LG Cottbus, Urteil vom 17.10.2019 - 6 O 82/18
Fundstelle
openJur 2020, 38516
  • Rkr:
Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 21.03.2019 wird insoweit aufrechterhalten, als der Beklagte zur Zahlung von 5.597,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2016 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 362,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.9.2017 verurteilt worden ist.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 21.03.2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

4. Der Streitwert wird auf 5.624,71 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Auskehr von Fremdgeldern.

Der Beklagte war von 2009 bis 2015 mit der Geltendmachung von Schadensersatzforderungen im Zusammenhang mit dem Unfalltod des Ehemannes der Klägerin beauftragt. Im Rahmen des vorgerichtlichen Schriftverkehrs mit den damaligen Beklagten, u. a. die ............., reichte der Beklagte am 10.10.2012 einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nebst Klageentwurf bei dem damalig zuständigen Landgericht Bautzen ein. Hierin war ein Streitwert von 116.297,48 EUR angegeben. Unter dem 12.07.2013 bewilligte das Landgericht Görlitz - Außenkammer Bautzen - der Klägerin für das damalige Verfahren Prozesskostenhilfe.

Unter dem 29.10.2013 reichte der Beklagte sodann als Prozessbevollmächtigter der Klägerin Klage beim Landgericht Bautzen ein. Am 16.04.2014 fand ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt. Nach gescheiterten Vergleichsgesprächen erging am 11.06.2014 ein Urteil des Landgerichts Görlitz, wonach die Beklagten des dortigen Verfahrens verurteilt wurden, an die Klägerin 18.774,25 € nebst Zinsen, eine monatliche Unterhaltsrente in Höhe von 397,24 € beginnend ab März 2014 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 961,28 € zu zahlen.

Die Prozessbevollmächtigten des damaligen Beklagten, u. a. die ............., legten gegen dieses Urteil Berufung ein. Der Beklagte war für die Klägerin zunächst auch in dem Berufungsverfahren tätig. Letztendlich beantragte Rechtsanwalt ............. für die Klägerin Prozesskostenhilfe. Mit Beschluss vom 14.04.2015 bewilligte das Oberlandesgericht Dresden der Klägerin für das Verfahren zweiter Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts ..............

Der Rechtsstreit endete durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 29.04.2015, wonach auf die Berufung der dortigen Beklagten, der ............., das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 11.06.2014, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.10.2014, teilweise abgeändert und neu gefasst wurde. Die Klägerin wohnte dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Dresden nicht bei.

Zwischen Dezember 2009 und Januar 2016 zahlte die damalige Beklagte, die ............., aufgeteilt auf mehrere Zahlungen insgesamt eine Summe in Höhe von 9.411,18 €, für die Klägerin an den Beklagten auf dessen Fremdgeldkonto.

Die Klägerin kündigte das Mandat gegenüber dem Beklagten zum 15.03.2016. Die Klägerin forderte den Beklagten mit anwaltlichem Schriftsatz vom 07.04.2016 zur Auskehr der Fremdgelder in Höhe von 9.411,18 € bis zum 22.04.2016 auf. Der Beklagte zahlte daraufhin einen Teilbetrag in Höhe von 3.786,47 €.

Die Klägerin meint, dass ihr gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch in Höhe von 5.624,71 EUR zustehe. Dieser ergebe sich aus dem von ............. gezahlten Betrag in Höhe von 9.411,18 EUR abzüglich der seitens des Beklagten gezahlten 3.786,47 EUR. Die Klägerin behauptet, dass sich der Beklagte eigenmächtig und ohne Rücksprache mit der Klägerin die Zahlungen der damaligen Beklagten, der ............., auf sein Fremdgeldkonto überweisen ließ. Er habe sich zudem während des gesamten Verfahrens treuwidrig verhalten. Er habe zum einen der Klägerin den vorgerichtlichen Schriftverkehr mit der damaligen Beklagten nicht zugänglich gemacht. Zum anderen habe er ihr zunächst die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen in Höhe von über 800.000,00 EUR in Aussicht gestellt. Auch habe er sie ungefragt darauf hingewiesen, dass sie nicht die Kosten der Rechtsverfolgung tragen müsse, sondern diese durch die Versicherung zu tragen seien. Ferner habe er die Prozesskostenhilfeanträge ohne Rücksprache mit der Klägerin gestellt. Auch sei sie durch den für den Beklagten tätig gewordenen Herrn Rechtsanwalt ............. nicht über den Termin vor dem Oberlandesgericht Dresden unterrichtet worden. Die Gebührenforderungen des Beklagten gegenüber der Klägerin seien insgesamt fehlerhaft. Der Klägerin sei beispielsweise nicht erklärlich, auf welches Ermittlungsverfahren sich die geltend gemachten Gebühren nach Nr. 4100 ff. VV RVG bezögen, eine entsprechende Beauftragung habe es nicht gegeben. Auch habe der Beklagte der Klägerin zu Unrecht eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Rechnung gestellt, obwohl der Klägerin Prozesskostenhilfe gewährt wurde. Auch habe der Beklagte der Klägerin in diesem Zusammenhang zu Unrecht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3335 VV RVG in Rechnung gestellt. Auch dürfe der Beklagte seiner Gebührenforderungen nicht den Wert von 912.257,76 € zu Grunde legen, sondern allenfalls den gerichtlich zuerkannten Gegenstandswert in Höhe der zuerkannten Leistungshöhe von 27.714,10 €.

