Brandenburgisches OLG, Urteil vom 24.06.2020 - 4 U 147/19
Fundstelle
openJur 2020, 38876
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 07.08.2019 abgeändert und

a) die Beklagte zu 2 verurteilt, an den Kläger 22.189,05 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.12.2019 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs VW Passat Variant Comfortline BM Techn. 2,0 l TDI mit der Fahrgestellnummer W....

b) Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 2 mit der Entgegennahme des unter a) näher bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

c) Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an den Kläger Zinsen in Höhe von vier Prozent aus 25.468 € vom 23.12.2013 bis zum 02.12.2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt der Kläger. Die Gerichtskosten zweiter Instanz tragen der Kläger und die Beklagte zu 2 jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 zweiter Instanz trägt der Kläger, im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren jeweils selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 2 kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 30.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1 als Verkäuferin des streitgegenständlichen Fahrzeugs und die Beklagte zu 2 als Herstellerin des in dem Fahrzeug verbauten Dieselmotors der Baureihe EA189 auf Schadensersatz in Form des gezahlten Kaufpreises und weiterer Schäden in Anspruch.

Der Kläger erwarb das Fahrzeug, einen Pkw der Marke VW Passat Variant Comfortline BM Techn. 2,0 l TDI, aufgrund eines Kaufvertrages vom 19.12.2013 als Gebrauchtfahrzeug mit einem Kilometerstand von 15.016 km zu einem Preis von 25.468 € bei der Beklagten zu 1 (Anlage K 1, Bl. 18). Der von der Beklagten zu 2 hergestellte Motor des Fahrzeugs verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchführt, und sodann einen besonderen Modus aktiviert (sogenannte Umschaltlogik). In diesem Modus wird die Rückführung von Abgasen im Vergleich zu dem normalen Betriebsmodus verändert, wodurch die nach der Euro-5-Norm vorgegebenen Stickoxid-Werte während des Durchfahrens des NEFZ eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb wird dieser Modus deaktiviert, wodurch es zu einem höheren Schadstoffausstoß kommt. Durch den Einsatz dieser Motorsteuerungssoftware wurde die EG-Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug erlangt.

Der Dieselmotor wurde serienmäßig in diversen Fahrzeugmodellen der Beklagten zu 2 sowie derer Konzernunternehmen verbaut. Das Kraftfahrtbundesamt verpflichtete die Beklagte zu 2 mit Bescheid vom 15.10.2015 dazu, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor der Baureihe EA189 die aus Sicht des Bundesamtes unzulässige Abschaltvorrichtung zu entfernen. Die Beklagte zu 2 entwickelte ein Update für die Motorsteuerungssoftware, wonach das Fahrzeug nur noch über einen einheitlichen Betriebsmodus verfügt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.05.2017 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagte zu 1 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte sie auf, bis zum 18.05.2017 den Kaufpreis in Höhe von 25.468 € abzüglich der gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Rückgabe des vorbezeichneten Fahrzeugs zu zahlen sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu übernehmen (Anlage K 3, Bl. 21 ff.). Unter dem 17.05.2017 lehnte die Beklagte zu 1 eine Rücknahme des Fahrzeuges ab und teilte dem Kläger mit, dass eine Software-Lösung für das klägerische Fahrzeug zur Verfügung stehe, die bereits von dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) freigegeben worden sei. Sie bitte den Kläger, sich mit ihr zwecks Vereinbarung eines Werkstatttermins in Verbindung zu setzen. Zugleich erklärte sie, bis zum 31.12.2017 auf die Erhebung der Verjährungseinrede zu verzichten (Anlage K 4, Bl. 3 ff.).

Der Kilometerstand am 13.05.2020 betrug 53.825 km.

Das Landgericht hat die erstinstanzlich nur gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, für eine Rückabwicklung des Kaufvertrages fehle es an der gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 S. 1 BGB erforderlichen Fristsetzung zur Leistung oder Nacherfüllung mit Ablehnungsandrohung. Die Fristsetzung sei auch nicht entbehrlich gewesen. Eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung seitens der Beklagten zu 1 liege im Hinblick auf deren Ankündigungen in einem Schreiben vom 22.12.2015 nicht vor, zumal angesichts der Anzahl der betroffenen Fahrzeuge eine großzügige Frist zur Mangelbeseitigung einzuräumen sei. Auch sei eine Nacherfüllung für den Kläger nicht unzumutbar gewesen. Soweit der Kläger die Geeignetheit des angebotenen Software-Updates zur Mangelbeseitigung bestreite, handele es sich dabei um einen bloßen Verdacht, der dem Verkäufer nicht die Gelegenheit zur Mangelbeseitigung nehmen könne. Schließlich habe die Beklagte zu 1 den Kläger weder getäuscht noch müsse sie sich eine Täuschung durch die Beklagte zu 2 zurechnen lassen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der eine Verurteilung der Beklagten zu 1 und klageerweiternd der Beklagten zu 2 gemäß seinen erstinstanzlichen Anträgen (hinsichtlich der Beklagten zu 2 zuzüglich deliktischer Zinsen) begehrt.

Er meint, er sei gegenüber der Beklagten zu 1 wegen des Mangels des Fahrzeugs zum sofortigen Rücktritt berechtigt gewesen, so dass eine Fristsetzung nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich gewesen sei. Ihm sei es nicht zuzumuten, eine Nachbesserung durch die Beklagte zu 2 - die Schädigerin - vornehmen zu lassen. Zudem sei das angebotene Update zur Mangelbeseitigung ungeeignet. Deshalb komme es nicht darauf an, wann dieses für das streitgegenständliche Fahrzeug zur Verfügung gestellt wurde. Er habe die begründete Befürchtung, dass durch das Aufspielen des Software-Updates nicht sämtliche gerügten Mängel vollständig beseitigt werden und zudem neue Mängel entstehen könnten, wie etwa Probleme durch den erhöhten Rußpartikelausstoß im Zusammenhang mit der Verminderung des NOX-Wertes. Im Übrigen sei der Kaufvertrag auch wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot - § 27 Abs. 1 EG-FGV - nichtig. Die Beklagte zu 2 hafte nach § 826 BGB.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 07.08.2019 - 12 O 124/17 -

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 25.887,41 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 25.486 € seit dem 19.05.2017 und aus weiteren 401,47 € seit Rechtshängigkeit (02.12.2019) Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Passat Variant Comfortline MB Techn. 2,0 l TDI mit der Fahrgestellnummer W... abzüglich einer noch zu beziffernden Nutzungsentschädigung zu zahlen sowie die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an ihn weitere Zinsen in Höhe von 4% aus 25.486 € vom 19.12.2013 bis zum 19.06.2017 zu zahlen;

2. festzustellen, dass sich die Beklagten spätestens seit dem 19.05.2017 mit der Rücknahme des im Antrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befinden;

3. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an ihn die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.077,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2017 zu zahlen;

hilfsweisedas erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Potsdam vom 07.08.2019 - 12 O 124/17 - aufzuheben und zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.

Die Beklagte zu 1 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 2 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1 behauptet, das seit dem 24.08.2016 vorliegende Update beseitige den Mangel vollständig und ohne Folgemängel. Sie meint, ein wirksamer Rücktritt des Klägers scheitere bereits an der fehlenden Fristsetzung. Die Nacherfüllung habe Vorrang vor der Ausübung von Sekundärrechten wie dem Rücktritt. Wegen der Vielzahl der Fahrzeuge und Motorvarianten hätten die technischen Maßnahmen nur nach dem von der Beklagten zu 2 vorgelegten und vom KBA mit Bescheid vom 15.10.2015 für verbindlich erklärten Zeit- und Maßnahmenplan erfolgen können. Das Verhalten des Herstellers könne ihr nicht zugerechnet werden. Ein vermeintlicher Verlust des Vertrauens in die Beklagte zu 2 könne nicht zur Unzumutbarkeit der Nacherfüllung in dem zu ihr - der Beklagten zu 1 - bestehenden Schuldverhältnis führen. Da das KBA die technischen Maßnahmen freigegeben habe, könne ohnehin kein begründeter Vertrauensverlust angenommen werden. Mit der Freigabe durch das KBA, dessen Feststellungen als oberste Bundesbehörde Beweiskraft nach §§ 417, 418, 371 b ZPO zukomme, seien etwaige negative Auswirkungen bereits verneint, zumal auch konkrete Anhaltspunkte für den Folgemangelverdacht fehlten. Zudem sei die vermeintliche Pflichtverletzung unerheblich, da die Kosten für das Aufspielen der Software unter 1% des Kaufpreises lägen. Ein pauschaler Folgemangelverdacht sei unerheblich und auch unbegründet.

