Brandenburgisches OLG, Urteil vom 13.08.2019 - 6 U 102/19
Fundstelle
openJur 2020, 39037
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.07.2018 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus - 3 O 283/16 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Cottbus zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Abwasserbeseitigungsentgelte für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage der Stadt ...... zur Niederschlagsentwässerung in den Jahren 2015 bis 2017.

Die Stadt ...... erhebt auf Grundlage ihrer Abwassersatzung und der Allgemeinen Bedingungen für den Anschluss von Grundstücken an die öffentliche Abwasseranlagen (AEB-A, Bl. 18ff) ein privatrechtliches Abwasserentgelt u.a. für die Inanspruchnahme ihrer Anlagen zur Niederschlagsentwässerung von Grundstücken. Dieses wird berechnet pro qm versiegelter Grundstücksfläche, wobei der Wert in einer jährlich angepassten Entgeltliste festgelegt wird. Nach §§ 14, 15, 18 Abs. 1 AEB-A erhebt die Klägerin diese Entgelte im Namen und für Rechnung der Stadt ..... Die Klägerin und die Stadt ...... haben dazu einen Abwasserbeseitigungsvertrag geschlossen, auf dessen Grundlage die Klägerin für die Stadt ...... im Rahmen des § 18 Ab. 1 AEB-A gegen Vergütung tätig wird und der sie zu der gerichtlichen Geltendmachung daraus resultierender Ansprüche ermächtigt. Vertragspartner des jeweiligen Anschlussnehmers (und damit der Beklagten) ist die Stadt .......

Die Beklagte nutzt die Abwasseranlage der Stadt ...... zur Niederschlagsentwässerung einer versiegelten Freifläche von 6.395 qm und einer Dachfläche von 70.661 qm auf dem Grundstück G... Nr. 15 in C... . Für diese Nutzung macht die Klägerin für den Zeitraum 2015 bis 2017 nach den jeweils geltenden Entgeltlisten insgesamt einen Betrag in Höhe von 201.116,16 € geltend, davon entfallen auf das Jahr 2015 52.398,08 € (Rechnung vom 09.10.2015, Bl. 24), auf das Jahr 2016 74.744,32 € (Rechnung vom 13.06.2016, Bl. 369) und auf das Jahr 2017 73.973,76 € (Rechnung vom 12.06.2017, Bl. 21). Betreffend die Jahre 2010 bis 2014 hatte sich bereits die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegen die von der Klägerin erhobenen Niederschlagswasserentgelte gewandt, die entsprechenden Forderungen waren Gegenstand der vor dem Landgericht Cottbus geführten Rechtsstreitigkeiten 3 O 198/12 (Brbg. OLG 12 U 65/14; BGH VII ZR 139/15), 3 O 308/12 (Brbg. OLG 12 U 66/14; BGH VII ZR 140/15) und 3 O 28/14.

Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte die Unzuständigkeit des Landgerichts Cottbus gerügt und geltend gemacht, der Rechtsstreit sei vor dem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GerZV Bbg für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten nach § 87 GWB zuständigen Landgericht Potsdam zu verhandeln. Die von der Stadt ...... erhobenen Entgelte verstießen gegen das Verbot des Ausbeutungs- sowie des Preisstrukturmissbrauchs nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 GWB und seien zudem unbillig im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB.

Die Klägerin hat die kartellrechtlichen Einwände der Beklagte für unbegründet und die angerufene Zivilkammer bei dem Landgericht Cottbus für zuständig erachtet. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe keinen ernsthaften kartellrechtlichen Einwand vorgebracht, insbesondere setze sie sich nicht konkret und ernsthaft mit den Vorschriften des GWB auseinander. Im Bereich der kommunalen Abwasserentsorgung finde die kartellrechtliche Preiskontrolle grundsätzlich keine Anwendung. Die Kontrolle könne jedenfalls nicht auf den Bereich der Niederschlagsentwässerungsentgelte beschränkt werden, weil ein auf Niederschlagsentwässerung begrenzter Markt nicht existiere. Eine Preiskontrolle in diesem Bereich sei auch nicht erforderlich, dies ergebe sich aus dem Fehlen kartellbehördlicher Entscheidungen im Bereich der Abwasserbeseitigung. Die von der Beklagten zum Nachweis des behaupteten kartellrechtswidrigen Vorgehens angeführten Entgelte für Niederschlagsentwässerung in anderen Städten seien mangels Berücksichtigung regionalspezifischer Besonderheiten und der besonderen privatrechtlich ausgestalteten Entgeltstruktur für die Niederschlagswasserbeseitigung in der Stadt ...... nicht vergleichbar. Innerhalb des Landes B... liege das von der Klägerin geforderte Entgelt nicht in der Gruppe der höchsten Beträge.

Die Klägerin hat zudem die Ansicht vertreten, der den AEB-A zugrunde liegende Umlagemaßstab sei auch nicht unbillig im Sinne des § 315 BGB, insbesondere nicht deshalb, weil die Stadt ...... die geforderten Entgelte allein nach dem Anteil versiegelter Fläche ohne Berücksichtigung der in Anspruch genommen Kanallänge bemesse, worauf die Beklagte abstellen wolle. Eine Berücksichtigung der Entfernung zwischen der zu entwässernden Fläche und der Kläranlage bzw. der Vorflut bevorzuge diejenigen, deren Grundstück günstiger belegen sei. Dies widerspreche dem Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung innerhalb der Solidargemeinschaft der Einrichtungsnutzer.

