutachtens äußerst unwahrscheinlich, dass die Antragstellerin den Nachweis eines dem Antragsgegner vorzuwerfenden Behandlungsfehlers werde führen können. Der im Schlichtungsverfahren tätige Sachverständige habe überzeugend ausgeführt, dass sich bei der Antragstellerin das Risiko einer suboptimalen Positionierung des Implantats realisiert habe und die aufgetretene Fußheberlähmung nicht auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen sei. Der Sachverständige habe zudem ausgeführt, dass die eingetretene Fußheberlähmung auch bei vollständig richtigem ärztlichen Handeln eingetreten wäre. Dem stünden die Ausführungen des Hausarztes der Klägerin, Dr. med. K..., nicht entgegen. Dieser setzte sich mit den Feststellungen im Schlichtungsgutachten zur Frage der Kausalität inhaltlich nicht auseinander. Auch eine fehlerhafte Aufklärung durch den Antragsgegner sei nicht gegeben. Eine Aufklärung über Behandlungsalternativen sei nicht veranlasst gewesen. Der durchgeführte Eingriff sei vielmehr indiziert gewesen. Zudem sei die Aufklärung nicht durch den Antragsgegner, sondern durch den angestellten Stationsarzt erfolgt. Der Antragsgegner als Operateur habe sich darauf verlassen dürfen, dass das Aufklärungsgespräch vollständig und ohne Beanstandungen erfolgt sei. Ferner rechtfertigten die von der Antragstellerin behaupteten Folgen angesichts der nach ihren Angaben bereits zuvor gegebenen Beschwerden und psychischen Beeinträchtigungen kein über den Betrag von 5.000,00 € hinausgehendes Schmerzensgeld, so dass es an der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts für eine Klage fehle. Schließlich habe die Antragstellerin Unterlagen zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht eingereicht.

Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 09.03.2015 zugestellten Beschluss mit am 27.03.2015 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Antragstellerin vertieft ihren bisherigen Vortrag. Sie ist der Ansicht, das Landgericht hätte die von ihr auf Grundlage der vorgelegten ärztlichen Stellungnahme ihres Hausarztes vorgelegten Einwendungen gegen das Schlichtungsgutachten nicht ohne Einholung eines Gerichtsgutachtens beurteilen dürfen. Dies gelte schon deshalb, weil nicht sämtliche von ihrem Hausarzt benannten Fehler im Schlichtungsgutachten behandelt worden wären, etwa hinsichtlich des Eintritts einer zusätzlichen Nervenschädigung aufgrund der bei der Revisionsoperation verwendeten Metallfräse. Ebenso habe sich das Landgericht nicht mit ihrem Vortrag zum Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers und der hieraus folgenden Beweislastumkehr auseinandergesetzt. Zu Unrecht habe das Landgericht auch das Vorliegen eines Aufklärungsfehlers verneint. Schon auf Grundlage des ungeeigneten Aufklärungsvordruckes sei eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht gegeben. Es sei nicht im erforderlichen Umfang über das Risiko einer speziellen Nervenschädigung aufgrund einer fehlerhaften Position der Pedikelschrauben und des daraus resultierenden Risikos einer Fußheberparese sowie die mögliche Erforderlichkeit einer Revisionsoperation informiert worden. Zudem erfasse die von ihr auf dem Formular schriftlich erteilte Einwilligungserklärung nicht die hier durchgeführte Spondylodese. Auch die Aufklärung vor dem zweiten Eingriff sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Nicht berücksichtigt habe das Landgericht ferner die von ihr aufgezeigten Mängel der Dokumentation der Antragsgegnerin und die hierdurch erfolgte Umkehr der Beweislast. Nicht nachvollziehbar sei die Ansicht des Landgerichts, die Beeinträchtigungen rechtfertigten lediglich ein Schmerzensgeld von allenfalls 5.000,00 €.