Die Beklagte zu 2 erhebt die Einrede der Verjährung und meint, es fehle an einem von ihr kausal hervorgerufenen Schaden. Sie habe im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Kaufvertrag den Kläger weder getäuscht noch in sonstiger Weise sittenwidrig geschädigt.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, soweit er eine Verurteilung der Beklagten zu 1 erstrebt. Hingegen ist die Berufung überwiegend begründet, soweit der Kläger die Beklagte zu 2 zweitinstanzlich im Wege der Klageerweiterung in Anspruch nimmt.

A.

Die Klageerweiterung in der zweiten Instanz auf die Beklagte zu 2 ist gemäß § 533 ZPO zulässig, weil ihre Zulassung sachdienlich ist. Nach § 533 ZPO ist eine Klageänderung zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Die Sachdienlichkeit ist nur ausnahmsweise zu verneinen, insbesondere wenn die Bejahung zur Beurteilung eines völlig neuen Streitstoffes nötigen würde, ohne dass dafür das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden könnte. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei es allein darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen (Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 533 ZPO, Rn. 6). Vorliegend ist durch die Klageerweiterung kein völlig neuer Streitstoff eingeführt worden. Ob der Kläger gegen die Beklagte zu 2 einen Anspruch hat, kann aufgrund seines bisherigen Sachvortrages beurteilt werden.

B.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges gemäß §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 434 Abs. 1 BGB aufgrund des von ihm erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag.

1.

Sein Rücktritt ist allerdings nicht gemäß § 218 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Danach ist der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Die erstinstanzlich von der Beklagten zu 1 erhobene Verjährungseinrede greift nicht. Zwar begann die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB mit Übergabe des Fahrzeugs am 23.12.2013 zu laufen und endete mit Ablauf des 31.01.2015. Zum Zeitpunkt der Ausübung des Rücktritts am 04.05.2017 war somit schon Verjährung eingetreten. Trotzdem ist auch der nach Eintritt der Verjährung vom Gläubiger erklärte Rücktritt wirksam. Beruft sich der Schuldner auf die Verjährung, wird der Rücktritt ex tunc unwirksam (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 218 Rn. 6). Allerdings kann sich die Beklagte zu 1 nicht wirksam auf die Verjährung berufen, da sie mit Schreiben vom 17.05.2017 auf die Einrede der Verjährung - auch für bereits verjährte Forderungen - verzichtet hat und der Kläger vor Ablauf dieser Frist, nämlich mit Zustellung am 26.07.2017, Klage erhoben hat.

2.

Es liegt auch ein für die Wirksamkeit des Rücktritts erforderlicher Sachmangel vor, weil zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger eine unzulässige Abschalteinrichtung in dem Fahrzeug installiert war, so dass der weitere ungestörte Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr bei Gefahrübergang nicht gewährleistet war und dieses sich somit nicht zur gewöhnlichen Verwendung i. S. d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB eignet (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17, Rn. 17, NJW 2019, 1133).

3.

Der Rücktritt ist aber - wie das Landgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat - wegen Fehlens der gebotenen Fristsetzung zur Nacherfüllung unwirksam. Nach § 437 Nr. 2 i. V. m. § 323 Abs. 1 BGB kann - wenn der Schuldner bei einem gegenseitigen Vertrag eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt - der Gläubiger grundsätzlich erst vom Vertrag zurücktreten, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Daran fehlt es hier, da der Kläger mit Schreiben vom 04.05.2017 unmittelbar den Rücktritt erklärt hat, ohne der Beklagten zu 1 Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben.

a)

Die Beklagte zu 1 war zur Nacherfüllung bereit, wie sich aus ihrem Antwortschreiben vom 17.05.2017 ergibt, mit dem sie dem Kläger angeboten hat, einen Termin in der Werkstatt zu vereinbaren, um die zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegende und vom KBA freigegebene Software (die Freigaben für die EU 5 Fahrzeug- und Motorvarianten durch das KBA erfolgten im Zeitraum vom 27.01.2016 bis 20.12.2016, Bl. 51) aufzuspielen, mit der die unzulässige Abschalteinrichtung wieder entfernt wird. Vor diesem Hintergrund kommt auch eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung, die nach § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB die Fristsetzung entbehrlich macht, nicht in Betracht. Die Entbehrlichkeit der Fristsetzung lässt sich auch nicht damit begründen, dass dem Kläger nicht beide Arten der Nacherfüllung, also die Beseitigung des Mangels und die Ersatzlieferung, zur Verfügung gestanden haben. Zwar steht der Verweigerung der Nacherfüllung gleich, dass die eine oder andere Art der Nacherfüllung unmöglich ist; eine Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung hat der Kläger jedoch zu keinem Zeitpunkt verlangt und diese war - wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 08.01.2019 (- VIII ZR 225/17, Rn. 28 ff.) ausgeführt hat - auch nicht unmöglich. Mangels eines Nachbesserungsversuches vor Erklärung des Rücktritts liegen die Voraussetzungen einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung wegen fehlgeschlagener Nacherfüllung ebenfalls nicht vor.

b)

Schließlich war die Fristsetzung auch nicht entbehrlich, weil dem Kläger die Nacherfüllung unzumutbar war (§ 440 Satz 1 2. Alt. BGB). Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit kommt es maßgeblich auf den Erkenntnisstand des Klägers als Käufer zum Zeitpunkt der (ohne Fristsetzung erfolgten) Rücktrittserklärung an (BGH, Urteil vom 18.01.2017 - VIII ZR 234/15 - Rn. 36). Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer gemäß § 440 S. 1 Alt. 3 BGB unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dazu zählen neben Art und Ausmaß einer Beeinträchtigung der Interessen des Käufers etwa auch die Zuverlässigkeit des Verkäufers und diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen sowie ein dadurch möglicherweise gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien (BGH, Urteil vom 26.10.2016 - VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn. 23).

aa)

Die Unzumutbarkeit ergibt sich insbesondere nicht aus der Ungeeignetheit der angebotenen Mangelbeseitigung. Das vom KBA freigegebene Software-Update ist geeignet, den Sachmangel der unzulässigen Abschalteinrichtung und der damit latent drohenden Betriebsuntersagung zu beseitigen (vgl. KG, Hinweisbeschluss vom 30.04.2019 - 21 U 49/18, Rn. 14, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.05.2019 - 13 U 144/17, Rn. 115 ff., juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.08.2019 - 2 U 92/18, NJW-RR 2020, 47, Rn. 29; OLG Frankfurt, Urteil vom 18.11.2019 - 13 U 253/18, BeckRS 2019, 30853 Rn. 19). Soweit der Kläger behauptet, dass nach dem Aufspielen des Software-Updates mit Folgemängeln (Leistungseinbußen, Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs, geringere Lebensdauer, Verrußung des Partikelfilters ...) bzw. einer merkantilen Wertminderung zu rechnen sei, handelt es sich um eine nicht ausreichende hypothetische Möglichkeit, über die kein (Ausforschungs-)beweis zu erheben ist (OLG Frankfurt, a. a. O., Rn. 36, 37; OLG Dresden, Urteil vom 01.03.2018 - 10 U 1561/17, Rn. 32; OLG Saarbrücken, a. a. O., Rn. 31). Selbst wenn mit dem Software-Update die vom Kläger angeführte Gefahr von Folgemängeln verbunden wäre, läge dies im Risikobereich der Beklagten zu 1. Träten tatsächlich bei dem konkreten Fahrzeug des Klägers entsprechende Folgeprobleme auf, stünden dem Kläger erneut die Rechte aus § 437 BGB zu; in diesem Fall könnte er insbesondere - nunmehr wegen fehlgeschlagener Nachbesserung - ohne Fristsetzungserfordernis den Rücktritt erklären.

bb)

Der Kläger kann sich auch nicht deshalb auf die Unzumutbarkeit der Nachbesserung berufen, weil das Software-Update ebenso wie die unzulässige Abschalteinrichtung von der Beklagten zu 2 stammt.

Die Unzumutbarkeit kann sich zwar aus der Person des Verkäufers ergeben, insbesondere daraus, dass infolge einer arglistigen Täuschung des Verkäufers das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist. Der Beklagten zu 1 ist eine etwaige Arglist der Beklagten zu 2 als Herstellerin aber nicht zuzurechnen.