Mit Beschluss vom 01.07.2017 hat das Landgericht Cottbus nach § 280 Abs. 1 ZPO angeordnet, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

Die Klägerin hat beantragt,

durch Zwischenurteil festzustellen, dass die Klage zulässig ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage als unzulässig abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, es liege eine Kartellsache im Sinne des § 87 GWB vor. Die von der Stadt ...... in Rechnung gestellten Preise seien missbräuchlich im Sinne des § 19 GWB. Die Stadt ...... nutze ihre marktbeherrschende Stellung aus und verlange unbillig hohe Entgelte, die bis zu 70 % über den Preisen vergleichbarer Unternehmen lägen. Dies stelle einen Ausbeutungsmissbrauch dar. Zudem sei ein unzulässiger Preisstrukturmissbrauch gegeben, weil die Stadt ...... von ihr, der Beklagten, Preise verlange, die die verursachten Kosten etwa um das 15fache überstiegen. Schließlich seien die Preise unbillig im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB, denn die einzige Leistung, welche die Stadt ...... erbringe, sei die Fortleitung des Niederschlagswassers über eine 500 m lange Leitung in die Spr....

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Landgericht Cottbus sei unzuständig, örtlich zuständig sei das Landgericht Potsdam. Es handele sich um einen defensiven Kartellprozess, in dem die Beklagte in ernsthafter und vertretbarer Weise Kartellrechtsfragen als Einwendungen gegenüber dem Klageanspruch geltend mache. Auf die Erheblichkeit der Einwendungen oder das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 18, 19 GWB komme es nicht an.

Das GWB sei dem Grund nach anwendbar, weil die Leistungsbeziehungen zwischen den Parteien privatrechtlich ausgestaltet seien. Die Ernsthaftigkeit der kartellrechtlichen Einwendungen ergebe sich daraus, dass die Beklagte ihre Verteidigung ausschließlich auf die Kartellrechtswidrigkeit der Entgeltforderung stütze. Die Beklagte habe zu den konkreten Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB hinreichend vorgetragen. Der Stadt ...... komme als alleinigem Abwasserentsorger im Raum C... eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB zu. Ob die von der Beklagten zum Vergleich benannten Abwasserentsorgungsunternehmen einen hinreichenden Vergleichsmarkt bildeten, sei eine nicht in dem Verfahren betreffend die Zulässigkeit der Klage zu prüfende Frage der Schlüssigkeit des von der Beklagten erhobenen Einwandes. Ob daneben auch der von der Beklagten behauptete Strukturmissbrauch im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 3 GWB vertretbar begründet sei, könne dahinstehen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.07.2018 zugestellte Urteil mit am 08.08.2018 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am Montag, den 17.09.2018 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht seine Zuständigkeit verneint, denn eine kartellrechtliche Streitigkeit sei nicht gegeben. Die die Zuständigkeit regelnden Normen des GWB seien restriktiv auszulegen, vor den Kartellgerichten seien ausschließlich solche Fälle zu verhandeln, die tatsächlich nach kartellrechtlichen Maßstäben zu entscheiden seien. Defensive Kartellprozesse seien deshalb nur dann an das Kartellgericht zu verweisen, wenn sie sich im Wesentlichen auf kartellrechtliche Einwände stützten und diese ernsthaft verfolgten. Dies setze voraus, dass das Vorliegen kartellrechtlicher Tatbestandsvoraussetzungen bei kursorischer Prüfung wahrscheinlich sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, deshalb sei das Nicht-Kartellgericht gesetzlicher Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG.

Das Landgericht Cottbus habe die danach geforderte Prüfung nicht mit der geforderten mittleren Prüfdichte vorgenommen. Es habe den Normzweck der §§ 87, 89 GWB verkannt und die in der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien zu den Anforderungen an ein ernsthaftes und vertretbares kartellrechtliches Vorbringen zu Gunsten der Beklagten zu großzügig ausgelegt. Die Argumentation der Beklagten betreffend die von ihr erhobenen kartellrechtlichen Einwände sei zudem unplausibel. Es existiere kein den Anforderungen des § 18 Abs. 1 GWB entsprechender sachlich und räumlich relevanter Markt für Niederschlagswasserentwässerung, die Bildung eines Teilmarkts innerhalb der Abwasserentsorgung sei aufgrund der öffentlich-rechtlichen Vorgaben der § 66 Abs. 2 S. 1 BbgWassG, § 54 Abs. 2 WHG ausgeschlossen. Bei der Prüfung von Preisgestaltungen im Bereich leitungsgebundener Daseinsvorsorge müsse zudem den besonderen Gebietsstrukturen in C... Rechnung getragen werden, die von denjenigen in den von der Beklagten allein aufgrund der Einwohnerzahl ausgewählten Vergleichsstädten erheblich abwichen.

