Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 03.04.2019 - 2 W 33/18
Fundstelle
openJur 2020, 38632
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 16. Juli 2018 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 25. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.

Gründe

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 und 3, 567 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet.

Es fehlt bereits an der erforderlichen Erfolgsaussicht und zwar nicht nur, soweit das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen hat, sondern für die Klageforderung insgesamt. Aufgrund des Verschlechterungsverbotes (reformatio in peius) ändert dies nichts an der bereits bewilligten Prozesskostenhilfe.

Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner kein Schadensersatzanspruch aus Staatshaftung gemäß § 839 BGB iVm Art. 34 GG oder aus dem Staatshaftungsgesetz zu.

Ein solcher Schadensersatzanspruch, der auch den Verdienstausfall umfassen kann, setzt zunächst eine Amtspflichtverletzung voraus. Die Amtspflichtverletzung besteht in der Nichtbeschaffung des Kita-Platzes trotz rechtzeitiger Bedarfsanmeldung beim zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, wobei die Amtspflicht, die in der Gewährleistungspflicht des Jugendhilfeträgers besteht, im Wege des Drittschutzes auf die Eltern ausgedehnt wird (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2016, III ZR 278/15, NJW 2017, 397 ff). Vorliegend ist bereits nicht vorgetragen und erkennbar, ob eine solch rechtzeitige Bedarfsanmeldung vorlag. Eine Anmeldung beim Landkreis ist unstreitig nicht erfolgt, hier erfolgte die erste Mitteilung durch Geltendmachung des Schadensersatzanspruches mit Schreiben vom 29. August 2017. Offen bleiben kann, ob ein Antrag nur gegenüber der Wohnortgemeinde genügen würde (so OVG Bautzen, Urteil vom 14.03.2017, 4 A 280/16, zit. nach juris unter Verweis auf § 16 Abs. 2 SGB I). Nach dem zwischen dem Landkreis und der Stadt W... geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag entscheidet die Kommune über das Bestehen und den Umfang des Anspruchs nach § 1 KitaG und muss deshalb Anträge auf Bereitstellung eines Kindergartenplatzes bearbeiten. Da der Jugendhilfeträger die umfassende Gewährleistungspflicht behält und deshalb verantwortlich für die Bereitstellung notfalls eigener Plätze bleibt, muss er, wenn er denn noch Einfluss nehmen und notfalls einen Platz zusätzlich bereitstellen soll, von dem nicht zur Verfügung gestellten Platz rechtzeitig genug wissen. Rechtzeitig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Landkreis die Gelegenheit haben muss, noch reagieren zu können, sei es durch Umorganisation, Aufstockung von Platzzahlen u.U. unter Inkaufnahme eines höheren Betreuungsschlüssels, ggf. auch durch kurzfristige Anmietung weiterer Räumlichkeiten und ggf. Einstellung von Personal. Letztlich kann hier dahingestellt bleiben, ob der Landkreis bereits durch die Stadt W... hätte informiert werden müssen. Denn die Antragstellerin trägt nicht einmal einen rechtzeitigen Antrag gegenüber der Stadt W... vor. So hat sie zwar am 3. April 2017 einen Antrag in der Nachbargemeinde von W..., in Sch..., gestellt. Dieser ist indes aufgrund der Antragstellung in einer Fremdgemeinde (und nur dort) nicht relevant. Wann sie die Bereitstellung eines Kindergartenplatzes gegenüber der Stadt W... verlangt hat, wird nicht vorgetragen. Dass es einen solchen Antrag gegeben haben muss, geht lediglich aus der Antwort der Stadt W... durch Bescheid vom 04.07.2017 hervor.

Darüber hinaus könnte ein Anspruch auf Schadensersatz daran scheitern, dass die Antragstellerin den nach § 839 Abs. 3 BGB bzw. § 2 StHG erforderlichen Primärrechtsschutz unterlassen hat. So wäre es nach Auffassung des Senats geboten und zumutbar gewesen, trotz des relativ kurzen Zeitraums zwischen Anspruchsbeginn und zugesagtem Kindergartenplatz (17.07.2017 bis 25.09.2017) verwaltungsrechtlichen, einstweiligen Rechtsschutz auf Zurverfügungstellung eines Kitaplatzes zu begehren. Dies hätte, einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf vorausgesetzt, dazu führen können, dass der Antragsgegner vielleicht zu einem früheren Zeitpunkt, einen Kitaplatz zur Verfügung gestellt hätte. Unerheblich ist dabei zunächst, ob der Landkreis in der Lage gewesen wäre, einen zusätzlichen Kitaplatz bereit zu stellen, insbesondere, ob er allen nicht berücksichtigten W... Kindern einen solchen Platz hätte zur Verfügung stellen können. Denn zunächst kann davon ausgegangen werden, dass der Landkreis jedenfalls diejenigen, zugunsten derer eine Gerichtsentscheidung ergangen wäre, vorrangig berücksichtigt hätte (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 11.03.2010, III ZR 124/09, NJW-RR 2010, 1465). Zudem unterliegt der Anspruch auf frühkindliche Förderung keinem Kapazitätsvorbehalt. Der Landkreis muss den gesetzlich bestehenden Anspruch trotz Kapazitätsengpässen zur Verfügung stellen (vgl. Verwaltungsgerichts Potsdam, Beschluss vom 13.03.2018, VG 7 L 423/18, zit. nach juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.03.2018, OVG 6 S 2/18, LKV 2018, 181, zit. nach juris).

Auf die Schadenshöhe kommt es dementsprechend vorliegend nicht an.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.