Die Frage, ob die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung auch daraus resultieren kann, dass das Vertrauen in den Hersteller des betreffenden Produkts nachhaltig gestört ist, ohne dass dem Verkäufer selbst ein Fehlverhalten anzulasten ist, wird in der Instanzrechtsprechung unterschiedlich beantwortet (bejahend: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6.12.2018 - 17 U 4/18 - Rdnr. 35 ff; LG Köln, Urteil vom 1.06.2018 - 16 O 126/17; LG Heilbronn, Urteil vom 02.05.2018 - 6 O 401/17; verneinend: OLG Köln, Beschluss vom 04.06.2018 - 16 U 1743/17 - Rn. 8; OLG Frankfurt - Urteil vom 31.08.2018 - 25 U 17/18, Rn. 66; LG Dortmund, Urteil vom 26.03.2019 - 12 O 182/18; LG Marburg, Urteil vom 26.06.2018 - 7 O 90/16; offen gelassen: OLG Nürnberg, Urteil vom 24.04.2018 - 6 U 409/17 - Rn. 74).

Zwar hat das OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 06.12.2018 (17 U 4/18 - Rn. 35 ff.) zutreffend dargelegt, dass zwischen der für die Begründung einer Haftung nötigen Zurechnung fremden Verschuldens im Sinne von § 278 BGB bzw. der im Rahmen der Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 2 BGB) entscheidenden Frage, ob der Verkäufer "Dritter" ist und der für die Frage der Zumutbarkeit der Nacherfüllung vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen im Rahmen des § 440 Satz 1 BGB zu unterscheiden sei. Anknüpfend an diese Erwägung greift es deshalb zu kurz, die Unzumutbarkeit der Nachbesserung durch Aufspielen eines Software- Updates, das gerade von der VW AG entwickelt worden sei, die als Herstellerin des Motors für die ursprünglich unzulässige Abschalteinrichtung verantwortlich zeichne, mit der Begründung zu verneinen, Herstellerin und Verkäufer seien juristisch jeweils selbständige Unternehmen und ein etwaig arglistiges Verhalten der Herstellerin könne dem Verkäufer nicht zugerechnet werden. Dies bedeutet jedoch umgekehrt keineswegs, dass die Nachbesserung mittels eines von der VW AG entwickelten Software-Updates zwangsläufig für den Käufer unzumutbar ist. Entscheidend ist vielmehr, ob dem konkreten Käufer zum maßgeblichen Zeitpunkt seines Rücktritts zuzumuten war, sich auf eine Nachbesserung in Form der Beseitigung der unzulässigen Abschaltsoftware durch ein Software-Update einzulassen.

Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vom 04.05.2017 war die Nachbesserung durch das von der Beklagten zu 2 entwickelte Software-Update nicht unzumutbar. Mag das Vertrauen in die Beklagte zu 2 auch nachhaltig erschüttert gewesen sein, so war doch durch die bereits vor dem 04.05.2017 erfolgte Freigabe der Software durch das KBA gewährleistet, dass diese einer vorausgegangenen Prüfung unterzogen worden war. Bedenken gegen die Vertrauenswürdigkeit dieser Prüfung durch das KBA sind nicht gerechtfertigt. Diese lassen sich insbesondere nicht daraus herleiten, dass das KBA vormals die unzulässige Abschalteinrichtung nicht erkannt hatte. Denn diese war so konzipiert, dass sie gerade unter Testbedingungen die Einhaltung von Stickoxidgrenzwerten vorspiegelte, die im Realbetrieb nicht zu erreichen waren. Dabei handelte es sich um eine bis dato nicht bekannte Betrugssoftware, mit deren Auftreten nicht zu rechnen war. Die Freigabe der Software, mit der die unzulässige Abschalteinrichtung wieder beseitigt werden sollte, durch das KBA erfolgte aber gerade in Kenntnis der vorhergegangenen Täuschung.

Eine Nachbesserung mittels des durch das KBA freigegebenen Software-Updates stellte sich für den Kläger zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vom 04.05.2017 auch nicht deshalb als unzumutbar dar, weil zu diesem Zeitpunkt auch bereits über mit dem Software-Update möglicherweise verbundene Folgeprobleme diskutiert wurde. Insoweit war der Kläger - wie bereits ausgeführt - vielmehr dadurch geschützt, dass ihm in Bezug auf etwaige Mängel der Nachbesserung erneut die Rechte aus § 437 BGB gestanden hätten.

Deliktische Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 sind ebenfalls zu verneinen, weil ihr die von der Beklagten zu 2 vorgenommene Täuschung nicht zuzurechnen ist.

C.

Die Beklagte zu 2 ist dem Kläger zum Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises für das streitgegenständliche Fahrzeug abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie zur Zahlung von verzugsbedingten sowie deliktischen Zinsen verpflichtet.

1.

Die Grundlage des dem Kläger zustehenden Anspruchs ist § 826 BGB in Verbindung mit dem entsprechend anzuwendenden § 31 BGB. Nach § 826 BGB ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. In analoger Anwendung von § 31 BGB haftet eine juristische Person für einen Schaden, den ein Mitglied ihres Vorstandes bzw. ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.

Diese Voraussetzungen liegen jeweils vor. Die Beklagte hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt.

a)

Die Beklagte handelte sittenwidrig.

Sittenwidrig ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, NJW 2017, 250, Rdnr. 16; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. November 2019 - 17 U 146/19 -, Rdnr. 31 je m. w. N.), etwa bei auf systematische Täuschung angelegten Geschäftsmodellen (BGH, Versäumnisurteil vom 14. Juli 2015 - VI ZR 463/14 -, MDR 2015, 1363) oder bei der eigennützigen und bewusst arglistigen Täuschung des Geschäftspartners (BGH, Urteil vom 22. Juni 1992 - II ZR 178/90 -, NJW 1992, 3167) oder eines Dritten (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1991 - VI ZR 293/90 -, NJW 1991, 3282).

Nach diesen allgemeinen Maßstäben sind die Entscheidungen der Beklagten bzw. der für sie verantwortlich Handelnden, die Motoren der Baureihe EA189 mit der hier in Rede stehenden Software und ihrer "Umschaltlogik" auszustatten, diese Motoren in von der Beklagten und von Unternehmen ihres Konzerns hergestellte Fahrzeuge einzubauen bzw. einbauen zu lassen, für diese Fahrzeuge so eine Typgenehmigung zu erschleichen, und schließlich diese Fahrzeuge, zu denen auch das streitgegenständliche gehört, in den Verkehr zu bringen, als sittenwidrig zu erachten (vgl. zum Folgenden etwa OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 - 20 U 3219/18 -; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 - 13 U 37/19 -; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. November 2019 - 17 U 44/19 -; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 1. Zivilsenat, Urteil vom 11. Februar 2020 - 1 U 12/19 -; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 4. Zivilsenat, Urteile vom 4. März 2020 - 4 U 58/19 und 4 U 65/19 -) ebenso nunmehr auch BGH; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -). Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt unstreitig über einen Motor der Baureihe E A 189.

(1)

Das Vorgehen der Beklagten stellt sich in seiner Gesamtheit als auf systematische Täuschung der mit der Kraftfahrzeugzulassung befassten Behörden und aller potentiellen Erwerber der Kraftfahrzeuge angelegt dar.

Die von der Beklagten selbst verharmlosend als "Umschaltlogik" bezeichnete Software diente offenkundig einzig dem Zweck und wurde auch allein zu diesem Zweck entwickelt, gegenüber den Behörden die Einhaltung der geltenden Stickoxidgrenzwerte vorzuspiegeln, die im Realbetrieb nicht zu erreichen waren, und damit die behördlichen Erlaubnisse zu erlangen, um die Pkws überhaupt in Verkehr bringen zu dürfen. Die Testverfahren, die neu hergestellte Fahrzeuge durchlaufen müssen, sind standardisierte Prüfzyklen. Stattet ein Pkw-Hersteller seine Fahrzeuge mit einer Motorsteuerungssoftware aus, die zwei Betriebsmodi kennt und nur im erkannten Prüfstand die Motorsteuerung dergestalt regelt, dass mittels Abgasrückführung die Abgase zusätzlich gereinigt werden, während im normalen Straßenverkehr keine oder nur eine deutlich geringere Abgasrückführung stattfindet, will er damit im Zulassungsverfahren für das Fahrzeug die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte vorgaukeln, die tatsächlich nicht eingehalten werden. Dieses Ziel wird besonders deutlich aus der Heimlichkeit des Vorgehens. Die Beklagte hatte die "Umschaltlogik" der Software weder den Behörden offengelegt noch sonst offen kommuniziert. Im Gegenteil sicherte die technische Gestaltung, dass die Wirkungsweise der Software auch bei einer Untersuchung des Fahrzeugs nicht zu erkennen war und dem entsprechend lange unerkannt blieb. Denn auf dem Prüfstand zeigte das Fahrzeug mit dem entsprechend ausgestatteten Motor keine Auffälligkeiten, sondern vielmehr die gewünschten Abgaswerte. Die Einzelheiten der Software wurden daher erst im Rahmen der näheren Untersuchung der erheblichen Differenzen zwischen den Abgaswerten auf dem Prüfstand und im realen Fahrbetrieb durch Mitarbeiter der Beklagten gegenüber den US-Behörden eingeräumt. Auch dann aber sprach die Beklagte nur von erkannten "Unregelmäßigkeiten" der Software, ohne offen zuzugeben, dass sie bewusst eine gesetzlich unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut hat.

