Brandenburgisches OLG, Urteil vom 13.06.2018 - 4 U 15/18
Fundstelle
openJur 2020, 38998
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 5. Januar 2018, Az. 1 O 68/16, teilweise abgeändert und - bezüglich des geänderten Datums des Widerrufs lediglich klarstellend - wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus den Darlehensverträgen mit den Nummern 780645... (6480654...), 780654... (6480654...) sowie 780654... (6480654...) ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom 17. November 2014 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte EUR 99.346,83 nebst Zinsen in Höhe von 3 % p.a. seit dem 31. Dezember 2017 aus 75.629,48 € und aus 23.717,35 € ab dem 3. Oktober 2017 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 80 % und die Beklagte 20 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für die erste Instanz wird den Beschluss des Landgerichts vom 13. März 2018 abändernd auf 157.393,16 € festgesetzt. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 105.845,38 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrags und die sich daraus ergebenden Folgen.

Die Beklagte gewährte den Kläger mit vier Verbraucherverträgen

1. vom 13./17. April 2007 unter der Kontonummer Nr. 780654... (später 6480654..., im Folgenden: -...) zu einem bis zum 30. April 2017 festgeschriebenen Zinssatz von 4,66 % p.a. ein Darlehen über einen Nominalbetrag von 55.500,00 € mit einer Laufzeit bis August 2044,

2. vom 13./17. April 2007 unter der Kontonummer Nr. 780654... (später: 6480654... im Folgenden: -7...) zu einem bis zum 30. April 2017 festgeschriebenen Zinssatz von 4,69 % p.a. ein Darlehen über einen Nominalbetrag von 35.000,00 € mit einer Laufzeit bis April 2017,

3. vom 13./17. April 2007 unter der Kontonummer Nr. 780654... (später: 6480654... im Folgenden: -5...) zu einem bis zum 30. April 2017 festgeschriebenen Zinssatz von 5,18 % p.a. ein Darlehen über einen Nominalbetrag von 75.000,00 € mit einer Laufzeit bis März 2036,

4. vom 4. Mai 2007 unter der Kontonummer Nr. 780654... (später: 6480654... im Folgenden: -6...) zu einem bis zum 30. Juni 2017 festgeschriebenen Zinssatz von 4,40 % p.a. ein Darlehen über einen Nominalbetrag von 30.000 € mit einer Laufzeit bis Juni 2037.

Den Darlehensverträgen war jeweils eine Widerrufsbelehrung beigefügt, die unter anderem folgende Formulierung enthielten:

"WiderrufsbelehrungSie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs."

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K1 zur Akte gereichten Ablichtungen der Verträge nebst Widerrufsbelehrungen Bezug genommen (Bl. 19 ff. d.A.).

Die Darlehen dienten der Finanzierung privat genutzter Immobilie der Klägerin und wurden durch eine Buchgrundschuld am finanzierten Objekt ...straße 3 in B... abgesichert. Bei dem Darlehen -6... handelte es sich um ein KfW-Förderdarlehen.

Für die Verträge -..., - 7.. und -5... wurde ab dem 1. Mai 2017, für den Vertrag - 6... ab dem 1. Juli 2017 ein einheitlicher Zinssatz von 3,00 % p.a. vereinbart.

Die Darlehen wurden vollständig valutiert und in der Folge vertragsgemäß bedient.

Mit Kaufvertrag vom 10. Juni 2013 veräußerte die Klägerin eine Teilfläche der von ihr finanzierten Immobilie. Anschließend teilte sie der Beklagten mit Schreiben vom 15. Juli 2013 mit, dass sie ihre Verbindlichkeiten aus dem Darlehen -5... ablösen wolle. Daraufhin berechnete die Beklagte die für die vorzeitige Vertragsablösung anfallende Vorfälligkeitsentschädigung sowie die Gesamtablösesumme und teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom 28. August 2013 mit. Am 4. November 2013 erbrachte die Klägerin die angeforderte Gesamtablösesumme in Höhe von 77.122,22 €. Mit Schreiben vom 6. November 2013 bestätigte die Beklagte der Klägerin den Eingang des Zahlungsbetrags und informierte sie über die Zusammensetzung des Ablösebetrags. Den über den errechneten Betrag hinausgehenden von der Klägerin gezahlten Betrag in Höhe von 1.056,84 € erstatte die Beklagte auf das Hausbankkonto der Klägerin (B3, Bl. 155 f. d.A.). Insgesamt leistete die Klägerin auf das Darlehen -5... Zahlungen in Höhe von 105.845,38 €.

Mit Schreiben vom 17. November 2014 (K2, Bl. 50 d.A.) erklärte die Klägerin den Widerruf der Darlehensverträge. Die Beklagte wies den Widerruf der Klägerin mit Schreiben vom 24. November 2014 zurück (K3, Bl. 51 d.A.).

Bis zum Widerruf leistete die Klägerin auf das Darlehen -... Zahlungen in Höhe von 26.313,35 €, auf das Darlehen -7... in Höhe von 12.324,77 € und auf das Darlehen -6... in Höhe von 12.909,66 €. Nach dem Widerruf zahlte die Klägerin die monatlichen Raten bezüglich des Darlehens -... in Höhe von 261,78 € und bezüglich des Darlehens -7... in Höhe von 136,79 € sowie bezüglich des Darlehens -6... die Quartalsraten in Höhe von 459,04 €. Zu den weiteren Einzelheiten der erfolgten Zahlungen wird auf die als Anlagen B1, B2 und B4 zur Akte gereichen Darlehenskontoauszügen Bezug genommen (Bl. 133 ff., 157 ff. d.A.).

Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Januar 2015 ließ die Klägerin die Verträge nochmals widerrufen und zur Neuberechnung der Darlehen auffordern (K4, Bl. 52 ff. d.A.). Die Beklagte vertrat mit Schreiben vom 16. Februar 2015 die Ansicht, dass der Widerruf wegen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung wirksam sei, jedenfalls seine Ausübung treuwidrig und das Widerrufsrecht verwirkt sei (K4, Bl. 55 ff. d.A.).