Das Landgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 13.04.2015 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt. Der Schlichtungsgutachter habe zwar von einem extrem ungewöhnlichen Vorgehen im Hinblick auf die Verwendung der Metallfräse bei der Revisionsoperation gesprochen, dies sei jedoch nicht mit der Feststellung eines groben Behandlungsfehlers gleich zu setzen. Auch ein Aufklärungsfehler sei weiterhin nicht anzunehmen. Der Hinweis auf das Risiko einer nicht kontrollierbaren Nervendurchtrennung in dem von dem von der Klinik verwendeten Formular sei hinreichend, um der Antragsgegnerin dieses Operationsrisiko zu vermitteln.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nach §§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Monatsfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt worden.

In der Sache ist das Rechtsmittel nur teilweise begründet. Die Rechtsverfolgung der Antragstellerin hat insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg, als sie beabsichtigt, den Antragsgegner auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in einer Größenordnung von 10.000 € in Anspruch zu nehmen, so dass der Antragstellerin, die nach den ihren nunmehr belegten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, in diesem Umfang Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, § 114 ZPO.

Vorliegend kommt ein Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB, § 229 StGB wegen einer fehlerhaften Behandlung im Jahre 2009 in Betracht. Für die Annahme vertraglicher Ansprüche der Antragstellerin gegen den Antragsgegner fehlt es hingegen bereits am Vortrag zu einem zwischen den Parteien geschlossenen Behandlungsvertrag.

Zu Unrecht hat das Landgericht die erforderlichen Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe verneint. Zutreffend hatte das Landgericht allerdings noch ausgeführt, dass im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage in eng begrenztem Rahmen eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig und die Prozesskostenhilfe zu versagen ist, wenn die Gesamtwürdigung aller schon feststehender Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zu Gunsten des Antragstellers als ausgeschlossen erscheinen lässt und eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Partei, die die Kosten des Rechtsstreits selbst tragen müsste, wegen des absehbaren Misserfolges der Beweisaufnahme von einer Prozessführung absehen würde (BVerfG NJW 2010, S. 288, NJW 1994, S. 1160; OLG Köln NJW-RR 2001, S. 791; Geimer in Zöller, ZPO, Kommentar, 32. Aufl., § 114, Rn. 26). Die Erfolgsprognose umfasst nämlich nicht nur die Schlüssigkeit bzw. Erheblichkeit des Vorbringens, sondern auch seiner Beweisbarkeit (Fischer in Musielak/Voit, ZPO, Kommentar, 15. Aufl., § 114, Rn. 6). In diesem Zusammenhang können auch gutachterliche Feststellungen in einem vorausgegangenen Schlichtungsverfahren berücksichtigt werden. Das in einem Schlichtungsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten kann ebenso wie das abschließende Schreiben der Schlichtungsstelle im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden. Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens ist demgegenüber nur geboten, wenn ein im Wege des Urkundenbeweises verwertetes Gutachten nicht alle Fragen beantwortet oder wenn dargelegt wird, dass die im Schlichtungsverfahren tätigen Gutachter und Ärzte nicht über die erforderliche Sachkunde verfügen, etwa weil sie nicht für das zu beurteilende Fachgebiet ausgebildet sind (BGH NJW 1987, S. 2300; VersR 2008, S. 1216; vgl. auch die Entscheidung des Senats vom 08.05.2012; Az. 12 W 43/11, veröffentlicht in juris). Hier lässt sich allein auf Grundlage des im Schlichtungsverfahren eingeholten Gutachtens des Priv.