Das Landgericht habe weiter nicht beachtet, dass die Beklagte neben kartellrechtlichen Einwänden zentral den Einwand unbilliger Entgeltfestsetzung nach § 315 Abs. 3 BGB erhoben habe. Der Beklagten gehe es um eine in den Mantel des Kartellrechts gekleidete Billigkeitskontrolle am Maßstab des § 315 BGB, auch deshalb sei die Ernsthaftigkeit des kartellrechtlichen Einwandes zu verneinen. Nachdem die Rechtsvorgängerin der Beklagten in den die Abrechnungsjahre 2010 bis 2014 betreffenden Rechtsstreitigkeiten mit ihrer Ansicht, es sei unbillig, dass sich die Leistung der Niederschlagsentwässerung darauf beschränke, das Niederschlagswasser durch eine Leitung auf dem Grundstück der Beklagten direkt in die Sp... zu leiten, unterlegen sei, zielten die kartellrechtlichen Ausführungen ausschließlich darauf ab, den Rechtsstreit der Entscheidung eines anderen Gerichtes zuzuführen.

Im Übrigen nimmt die Klägerin auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, an sie 201.116,16 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 52.398,08 € seit dem 28.10.2015, aus weiteren 74.744,32 € seit dem 02.07.2016 sowie aus weiteren 73.973,76 € seit dem 03.07.2017 zu zahlen,

hilfsweise,das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht Cottbus zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und führt aus, das Landgericht Cottbus sei ohne Rechtsfehler nach §§ 87 S. 2, 89 GWB in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 GerZV von der Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam als Kartellgericht ausgegangen. § 87 GWB begründe eine von Amts wegen zu beachtende ausschließliche Rechtswegzuständigkeit der Kartell-Landgerichte. Die Hürde für die Bejahung der kartellrechtlichen Spezialzuständigkeit dürfe nicht hoch angesetzt werden. Die Prüfung habe sich darauf zu beschränken, ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Entscheidungsrelevanz kartellrechtlicher Normen bestehe. Dies sei vorliegend der Fall.

Sie, die Beklagte, habe ihre kartellrechtlichen Einwände ernsthaft verfolgt, indem sie einen nach § 19 Abs. 1, 2 Nr. 2, 3 GWB verbotenen Preishöhen- und Preisstrukturverstoß aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung der Stadt ...... in Bezug auf überhöhtes Niederschlagsentwässerungsentgelt gerügt habe. Richtigerweise habe das Landgericht ihre kartellrechtlichen Einwände als zumindest vertretbar angesehen. Sie habe umfassend zu dem behaupteten Preismissbrauchs vorgetragen, insbesondere zu dem sachlichen Markt für Abwasserentsorgungsdienstleistungen und seiner örtlichen Abgrenzung, zu vergleichbaren Unternehmen und den Merkmalen für die Vergleichbarkeit sowie zu den bestimmenden und anerkennenswerten Strukturunterschieden und den danach verbleibenden Preisunterschieden zwischen der Klägerin und den Vergleichsunternehmen. Sie habe aufgrund umfangreicher Untersuchungen über vergleichbare Unternehmen im Wege einer Vergleichsrechnung festgestellt, dass die Klägerin höhere Entgelte für die Dienstleistung der Stadt ...... verlange, als sich bei einem hypothetischen Wettbewerb ergeben würden. Dies stelle einen Ausbeutungsmissbrauch dar.

Sie habe auch einen strukturellen Preismissbrauch dargelegt, indem sie aufgezeigt habe, dass die Stadt ...... mit ihrer Tarifgestaltung eine verbotene Quersubventionierung erzwinge. Obwohl sie nur einen winzigen Teil des Entsorgungssystems nutze, lege ihr die Klägerin infolge des alleinigen Abstellens auf die Größe der versiegelten Fläche unter Missachtung des Kostenverursachungsprinzips einen mindestes 15fach überhöhten Anteil an den Kosten auf.

Dass sie neben dem kartellrechtlichen Preismissbrauchseinwand auch die Unbilligkeit der Preisgestaltung rüge, ändere nichts an der Zuständigkeit der Kartellgerichte, diese hätten auch nicht kartellrechtliche Anspruchsgrundlagen zu prüfen.

Der Kartellsenat des Brandenburgischen Oberlandesgericht hat den Rechtsstreit (17 U 1/18 Kart) mit Beschluss vom 16.07.2019 an den 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts verwiesen.

Die Beklagte hat unter dem 25.07.2019 einen nicht nachgelassenen Schriftsatz zu den Akten gereicht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) ist begründet. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil seine Zuständigkeit rechtsfehlerhaft verneint. Die von dem Landgericht Cottbus angenommene - vorrangige - Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GerZV ist nicht begründet, weil der Rechtsstreit keine Kartellsache im Sinne des § 87 Abs. 1 GWB betrifft. Die Abweisung der Klage als unzulässig stellt sich deshalb als fehlerhaft dar. In der Folge war das angefochtene Urteil auf den Hilfsantrag der Klägerin aufzuheben und der Rechtstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Cottbus zurückzuverweisen, § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO.

1) Für die Entscheidung über die Berufung der Beklagten ist der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zuständig, dem nach dem Geschäftsverteilungsplan des Brandenburgischen Oberlandesgerichts 2019 Abschnitt B Teil I, 6. Zivilsenat, Ziffer 13 unter anderem diejenigen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zugewiesen sind, die sich gegen Beklagten richten, deren Name mit dem Buchstaben "S" beginnt. Der Kartellsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat den Rechtsstreit deshalb entsprechend § 281 ZPO an den entscheidenden Senat verwiesen.