Die Klägerin hat mit näherer Darlegung die Ansicht vertreten, der Widerruf sei mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung wirksam und auch nicht verwirkt. Sie hat - neben der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten - zunächst beantragt, festzustellen, dass die Darlehensverträge durch ihre Erklärung vom 17. November 2014 wirksam widerrufen worden seien. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15 - hat sie den Feststellungsantrag mit Schriftsatz vom 13. Juli 2017 dahingehend "klargestellt", dass beantragt werde, festzustellen, dass die Beklagte aus den Darlehensverträgen ab dem Zugang der Willenserklärung vom 17. November 2014 kein Anspruch mehr auf Vertragszins und vertragsgemäße Tilgung zustehe.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Klageabweisung beantragt. Sie hat behauptet, sie habe bei dem Darlehen -6... nur als Durchleiter an die KfW fungiert. Diesbezüglich habe sie am 30. April 2017 eine Refinanzierungsvereinbarung geschlossen, die sie in Ablichtung als Anlage B29 vorgelegt hat (Bl. 473 f. d.A.). Aufgrund dieser Vereinbarung seien von dem Zinsanteil der Annuität nur 0,75 % p.a. bei ihr verblieben. Zum Nachweis hat sie als Anlage B30 (Bl. 475 f. d.A.) die Übersicht für sämtliche seit Valutierung an die KfW geleisteten Zins- und Tilgungsanteile vorgelegt.

Sie hat mit näherer Darlegung die Ansicht vertreten, der Feststellungsantrag in seiner ursprünglichen Form sei bereits unzulässig. Die Klage sei im Übrigen unbegründet, da der Widerruf unwirksam sei. Die Widerrufsbelehrung sei nicht zu beanstanden, jedenfalls sei die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich und das Recht zum Widerruf verwirkt. Der Einwand der Verwirkung gelte insbesondere für den Darlehensvertrag -5..., da sich aufgrund der vollständigen Erfüllung der beiderseitigen Vertragspflichten das Vertragsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt des Widerrufs als abgeschlossener Lebenssachverhalt dargestellt habe. Aufgrund der vollständigen und beanstandungsfreien Vertragsabwicklung habe sie nicht damit rechnen müssen, dass die Klägerin von einem etwa noch bestehenden Widerrufsrecht Gebrauch machen würde. In der vollständigen Erfüllung eines Dauerschuldverhältnisses unter beiderseitiger Mitwirkung liege ein Umstandsmoment, das eine weitere Geltendmachung von mit dem Vertrag einhergehenden Rechten ausschließe.

Für den Fall, dass das Gericht den Widerruf für wirksam erachte, hat sie widerklagend ursprünglich beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 104.258,14 € nebst Zinsen ab dem 1. April 2016 in Höhe von 4,66 % p.a. aus 45.665,04 €, in Höhe von 4,79 % p.a. aus 34.228,85 € und in Höhe von 4,40 % p.a. aus 26.005,46 € zu zahlen. Hierzu hat sie ausgeführt, sie habe im Fall eines wirksamen Widerrufs einen Anspruch auf Rückgewähr der gesamten Darlehensvaluta und der gezogenen Nutzungen in Höhe des jeweiligen Vertragszinses, während die Klägerin die Rückzahlung ihrer bis Widerruf geleisteten Zahlungen sowie bezüglich der Darlehen -..., -7... und -5... einen Anspruch auf Nutzungswertersatz in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die jeweils gesamte Darlehensvaluta habe. Bezüglich des Darlehens -6... bestehe ein derartiger Anspruch hingegen nicht, weil die Zahlungen der Klägerin wirtschaftlich nicht bei ihr verblieben, sondern an die KfW weitergeleitet worden seien. Von dem Nutzungswertersatzanspruch der Klägerin seien Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag abzuziehen. Nach Widerruf erbrachte Leistungen der Klägerin seien als Tilgungsleistungen auf die nach Widerruf bestehenden Ansprüche zu betrachten. Zu den Einzelheiten wird auf die als Anlagen B24 bis B27 vorgelegten Berechnungen Bezug genommen (Bl. 248 ff. d.A.). Für den Fall, dass der Widerruf der Klägerin als wirksam angesehen werden sollte, hat sie in der Klageerwiderung die Aufrechnung gegen die Ansprüche der Klägerin erklärt.

Nach mehrfacher Aktualisierung der Berechnungen bezüglich der Hilfswiderklage im Hinblick auf erfolgte Zahlungen hat sie zuletzt mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 ihren Hilfswideranklageantrag aktualisiert und hilfsweise beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 95.276,15 € zzgl. Zinsen in Höhe von 3,00 % p.a. aus 71.161,55 € ab dem 31. Dezember 2017 sowie weiteren Zinsen in Höhe von 3,00 % p.a. aus 24.113,60 € ab dem 3. Oktober 2017 zu zahlen. Insoweit hat sie ausgeführt, die Berechnung berücksichtige die Verrechnung des im Zeitpunkt des Zugangs der Widerrufserklärung aus dem Darlehen -5... zugunsten der Klägerin bestehenden Saldos mit dem im Zeitpunkt des Zugangs der Widerrufserklärung zugunsten der Beklagten bestehenden Saldos aus dem Darlehen -7.... Sie hat insoweit als Anlagen B33 bis B35 (Bl. 516 ff. d.A.) aktualisierte Berechnungen vorgelegt, bei denen sie als Grundlage für den Nutzungswertersatzanspruch der Klägerin eine Kapitalrendite zugrunde gelegt hat und zudem für das Darlehen -6... den Nutzungswertersatzanspruch nur auf Grundlage der nach ihrer Ansicht bei ihr verbleibenden Marge berechnet hat. Zudem hat die Beklagte einen Abzug von Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag vorgenommen. Ergänzend hat sie als Anlagen B36 bis B39 (Bl. 534 ff. d.A.) eine Alternativberechnung zur Akte gereicht, bei der kein Abzug der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags vorgenommen und der Nutzungswertersatzanspruch der Klägerin mit 2,5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ermittelt worden ist. Der Nutzungswertersatzanspruch bezüglich des Darlehens -6... ist bezugnehmend auf die nach Ansicht der Beklagten bei ihr verbliebene Marge ermittelt worden. Nach diesen Berechnungen nahm die Beklagte bei Widerruf einen Anspruch zu ihren Gunsten bezüglich des Darlehens -... in Höhe von 45.467,76 €, bezüglich des Darlehens - 7... in Höhe von 33.887,83 € und bezüglich des Darlehens -6... in Höhe von 26.358,46 € an. Bezüglich des Darlehens -5... nahm sie einen Anspruch zugunsten der Klägerin in Höhe von 11.854,66 € an, den sie auf den Saldo des Darlehens -7... verrechnete.