-Doz. Dr. med. F... G... vom 20.06.2013 sowie der Entscheidung der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern vom 14.05.2014 nicht abschließend entscheiden, dass für die von der Antragstellerin angegebenen Beeinträchtigungen ein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen des Antragsgegners nicht kausal geworden ist. So macht die Antragstellerin unter Berufung auf die Ausführungen ihres Hausarztes Dr. med. G... K... vom 22.08.2013 unter anderem geltend, die Verwendung einer Metallfräse bei dem Revisionseingriff am 11.06.2009 sei fehlerhaft gewesen. Die hierbei auftretende Wärmeentwicklung und Erhitzung aller Metallteile habe zu einer Nervenschädigung führen bzw. eine bereits entstandene Nervenschädigung verstärken können. Mit dieser Überlegung hat sich weder der Schlichtungsgutachter noch die Schlichtungsstelle auseinandergesetzt. Zugleich sieht die Antragstellerin in diesem Vorgehen einen groben Behandlungsfehler, der zu einer Beweislastumkehr auch hinsichtlich des Primärschadens führen würde. Auch hierzu ist eine Stellungnahme ärztlicherseits bislang nicht eingeholt worden. Zwar ist dem Landgericht zuzugeben, dass die Feststellung des Schlichtungsgutachters, der Einsatz einer Hochfrequenzfräse sei ein extrem ungewöhnliches Vorgehen, nicht mit der Bejahung eines groben Behandlungsfehlers gleichzusetzen ist. Die Formulierung des Sachverständigen, der an anderer Stelle dieses Vorgehen als nicht nachvollziehbar und damit unverständlich bezeichnet hat, geht indes durchaus in die Richtung eines groben Behandlungsfehlers. Zudem hat der Sachverständige - wie ausgeführt - die Problematik einer Nervenschädigung durch eine Hitzeentwicklung noch nicht einbezogen. Zu klären wird in diesem Zusammenhang auch sein, ob nicht bereits ein Behandlungsfehler darin liegt, dass die bei der Operation am 09.06.2009 verwendeten Spezialwerkzeuge bereits zurückgegeben waren und so bei der möglichen Revisionsoperation am 11.06.2009 nicht mehr zur Verfügung standen. In diesem Zusammenhang wird auch eine Aufklärung erforderlich sein, inwieweit weitere Untersuchungen der Antragstellerin im Hinblick auf neurologische Ausfälle hätten erfolgen und dokumentiert werden müssen. Ebenso hat sich ein Sachverständiger mit der Auffassung der Antragstellerin auseinanderzusetzen, die korrekte Lage der bei der Operation am 09.06.2009 eingebrachten Schrauben hätte im Anschluss an den Eingriff wie auch nach der Revisionsoperation mittels Bildwandler kontrolliert und dokumentiert werden müssen. Dahinstehen, da für die von der Antragstellerin behaupteten Beeinträchtigungen nicht kausal, kann hingegen die Ansicht der Antragstellerin, fehlerhaft sei es auch gewesen, dass bei der ersten Operation am 09.06.2009 eine Knochenimplantation zwischen den fusionierten Wirbeln nicht erfolgt sei.

Zu Unrecht hat das Landgericht auch gemeint, das Vorliegen eines Aufklärungsfehlers ohne weitere Sachaufklärung verneinen zu können. Ist eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht gegeben und mithin auch eine wirksame Einwilligung der Antragstellerin in die Behandlung nicht erfolgt, so ist der konkrete Eingriff, also die Operationen am 09. und 11.06.2009 als rechtswidrige Körperverletzung zu werten (vgl. hierzu BGH VersR 1990, S. 1010; VersR 1989, S. 253; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl., Teil C, Rn. 1 f). Vor Durchführung eines Eingriffs ist der Patient über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken aufzuklären, um unter Wahrung seiner Entscheidungsfreiheit wirksam in den Eingriff einwilligen zu können. Die Aufklärung hat dem Patienten einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastung zu vermitteln, die sich für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung aus dem Eingriff ergeben können (Brandenburgisches OLG - 1. Zivilsenat - VersR 2000, S. 1283; Geiß/Greiner, a. a. O., Rn. 5). Im Rahmen der Aufklärung ist auch das Risiko zu erörtern, inwieweit