Zugleich täuschte die Beklagte alle potentiellen Erwerber der mit den entsprechenden Motoren ausgestatteten Fahrzeuge. Die mit ihrem Inverkehrbringen verbundene implizite Behauptung, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck uneingeschränkt und dauerhaft im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, traf nicht zu. Das setzt, wenn auch die Einzelheiten des Zulassungsverfahrens nicht allgemein bekannt sind, jedenfalls die behördliche Genehmigung eines Fahrzeugstyps voraus, bei der auch die Abgaswerte kontrolliert werden, sowie die Übereinstimmung des einzelnen Fahrzeugs mit diesem Typ. Wo dies nicht der Fall ist, kann die zuständige Behörde geeignete Maßnahmen ergreifen, zu denen das Abstellen des Mangels ebenso gehören kann wie die letztliche Betriebsuntersagung. Entsprechend geht die Erwartungshaltung des Verkehrs dahin, dass die zum Verkauf gelangten Fahrzeuge nicht nur formell, sondern auch materiell den für sie geltenden zulassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Die systematische Manipulation des Zulassungsverfahrens diente damit auch dem Ziel, das Vertrauen der potentiellen Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde auszunutzen.

(2)

Ausmaß und Tragweite der Täuschung sind erheblich. Die Beklagte hat die Abschaltsoftware serienmäßig in wenigstens 11 Millionen Pkws einbauen lassen, um die Einhaltung sowohl der in der EU geltenden Grenzwerte und der strengeren Abgasnormen in den USA zu umgehen. Mit dem massenhaften Vertrieb der Motoren der Baureihe EA189 hat die Beklagte eine deutliche Beeinträchtigung der Umwelt über die zugelassenen Emissionen hinaus in Kauf genommen. Zudem droht den Käufern erheblicher Schaden in Form der Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs, das gerade nicht über eine dauerhaft ungefährdete Betriebserlaubnis verfügte, weil die Umschaltlogik der Motorsteuerungssoftware als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist (so ausdrücklich OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. November 2019 - 17 U 146/19 -, WM 2020, 325 Rdnr. 36, unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 - VIII ZR 225/17 -, NJW 2019, 1133 Rdnr. 19; ausführlich OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 - 20 U 3219/18 -, Rdnr. 27 ff).

(3)

Anerkennenswerte Beweggründe für das Inverkehrbringen der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motorsteuerung bringt die Beklagte nicht vor. In Betracht kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen. Diese Ziele sind zwar für sich nicht sittenwidrig, wohl aber ein Gewinnstreben um jeden Preis, unter Gesetzesbruch auf Kosten aller Getäuschten und der Umwelt.

(4)

In der Gesamtwürdigung ergibt sich die Sittenwidrigkeit des Handelns aus dem nach Ausmaß und Vorgehen besonders verwerflichen Charakter der Täuschung von Behörden und Kunden, unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in die Ordnungsgemäßheit des behördlichen Zulassungsverfahrens, und unter Inkaufnahme nicht nur der Schädigung der Käufer, sondern auch der Umwelt allein im eigensüchtigen Profitinteresse.

b)

Die genannten sittenwidrigen Entscheidungen sind der Beklagten in entsprechender Anwendung des § 31 BGB zuzurechnen, auch wenn - wie hier - seitens des grundsätzlich darlegungsbelasteten Klägers nicht im Einzelnen vorgetragen wurde, welche Mitarbeiter der Beklagten grundsätzlich für die Entwicklung und den Einsatz der Software und konkret bezogen auf den in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motor verantwortlich waren.

(1)

Nach § 31 BGB ist der Verein für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Dies gilt nach einhelliger Meinung in gleicher Weise für alle juristischen Personen deutschen Rechts (Einzelheiten bei Westermann, in: Erman, BGB, 15. Auflage 2017, § 31 BGB Rdnr. 2) und damit auch für eine Aktiengesellschaft wie die Beklagte (vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Mai 2005 - II ZR 287/02, NJW 2005, 2450/2451). Zudem ist der Begriff des "verfassungsmäßig berufenen Vertreters" nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung über den Wortlaut der Vorschrift hinaus weit auszulegen. "Verfassungsmäßig berufene Vertreter" sind danach auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des "Vertreters" in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt (OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 - 20 U 3219/18 -, Rdnr. 50 f bei juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 - 13 U 142/18 -, ZIP 2019, 863, Rdnr. 48 bei juris). Die Vorschrift des § 31 BGB ist vielmehr weit auszulegen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, NJW 2017, 250, Rdnr. 13). Dies begründet letztlich eine umfassende Repräsentantenhaftung der juristischen Person für diejenigen, die für sie verantwortlich handeln (vgl. Leuschner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 31 BGB Rdnr. 14 f; zur Kasuistik ausführlich Offenloch, in: Beck-Online Großkommentar mit Stand 15. Dezember 2019, § 31 BGB Rdnr. 71 ff).

(2)

Nach diesen Grundsätzen ist auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass wenigstens ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten im genannten Sinne die als sittenwidrig benannten Entscheidungen traf. Aufgrund der unstreitigen äußeren Umstände besteht hier eine tatsächliche Vermutung für die Kenntnis eines mindestens mit Repräsentantenfunktion betrauten Vertreters der Beklagten, welche die Beklagte zu entkräften hat (vgl. insbesondere OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 - 13 U 142/18 -, ZIP 2019, 863, Rdnr. 54 bei juris). Denn unstreitig haben Mitarbeiter der Beklagten die streitgegenständliche Software in Kenntnis deren Funktionsweise in die Motorsteuerung sämtlicher Motoren der genannten Baureihe integriert, obgleich die Funktionsweise für jeden offensichtlich dem Zweck des Verbots der Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 widersprach. Angesichts der Tragweite dieser Entscheidung, die eine ganze Diesel-Motorengeneration betraf, welche flächendeckend konzernweit in vielen Millionen Fahrzeugen eingesetzt werden sollte, erscheint es mehr als fernliegend, dass die Entscheidung für eine Steuerungssoftware mit der beschriebenen Wirkungsweise ohne Einbindung der Leitungsebene der Beklagten im erwähnten Sinne - mindestens derjenigen nach außen als verantwortlich auftretenden Personen unterhalb der eigentlichen Vorstandsebene - erfolgt und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte. Es handelt sich der Sache nach um eine Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den gesamten Konzern und auch massiven persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen, der bei den untergeordneten Konstrukteuren kein in Anbetracht der arbeits- und strafrechtlichen Risiken annähernd adäquater wirtschaftlicher Vorteil gegenübersteht.

Diese Vermutung wird noch verstärkt durch den Umstand, dass die Software unstreitig durch einen Zulieferer programmiert und geliefert wurde. Insoweit ist in einem ordnungsgemäß geführten Unternehmen zu erwarten, dass die Anforderungen an die Software mit der Bestellung in Form einer Leistungsbeschreibung niedergelegt sind. Weil es sich bei der Motorsteuerung um ein Kernstück des Motors handelt, widerspricht es jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass insoweit die Führungsebene des Unternehmens nicht eingebunden wurde. Wer die Zustimmung zur Entwicklung und zum Einsatz einer Software in der Motorsteuerung für Millionen von Neufahrzeugen erteilt, muss eine wichtige Funktion in einem Unternehmen haben und mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet sein. Soweit es sich dabei nicht um einen Vorstand handelt, spricht im Hinblick auf das Gewicht der Entscheidung zumindest eine starke tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um einen Repräsentanten im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt, weil er Entscheidungen trifft, die üblicherweise der Unternehmensführung vorbehalten sind.