Die Klägerin ist im Hinblick auf die Hilfswiderklage der Ansicht gewesen, ihr stehe ein Nutzungswertersatzanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu. Der Beklagten hingegen stehe kein Nutzungswertersatzanspruch zu, insbesondere nicht bezüglich des Darlehens -6..., da sie insoweit nach ihrem eigenen Vortrag lediglich eine Durchleiterfunktion gehabt habe.

Ab Widerruf könne sie schon deswegen keinen Nutzungswertersatzanspruch verlangen, weil sie sich seit dem 28. Januar 2015 in Gläubigerverzug befunden habe.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht auf die Klage hin festgestellt, dass der Beklagten aus den vier Darlehensverträgen ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom 17. November 2015 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zustehe, und die weitergehende Klage auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abgewiesen. Auf die hilfsweise für den Fall der Wirksamkeit des Widerrufs erhobene Widerklage hat sie unter Zurückweisung der Widerklage im Übrigen die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 85.783,03 € nebst Zinsen in Höhe von 3 % seit dem 31. Dezember 2017 aus 62.065,68 € und aus 23.717,35 € ab dem 3. Oktober 2017 zu zahlen. Die Kosten hat das Landgericht der Klägerin zu 25 % und der Beklagten zu 75 % auferlegt.

Zur Begründung hat das Landgericht - soweit in der Berufungsinstanz noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt, der zulässige Feststellungsantrag sei begründet, weil die Klägerin die Darlehensverträge wirksam widerrufen habe. Die Widerrufsbelehrung hat das Landgericht mit näheren Darlegungen wegen der Formulierung die Widerrufsfrist beginne "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" als ungenügend angesehen und der Beklagten wegen der fehlenden Zwischenüberschrift "Widerrufsrecht" auch eine Berufung auf die Gesetzlichkeitsfiktion versagt. Ebenso sei keine Verwirkung des Widerrufsrechts gegeben; die Ausübung des Widerrufsrechts sei auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Bei der Ermittlung des widerklagend geltend gemachten Anspruchs der Beklagten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der der Klägerin zustehenden Nutzungsersatzanspruch bis zum Widerruf auf der Grundlage eines Zinssatzes in Höhe von 2,5 Prozentpunkten zu errechnen und hiervon nicht Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag abzuziehen seien. Für die Berechnung des der Beklagten zustehenden Wertersatzes für Nutzungen hat es den Vertragszins zugrunde gelegt. Insgesamt ist es bei der Ermittlung des Anspruchs der von der Beklagten als Anlagen B36 bis B39 (Bl. 534 ff. d.A.) vorgelegten Hilfsberechnung gefolgt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihre Berufung, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung bezüglich des Darlehens -5... weiter verfolgt und geltend macht, im Rahmen der Widerklage könne aufgrund eines nicht wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrags -5... keine Verrechnung mit dem Rückabwicklungssaldo des Darlehensvertrags - 7... erfolgen. Zudem greift sie die erstinstanzliche Kostenentscheidung an. Gegen die Entscheidung im Hinblick auf die Widerruflichkeit der Darlehensverträge zur -7..., -... und -6... und die rechtliche Bewertung der Rückabwicklungsfolgen wendet sie sich ausdrücklich nicht.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Feststellungsklage sei bezüglich des Vertrags -5... schon unzulässig, weil sie sich aufgrund der vollständigen Ablösung des Vertrags keines Anspruchs gegen die Klägerin berühme. Im Übrigen sei der Antrag bezüglich des Darlehens -5... unbegründet, da dem Widerruf insoweit der Einwand der Verwirkung entgegenstehe und zudem die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich sei. Die vollständige und beanstandungsfreie Vertragsabwicklung bilde eine Zäsur mit der Folge, dass aus ihrer Sicht in diesem Zeitpunkt nach vollständiger Vertragsabwicklung ein in sich abgeschlossener Vorgang und damit auch ein Vertrauenstatbestand vorgelegen hätten. Bei einer derartigen Konstellation habe sie redlicherweise nicht mehr damit rechnen müssen, dass die Klägerin diesen Vorgang wieder aufgreife und von einem ihr tatsächlich oder vermeintlich zustehenden Widerrufsrecht Gebrauch mache, sondern habe auf den Bestand der beiderseitigen Erfüllung vertrauen dürfen.

Unter Berücksichtigung des nicht wirksamen Widerrufs des Darlehens -5... mit der Folge, dass insoweit kein Rückabwicklungssaldo zugunsten der Klägerin bestehe, ergebe sich ein noch bestehender Anspruch aus den Darlehen -..., -7... und 6... in Höhe von insgesamt 99.346,83 €, wobei sie die Berechnung bezüglich des Darlehens -7... im Einzelnen mit der als Anlage BK5 vorgelegten Berechnung dargelegt hat (Bl. 643 ff. d.A.).