Die vorrangige Zuständigkeit des Kartellsenats war nicht begründet. Nach § 91 S. 2 GWB entscheidet der Kartellsenat über die ihm gemäß § 57 Abs. 2 Satz 2, § 63 Abs. 4, §§ 83, 85 und 86 GWB zugewiesenen Rechtssachen sowie über die Berufung gegen Endurteile und die Beschwerden gegen sonstige Entscheidungen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im Sinne von § 87 Abs. 1 GWB. Die Voraussetzungen dieser Tatbestände sind nicht erfüllt, insbesondere fehlt es, wie auszuführen sein wird, an einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 87 Abs. 1 GWB.

2) Das Landgericht Cottbus hat seine Zuständigkeit für den Rechtsstreit der Parteien zu Unrecht verneint. Seine sachliche Zuständigkeit gründet sich auf § 71 Abs. 1 GVG, die örtliche auf § 29 ZPO. Entgegen der Ansicht des Ausgangsgerichts wird die Zuständigkeit des Landgerichts Cottbus nicht von der nach § 95 GWB ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam als Kartellgericht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GerZV verdrängt. Zwar geht die Zuständigkeit der Kartellgerichte ihrem Sinn und Zweck nach sämtlichen anderen Zuständigkeitsregelungen vor (BGHZ 114, 218 - Einzelkostenerstattung Rn 23; zit. nach juris; Dicks, in: Loewenheim u.a., Kartellrecht, 3. Aufl. 2016, § 87 GWB Rn 23). Vorliegend ist allerdings - entgegen der Auffassung des Landgerichts - die Zuständigkeit des Kartellgerichtes nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GerZV jedenfalls derzeit nicht begründet.

a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GerZV ist das Landgericht Potsdam für alle Gerichtsbezirke des Landes Brandenburg zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten nach § 87 GWB sowie bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder Artikel 53 oder 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betreffen. Dabei handelt es sich - entgegen der Ansicht des Landgerichts - um eine Zuweisung der sachlichen, nicht der örtlichen Zuständigkeit. Diese Voraussetzungen für die Zuweisung an das Kartellgericht sind - derzeit - nicht erfüllt, denn die auf Zahlung eines auf privatrechtlichem Vertrag begründeten Entgelts gerichtete Klage stellt zwar eine bürgerlich-rechtliche, vor einem ordentlichen Gericht anhängig zu machende Rechtsstreitigkeit dar (vgl. BGHZ 115, 311 Rn 10 f.; zit. nch juris), und nicht eine solche im Sinne des § 87 GWB.

b) Die sachliche Zuständigkeit der Kartellgerichte ist nach § 87 GWB begründet, sofern nach dem Tatsachenvortrag des Klägers das Klagebegehren einen Anspruch aus dem GWB zum Gegenstand hat (Satz 1) oder die Entscheidung von einer kartellrechtlichen Vorfrage abhängt (Satz 2). Werden - wie hier - kartellrechtliche Einwände gegen ein nicht im Kartellrecht wurzelndes Klagebegehren erhoben, ist die Zuständigkeit der Kartellgerichte danach begründet, sofern die zu entscheidende Vorfrage, wäre sie Hauptfrage, unter § 87 Satz 1 GWB fiele und sofern diese kartellrechtliche Vorfrage entscheidungserheblich ist, das heißt der Rechtsstreit unter Zugrundelegung des substantiierten Parteivortrags nicht ohne die Klärung der kartellrechtlichen Vorfrage entschieden werden kann.

Im Streitfall hängt zwar die Entscheidung des Rechtsstreits von einer kartellrechtlichen Vorfrage ab, sie ist allerdings - derzeit - nicht entscheidungserheblich.

c) Das Vorliegen einer kartellrechtlichen Vorfrage im Sinne des § 87 S. 1 GWB hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht bejaht. Die Beklagte macht geltend, die Stadt ...... missbrauche ihre marktbeherrschende Stellung als Alleinanbieter für Entwässerungsleistungen im Stadtgebiet und beruft sich dazu auf § 19 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GWB. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte der ihr im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit des Kartellgerichts obliegenden Darlegungslast betreffend die Voraussetzungen des § 87 GWB nachgekommen.

aa) Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 87 GWB hinreichend dargelegt sind, ist das Postulat restriktiver Auslegung des § 87 S. 2 GWB zu beachten, wie es aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 95 GWB abgeleitet wird (Bornkamm, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, 12. Aufl. 2014, § 87 Rn 16; K. Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 87 Rn 32). Die Regelung zur ausschließlichen Zuständigkeit in § 95 GWB soll eine einheitliche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts, soweit es das GWB ordnet, gewährleisten (BGHZ 64, 342 - Abschleppaufträge, Abschleppunternehmen, Rn 6; zit. nach juris). Um zu verhindern, dass die Kartellgerichte mit einer Vielzahl von Rechtssachen befasst werden, die tatsächlich ohne die Beantwortung kartellrechtlicher Fragen entschieden werden können und die deshalb sinnvollerweise der Bearbeitung durch auf Fragen und Schwierigkeiten des Kartellrechts spezialisierte Gerichte und Spruchkörper nicht bedürfen, sind an den Vortrag der Parteien und die Prüfungsintensität des Nicht-Kartellgerichts erhöhte Anforderungen zu stellen. Könnte mit jedem kartellrechtlichen Einwand die ausschließliche Zuständigkeit des Kartellgerichts begründet werden, würde eine nicht hinzunehmende Belastung der Kartellgerichte mit Streitigkeiten zu besorgen sein, die die Bewältigung ihrer eigentlichen Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung auf dem vom GWB berührten Gebiet des Wirtschaftsrechts zu wahren, hemmte (vgl. BGH a.a.O; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.01.2018 - VI-U (Kart) 10/17 - Rn 37; jew. zit. nach juris; Bornkamm, a.a.O. Rn 17).