Das Landgericht Cottbus hat den Beklagten aufgrund seiner Säumnis im Termin vom 21.03.2019 im Wege des Versäumnisurteils zur Zahlung in Höhe von 5.624,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2016 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 362,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.9.2017 verurteilt. Gegen das am 05.04.2019 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 18.04.2019 am 18.04.2019 Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil des Landgerichts Cottbus vom 21.03.2019 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil des Landgerichts Cottbus vom 21.03.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, er habe offene Gegenforderungen in Höhe von 13.622,28 EUR aus seiner Tätigkeit für die Klägerin, welche er gegen die Forderung der Klägerin auf Auskehr des Fremdgeldes verrechnen könne. Er meint, er sei gemäß § 58 Abs. 2 RVG berechtigt, Zahlungen, die er vor oder nach der Beiordnung erhalten habe, auf die Differenz zwischen der gewährten PKH-Vergütung und der Wahlanwaltsgebühr anzurechnen. Er habe auf Wunsch der Klägerin eine Prognose über den ersatzfähigen Schaden abgegeben. Diese beruhte auf den Angaben, welche die Klägerin ihm gegenüber über ihre Einkommensverhältnisse gemacht habe, welche letztlich nicht mit den nachweisbaren Einkommensverhältnissen übereinstimmten. Darüber hinaus habe er die Klägerin im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vertreten.

Gründe

Der Einspruch ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gem. §§ 338, 339 Abs. 1, 340 ZPO eingelegt.

In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Auskehr der vereinnahmten Fremdgelder in Höhe von 5.624,21 EUR gem. § 667 BGB zu.

Die Parteien schlossen einen Rechtsanwaltsberatungsvertrag. Dieser ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter im Sinne des §§ 675 Abs. 1, 611 BGB. Im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses war der Beklagte gem. §§ 675 Abs. 1, 667 BGB verpflichtet, der Klägerin alles, war er zur Ausführung des Auftrages erhält und was er aus dieser Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Dazu zählen in erster Linie im Rahmen eines Anwaltsvertrages auch Fremdgelder, die dieser im Zuge des geführten Rechtsstreits erhält.

Der Beklagte hat unstreitig Fremdgelder in Höhe von 9.411,18 € im Zuge seiner Tätigkeit in den Schadensersatzprozessen gegen die .............für die Klägerin erlangt und lediglich in Höhe von 3.788,47 € an diese ausgekehrt. Die von dem Beklagten noch einbehaltenen 5.624,21 EUR stehen jedoch ebenfalls der Klägerin nach Auftragsbeendigung zu, weil diese im Rahmen der Ausführung seiner Tätigkeit als Prozessvertreter für die Klägerin zunächst an den Beklagten gezahlt wurden, aber rechtlich der Klägerin als Geschädigte gebührten.

Der Anspruch der Klägerin ist insoweit auch nicht durch eine wirksame Aufrechnung des Beklagten gem. §§ 388, 389 BGB wegen etwaiger noch ausstehender Vergütungsansprüche gegen die Klägerin gem. § 675 Abs. 1 BGB erloschen.

Der Beklagte hat das Bestehen einer wirksamen und fälligen Gegenforderung und damit die Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung gem. §§ 387, 389 BGB, ausgenommen ein Teil der im Schreiben vom 21.4.2016 abgerechneten Hebegebühr, nicht hinreichend substantiiert dargelegt und bewiesen.

1. Die im Schreiben vom 21.4.2016 im Rahmen eines behaupteten Vergütungsanspruchs abgerechnete Hebegebühr ist in Höhe von 26,43 EUR gerechtfertigt. Dieser Betrag ergibt sich ausgehend von dem Auszahlungsbetrag in Höhe von 3.786,47 EUR abzüglich 2.500,00 EUR und der Summe von 1.286,47 EUR x 0,5 : 100 - 6,43 + 20.00 EUR. Insoweit greift die Aufrechnung des Beklagten durch und die Klageforderung gilt in Höhe dieses Betrages gem. § 389 BGB als erloschen.