Zudem ist die Beklagte der Ansicht, die Kostenentscheidung erster Instanz hätte eine Quote von 86 % zu Lasten die Klägerin ausweisen müssen. Das Landgericht hätte berücksichtigen müssen, dass die ursprüngliche Fassung des Feststellungsantrags, dass die Darlehensverträge in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt worden seien, unzulässig gewesen und die Klage im Hinblick auf die Rechtsanwaltskosten abgewiesen worden sei. Der neu gestellte Feststellungsantrag sei nach § 9 ZPO zu bewerten und habe insgesamt nur einen Wert von 17.006,54 €, während der ursprüngliche Feststellungsantrag mit 157.393,18 € zu bewerten gewesen sei. Die Kostenquote sei unter Berücksichtigung der Widerklage durch Bildung eines fiktiven Streitwerts zu bemessen, wobei die Erhöhung des Streitwerts aufgrund der ursprünglichen Stellung des Feststellungsantrags der Klägerin zur Last falle.

Sie beantragt,

unter teilweiser Abänderung und Neufassung des am 5. Januar 2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, Az. 1 O 68/16,

1. den Entscheidungstenor zu 1.) dahingehend abzuändern, dass festgestellt wird, dass ihr aus den Darlehensverträgen 780645... (6480654...), 780654... (6480654...) sowie 780654... (6480654...) ab dem Zugang der Widerrufserklärung vom 17. November 2014 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zusteht;

2. unter Neufassung des Entscheidungstenors zu 3.) (und zu 4.) das Urteil dahingehend abzuändern, dass die Klägerin auf die Widerklage verurteilt wird, an sie EUR 99.346,83 nebst Zinsen in Höhe von 3 % p.a. seit dem 31. Dezember 2017 aus 75.629,48 € und aus 23.717,35 € ab dem 3. Oktober 2017 zu zahlen;

3. den Entscheidungstenor zu 5.) dahin abzuändern, dass die Kosten des Rechtsstreits zu 86 v.H. die Klägerin und zu 14. v.H. die Beklagte zu tragen hat.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, dass sie an ihrem Bestreiten, dass die Beklagte zum Darlehen -6... einen Refinanzierungsdarlehensvertrag abgeschlossen habe und dieser nur eine Bruttomarge von 0,75 % verblieben sei, festhalte.

Zudem sei keine Verwirkung bezüglich des Darlehens -5... gegeben. Es sei zu beachten, dass die Beklagte die Verwirkung in dem Schreiben vom 24. November 2015 (K3, Bl. 51 d.A.) nicht geltend gemacht habe. Im Übrigen habe die Beklagte die gestellten Sicherheiten gerade nicht freigegeben, zumal es sich um eine nach wie vor laufenden Gesamtgeschäftsbeziehung mit der Klägerin gehandelt habe, die insgesamt durch die Grundschuld am finanzierten Objekt abgesichert gewesen seien. Vor diesem Hintergrund habe die Vertragsabwicklung gerade keine Zäsur mit der Folge, dass aus Sicht der Beklagten in diesem Zeitpunkt ein in sich abgeschlossener Vorgang und damit ein Vertrauenstatbestand vorgelegen hätten, dargestellt. Im Übrigen sei nicht nachvollziehbar, warum die Forderung der Widerklage im Berufungsrechtszug höher sei als in der ersten Instanz.

Die Kostenquote sei zutreffend ermittelt, insbesondere habe die sachdienliche Klageänderung keine Auswirkung auf die Kostenquote, zumal die ursprünglichen Anträge ohnehin entsprechend hätten ausgelegt werden müssen.

II.

1. Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2. Die Berufung hat hinsichtlich der Hauptsache in vollem Umfang Erfolg.

a) Die Berufung richtet sich allein dagegen, dass das Landgericht den Widerruf des Darlehensvertrags -5... nicht wegen Verwirkung oder Rechtsmissbräuchlichkeit als unwirksam erachtet, deswegen dem Feststellungsantrag bezüglich dieses Darlehens stattgegeben und zugunsten der Klägerin bei der Ermittlung des Anspruchs der Hilfswiderklage einen positiven Anspruch aus dem Darlehen -5... berücksichtigt habe.

b) Inwieweit der Feststellungsantrag bezüglich des Darlehens -5... ein Feststellungsinteresse fehlte, da sich die Beklagte keines Anspruchs aus Zins und Tilgung mehr berühmte, kann dahinstehen, da der Feststellungsantrag jedenfalls in der Sache abweisungsreif ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 - XI ZR 127/16 -, Rn. 24, juris).

Denn, selbst wenn die Widerrufsbelehrung nicht ausreichend gewesen wäre, war das Recht zur Ausübung des Widerrufsrechts bezüglich des Darlehens -5... jedenfalls verwirkt.

aa)

Das Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 Satz 1 BGB kann wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ausgeschlossen, insbesondere verwirkt sein.

Ein absoluter Schutz des Verbrauchers, sein Widerrufsrecht im Falle fehlender oder fehlerhafter Belehrung nach vollständiger Durchführung des Vertrages zeitlich unbegrenzt ausüben zu können, ist weder europarechtlich geboten (s. EuGH, Urteil vom 10. April 2008 - C-412/06 - NJW 2008, 1865), noch dem nationalen Recht zu entnehmen. Anderes ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der Gesetzgeber das Widerrufsrecht im Falle fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung als unbefristetes ("ewiges") Widerrufsrecht ausgestaltet hat. Denn diese gesetzgeberische Entscheidung ändert nichts daran, dass der in § 242 BGB verankerte Grundsatz von Treu und Glauben in seiner Ausformung der Verwirkung als allen Rechten und Rechtspositionen immanente Schranke (vgl. dazu nur Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 242, Rn. 16) für das unbefristete Widerrufsrecht gilt (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 - BGHZ 211, 105, Rn. 18; Senat, Urteil vom 20. September 2017 - 4 U 187/16).

bb)

Die Voraussetzungen der Verwirkung des Widerrufsrechtes der Klägerin sind bezüglich des Darlehens -5... hier gegeben.