Dieser tatsächlichen Vermutung ist die Beklagte nicht hinreichend entgegengetreten. Sie hat sich vielmehr darauf zurückgezogen, der Vortrag des Klägers sei nicht hinreichend konkret, und keines ihrer Vorstandsmitglieder im aktienrechtlichen Sinne habe im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses Kenntnis von der Entwicklung oder Verwendung der streitgegenständlichen Software in Fahrzeugen mit einer EG-Typgenehmigung gehabt. Das genügt nicht den Anforderungen des § 138 ZPO.

Zwar reicht gemäß § 138 Abs. 2 ZPO gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers in der Regel das einfache Bestreiten des Beklagten. Doch kann es der nicht darlegungsbelasteten Partei obliegen, ihren Sachvortrag darüber hinaus zu substanziieren. Ob und inwieweit dies der Fall ist, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen. Je detaillierter der Vortrag der darlegungsbelasteten Partei ist, desto höher ist die Erklärungslast des Gegners gemäß § 138 Abs. 2 ZPO (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2017 - II ZR 88/16 -, NJW 2018, 1089/1090 Rdnr. 19). Nach dieser Vorschrift hat sich eine Partei grundsätzlich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Sie darf sich also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen ist, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern muss erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgeht. Der Umfang der erforderlichen Substanziierung richtet sich dabei nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei. Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ausreicht oder ob ein substanziiertes Bestreiten erforderlich ist, hängt somit von dem Vortrag der Gegenseite ab. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine Partei einen Vortrag mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten kann, weil er Tatsachen betrifft, die weder eigene Handlungen noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Die Zulässigkeit einer solchen Erklärung schließt die Verpflichtung der Partei zu substanziiertem Bestreiten unabhängig von der Substanziierung des gegnerischen Vortrags aus (BGH, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12 -, NJW 2015, 468/469 Rdnr. 11 f).

Nach diesen Maßstäben hätte es der Beklagten oblegen, dem durch die erwähnte tatsächliche Vermutung gestützten Klägervortrag konkreter entgegenzutreten, als sie dies getan hat. Die in Rede stehenden Tatsachen sind als Interna der Beklagten der Wahrnehmung des Klägers entzogen, derweil sie Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Beklagten waren. Sie hätte also konkreter angeben können und müssen, wer die in Rede stehenden Entscheidungen tatsächlich getroffen hat. Dass ihr dies nach Jahren angeblicher Aufklärung nicht möglich sei, ist nicht substanziiert genug dargetan. Dass weder die Entscheidungsprozesse über die Strategie zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte noch die Beauftragung der Entwicklung der Manipulationssoftware aufzuklären sein sollten, erscheint schwer nachvollziehbar. Über die bloße Behauptung hinaus, durch die bisherigen internen Ermittlungen keine Hinweise auf eine Kenntnis des Vorstands erlangt zu haben, fehlt jeder Vortrag, was die Ermittlungen ergeben haben und woran eine weitere Aufklärung scheitert (zu zutreffend OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 - 13 U 142/18 -, ZIP 2019, 863, Rdnr. 82 bei juris; OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 - 20 U 3219/18 -, Rdnr. 57 bei juris)

c)

Die Beklagte hat bei dem Kläger kausal einen Schaden verursacht.

Der für eine Haftung aus § 826 BGB erforderliche Vermögensschaden ist in dem Abschluss des Kaufvertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug zu sehen (zum Folgenden m. u. N. OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 - 20 U 3219/18 -, Rdnr. 31 ff bei juris).

(1)

§ 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens begrifflich nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte und Rechtsgüter ab, weshalb der nach dieser Norm ersatzfähige Schaden weit verstanden wird. Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs angesichts der unzulässigen Abschalteinrichtung einen geringeren Marktwert hatte. Der Schaden des in die Irre geführten Käufers liegt in der Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. Entscheidend ist mithin allein, dass der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war.

(2)

Diese Voraussetzungen waren im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses - hier am 19.12.2013 - gegeben. Wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung drohte die Entziehung der EG-Typengenehmigung bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen mit der Folge, dass das Fahrzeug - im Fall der Nebenbestimmung: bis zur Nachrüstung - keinem genehmigten Typ mehr entsprach. Der Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, war damit bereits vor einer tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet. Denn wenn die EG-Typgenehmigung entzogen wird, droht die Stilllegung des Fahrzeugs; werden Nebenbestimmungen angeordnet, ist die fortdauernde Nutzbarkeit von einer Nachrüstung des Fahrzeugs durch den Hersteller abhängig. Das streitgegenständliche Fahrzeug war mithin für die Zwecke des Klägers nicht voll brauchbar, der Abschluss des Kaufvertrags begründete damit für den Kläger eine so nicht gewollte Verbindlichkeit. Ist der Schaden damit bereits mit dem Abschluss des Kaufvertrages eingetreten, kommt es auf die nachträglichen Maßnahmen der Beklagten zur Schadenswiedergutmachung in Form des so genannten Software-Updates nicht an.

(3)

Der Schaden wurde durch das Handeln der Beklagten verursacht. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Kraftfahrzeugkäufer vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würden, bei dem - ihnen bekannt - behördliche Maßnahmen bis hin zur Stilllegung drohen. Denn Zweck des Autokaufs ist grundsätzlich - abgesehen von hier nicht einschlägigen Sonderkonstellationen - der Erwerb zur Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr. Unerheblich ist, dass der Kläger das Fahrzeug nicht direkt von der Beklagten selbst erworben hat, sondern vielmehr von einer Händlerin. Die Beklagte hat den Kausalverlauf bereits durch das Inverkehrbringen des Motors in Gang gesetzt. Es war auch vorliegend zu erwarten, dass - wie allgemein - der Fahrzeughändler lediglich das ihm durch die Herstellerin des Fahrzeugs vermittelte Wissen weitergibt und der Käufer daher insoweit auf die Herstellerangaben sowie auf die Seriosität auch des Motoren-Herstellers vertraut (so auch Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 22. November 2019 - 17 U 44/19 -, Rdnr. 58 bei juris).

d)

Dieses Ergebnis ist nicht mit Rücksicht auf den Schutzzweck des hier verletzten Verhaltensgebots zu korrigieren. Zwar gilt für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen allgemein, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen. Allerdings war vorliegend bereits die Entscheidung der Beklagten sittenwidrig, die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Motoren der Baureihe EA189 in zur Veräußerung an ahnungslose Kunden vorgesehenen Fahrzeugen zu verbauen bzw. durch konzernangehörige Hersteller verbauen zu lassen. Der Sinn des entsprechenden Verhaltensverbots liegt dabei gerade in der Vermeidung solcher Schäden, wie sie der Kläger erlitten hat. Auf den lediglich öffentlich-rechtlichen Schutzcharakter des Fahrzeug-Zulassungsrechts kommt es in diesem Zusammenhang daher nicht an (OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. November 2019 - 17 U 146/19 -, WM 2020, 325, Rdnr. 47).

e)

Die Schadenszufügung erfolgte vorsätzlich und in Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände.

Der von § 826 BGB vorausgesetzte Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Er enthält ein Wissens- und Wollenselement. Es genügt daher nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt. Andererseits setzt § 826 BGB keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus. Vielmehr genügt für den Vorsatz im Rahmen des § 826 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Eventualvorsatz. Dabei braucht der Täter nicht im Einzelnen zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat. Wie stets bei inneren Tatsachen kann sich aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz gehandelt worden ist; von vorsätzlichem Handeln ist auszugehen, wenn der Schädiger so leichtfertig gehandelt hat, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss. Für den eigens festzustellenden subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt hingegen die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. November 2019 - 17 U 146/19 -, WM 2020, 325, Rdnr. 50 bei juris; OLG München, Urteil vom 15. Januar 2020 - 20 U 3219/18 -, Rdnr. 48, unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15 -, NJW 2017, 250, Rdnr. 25, sowie auf BGH, Urteil vom 13. September 2004, II ZR 276/02, NJW 2004, 3706, Rdnr. 36 bei juris; BGH, Urteil vom 11. September 2012 - VI ZR 92/11, WM 2012, 2195 Rdnr. 31).

Nach diesen Maßstäben ist vorliegend anzunehmen, dass Repräsentanten der Beklagten, deren Verhalten sie sich wie erläutert entsprechend § 31 BGB zurechnen lassen muss, die erwähnten Entscheidungen in Kenntnis ihrer möglichen Folgen trafen und folglich die Schädigung der Käufer von Fahrzeugen, in deren Motor die manipulative Software zum Einsatz kam, zumindest billigend in Kauf nahmen - und dies in Kenntnis derjenigen oben angeführten Umstände, die die Sittenwidrigkeit dieser Entscheidung begründen. Denn das Handeln zielte in seiner Gesamtheit gerade darauf, dass ahnungslose Käufer die mit den Motoren und ihrer Software ausgestatteten Fahrzeuge der Beklagten oder ihrer konzernangehörigen Gesellschaften und damit ein Produkt erwarben, das sie bei ausreichender Kenntnis der wahren Umstände nicht erworben hätten.