Im Hinblick auf diese restriktive Auslegung des § 87 GWB begründet sich deshalb die Zuständigkeit der Kartellgerichte nicht bereits aufgrund der bloßen Behauptung einer Partei, dass sich ihr Einwand aus Kartellrecht ergibt (OLG Celle, Beschluss vom 01.10.2010 - 13 AR 5/10 Rn 7 f.; zit. nach juris), vielmehr muss die Partei, die sich auf die Zuständigkeit des Kartellgerichts beruft, aufgrund ihres Tatsachenvortrags einen kartellrechtlichen Anspruch/Einwand ernsthaft geltend machen und in vertretbarer Weise auf Kartellrecht stützen (LG Braunschweig, Beschluss vom 19.06.2013 - 5 O 552/12, Rn 33 f.; zit. nach juris). Dies setzt den Vortrag eines Lebenssachverhaltes voraus, der nach einer ersten summarischen Würdigung nicht ohne Berücksichtigung kartellrechtlicher Normen und Grundsätze zu beurteilen und zu lösen ist. Maßgeblich ist, ob unter Zugrundelegung des - als zutreffend zu unterstellenden - Tatsachenvortrags die angeführten kartellrechtlichen Normen ernsthaft daraufhin zu prüfen sind, ob das Vorliegen einer kartellrechtlichen Streitigkeit hinreichend wahrscheinlich ist. Auf die Schlüssigkeit und hinreichende Substantiierung des Vortrags kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.01.2018 - VI-U (Kart) 10/17, Rn 39 m.w.N; Beschluss vom 13.12.2010 - VI-W (Kart) 8/10, Rn 16; LG Münster, Urt. v. 16.04.2015 - 11 O 276/13 m.w.N., WuW 2015, 913; jew. zit. nach juris).

bb) Der von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt ist bei der danach vorzunehmenden ersten Würdigung nicht ohne Berücksichtigung kartellrechtlicher Normen und Grundsätze zu beurteilen.

(1) Der Anwendungsbereich des GWB ist eröffnet. Insbesondere steht seiner Anwendung nicht entgegen, dass die Stadt ...... eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts ist. Dem GWB liegt ein funktionaler Unternehmensbegriff zugrunde, nachdem jede Person und jeder Verband, der sich im geschäftlichen Verkehr wirtschaftlich betätigt, als Unternehmen anzusehen ist. Körperschaften des Öffentlichen Rechts sind dem Anwendungsbereich des GWB nur dann entzogen, wenn sie ihre Leistungsbeziehungen zu den Abnehmern öffentlich-rechtlich organisieren (vgl. BGH, Beschluss vom 18.10.2011 - KVR 9/11 - Niederbarminer Wasserverband, Rn 10; zit. nach juris). Dies ist hier nicht der Fall, denn ausweislich § 2 AEB-A liegt der Abwasserentsorgung ein Vertrag zwischen der Stadt ...... und dem jeweiligen Anschlussnehmer zugrunde. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die kommunale Abwasserversorgung der kartellrechtlichen Preiskontrolle auch nicht von vornherein entzogen. Eine entsprechende Ausnahme sieht das Gesetz nicht vor. Auch der Umstand, dass kartellbehördliche Verfahren in Bezug auf Niederschlagswasserbeseitigungsentgelte bislang nicht durchgeführt worden, steht der Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruches aus Kartellrecht nicht entgegen.

(2) Der von der Beklagten vorgetragene Lebenssachverhalt gibt zu einer ernsthaften Prüfung kartellrechtlicher Normen Anlass.

(2.1.) Es kommt ein Verstoß der in den Jahren 2015 bis 2017 geltenden Entgeltordnungen der Stadt ...... gegen § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB in Betracht. Danach ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch Forderung von Entgelten, die von dem abweichen, was sich bei einem wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würde, verboten. Voraussetzung ist die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens, das keinem wesentlichen Wettbewerb im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB ausgesetzt ist und das einen Preis fordert, der erheblich von dem Entgelt abweicht, das auf vergleichbaren Märkten mit wirksamen Wettbewerb gefordert werden könnte, und der nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist (Bechtold/Bosch, GWB, 9. Aufl. 2018, § 19 Rn 55ff.).

Die Beklagte hat zu sämtlichen Tatbestandsvoraussetzungen vorgetragen. Sie hat dargelegt, dass das von der Klägerin als Alleinanbieter für die Niederschlagsentwässerung in C... geforderte Entgelt den durchschnittlichen Preis für Niederschlagsentwässerung im Land B... übersteige und dass die Klägerin zu den fünf teuersten Abwasserentsorgern der hundert größten deutschen Städte gehöre. Sie hat zudem konkrete Daten zu sechs ihrer Ansicht nach betreffend ihrer Strukturmerkmale mit der Stadt ...... vergleichbaren Unternehmen/Städten vorgelegt, wobei sie eine Auswahl aufgrund der Einwohnerzahl im Entsorgungsgebiet, des Verhältnisses der Einwohnerwerte zur Zahl der Einwohner, der Art des Entwässerungssystems und der aus Netzlänge und Einwohnerzahl gebildeten Kennzahl getroffen hat. Bei der Gegenüberstellung kommt sie für das Jahr 2015 zu Preisdifferenzen zwischen 3,06 und 40,9 %, für das Jahr 2016 zu Unterschieden zwischen 19,3 % und 58,54 € und für das Jahr 2017 zu Differenzen zwischen 28,11 % und 57,59 %.