(1)

Eine Verwirkung als Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung kommt in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er hierzu in der Lage war, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde, sodass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen mithin besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (s. nur BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 - XII ZR 59/12 - NJW-RR 2014, 195; Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 - NJW 2016, 3518; Urteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15 - NJW 2017, 243). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich letztlich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalles (s. BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15 - NJW 2017, 2340; Urteil vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16 - BeckRS 2017, 107789 jeweils m.w.N.; Senat, Urteil vom 20. September 2017 - 4 U 187/16).

(2)

Ein die Annahme der Verwirkung rechtfertigendes Zeitmoment ist hier gegeben. Seit dem Abschluss des Darlehensvertrages am 13./17. April 2007 und der Widerrufserklärung am 17. November 2014 ist ein Zeitraum von 7 Jahren und sieben Monaten verstrichen. Diese Zeitspanne liegt innerhalb des Bereichs, in dem die obergerichtliche Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen das Zeitmoment für die Verwirkung eines Widerrufsrechts bejaht (vgl. Senat, Urteil vom 04.01.2017 - 4 U 199/15 - BeckRS 2017, 100187: 6 Jahre 7 Monate; OLG Bremen, Urteil vom 26.02.2016 - 2 U 92/15 - BeckRS 2016, 07345: 6 1/2 Jahre; OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.11.2016 - 6 U 50/16 - BeckRS 2016, 111423: 7 Jahre und 4 Monate; OLG Köln, Beschluss vom 18.09.2015 - 13 U 85/15 - BeckRS 2016, 09791: knapp 6 Jahre; OLG Köln, Urteil vom 25.01.2012 - 13 U 30/11 - BeckRS 2012, 09575: 7 Jahre; OLG Köln, Beschluss vom 13.04.2016 - 13 U 241/15 - BeckRS 2016, 09177: knapp 8 Jahre; OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 19.11.2014 - 19 U 74/14 - BeckRS 2015, 09124: 8 1/2 Jahre).

(3)

Auch das Umstandsmoment der Verwirkung ist vorliegend erfüllt.

Entscheidend hierfür ist in erster Linie das Verhalten des Berechtigten. Mit der Verwirkung soll die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Verpflichteten ausgeschlossen werden. Dementsprechend ist insoweit maßgebend, ob bei objektiver Beurteilung der Verpflichtete dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, ob er sich also darauf einrichten durfte, dass er mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauche.

Dieser Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden, sondern setzt das Hinzutreten weiterer Umstände voraus (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15 - BeckRS 2016, 17206). Dabei stehen das Zeitmoment und das Umstandsmoment insofern in Wechselwirkung zueinander, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und sind umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen zu stellen, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Oktober 2005 - XII ZR 224/03 - NJW 2006, 219; OLG Frankfurt, Urteil vom 19. November 2014 - 19 U 74/14 - BeckRS 2015, 09124; Senat, Urteil vom 20. September 2017 - 4 U 187/16).

Nach diesem Maßstab kommt hier zum einem dem Zeitmoment ein so erhebliches Gewicht zu, dass an das Umstandsmoment nur noch verhältnismäßig geringere Anforderungen zu stellen sind. Es genügt, dass die Klägerin das Darlehen am 4. November 2013 unter Einschluss der verlangten Vorfälligkeitsentschädigung vollständig zurückgeführt hatte. Denn nachdem sie das Darlehen zuvor über einen Zeitraum von mehr als sechseinhalb Jahren beanstandungsfrei bedient hatte und anschließend bis zum 17. November 2014 in keiner Weise zu erkennen gegeben habe, sich Rechte aus dem Vertrag vorbehalten zu wollen, musste die Beklagte - ungeachtet etwaig noch nicht abgelaufener handelsrechtlicher Aufbewahrungsfristen (§ 257 HGB) - nicht mehr damit rechnen, dass die Klägerin den zu diesem Zeitpunkt sieben Jahre und sieben Monate zurückliegenden rechtsgültigen Abschluss des Vertrages durch Ausübung ihres Widerrufsrechts noch in Frage stellen würde. Vielmehr durfte die Beklagte angesichts dieses Verhaltens der Klägerin darauf vertrauen, dass die Klägerin die Vertragsbeziehung als endgültig abgewickelten und abgeschlossenen Vorgang betrachtete.

Eine hiervor abweichende Würdigung rechtfertigt sich auch nicht aus einer Gesamtschau der übrigen Umstände des streitgegenständlichen Darlehensverhältnisses.

Die Beklagte muss sich insofern nicht entgegen halten lassen, sie könne ein schutzwürdiges Vertrauen schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt habe, indem sie der Klägerin keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt habe (so BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 - BGHZ 201, 101, Rn. 39 zum Widerrufsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG). Für das Verbraucherwiderrufsrecht nach § 355 BGB hat der Bundesgerichtshof dieser - auch in der Rechtsprechung bis dahin verbreiteten - Auffassung nämlich eine klare Absage erteilt (Urteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 - a.a.O., Rn. 41, und vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15 - NJW 2017, 243, Rn. 30). Dem tritt der Senat, wie bereits in seinem Urteil vom 17. Oktober 2012 - 4 U 194/11 - ausgeführt, bei; die fehlerhafte Widerrufsbelehrung, die das Bestehen eines "ewigen" Widerrufsrechts des Darlehensnehmers erst begründet, lässt sich nicht zugleich als Argument heranziehen, mit dem der darlehensgebenden Bank der Verwirkungseinwand von vornherein abgeschnitten wird.