2.

Dem Anspruch steht auch nicht gemäß § 214 Abs. 1 BGB die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegen. Die Verjährung des Anspruchs aus § 826 ZPO richtet sich nach §§ 195, 199 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (BGH, Versäumnisurteil vom 17.06.2016 - V ZR 34/15, NJW 2017, 248 Rn. 10). Es ist weder erforderlich, dass der Gläubiger alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auf eine zutreffende rechtliche Würdigung kommt es dabei grundsätzlich nicht an (BGH, Urteil vom 08.05.2014 - I ZR 217/12 Rn. 38, juris). Die Kenntnis ist aber nicht schon dann gegeben, wenn der Geschädigte lediglich von Anknüpfungstatsachen weiß. Für eine Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände muss vielmehr hinzukommen, dass der Geschädigte aus den Anknüpfungstatsachen den Schluss auf eine Pflichtverletzung durch eine bestimmte Person zieht oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gezogen hat. Die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB trägt der Schuldner. Soweit es um Umstände aus der Sphäre des Gläubigers geht, hat er an der Sachaufklärung mitzuwirken und erforderlichenfalls darzulegen, was er zur Ermittlung der Voraussetzungen seiner Ansprüche und der Person des Schuldners getan hat (BGH, Versäumnisurteil vom 17.06.2016 - V ZR 34/15, NJW 2017, 248 Rn. 10 ff.).

Der Schadensersatzanspruch ist demnach zwar schon mit Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 2013 entstanden, es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Kläger vor Februar 2016 Kenntnis davon erlangt hat, dass sein Fahrzeug überhaupt von der als Dieselskandal bekannt gewordenen Problematik betroffen war. Zwar war der sog. Dieselskandal ab Herbst 2015, beginnend mit den Pressemitteilungen der Beklagten zu 2 vom 22.09.2015 und vom 16.10.2015, in der Medienberichterstattung omnipräsent. Der Kläger hat aber plausibel dargelegt, dass er zunächst lediglich von einer Betroffenheit von Fahrzeugen in den USA ausgegangen sei. Er habe keine Vorstellung davon gehabt, dass auch sein Fahrzeug betroffen sein könnte, zumal es immer geheißen habe, die Halter würden zu gegebener Zeit informiert. Er habe damals wenig ferngesehen, weil er und seine Frau an verschiedenen Orten studiert hätten und dadurch häufig gependelt seien. Er lese eher regional orientierte Wochenendzeitungen. In diesem Zusammenhang erwähnte er explizit den Preussenspiegel, der aber seine Ausgaben zum 31.03.2018 eingestellt hat, was dem Kläger offenbar nicht bekannt war. Dies belegt seine weitgehende Medienabstinenz. Erst als er im Februar 2016 ein Anschreiben der Beklagtenseite erhalten habe, sei ihm klar geworden, dass auch sein Fahrzeug betroffen sei.

Vor Erhalt dieses Anschreibens ist auch keine grob fahrlässige Unkenntnis Klägers festzustellen. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, mithin ein besonders schwerwiegendes Verschulden gegen sich selbst vorgeworfen werden können (BGH, Urteil vom 10.11.2009 - VI ZR 247/08, Rn. 13, NJW-RR 2010, 681). Für den Gläubiger besteht keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten (BGH, a. a. O:, Rn. 15). Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Das Unterlassen von Nachforschungen ist ebenso nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschädigten als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein und sich ihm der Verdacht einer möglichen Schädigung aufdrängen (BGH, a. a. O., Rn. 16).

Nach diesen Maßstäben kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, sich nicht bereits im Jahr 2015 erkundigt zu haben, ob sein Fahrzeug von dem sog. Dieselskandal betroffen ist. Zwar hatte die Beklagte im Herbst 2015 darüber informiert, dass sie eine Website eingerichtet habe, auf der jeder durch Eingabe seiner Fahrzeugidentifikationsnummer feststellen konnte, ob das eigene Fahrzeug mit der streitgegenständlichen Software zur Abgasmanipulation ausgestattet war. Auch wenn dies Gegenstand der Medienberichterstattung war, kann dem Kläger angesichts seiner Angaben zu seinem Medienverhalten nicht zur Last gelegt werden, dass ihn diese Informationen nicht erreicht haben. Die bloße Möglichkeit, sich über allgemein zugängliche Quellen weitere Informationen zu beschaffen, genügt nicht, um dem Kläger den Vorwurf der grob fahrlässigen Unkenntnis zu machen. Soweit die Auffassung vertreten wird, es sei geradezu unverständlich, die naheliegende und unschwer zugängliche Informationsquelle der Internetabfrage nicht in Anspruch genommen zu haben, auch ohne von den Behörden oder der Herstellerin des Motors individuell und unmittelbar durch direktes Anschreiben darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, und damit eine grobe Fahrlässigkeit bejaht wird (OLG Stuttgart, Urteil vom 07.04.2020 - 10 U 455/19, Rn. 51, 52, juris; OLG München, Hinweisbeschluss vom 05.02.2020 - 3 U 7392/19, Rn. 4, juris; OLG Köln, Beschluss vom 04.03.2020 - 26 U 73/19, Rn. 10 ff.), werden die Anforderungen überspannt (so im Ergebnis auch OLG Oldenburg, Urteil vom 21.02.2020 - 6 U 286/19, Rn. 77, juris).

Die Verjährung begann demnach erst mit Schluss des Jahres 2016 zu laufen, so dass bei Zustellung der Klageerweiterung auf die Beklagte zu 2 am 02.12.2019 die dreijährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen war.

3.

Der von der Beklagten dem Kläger zu ersetzende Schaden umfasst zum einen den für das streitgegenständliche Fahrzeug aufgewandten Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, zum anderen deliktische und Rechtshängigkeitszinsen.

a)

Der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB ist gemäß § 249 BGB auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet. Der Geschädigte kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses stünde. Besteht der Schaden in dem Abschluss eines ungewollten Vertrages, kann dem - wie hier von dem Kläger verlangt - durch Rückabwicklung des ungewollten Vertrages auch gegenüber einem Dritten (OLG München, Urteil vom 20. August 1999 - 14 U 860/98, DAR 1999, 506) Rechnung getragen werden.

b)

Neben der ihn treffenden Verpflichtung zur Herausgabe und der Übereignung des Fahrzeugs als solches, der der Kläger durch den Zug-um-Zug-Vorbehalt in seinem Antrag Rechnung getragen hat, muss er sich im Wege der Vorteilsausgleichung die tatsächlich gezogenen Nutzungen anrechnen lassen (ebenso bereits Senat, Urteile vom 04.03.2020 - 4 U 58/19 und 4 U 65/19;BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19, Rn. 64 ff.)

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben dem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren; sind der Ersatzanspruch und der Vorteil nicht gleichartig, muss der Schädiger den Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten. Der Anspruch des Geschädigten ist von vornherein nur mit der Einschränkung begründet, dass er die erlangten Vorteile herausgeben muss (siehe nur BGH, Urteil vom 23.06. 2015 - XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160, Rn. 23 f).

Eine Vorteilsausgleichung kommt allerdings nur in Betracht, wenn sie den Geschädigten nicht unzumutbar belastet und den Schädiger nicht unbillig entlastet (ständige Rechtsprechung des BGH, siehe nur Beschluss vom 01.06.2010 - VI ZR 346/08, NJW-RR 2010, 1663, Rn. 17 bei juris, und Urteil vom 24.03.1959 - VI ZR 90/58, NJW 1959, 1078). Die Mitteilung des Kilometerstandes und die Herausgabe der nach tatsächlich gefahrenen Kilometern, Gesamtlaufzeit des Fahrzeugs und Kaufpreis ermittelten Nutzungen sind einem Kläger aber grundsätzlich nicht unzumutbar. Auch ist die Beklagte als Schädiger durch den Abzug der nach der üblichen Formel errechneten Nutzungsvorteile nicht unbillig begünstigt. Eine unbillige Begünstigung des Schädigers ergibt sich im Allgemeinen nicht, wenn ausschließlich der Wert der gezogenen Nutzungen berücksichtigt wird, nicht hingegen der bei Kraftfahrzeugen überproportionale Wertverlust in den ersten Jahren - diesen hat ebenso wie einen etwaigen (zusätzlichen) erheblichen Minderwert infolge etwaiger Folgeprobleme durch das Aufspielen des Software-Updates der Schädiger mit (Rück)Erhalt des Fahrzeuges zu tragen.