Dieser Vortrag ist hinreichend substantiiert, um eine ernsthafte kartellrechtliche Prüfung zu veranlassen. Ob die dargelegten Preisunterschiede letztlich auf eine Kartellrechtswidrigkeit der von der Klägerin geforderten Entgelte zurückzuführen sind, ist eine Frage der Begründetheit und nicht im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zuständigkeit zu entscheiden. Im Hinblick auf die dargelegten Preisdifferenzen kann der Ansicht der Klägerin nicht gefolgt werden, dass der kartellrechtliche Einwand von vornherein unbegründet ist und es der Beklagten allein um die Anlegung eines anderen Umlagemaßstabes geht. Ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Preisdifferenzen ist von der Klägerin nicht vorgetragen und auch sonst nicht zu erkennen. Der Verweis der Klägerin auf nicht näher bezeichnete, in der Gebietsstruktur der Stadt ...... begründete Unterschiede zu anderen Kommunen genügt insoweit nicht. Die Preisunterschiede können auch nicht darauf zurückgeführt werden, dass die Stadt ...... die Nutzungsverhältnisse privatrechtlich ausgestaltet hat, während einige der Vergleichsstädte öffentlich-rechtliche Gebühren erheben. Denn die Stadt ...... ist auch im Rahmen von privatrechtlich ausgestalteten Nutzungsverhältnissen an die grundlegenden Prinzipien des öffentlichen Finanzgebarens gebunden, zu denen insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung zählen (BGH, Urteil vom 17.05.2017 - VIII ZR 245/15 Rn 19; zit. nach juris).

(2.2) Die Beklagte hat zudem hinreichend zu einem möglichen Preisstrukturmissbrauch nach § 19 Abs. 2 Nr. 3 GWB vorgetragen. Danach ist verboten die Preispolitik eines Anbieters, wenn sie in sich widersprüchlich, willkürlich oder sonst nicht sachlich zu rechtfertigen ist (Preisspaltung), etwa bei großen Preisunterschieden zwischen verschiedenen Waren oder Dienstleistungen, die durch die Unterschiede in den Kosten oder sonstige Gründe nicht zu rechtfertigen sind. Aus dem Verbot der Preisspaltung leitet sich u.a. die Pflicht ab, ungleiche Fälle dem Maße der Ungleichheit entsprechend ungleich zu behandeln. Darauf bezieht sich der Vortrag der Beklagten, die von der Stadt ...... eine kostenverursachungsgerechte Preiskalkulation und Preisbildung verlangt.

Der Vortrag der Beklagten zur individuellen Entwässerungssituation ist hinreichend substantiiert, um eine ernsthafte kartellrechtliche Prüfung dahin zu veranlassen, ob die dargelegten Preisunterschiede noch sachlich gerechtfertigt oder bereits als willkürlich zu bewerten sind. Ob letztlich eine sachlich nicht gerechtfertigte Preisgestaltung und damit ein Verstoß gegen § 19 Abs. 2 Nr. 3 GWB vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage und nicht im Zusammenhang mit der Bestimmung der Zuständigkeit zu entscheiden.

d) Die aufgezeigten kartellrechtlichen Vorfragen sind aber - derzeit - nicht entscheidungserheblich. Zwar wären sie für die Frage, ob der Klägerin der geltend gemachte Zahlungsanspruch zukommt, relevant, weil im Falle eines Verstoßes der Stadt ...... gegen § 19 GWB die Klägerin die Zahlung der nach der Entgeltordnung berechneten Beträge nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe von der Beklagten verlangen könnte. Wie sich aus dem Wortlaut des § 87 S. 2 GWB ergibt ("abhängt") muss die kartellrechtliche Vorfrage über diese Relevanz hinaus aber zudem in dem Sinne entscheidungserheblich sein, dass der Rechtsstreit ohne ihre Beantwortung nicht entschieden werden kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.10.2018 - 15 U 28/18 Rn 7; zit. nach juris). Eine Zuständigkeit der Kartellgerichte besteht also nicht, wenn der Rechtsstreit auch ohne die Klärung der kartellrechtlichen Vorfrage entscheidungsreif ist (Dicks, a.a.O, § 87 GWB Rn 19). Dies ist aber derzeit der Fall. Für die entsprechende Feststellung hat das Nichtkartellgericht eine über eine bloß summarische Würdigung des Parteivorbringens hinausgehende, vollwertige Prüfung der Sach- und Rechtslage durchzuführen und auf dieser Grundlage die Beurteilung vorzunehmen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2018 - VI U (Kart) 20/17; zit. nach juris).