Aus derselben Erwägung ist der Beklagten ein Berufen auf den Verwirkungseinwand auch nicht deshalb verwehrt, weil sie nicht von der Möglichkeit einer Nachbelehrung gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB Gebrauch gemacht hat. Davon abgesehen hatte sich die Situation für die Beklagte insofern mit der vollständigen Rückführung des Darlehens geändert. Denn die Möglichkeit der Nachbelehrung besteht zwar auch nach Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags von Gesetzes wegen fort. Eine Nachbelehrung ist indessen nach Vertragsbeendigung sinnvoll nicht mehr möglich, weil die Willenserklärung des Verbrauchers - deren fortbestehende Widerruflichkeit in das Bewusstsein des Verbrauchers zu rücken Ziel der Nachbelehrung ist - für den Verbraucher keine in die Zukunft gerichteten wiederkehrenden belastenden Rechtsfolgen mehr zeitigt (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15 - a.a.O., Rn. 41; Senat, Urteil vom 20. September 2017 - 4 U 187/16).

Der Annahme einer Verwirkung lässt sich in der hier in Rede stehenden Fallgestaltung ferner nicht mit dem Argument begegnen, dass schützenswertes Vertrauen in den Bestand eines Verbraucherdarlehensvertrages bei dem Darlehensgeber nicht entstehen könne, wenn dem Kunden keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt worden sei, weil das Verhalten eines Kunden, der von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis habe, keinen Schluss darauf zulasse, er werde von dem ihm zustehenden Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen (zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02 - NJW 2003, 2529, 2530). Auch wenn diese Erwägung grundsätzlich zutreffend sein mag, ist doch zu bedenken, dass die Verwirkung eines Rechts nicht zwingend die Kenntnis des Berechtigten von seiner Berechtigung voraussetzt (BGH, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06 - NJW 2007, 2183, Rn. 8), sondern - wie eingangs ausgeführt - vorrangig darauf abzustellen ist, ob der Verpflichtete sich im Vertrauen auf das ihm erkennbare Verhalten des Berechtigten darauf einrichten konnte, dieser werde das ihm zustehende Recht nicht mehr geltend machen. Von daher kommt es vorliegend nicht maßgeblich darauf an, wann die Klägerin Kenntnis von dem Bestehen eines etwaigen Widerrufsrechts nach den §§ 495, 355 BGB erlangt hatte bzw. ob für die Beklagte Anlass zu der Annahme bestand, die Klägerin hätte das Bestehen eines Widerrufsrechtes geprüft oder auch nur in Betracht gezogen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte das für sie erkennbare Verhalten der Klägerin, nämlich die vollständige Rückzahlung des bis dahin über mehr als sechseinhalb Jahren bedienten Darlehens und deren anschließendes Untätigbleiben, dahin verstehen musste, dass auch die Klägerin die Vertragsbeziehung als endgültig beendet ansah. Dies ist hier auch nicht deswegen anders zu beurteilen, weil die Grundschuld die drei weiteren Darlehen weiterhin sicherte. Denn eine Sicherung von Ansprüchen bezüglich des Darlehens -5... erfolgte durch die Grundschuld nicht mehr.

Demgegenüber kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand nicht entsteht, wenn dem Schuldner klar ist, dass der Gläubiger von dem ihm zustehenden Anspruch keine Kenntnis hat (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 242 BGB, Rn. 95 m.w.N.). Denn ein solcher Fall ist hier nicht feststellbar. Dabei ist davon auszugehen, dass die Beklagte spätestens seit der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Dezember 2009 (VIII ZR 219/08 - NJW 2010, 989), mit der erstmals höchstrichterlich eine Widerrufsbelehrung des Inhalts, dass die Widerrufsfrist "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" beginne, als nicht ordnungsgemäß angesehen wurde, mit der Geltendmachung von Widerrufsrechten hinsichtlich der betreffenden Verträge rechnen musste. Dieses Wissen lässt indes nicht den Schluss zu, dass betreffende Darlehensnehmer, die keinen Widerruf erklären, dies allein aus Unkenntnis über die höchstrichterliche Rechtsprechung tun. Jedenfalls denkbar ist vielmehr auch, dass Darlehensnehmer etwa aus Scheu vor einem Rechtsstreit hiervon absehen.

Ausgehend von dem Vorstehenden durfte sich die Beklagte nicht nur darauf einrichten, sondern hat sich auch darauf eingerichtet (zu diesem Gesichtspunkt vgl. nur: BGH Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06 - a.a.O., Rn. 8), dass der Vertrag nicht mehr durch Widerruf in seinem Bestand in Abrede gestellt werden würde.

Die Beklagte hat dies bereits dadurch zu erkennen gegeben, dass sie mit Schreiben vom 6. November 2013 die vollständige Tilgung bestätigte und den überzahlten Betrag zurückgewährte.

Im Falle einer Bank, deren Geschäftsgegenstand darin besteht, mit den Geldern ihrer Kunden in der Weise zu arbeiten, dass einerseits Gelder verwahrt, andererseits Darlehen gegeben werden, ist offenkundig, dass zurückgezahlte Gelder neu verwendet und im Rahmen des Geschäftsbetriebes gewinnbringend genutzt werden (so bereits BGH, Urteil vom 1. Februar 1974 - IV ZR 2/72 - NJW 1974, 895, Rn. 9). Besonderen Vortrags der beklagten Bank, dass auch und gerade in Bezug auf die hier in Rede stehenden Gelder dementsprechend disponiert wurde, bedarf es in einer Konstellation wie der vorliegenden nicht (im Ergebnis ebenso: OLG Köln, Urteil vom 8. Juni 2016 - 13 U 23/16 - BKR 2016, 423, Rn. 26, und Beschluss vom 20. Juni 2016 - 13 U 87/16 - BeckRS 2016, 18776, Rn. 10; Senat, Urteil vom 20. September 2017 - 4 U 187/16). Es entspricht der Lebenserfahrung, dass eine Bank im Vertrauen darauf, aus dem Vertragsverhältnis nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, in der Weise disponiert, dass sie nach der vollständigen, beanstandungsfreien Rückführung eines Darlehens in Bezug auf dieses Vertragsverhältnis keine Rückstellungen mehr bildet (Senat, Urteil vom 27. April 2016 - 4 U 81/15 - BeckRS 2016, 12665, Rn. 48; Senat, Urteil vom 20. September 2017 - 4 U 187/16).