Soweit in der Literatur (etwa Bruns, NJW 2019, 801/804 f.) diskutiert wird, ob mit der Anrechnung von Vorteilen nicht der Zweck des § 826 BGB jedenfalls dann verfehlt wird, wenn diese den Wegfall des Schadensersatzanspruchs insgesamt zur Folge hat, ist ein solcher Fall hier nicht gegeben. Im Übrigen hat der Anspruch nach § 826 BGB einen Schadensausgleich zur Folge und enthält kein pönales Element (OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.11.2018 - 17 U 146/19, WM 2020, 325 Rn. 100 ff).

Etwas anderes lässt sich auch nicht dem Zusammenspiel von § 142 Abs. 2 BGB und § 814 BGB entnehmen. Soweit die Auffassung vertreten wird, aus den vorgenannten Vorschriften folge, dass dem arglistig Täuschenden, der im Zug der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung die erhaltene Leistung herausgeben müsse, der Anspruch auf Rückgewähr seiner Gegenleistung verwehrt ist, trifft dies nicht zu. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (siehe nur BGH, Urteil vom 13.02.2008 - VIII ZR 208/07, NJW 2008, 1878, Rn. 15 f) ist § 814 BGB nicht anwendbar, wenn das Rechtsgeschäft, zu dessen Erfüllung geleistet worden ist, nur von dem Empfänger der Leistung angefochten werden kann und dieser sein Anfechtungsrecht zum Zeitpunkt der Leistung (noch) nicht ausgeübt hat. § 814 BGB setzt voraus, dass der Leistende in dem Zeitpunkt, in dem die Leistung erfolgt ist, dazu nicht verpflichtet war; daran fehlt es auch bei Annahme einer condictio indebiti, wenn das Rechtsgeschäft, zu dessen Erfüllung geleistet wird, lediglich von dem Empfänger der Leistung angefochten werden kann und dieser sein Anfechtungsrecht noch nicht ausgeübt hat. § 142 Abs. 2 BGB trägt dem Umstand Rechnung, dass derjenige, dem ein Anfechtungsrecht zusteht, zwar bis zur Anfechtung zur Leistung verpflichtet ist, aber die Möglichkeit hat, seine Leistungspflicht durch Ausübung des Gestaltungsrechts zu beseitigen. Der Leistende soll nicht kondizieren dürfen, wenn er geleistet hat, obwohl er wusste, dass er sich von seiner Leistungspflicht wegen eines Anfechtungsrechts hätte befreien können. Er würde sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen, wenn er später das Geleistete wieder zurückverlangen könnte (venire contra factum proprium). § 814 BGB ist insofern eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BGH, Urteil vom 18.01.1979 - VII ZR 165/78, BGHZ 73, 202/205 = NJW 1979, 763). Für den Fall einer Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts nur durch den Empfänger der Leistung kommt es dagegen auf die subjektiven Voraussetzungen des § 814 BGB, die durch § 142 Abs. 2 BGB modifiziert werden, nicht an. Vielmehr ist bereits der von § 814 BGB objektiv vorausgesetzte Umstand, das Fehlen einer (für den Leistenden uneingeschränkten) Leistungspflicht, nicht gegeben. Deshalb hat schon das Reichsgericht (RGZ 151, 361/376) angenommen, § 814 BGB greife in diesem Fall nicht ein. Das entspricht auch der einhelligen Auffassung im Schrifttum (siehe Nachweise in BGH, Urteil vom 13.02. 2008 - VIII ZR 208/07, NJW 2008, 1878 Rn. 17).

Es lässt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch kein Rechtssatz des Inhalts entnehmen, dass ein Vorteilsausgleich in Fällen einer sittenwidrigen Schädigung stets ausgeschlossen sei. Der BGH hat in der Vergangenheit in Fällen, in denen eine Inanspruchnahme des Schädigers auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB in Betracht kam, stets - wie bei anderen Anspruchsgrundlagen auch - die Frage der Vorteilsausgleichung nicht allein davon abhängig gemacht, ob das schädigende Ereignis für den Eintritt des Vorteils adäquat kausal geworden ist. Vielmehr muss zusätzlich im Ergebnis einer rechtlichen Wertung die Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadenersatzpflicht entsprechen, den Geschädigten nicht unzumutbar zu belasten und den Schädiger nicht unbillig zu begünstigen (so BGH, Urteil vom 22. Juni 1992 - II ZR 178/90, NJW 1992, 3167/3175, Rdnr. 111 bei juris). Ausdrücklich hat der BGH bei dem Schadensersatzanspruch eines "betrogenen" Kfz-Käufers aus den §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB, 826 BGB ausgeführt, dass sich dieser den Wert der von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen müsse, denn "diesen Vorteil hat er dadurch erlangt, dass er auf Grund des nichtigen Vertrages Besitzer des Wagens wurde und dadurch die Möglichkeit erhielt, ihn zu benutzen" (BGH, Urteil vom 02.07.1962 - VIII ZR 12/61, NJW 1962, 1909, Rn. 5 ff. vgl. auch BGH, Urteil vom 14.10.1971 - VII ZR 313/69, NJW 1972, 36, Rn. 15 m. w. N.).

Auch die teilweise vertretene Auffassung (Bruns, NJW 2019, 801/804 f.; LG Augsburg, Urteile vom 14.11.2018 - 21 O 4310/16, DAR 2019, 45 Rn. 20, und vom 05.12.2018 - 21 O 3267/17, NZV 2019, 147), die Anrechnung führe bei wertender Betrachtung unter dem Gesichtspunkt aufgedrängter Nutzungen und überpflichtgemäßer Anstrengungen zur Schadensminderung zu einer unbilligen Entlastung des vorsätzlich sittenwidrig handelnden Schädigers, teilt der Senat nicht. Danach soll es unbillig sein, dem Käufer eines Diesel-Pkws, der während der Dauer des Rechtsstreits und des Annahmeverzuges schadensmindernd das Fahrzeug weiter benutzt, den Anspruch aufzehrend zu kürzen, denn ihm habe alternativ nur die Möglichkeit zur Verfügung gestanden, das Fahrzeug stillzulegen oder, wenn er etwa als Berufspendler auf ein Fahrzeug angewiesen sei, für ein Ersatzfahrzeug zu sorgen. Die Weiterbenutzung erspare dem Schädiger die hierdurch entstehenden Schadensintensivierungen. Da überpflichtgemäße Anstrengungen des Geschädigten dem Schädiger nicht zugutekommen sollen, brauche der Geschädigte sich die Weiternutzung des Fahrzeugs nicht im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen zu lassen. In der bloßen Weiterbenutzung des Fahrzeuges ohne Einschränkung der tatsächlichen Nutzbarkeit kann jedoch keine überobligatorische Anstrengung des Pkw-Käufers gesehen werden. Hinzu kommt, dass der Kläger - wie im Folgenden aufgezeigt wird - einen Anspruch auf deliktische Zinsen aus dem Kaufpreis hat. Würde man die Anrechnung des Nutzungsersatzes versagen und gleichwohl die deliktischen Zinsen zusprechen, käme es zu einer Überkompensation des Klägers.

Der anzurechnende Nutzungsvorteil ist gemäß § 287 ZPO anhand des linearen Wertschwundes, also des anteiligen Verhältnisses des Preises des Fahrzeugerwerbes zur erwartbaren Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges einerseits und den gefahrenen Kilometern andererseits, zu schätzen (OLG München, Urteil vom 15.01.2020 - 20 U 3219/18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.11.2019 - 17 U 146/19, WM 2020, 325). Der Senat legt für das streitgegenständliche Fahrzeug eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km zugrunde. Damit errechnet sich eine von dem Kläger zu entrichtende Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.470,67 € (25.468 € : (300.000 - 15.016 km) x (53.825 km - 15.016), die von dem Kaufpreis in Höhe von 25.468 € in Abzug zu bringen ist.