An der Entscheidungserheblichkeit des Kartelleinwandes in diesem Sinne fehlt es zwar nicht im Hinblick auf die Geltendmachung der streitgegenständlichen, der Stadt ...... zustehenden Forderung durch die Klägerin, denn die Klägerin handelt hier in zulässiger gewillkürter Prozeßstandschaft. Anderes gilt aber für die von der Beklagten zugleich mit dem Einwand der Kartellrechtswidrigkeit erhobene Rüge, die Preisgestaltung der Klägerin sei unbillig (§ 315 Abs. 3 BGB). Diese greift nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch, weil es an ausreichend substantiiertem Vortrag der Klägerin zu der Preisbildung der Stadt ...... fehlt. Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht deshalb derzeit auch keine Notwendigkeit für eine Beweisaufnahme, die der Entscheidungsreife des Rechtsstreits entgegenstehen könnte.

aa) Nach dem Sach- und Streitstand zu dem in der Berufungsinstanz maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung vor dem Senat hätte die mit der Unbilligkeit der Preisgestaltung begründete Rechtsverteidigung der Beklagten Erfolg, die Klage wäre abzuweisen. Die Klägerin ist auf der Grundlage des zwischen der Stadt ...... und der Beklagten bestehenden Vertrages über die Niederschlagsentwässerung zur Geltendmachung der sich aus den jeweiligen Entgeltordnungen ergebenden Forderungen nur berechtigt, soweit die im Streit stehenden einseitig festgelegten Entgeltordnungen und die diesen zugrundeliegenden Umlagemaßstäbe einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB standhalten.

(1). Die Vorschrift des § 315 Abs. 3 BGB findet Anwendung auf die von der Stadt ...... einseitig festgelegten Preise, weil sich der von der Klägerin geltend gemachte Entgeltanspruch aus einem privatrechtlichen Benutzungsverhältnis ergibt.

Die Stadt ...... als Abwasserentsorgungsverpflichtete nach § 66 Abs. 1 WasserG erhebt nach § 14 ihrer Abwassersatzung ein privatrechtliches Abwasserentgelt nach Maßgabe der Allgemeinen Entsorgungsbedingungen für Abwasser (AEB-A) für das Sammeln, Fortleiten, Behandeln und Einleiten von Abwässern, wozu nach § 4 der Satzung auch Niederschlagswasser zählt. § 2 AEB-A stellt klar, dass die Abwasserentsorgung aufgrund eines Abwasserentsorgungsvertrages durchgeführt wird. Dadurch entsteht ein im Bereich der Daseinsvorsorge zulässiges privatrechtlich ausgestaltetes Benutzungsverhältnis, in welchem aufgrund des sich aus § 7 der Abwassersatzung der Stadt ...... ergebenden Anschluss- und Benutzungszwangs die von der Stadt ...... einseitig festgesetzten Tarife und Leistungsbedingungen ohne besondere Einbeziehungsvereinbarung im Sinne des § 305 Abs. 2 BGB gelten (vgl. BGHZ 163, 321 Rn 5 f.; zit. nach juris).

(2) Die Beklagte ist berechtigt, gegenüber der Entgeltordnung der Stadt ......, die jährlich die Höhe des Entgelts festlegt, die Einrede der unbilligen Tariffestsetzung zu erheben.

Tarife von Unternehmen, die mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfall angewiesen ist, müssen nach billigem Ermessen festgesetzt werden und sind einer Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 Abs. 3 BGB unterworfen (BGH, Urteil vom 17.05.2017 - VIII ZR 245/17 Rn 17; BGHZ 163, 321 Rn 11 mwN; 115, 311 Rn 22 m.w.N.; jew. zit. nach juris). Kommt dem Unternehmen eine Monopolstellung zu oder besteht ein Anschluss- und Benutzungszwang muss der Kunde, wenn er die Leistung in Anspruch nehmen will, mit dem Unternehmen kontrahieren, auch wenn er mit dem vorgeschriebenen Preis oder Tarif nicht einverstanden ist (BGH, Urteil vom 17.05.2017 - VIII ZR 245/17 Rn 17; BGHZ 172, 315 Rn 33; jew. zit. nach juris). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz begründet sich - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht daraus, dass vorliegend Kosten der öffentlichen Aufgabe der Abwasserbeseitigung geltend gemacht werden, denn wenn die öffentliche Hand Aufgaben der Daseinsvorsorge in privatrechtlicher Form organisiert, muss sie es hinnehmen, dass der privatrechtliche Gehalt solcher Benutzungsverhältnisse der Kontrolle der ordentlichen Gerichte nach den für das Privatrecht maßgebenden Rechtssätzen unterliegt (BGHZ 115, 311, Rn 25; zit. nach juris). Dass bei der Festsetzung der Tarife und Entgelte öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten sind, steht dabei der Billigkeitskontrolle nicht entgegen (BGH, Urteil vom 17.05.2017 - VIII ZR 245/17 Rn 19; BGHZ 115, 311 Rn 27; jew. zit. nach juris).