trotz fehlerfreier medizinischer Behandlung Schadensrisiken bestehen, seien es mögliche Komplikationen während des Eingriffs oder sonstige schädliche Nebenfolgen (BGH VersR 2005, S. 1238; Geiß/Greiner, a. a. O., Rn. 41; vgl. auch BGH VersR 1982, S. 147; OLG Oldenburg VersR 1986, S. 69). Nicht erforderlich ist die exakte medizinische Beschreibung der in Betracht kommenden Risiken, es genügt eine Aufklärung "im Großen und Ganzen" über Chancen und Risiken der Behandlung (BGH VersR 2006, S. 838; Brandenburgisches OLG - 1. Zivilsenat -, a. a. O.). Darlegungs- und beweispflichtig für eine richtige und vollständige Aufklärung ist dabei der behandelnde Arzt (BGH VersR 1992, S. 960 und S. 747). Eine hinreichende Aufklärung in diesem Sinne ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Dabei entlastet es den Antragsgegner nicht, dass er jedenfalls das Aufklärungsgespräch am 08.06.2009 nicht selbst durchgeführt hat. Vielmehr hat er auch insoweit eine ordnungsgemäße Aufklärung und Einwilligung der Antragsgegnerin in die Operation darzulegen und zu beweisen, um den Vorwurf einer rechtswidrigen Körperverletzung abzuwenden, der in der Durchführung der Operation ohne hinreichende Einwilligung liegen würde. Unschädlich ist es allerdings grundsätzlich, dass die Aufklärung der Antragstellerin auf der Grundlage eines für Operationen an der Lendenwirbelsäule bei Verengung des Wirbelkanals (Spinalkanalstenose) und/oder der Zwischenwirbellöcher (Foraminalstenose) erstellten Aufklärungsbogen erfolgt ist, obwohl es sich bei der bevorstehenden Operation um eine Spondylodese mit Implantation von Tantal-Cages handelte. Da eine wirksame ärztliche Aufklärung auch ohne Verwendung eines vorgedruckten Aufklärungsbogens möglich ist, schadet es nicht, wenn der vorgedruckte Aufklärungsbogen für eine ähnliche Operation verwendet und im mündlichen Aufklärungsgespräch entsprechend angepasst wird. Ebenso ist es aus diesem Grunde gegebenenfalls unerheblich, dass die Unterschrift der Antragstellerin nach der Formulierung in dem Vordruck nur eine Einwilligung in eine Spinalkanalstenose bzw. Foraminalstenose erfasst. Auch enthält der Aufklärungsbogen, dessen Kenntnisnahme die Antragstellerin nicht in Abrede stellt, bei der Aufzählung möglicher Komplikationen und Risiken Hinweise auf die Gefahr einer Nervenschädigung und hieraus resultierender (dauerhafter) Ausfallerscheinungen etwa betreffend Gefühlsstörungen und Lähmungen im Bereich der Beine. Dabei wird dem Patienten diese Gefahr schon dadurch augenfällig gemacht, dass ihm mitgeteilt wird, nach der Operation werde regelmäßig die aktive Bewegungsfähigkeit der Füße und Beine überprüft. Auch ein Hinweis, dass ein zweiter Eingriff nach einer Verletzung etwa von Blutgefäßen erfolgen kann, ist in dem Aufklärungsbogen enthalten. Nicht aufgeführt werden in dem Aufklärungsbogen indes Angaben zur Einbringung der Cages und der hierbei einzusetzenden Schrauben, die naturgemäß im Hinblick auf mögliche Nervenverletzungen größere Risiken mit sich bringen, als der in dem Aufklärungsbogen vorgesehene Eingriff ohne Einbringung entsprechenden Materials. Auch der Schlichtungsgutachter sowie die Schlichtungsstelle haben deshalb die Aufklärung der Antragstellerin für unzureichend gehalten. Vor diesem Hintergrund wird durch Vernehmung des vom Antragsgegner benannten Zeugen zu klären sein, ob eine entsprechende Aufklärung der Antragstellerin - etwa zur Gefahr der Fehlpositionierung von Pedickelschrauben und einer hieraus folgenden Nervenschädigung - tatsächlich erfolgt ist. Weiter wird - auch durch Befragung des zu beauftragenden Sachverständigen - zu klären sein, ob im Hinblick auf die Verwendung der Hochfrequenzfräse bei der Revisionsoperation eine weitergehende Aufklärung der Antragstellerin vor Durchführung des Eingriffs vom 11.06.2009 aus medizinischer Sicht erforderlich gewesen wäre.