Es besteht kein Grund, den so errechneten Nutzungsvorteil im Hinblick auf die unzulässige Abschalteinrichtung herabzusetzen. Die Berücksichtigung eines mit dem Mangel der Sache verbundenen Minderwerts kommt nur in Betracht, wenn der Mangel die tatsächliche Nutzung erheblich eingeschränkt hat (ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 - 13 U 142/18, ZIP 2019, 863, Rn. 125 bei juris). Im vorliegenden Fall war allein die fortdauernde Nutzbarkeit des Pkw aus Rechtsgründen nicht sichergestellt; auf den tatsächlichen Gebrauch hatte dies aber keinerlei Auswirkungen. Jedenfalls hat der Kläger hierzu nichts vorgetragen.

Im Ergebnis verbleibt ein Zahlbetrag in Höhe von 21.997,33 €.

c)

Der Kläger hat außerdem einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von 4 % aus dem Kaufpreis vom 19.12.2013 bis zum 01.12.2019, §§ 246, 849 BGB (ebenso bereits Senat, Urteile vom 04.03.2020 - 4 U 58/19 und 4 U 65/19). Ein Anspruch auf Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2017 steht ihm hingegen nicht zu, weil er die Beklagte zu 2 nicht in Verzug gesetzt hat. Da der Basiszinssatz seit dem 01.01.2017 durchgehend aber 0,88% beträgt, hat der Kläger a maiore ad minus unter dem Gesichtspunkt der deliktischen Haftung Anspruch auf eine Verzinsung in Höhe von 4%.

§ 849 BGB erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung wie beim Betrug oder der Erpressung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm. Die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird (BGH, Versäumnisurteil vom 26.11.2007 - II ZR 167/06, NJW 2008, 1084, Rn. 4, juris). Auch dass der Kläger den Kaufpreis freiwillig gezahlt hat, ist vom Anwendungsbereich des § 849 BGB gedeckt. Die "Entziehung einer Sache" im Sinne des § 849 BGB liegt nämlich auch dann vor, wenn es sich um jegliche Form von Geld handelt, und der Geschädigte durch die unerlaubte Handlung bestimmt wird, dieses wegzugeben (BGH ebd.). Zu verzinsen ist der gesamte gezahlte Kaufpreis ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung. § 849 BGB will dem Geschädigten die Beweislast dafür abnehmen, welchen Schaden er durch die Einbuße an Nutzbarkeit der (hingegebenen) Sache erlitten hat, indem er ihm ohne Nachweis eines konkreten Schadens - als pauschalierten Mindestbetrag des Nutzungsentgangs - Schadensersatz in Form von Zinszahlungen zuerkennt (BGH, Urteil vom 24.02.1983 - VI ZR 191/81, NJW 1983, 1614, Rn. 3 bei juris m. w. N.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.11.2019 - 17 U 146/19, WM 2020, 325, Rn. 113). Der Zweck der Vorschrift liegt darin, den später nicht nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen (BGH, Versäumnisurteil vom 26.11.2007 - II ZR 167/06, NJW 2008, 1084, Rn. 6 bei juris). Anknüpfungspunkt für die Verzinsung ist demnach in Fällen entzogener Geldbeträge der zum Zeitpunkt der Schädigungshandlung eintretende Verlust der Nutzbarkeit des Geldbetrages. Dieser Verlust der Nutzbarkeit des zur Bezahlung des Kaufpreises eingesetzten Geldbetrages wird nicht dadurch ausgeglichen, dass der Fahrzeugerwerber einen möglicherweise gleichwertigen Pkw erhält. Eine derartige Einschränkung des pauschalierten Ersatzanspruchs findet sich weder im Gesetz noch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (OLG Karlsruhe ebd., Rn. 114). Dem steht entgegen der Auffassung anderer Oberlandesgerichte (vgl. etwa: OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 - I- 13 U 149/18, Rn. 99, juris) auch nicht entgegen, dass der Zinsanspruch nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 26.11.2007 - II ZR 167/05, Rn. 5, juris) mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen soll, der durch den "späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache" nicht nachgeholt werden kann. Bei der Nutzung einer Sache, die der Käufer aufgrund eines durch deliktisches Handeln herbeigeführten ungewollten Vertrages als Gegenleistung für dadurch entzogenes Geld erhaltenen hat, handelt es sich nicht um eine solche, die geeignet wäre, die Nutzung des entzogenen Geldes im Sinne dieser BGH-Rechtsprechung zu kompensieren. Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Hauptanspruch auf Schadensersatz unabhängig von der Werthaltigkeit der Gegenleistung zu. Würde man in Widerspruch dazu für den Nebenanspruch aus § 849 BGB auf die Werthaltigkeit der Gegenleistung abstellen, könnte sich dieser im Laufe des Verfahrens ändern, was eine kontinuierliche Antragsanpassung nötig machen würde. Durch das Abkoppeln des Schadens von der tatsächlichen Werthaltigkeit der Gegenleistung und eine abstrakte Pauschalierung soll dies aber gerade vermieden werden (OLG Karlsruhe, ebd., Rn. 115). Schließlich würde ein Absehen von der Anwendung des § 849 BGB bei gleichzeitiger Anrechnung einer Nutzungsentschädigung zu einer Privilegierung der Beklagten führen, die angesichts der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nicht gerechtfertigt ist (OLG Karlsruhe, ebd., Rn. 116).

Der Kläger hat darüber hinaus ab dem 02.12.2019 einen Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem um den Nutzungsvorteil reduzierten Kaufpreis.

Soweit der Kläger neben dem Kaufpreis einen Betrag von 296,41 € nebst Zinsen für Reparaturkosten (im Wesentlichen Schrauben- und Filteraustausch), gezahlt am 23.06.2017, und Kosten für die Hauptuntersuchung in Höhe von 105 €, gezahlt am 22.03.2018, geltend macht, sind diese nicht gemäß § 826 BGB zu erstatten. Gewöhnliche Erhaltungsmaßnahmen (Austausch von Verschleißteilen) und Reparaturmaßnahmen sind nur mittelbar durch den ungewollten Kauf veranlasst und deshalb nicht vom Schutzzweck des § 826 BGB erfasst. Die Haftung ist auf Schäden beschränkt, die dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen, vorliegend mithin dem durch Täuschung der Zulassungsbehörden verursachten Risiko der Betriebsuntersagung. Erhaltungs- und Reparaturkosten dienen hingegen der Fahrzeugnutzung und entstehen unabhängig von möglichen zulassungsrechtlichen Konsequenzen der von der Beklagten entwickelten Steuerungssoftware (so auch OLG Hamm, Urteil vom 05.03.2020 - 13 U 326/18, Rn. 111 ff., zitiert nach juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 14.02.2020 - 2 U 128/19, Rn. 68, zitiert nach juris). Sie führen - anders als die für den Erwerb der Sache aufzuwendenden Beträge - nicht zu einer von der Beklagten auszugleichenden Vermögenseinbuße des Klägers, weil sie (nicht anders als eine Tankfüllung) unmittelbar der ungestörten Nutzung des Fahrzeuges dienen und diese Investitionen in den laufenden Betrieb des Fahrzeuges daher bereits durch die bestehende Nutzungsmöglichkeit aufgewogen werden (KG Berlin, Urteil vom 26.09.2019 - 4 U 77/18, Rn. 184, juris). Ein Anspruch nach § 304 BGB, der den Ersatz von Mehraufwendungen für den Erhalt der Sache während des Annahmeverzugs vorsieht, scheitert bereits daran, dass der Kläger die Beklagte zu 2 zum Zeitpunkt der getätigten Aufwendungen noch nicht in Verzug gesetzt hatte.

4.

Der auf Feststellung des Annahmeverzuges gerichtete Klageantrag zu 2. ist ebenfalls zulässig und begründet. Das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus §§ 274 Abs. 2 BGB, 756 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1987 - VIII ZR 206/86, WM 1987, 1496). Die Beklagte befindet sich auch gemäß §§ 293, 295 BGB im Annahmeverzug. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges liegen ab Zustellung der Klageschrift vor. Die Beklagte verweigert bis heute sowohl jegliche Zahlung als auch die Entgegennahme des Fahrzeugs. Der Kläger hat bei der Geltendmachung des Zahlbetrages auch von vornherein den anzurechnenden Nutzungsersatz berücksichtigt.

III.

1.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

2.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 1 und 2 sowie 711 ZPO.

3.

Die Revision ist - soweit die Beklagte zu 2 verurteilt wurde - trotz der am 25.05.2020 verkündeten Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zum Az. VI ZR 252/19 gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da die hier vertretene Auffassung zur Erstattungsfähigkeit von Zinsen gemäß § 849 BGB von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte, etwa derjenigen des OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 - I- 13 U 149/18, abweicht.

4.

Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 39 Abs. 1, 43 und 47 sowie 48 GKG.