(3) Ob die in den Entgeltordnungen durch die Stadt ...... vorgenommene Preisbestimmung der Billigkeit entspricht, ist auf Grundlage einer Abwägung der typischen Interessen der Vertragspartner wie auch der übrigen Anschlussnehmer sowie einer umfassenden Würdigung des Vertragszwecks zu bestimmen. Geprägt wird diese Billigkeitskontrolle dabei maßgeblich durch den Umstand, dass die Stadt ...... auch im Rahmen privatrechtlich ausgestalteter Benutzungsverhältnisse an die grundlegenden Prinzipien des öffentlichen Finanzgebarens gebunden ist, denen ein beachtlicher Gerechtigkeits- und Billigkeitsgehalt innewohnt. Dazu zählen namentlich die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Äquivalenz und der Kostendeckung. Diese sind insgesamt darauf angelegt zu gewährleisten, dass das Gebührenaufkommen die Gesamtkosten der jeweiligen Einrichtung der Daseinsvorsorge deckt, aber nicht übersteigt (§ 6 Absatz 1 Satz 3 KAG), zwischen Leistung und Gegenleistung ein angemessenes Verhältnis besteht, die Gebühr insbesondere nicht in einem groben Missverhältnis zu der erbrachten Leistung steht (§ 6 Abs. 4 Satz 1 KAG), und schließlich bei gleichartig beschaffenden Leistungen die Maßstäbe der Heranziehung in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so gewählt sind, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in den Nutzungen Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Nutzern gewahrt bleibt (BGH, Urteil vom 17.05.2017 - VIII ZR 245/15, Rn 19 f.; vom 20.05.2015 - VIII ZR 136/14, Rn 34; vom 08.07.2015 - VIII ZR 106/14 Rn 27; jew. m. w. N. und zit. nach juris).

bb) Der Vortrag der Klägerin lässt die Berücksichtigung dieser Grundsätze bei der Preisgestaltung in den hier betroffenen Entgeltordnungen der Jahre 2015 bis 2017 nicht erkennen. Ihr obliegt aber insoweit die Darlegungslast. Denn dass die Grundsätze der Billigkeit eingehalten sind, hat derjenige darzulegen und zu beweisen, der für sich das Leistungsbestimmungsrecht in Anspruch nimmt, weil typischerweise nur er dazu in der Lage ist (BGHZ 115, 311 Rn 40; BGH, Urteil vom 20.07.2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 Rn 27 - Stromnetznutzungsentgelt IV; jew. zit. nach juris).

Der Vortrag der darlegungsbelasteten Klägerin genügt insoweit nicht. Sie verweist insoweit lediglich auf die Regelungen des KAG bzw. auf den Grundsatz der Solidargemeinschaft der Einrichtungsnutzer. Dies ermöglicht allerdings nicht, nachzuvollziehen, ob die Stadt ...... mit dem von ihr bestimmten Umlagemaßstab der Größe der versiegelten Fläche den sich aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Anforderungen nachgekommen ist, die Maßstäbe für die Gebührenbemessung so zu wählen, dass wesentlich gleiche Sachverhalte nicht ungleich behandelt werden, ob sie die Grenzen des ihr zukommenden Auswahlermessens unter verschiedenen möglichen Gebührenmaßstäben eingehalten oder ob sie durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigte Typisierungen und Pauschalierungen vorgenommen hat. Die Klägerin hat ferner keine Tatsachen vorgetragen, die eine Prüfung zulassen, ob die erhobenen Entgelte wie die Beklagte behauptet, wegen der Ableitung des Niederschlagswassers auf kurzem Weg in die Spr... in einem groben Missverhältnis zu der damit abgegoltenen Leistung stehen oder ob sie sich innerhalb des ihr zustehenden weiten Entscheidungs- bzw. Gestaltungsspielraums gehalten hat. Zudem fehlt es - vor dem Hintergrund der von der Beklagten angeführten Vergleichspreise - an Vortrag, der nachvollziehen ließe, ob die Klägerin im Hinblick auf die Höhe der in der Entgeltordnung festgelegten Tarife gegen den Kostendeckungsgrundsatz bzw. das Kostenüberschreitungsverbot verstoßen hat (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17.05.2017 - VIII ZR 245/15 Rn 41; Urteil vom 20.05.2015 - VIII ZR 136/14, Rn 34; jew. zit. nach juris).

3. Im Ergebnis ist mangels Entscheidungserheblichkeit des von der Beklagten erhobenen kartellrechtlichen Einwandes die Zuständigkeit der Kartellgerichte derzeit nicht begründet. Das auf die Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage beschränkte landgerichtliche Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, § 528 Abs. 2 Nr. 3 ZPO.

Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Landgericht der Klägerin Gelegenheit zu geben haben, zu den von ihr nach § 315 Abs. 3 BGB einzuhaltenden Vorgaben ergänzend Vortrag zu tätigen, denn dieser Gesichtspunkt ist bislang vor dem Landgericht nicht erörtert worden. Sollte danach der von der Beklagten erhobene Einwand der Unbilligkeit der Preisbildung ausgeräumt werden, wird die Zuständigkeit des Kartellgerichts nochmals zu prüfen sein. Denn die kartellgerichtliche Zuständigkeit kann auch nachträglich begründet werden, der Grundsatz der perpetuatio fori gilt insoweit nicht (Bornkamm, a.a.O., Rn 25).

Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Landgericht zudem zu prüfen haben, ob die aufgezeigten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Sache einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Einzelrichter entgegenstehen, also einer Entscheidung durch die Kammer bedürfen, § 348 Abs. 3 Nr. 1 2 ZPO.

4. Der Senat hat die Rechtsausführungen in dem unter dem 25.07.2019 eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagtenseite zur Kenntnis genommen. Der Schriftsatz gab zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass, § 156 ZPO.

III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Entgegen der Anregung der Beklagten war nicht auszusprechen, dass die Kosten des Berufungsverfahrens nicht erhoben werden, § 21 GKG. Voraussetzung wäre das Vorliegen eines offensichtlichen schweren Fehlers, der allerdings in der unzutreffenden Annahme einer kartellrechtlichen Streitigkeit durch das Landgericht nicht begründet ist.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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