Die von der Antragstellerin behaupteten Beeinträchtigungen rechtfertigen indes allenfalls ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 10.000,00 €. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an; maßgeblich sind die Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden. Im Rahmen der Genugtuungsfunktion ist insbesondere die Schwere des Verschuldens des Schädigers in Ansatz zu bringen (vgl. zu allem BGHZ 18, S. 149; VersR 1992, S. 1410; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 12. Aufl., Rn. 274 ff). Vorliegend war der durch das Schreiben des Dr. med. K... vom 22.01.2015 belegte und unter Beweis gestellte Vortrag der Antragstellerin zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin infolge der operativen Eingriffe eine Fußheberparese links erlitten hat, die dazu führt, dass mit diesem Bein eigenständig keine Bewegungen durchgeführt werden können. Die Antragstellerin ist danach auf die Verwendung zweier Unterarmgehstützen angewiesen. Die zu bewältigende Gehstrecke liege unter 100 Meter. In bestimmten Situationen komme es zu einem Versagen des linken Beines, was mehrfach zu Stürzen der Antragstellerin geführt habe. Diese nach Angaben der Antragstellerin als dauerhaft anzusehende Beeinträchtigung stellt durchaus eine Verschlechterung ihres Zustandes vor den operativen Eingriffen im Juni 2009 dar, den die Antragstellerin in dem Rückenschmerz-Fragebogen des ... Klinikum am 16.02.2009 geschildert hat. Die weitergehenden Angaben der Antragstellerin zu bei ihr vorliegenden Beeinträchtigungen in der Klageschrift, die zudem nicht unter Beweis gestellt worden sind, entsprechen hingegen weitgehend den Angaben zu den schon zuvor vorhandenen Beeinträchtigungen. So hat die Antragstellerin im Fragebogen angeführt, bereits vor den Eingriffen hätten Schmerzmittel kaum zu Erleichterungen geführt, sie habe bei ihrer persönlichen Pflege Beschwerden gehabt, keine Gewichte mehr tragen können, sich die meiste Zeit im Bett oder im Sessel aufgehalten, wobei sie wegen der Rückenbeschwerden nicht länger als 10 Minuten habe sitzen und auch nicht mehr habe stehen können. Auch bei Einnahme von Schmerzmitteln, habe sie weniger als 4 Stunden geschlafen. In ihrem sozialen Leben sei sie durch die Beschwerden auf die Wohnung begrenzt, sie habe wegen starker Beschwerden fast keine sexuelle Aktivität und sei auf notwendige Reisen mit einer Dauer von weniger als einer halben Stunde begrenzt. Vor diesem Hintergrund sind die von der Antragstellerin angeführten Entscheidungen des OLG Frankfurt vom 13.10.1998 (veröffentlicht in VersR 1999, S. 1544) und vom 16.08.2001 (veröffentlicht in DAR 2002, S. 448) in keiner Weise mit der Situation im vorliegenden Rechtsstreit vergleichbar. Die - behauptete - ausgeführte Verschlechterung der Situation rechtfertigt vielmehr kein über 10.000,00 € hinausgehendes Schmerzensgeld (vergleiche hierzu auch die Entscheidungen OLG Hamm, Urteil vom 14.03.2007, Az. 3 U 54/06, veröffentlicht in juris, und OLG Oldenburg VersR 1998, S. 595).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Inanspruchnahme der Antragstellerin für die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens bereits aus Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG ergibt - da die sofortige Beschwerde überwiegend ohne Erfolg bleibt, hat der Senat von der Möglichkeit der Anordnung des Absehens von einer Gerichtsgebühr keinen Gebrauch gemacht -, das erstinstanzliche Verfahren gerichtsgebührenfrei ist und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden, §§ 118 Abs. 1 S. 4, 127 Abs. 4 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Gründe gegeben ist. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.