Dass die Beklagte sich in ihrem ersten, den Widerruf zurückweisenden Schreiben vom 24. November 2015 (K3, Bl. 51 d.A.) nur auf eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung, nicht aber auf eine Verwirkung berufen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn allein daraus, dass sie sich zunächst nicht ausdrücklich auf Verwirkung berufen hat, lässt sich nicht entnehmen, dass sie nicht darauf eingerichtet hat, dass der Vertrag nicht mehr durch Widerruf in seinem Bestand in Abrede gestellt werden würde.

d) Auch bezüglich der Hilfswiderklage, die nur insoweit Gegenstand der Berufung ist, als die Verrechnung des Darlehens -5... auf das Darlehen -7... mangels Widerrufs nicht zu erfolgen hatte, ist die Berufung erfolgreich.

aa) Soweit die Klägerin rügt, dass der Antrag höher sei als in erster Instanz, liegt keine Klageänderung vor. Vielmehr ergibt sich der höhere Betrag deswegen, weil in der ersten Instanz die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus den verschiedenen Darlehen in einen Betrag zusammengezogen waren, insbesondere für den Fall der Wirksamkeit des Widerrufs des Darlehens -5... der sich dann ergebene positive Saldo verrechnet wurde. Dem Sinn des Antrags nach war die innerprozessuale Bedingung aber auf die jeweiligen Verträge bezogen.

Selbst wenn man dies anders sähe, wäre die Erweiterung der Widerklage jedenfalls nach § 533 ZPO zulässig.

bb) Aufgrund des nicht wirksamen Widerrufs des Darlehens -5... ist der sich nach dem Urteil der ersten Instanz in Verbindung mit der in Bezug genommenen, als Anlage B38 von der Beklagten vorgelegten Alternativberechnung (Bl. 549 ff. d.), aus diesem Darlehen zugunsten der Klägerin ergebene Saldo bei Widerruf in Höhe von 11.854,66 € nicht vom Saldo nach Widerruf bezüglich des Darlehens -7... zugunsten der Beklagten in Höhe von 33.887,83 € abzuziehen.

cc) Die Nutzungswertersatzansprüche der Beklagten nach dem - wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt - wirksam erklärten Widerrufs bezüglich des Darlehens -7... sind damit ausgehend von dem Betrag in Höhe von 33.887,83 € zu ermitteln und daher höher als vom Landgericht angenommen.

Gemäß § 346 Abs. 1 BGB besteht die Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Rückzahlung des aufgrund des Vertrages empfangenen Darlehenskapitals nicht nur bis zum Zeitpunkt des Widerrufs, sondern auch darüber hinaus. Ebenso ist der Darlehensnehmer gemäß § 346 Abs. 1 BGB verpflichtet, die aus dem empfangenen Darlehenskapital gezogenen Nutzungen herauszugeben. Diese Nutzungen bestehen in den Gebrauchsvorteilen, die der Darlehensnehmer zieht, indem er fremdes Kapital auf Zeit zur Verfügung gestellt bekommen und noch nicht zurückgezahlt hat. Dies bedeutet jedoch zum einen, dass es sich bei den Nutzungen um solche handelt, die infolge der Zeitgebundenheit ihrer Natur nach nicht herausgegeben werden können (§ 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB), und zum anderen, dass sich auch in Bezug auf die Nutzungen durch den Widerruf nichts geändert hat; der Darlehensnehmer nutzt das Darlehen, soweit es nicht getilgt ist, seit der Valutierung des Darlehens und - unberührt von dem Widerruf - bis zur vollständigen Rückzahlung. Vor diesem Hintergrund stellt sich aber der vertraglich vereinbarte Vertragszins als Gegenleistung im Sinne des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB für diese Nutzung des Darlehenskapitals auf Zeit dar, so dass der Beklagte auch für den Zeitraum nach dem Widerruf Wertersatz für diese Nutzungen in geringerer Höhe nur dann schulden würde, wenn er nachgewiesen hätte, dass der vereinbarte Vertragszins zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages nicht dem marktüblichen Vertragszins für vergleichbare Immobiliendarlehen entsprach (so bereits Senatsurteile vom 30. August 2017 - 4 U 143/16 -, vom 20. September 2017 - 4 U 114/16 - und vom 10. Januar 2018 - 4 U 22/17). Dies ist vorliegend nicht der Fall, weswegen der Nutzungswertersatzanspruch in Höhe des vertraglich vereinbarten Zinssatzes besteht, und zwar bis zum 30. April 2017 in Höhe von 4,69 % p.a., ab dem 1. Mai 2017 in Höhe von auf 3,00 % p.a.

dd) Der Anspruch der Beklagten auf Zahlung eines Nutzungswertersatzanspruches bezüglich des Darlehens -7... ist auch nicht durch einen etwaigen Annahmeverzug der Beklagten entfallen. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf § 301 BGB berufen. Es ist bereits zweifelhaft, ob § 301 BGB auf den Nutzungswertersatzanspruch gemäß § 346 BGB Anwendung findet, wenn dieser Wertersatz - wie im Falle eines nach Widerruf rückabzuwickelnden Darlehens - auf Grundlage des Vertragszinses oder anderweitig marktüblichen Zinssatzes ermittelt wird. Davon abgesehen ist die Beklagte nicht in Annahmeverzug geraten. Hierzu wäre es zumindest erforderlich gewesen, dass die Klägerin die von ihr geschuldete Leistung - also die Rückzahlung der vollen Darlehensvaluta zuzüglich Nutzungswertersatz - gemäß § 294 BGB tatsächlich so angeboten hätte, dass die beklagte Bank nur noch hätte zugreifen müssen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Selbst wenn im vorliegenden Fall im Hinblick auf das den Widerruf zurückweisenden Schreiben vom 24. November 2014 gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot genügt hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass ein solches Angebot erfolgt ist. Weder das Widerrufschreiben vom 17. November 2014 noch dasjenige vom 12. Januar 2015 enthält ein solches konkretes Angebot. Aus der Klageschrift ergibt sich ein hinreichendes Angebot ebenso wenig. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, eines wörtlichen Angebotes habe es nicht bedurft. Ein wörtliches Angebot, das - sofern es nicht einer Mitwirkung des Gläubigers bei der Leistung bedarf, was hier nicht der Fall war - schon als solches eine vorherige Erklärung des Gläubigers voraussetzt, dass er die Leistung nicht annehmen werde, kann allenfalls dann nicht erforderlich sein, wenn es eine leere Form wäre, weil offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung beharrt (Senat, Urteil vom 31. Mai 2017 - 4 U 118/16). Diese Voraussetzungen lassen sich allein aufgrund der Schreiben vom 24. November 2014 und vom 16. Februar 2015 und des Prozessverhaltens nicht feststellen.