2. Einen vertraglichen Vergütungsanspruch für eine Vertretung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens nach Nr. 4100 VV RVG kann der Beklagte nicht gegenüber der Klägerin geltend machen. Der Beklagte legt nicht hinreichend substantiiert seine Tätigkeit im Rahmen eines irgendwie gearteten Ermittlungsverfahrens dar und stellt diese auch nicht, durch z. B. im Rahmen des Ermittlungsverfahrens verfasste Schriftsätze oder die Angabe eines Aktenzeichens, unter Beweis.

3. Dem Beklagten steht auch kein Vergütungsanspruch im Hinblick auf eine Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG gegenüber der Klägerin zu. Zum einen ist es für das Gericht nicht nachvollziehbar, ja geradezu unverständlich und im Grenzbereich des Erlaubten liegend, warum der Beklagte gegenüber der Klägerin einen Auftragswert in Höhe von 912.257,76 € abrechnet, obwohl er dieser zunächst 800.000,00 € als mögliche Schadensersatzforderung in Aussicht stellte; gegenüber der damaligen Haftpflichtversicherung .............jedoch nur den Erledigungswert in Höhe von 27.714,10 €. Es fehlt diesbezüglich trotz gerichtlichen Hinweises ein schlüssiger und substantiierter Vortrag des Beklagten. Zum anderen wurde die Geschäftsgebühr in Höhe des Erledigungswertes seitens der .............mit der Zahlung an den Beklagten beglichen.

Die Abrechnung des Beklagten ist weiterhin aus mehreren Gründen nicht nachvollziehbar, neben dem nicht erklärlichen Streitwert von 912.000,00 € (Seite 4 der Klageerwiderung unter III.). In der Einspruchsbegründung führt dann der Beklagte aus, dass eine Klage beim Landgericht Bautzen über 112.000,00 € eingereicht wurde und der außergerichtliche Streitwert zumindest wegen Zahlung der Versicherung von über 27.000,00 € 144.000,00 € betragen müsse. Es ist aber immer noch eine ganz erhebliche Differenz zu einem Streitwert von 912.000,00 €, der wohl nichts, aber auch nicht das Geringste mit der Realität zu tun hat. Hier stellt sich die Frage: Ein (kapitales) Versehen oder ...? Interessant ist dann auch die Abrechnung unter II, welche nach dem "Erledigungsinteresse" erfolgte. Da im Allgemeinen mit Erledigungsinteresse das Kosteninteresse gemeint ist, stellt sich wiederum die Frage: Will der Beklagte die Angelegenheit in 2 Angelegenheiten gespalten haben, nämlich einmal die Hauptforderung zu verfolgen und in einer getrennten Angelegenheit die Kosten der Rechtsverfolgung? Und das, obwohl Kosten immer eine Nebenforderung sind.

4. Der Beklagte hat es auch unterlassen, die Klägerin über die Möglichkeit einer Befreiung von den Vergütungsansprüchen für die vorgerichtliche Tätigkeit im Wege eine Beratungshilfe zu informieren, obwohl ihm die finanzielle Situation der Klägerin bekannt war. Er hätte von dem Einkommen des verstorbenen Ehemannes und dem Einkommen der Schwiegereltern und in Kenntnis von den Einkommensteuerbescheiden der Klägerin aus dem Jahr 2008 nicht auf ein auskömmliches Einkommen der Klägerin schließen dürfen.

5. Abschließend war der Beklagte auch nicht berechtigt eine Verfahrensgebühr für das Verfahren über den Prozesskostenhilfeanspruch nach Nr. 3335 VV RVG anzusetzen.

Er kann insoweit keine vertraglichen Vergütungsansprüche gegen die Klägerin geltend machen. Denn die bewilligte Prozesskostenhilfe entfaltet eine grundsätzliche Sperrwirkung gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gegenüber den Ansprüchen des beigeordneten Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten. Die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO greift auch, wenn die Gebührentatbestände, wie im hiesigen Fall, bereits vor der Beiordnung erfüllt waren (Seiler in Thomas/Putzo § 122 ZPO Rn 3). Darüber hinaus ist die Berechnung der Gebühr nicht schlüssig, weil der zugrunde gelegte Wert von 48.794,14 € nicht nachvollzogen werden kann. Der Beklagte hat auch mit Blick auf den Hinweisbeschluss der Kammer vom 16.04.2019 seinen Vortrag nicht weiter substantiiert.

Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und Abs. 3, 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und S. 3 ZPO.