ee) Unter Berücksichtigung der weiteren nach Widerruf bis zum 30. Dezember 2017 auf das Darlehen -7... noch geleisteten Zahlungen, die sich aus der von der Beklagten vorgelegten und zutreffenden Berechnung (Anlage BK5, Bl. 643 ff. d.A.) ergeben, ergibt sich nach der vorgenannten zutreffenden Berechnung per 30. Dezember 2017 bezüglich des Darlehens noch ein Anspruch der Beklagten in Höhe von 33.634,75 €, der seit dem 31. Dezember 2017 weiterhin mit dem Vertragszins in Höhe von 3,00 % p.a. zu verzinsen ist.

ff) Unter Hinzurechnung der mit der Berufung nicht angegriffenen, von dem Landgericht angenommenen Forderungen der Beklagten bezüglich des Darlehens -... in Höhe von 41.994,73 € nebst Zinsen in Höhe von 3,00 % p.a. seit dem 31. Dezember 2017 und bezüglich des Darlehens -6... in Höhe von 23.717,35 € nebst Zinsen in Höhe von 3,00 % p.a. seit dem 3. Oktober 2017, ergibt sich der tenorierte Betrag. Soweit die Klägerin beanstandet, dass die Beklagte und das Landgericht bezüglich des Darlehens -6... den ihr zustehenden Nutzungswertersatzanspruch lediglich bezüglich einer bei der Beklagten verbliebenen Zinsmarge in Höhe von 0,75 % und nicht im Hinblick auf sämtliche Leistungen ermittelt haben, ist dies nicht Gegenstand der Berufung, weil diese Rüge gerade nicht das Darlehen -5... betrifft. Im Übrigen hat die Klägerin im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegte Ablichtung der Refinanzierungsvereinbarung mit der KfW (B29, Bl. 473 f. d.A.) und der als Anlage B30 (Bl. 475 f. d.A.) vorgelegten Übersicht sämtlicher sei Valutierung an die KfW geleisteten Zins- und Tilgungsanteile nicht hinreichend bestritten, dass der Beklagten ein höher Nutzungsvorteil verblieben ist. Darauf hatte auch das Landgericht im Hinweisbeschluss vom 17. November 2017 (Bl. 497 ff. d.A.) auch schon sinngemäß hingewiesen.

gg) Da die teilweise Abweisung der erstinstanzlich geltend gemachten Hilfswiderklage bezüglich der Zinsen aus 24.114,60 € seit dem 3. Oktober 2017 mit der Berufung nicht angegriffen worden ist, verblieb es insoweit bei der Neufassung des Urteils bei der teilweisen Abweisung der Widerklage.

3. Die Nebenentscheidung ergeben sich aus § 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Bei der Ermittlung der Kostenquote erster Instanz ist im Hinblick auf die wirtschaftliche Identität der Hilfswiderklage mit der Klage ein fiktiver Streitwert gebildet worden.

Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

4. Der Streitwert für die erste Instanz wird gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG abändernd auf (26.313,35 € + 12.324,77 € + 105.845,38 € + 12.909,66 € =) 157.393,16 € festgesetzt. Maßgebend ist auch für den Antrag auf Feststellung, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche auf Zins und Tilgung zustehen, die Summe der bis zum Widerruf geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen. Denn das wirtschaftliche Interesse ist auch in diesen Fällen, wie bei der begehrten positiven Feststellung, dass der Darlehensvertrag durch den Verbraucherwiderruf beendet worden sei (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2016 - XI ZR 366/15 -, Rn. 5, juris, 4. März 2016 - XI ZR 39/15 -, juris, und 19. Dezember 2016 - XI ZR 539/15 -, Rn. 3, juris), und der Feststellung der Umwandlung des Darlehensverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2017 - XI ZR 545/16 - juris) nach der Hauptforderung, die die Klagepartei nach §§ 346 ff. BGB zu beanspruchen können meint, zu bemessen (so auch Senat, Beschluss vom 1. Dezember 2017 - 4 U 188/15; Senat, Beschluss vom 23. März 2018 - 4 U 205/16 -; BGH, Hinweisverfügung vom 5. Juli 2017 - XI ZR 586/15; ein identisches wirtschaftliches Interesse bejaht auch Schnauer, juris-PR-BKR 7/2017 Anm. 1). Vor diesem Hintergrund führte auch die Umstellung des Feststellungsantrags nicht zu einer Änderung des Streitwerts. Die Hilfswiderklage war nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht eigenständig in Ansatz zu bringen, da sie mit dem Klageantrag wirtschaftlich identisch und der niedrigere Streitgegenstand war.

Der Streitwert für die zweite Instanz bemisst sich gemäß §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO entsprechend den obigen Ausführungen auf 105.845,38 €. Der Berufungsangriff im Hinblick auf die Hilfswiderklage bleibt entsprechend den obigen Ausführungen im Hinblick auf die wirtschaftliche Identität ohne Ansatz.